VHS: Wie habt ihr diesen Foto-Tag im Juni empfunden?
Helen Haukamp: Zu der Zeit hatte in Berlin ja alles geschlossen. Es war das erste Mal, dass ich in so einem Gebäude in eine Maskensituation mit anderen Menschen kam. Das war ungewohnt, aber erstaunlicherweise nicht unangenehm. Es war cool mit so verschiedenen Menschen durch die VHS zu ziehen. Und auch mal die verschiedenen Räume zu sehen. Ich lerne unglaublich gerne. Wir haben an dem Tag ja wirkliche Unterrichtssituationen gespielt. Das hebräische Alphabet kennen lernen, und in den Schmuck- und Keramikräumen spielen, der Freiraum in den Tanzsälen. Das Tanzen mit euch hat Spaß gemacht und ich hätte euch gern mehr Tricks mit dem Reifen gezeigt. Das haben wir ja in diesem gemütlichen hinteren Garten gemacht. Ich weiß noch, dass wir alle nasse Füße hatten, weil der Hausmeister vorher den Rasen gesprengt hatte. Und ich war schon in diesem Unterrichtswahn, in den man als Lehrerin gerät, als wir wieder gestoppt wurden!
VHS: Ha! Ja. Immer wenn in der Gruppe das Lernfieber eingesetzt hat, hatte der Fotograf genug im Kasten und ich habe euch weiter durchs Haus getrieben.
Helen Haukamp: Genau! Es gibt auch dieses Foto, wo ich die Erste in der Warteschlange bin und die Greeterin Doreen mir am Empfang das Programmheft zeigt. Das haben wir zusammen durchgeblättert und uns vor allem die vielen Sprachkurse angeschaut. Ich hätte mich für jeden zweiten Kurs am liebsten direkt angemeldet.
Nari Park: Ich erinnere mich, wie ich fand, dass die Emotionen hinter den Masken so schwer erkennbar sind. Ich habe mit der Zeit gelernt, genauer hinzusehen, um ein Lächeln zu erkennen. Meine Tochter war an dem Tag dabei und ist überall rumgelaufen. Und ich habe mit Todd über unsere Kinder gesprochen.
Todd Stuchiner: Ja, wir haben darüber geredet, wie es ist, wenn Kinder zweisprachig oder dreisprachig aufwachsen. Und über die Phasen, wenn man Zweifel hat, ob man das schafft mit dem Deutschlernen. Wir haben beide Schwierigkeiten, die Vokabeln zu lernen und ich habe von dir Ermutigung bekommen. Ich weiß noch, dass ich an dem Tag auch Traurigkeit spürte, weil ich durch die Aktion merkte, wie sehr sich das Leben verändert hat. Es wirkte so unpersönlich, zwei Meter entfernt voneinander auf der Bank zu sitzen.
Zohar Zehavi: Bei dem Foto-Tag war es, als würde ich mich selbst entdecken. Die Werkstätten, die Bewegungsräume – unglaublich, wie viele Sachen angeboten werden. Ich bin nach Hause gekommen und habe zu meinem Mann gesagt: „Du verstehst das nicht. Sie bieten wirklich ALLES an!” Besonders als Migrantin in einer großen Stadt ist es wichtig, einen Ort zu haben, wo man anfangen kann.
Jana Koch: Für mich war das Erlebnis neu, dass man einander zugewandt sein kann – mit Maske. Schön, dass man das auch mit unbekannten Menschen erleben und auch eine Neugierde aneinander signalisieren kann. Über Körpersprache, Augen, Haltung, Lächeln. Die Kommunikation sucht sich andere Wege.
Unfassbar, wie viele Ebenen der Volkshochschule da mal eben aufeinander trafen. Es ist so interessant, wer da eigentlich drinhängt, damit die VHS so vielseitig und lebendig sein kann, wie sie ist. Wo die Fäden zusammenlaufen und gehalten werden. Wer packt da seine Ideen rein und drückt welche Knöpfe? Von der Person, die morgens aufsperrt, über die Person, die Programme konzipiert und durchführt. Es ist ja nicht nur das, was man sieht. Es arbeiten so viele verschiedene Menschen an dem Gesamtprodukt Volkshochschule. An dem Tag war es schön zu sehen, dass Menschen dasselbe Interesse haben: einen Raum gemeinsam zu gestalten, der lebendig ist, wo man sich begegnet, sich austauscht. Nur so kann Bildung funktionieren: Interesse aneinander haben, als Gemeinsamkeit Neugierde und Offenheit für die Menschen und für ein Thema haben.
Dieser freie Raum gefällt mir so an der VHS. Der Raum für Experimente. Ich habe als Jugendliche an einer VHS Tschechisch gelernt, weil mein Vater Tscheche ist. Da gab es ein klares Ziel und einen klaren Kurs. Wahrscheinlich kommen die meisten Menschen mit einem klaren Ziel zu einem Kurs. Dieses Zielgerichtete ist sehr schön. Aber es ist auch gut, dass es offene Prozesse gibt, wo man in Kauf nehmen muss, dass es vielleicht scheitert. Da muss man auch mal Entwicklungen aushalten, die man so nicht geplant hat. Nur so können neue Dinge entstehen und alles lebendig bleiben. Das vergisst man manchmal. Schön, dass es das an der VHS auch gibt.