„Ein engagierter Streiter für Demokratie und Freiheit“

Zum Tod von Werner Schulz

Der Berliner Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Tom Sello, trauert um Werner Schulz: „Mit Werner Schulz verlieren wir einen langjährigen Wegbegleiter aus der DDR-Opposition und einen engagierten Streiter für Demokratie und Freiheit – meinungsstark, wortgewaltig und polarisierend.“ Er starb am 9. November 2022 im Alter von 72 Jahren.

Werner Schulz wurde 1950 in Zwickau geboren, machte dort Lehre und Abitur. Trotz seiner Sympathien für den Prager Frühling, unterschrieb er unter Druck eine Erklärung, die den Einmarsch sowjetischer Truppen und die Niederschlagung der Reformbewegung begrüßte. Im Falle einer Weigerung hatte ihm die Humboldt Universität zu Berlin den Rauswurf angedroht. Den 18-Jährigen plagten deshalb Selbstvorwürfe und der Konflikt prägte sein späteres Leben. Fortan fiel er dadurch auf, dass er gegen den Strom schwimmt und Konflikten nicht ausweicht.

Werner Schulz 2010 bei einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung

Werner Schulz 2010 bei einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung

In den 1970er-Jahren bekam Werner Schulz in Ost-Berlin Kontakt zu Kritikern der SED-Herrschaft. Als sowjetische Truppen in Afghanistan einmarschierten, protestierte er im Januar 1980 dagegen. Er verlor deshalb seine Stelle als wissenschaftlicher Assistent an der Humboldt-Universität und konnte die Promotion nicht abschließen. Werner Schulz gründete 1981 den Pankower Friedenskreis mit.

1989 protestierte er gegen den Wahlbetrug des SED-Regimes und engagierte sich im Neuen Forum, dessen Vertreter er am Zentralen Runden Tisch war. Er arbeitete dort an einer neuen demokratischen Verfassung für die DDR mit, die er als eine Voraussetzung für die deutsche Vereinigung ansah. Im März 1990 zog er als Abgeordneter von Bündnis 90 in die erste frei gewählte Volkskammer ein. Mehr als 20 Jahre gestaltete er im vereinten Deutschland Politik mit als Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und später im Europäischen Parlament.

Als andere sich noch vom russischen Präsidenten blenden ließen, kritisierte Werner Schulz Putins imperiale Ansprüche und erkannte deren Wurzeln im sowjetischen Kommunismus. Nach seiner politischen Laufbahn hat er sich weiter eingemischt, auch beim Thema Russland.

Als deutschen Nationalfeiertag hätte Werner Schulz den 9. November dem 3. Oktober vorgezogen. Am 9. November 2022 war Werner Schulz zu einer Debatte über dieses besondere Datum in der deutschen Geschichte ins Schloss Bellevue eingeladen. Bevor er zu Wort kam, wurde Werner Schulz aus dem Leben gerissen.

Tom Sello: „Wir werden Werner Schulz in ehrender Erinnerung behalten. Ich werde ihn vermissen.“