Ist die Luft wegen der Corona-Beschränkungen besser geworden?

Zur Eindämmung der SARS-COV-2 Pandemie wurden auch in Berlin ab Mitte März zahlreiche Kontaktbeschränkungen eingeführt. Schulen, Kindertagesstätten, Restaurants, Theater, Kinos und viele Geschäfte wurden geschlossen. Großveranstaltungen wurden abgesagt. Viele Berliner und Berlinerinnen arbeiteten zu Hause. Anfang Mai wurden dann erste Lockerungen der Einschränkungen beschlossen. Welchen Einfluss hatten die Beschränkungen auf die Berliner Luftqualität?

Wieviel weniger Kfz-Verkehr gab es auf Berliner Straßen?

Am deutlichsten zeigen sich die Folgen des Shutdown in den Daten der zahlreichen automatischen Zählstellen, die das Verkehrsaufkommen auf vielen Hauptverkehrsstraßen messen. Stadtweit sank die Zahl der – anhand der Fahrzeuglänge als Pkw und kleine Lkw identifizierten Fahrzeuge – um 20-30 %. Das Aufkommen an mittleren und großen Lkw blieb in etwa gleich. Ihr Anteil am Gesamtverkehr liegt zwar nur bei etwa 5 %. Sie stoßen aber im Vergleich zu Pkw im Mittel etwa zehn Mal mehr Schadstoffe, wie zum Beispiel Stickoxide aus.

Bild 1 zeigt als Beispiel das Aufkommen aller Kraftfahrzeuge in der Leipziger Straße.

Bild 1: Tägliche Verkehrsstärken in der Leipziger Straße

Wie stark sank der Schadstoffausstoß aufgrund des Verkehrsrückgangs?

Weniger Kraftfahrzeugverkehr bedeutet weniger Schadstoffemissionen, vor allem an Stickoxiden, die vorwiegend von Dieselfahrzeugen ausgestoßen werden und in einigen stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen zur Überschreitung des Luftqualitätsgrenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) führen.
Grob geschätzt sank der Stickoxidausstoß wegen des beobachteten Verkehrsrückgangs bei Pkw und kleinen Lkw um etwa 15-20 %.

Wie viel weniger Stickstoffdioxid ist in der Berliner Luft?

Auch die Konzentration von Stickstoffdioxid in der Luft ging nach den Corona-bedingten Beschränkungen an allen Luftgütemessstellen zurück.
Am deutlichsten ist die Verbesserung der Luftqualität an den Messstellen in verkehrsreichen Hauptverkehrsstraßen zu sehen (Bild 2). Aber auch an Messstellen in Wohngebieten abseits der Hauptstraßen und am Stadtrand nahmen die Werte ab. Dies ist nachvollziehbar, denn der Rückgang des Verkehrs ist ein großräumiges, nicht nur auf Berlin oder einzelne Straßen beschränktes Phänomen. So verringerte sich auch die weiträumige Hintergrundbelastung außerhalb der Stadt und damit auch die NO2-Konzentration am Berliner Stadtrand.

Bild 2: Gemessene Stickstoffdioxidkonzentrationen in Berlin vor und während Corona-Shutdown

Grundsätzlich ist die NO2-Belastung an Hauptverkehrsstraßen höher als in ruhigen Wohnstraßen. Dieses Bild zeigt sich auch während des Corona-Shutdown (Bild 2).
Diese Differenz entspricht etwa dem lokalen Beitrag der in der jeweiligen Hauptverkehrsstraße fahrenden Fahrzeuge, in der die NO2-Belastung gemessen wurde. Nach Beginn des Shutdown Mitte März sank der lokale Verkehrsbeitrag an verkehrsnahen Luftgütemessstellen im Vergleich zu den Vormonaten um durchschnittlich etwa 15 % (Bild 3). Dies passt gut zu dem beobachteten Rückgang des Verkehrsaufkommens und der daraus abgeschätzten Abnahme des Stickoxidausstoßes.

Bild 3: Entwicklung des lokalen Verkehrsbeitrages zur NO2-Belastung nach Beginn des Corona-Shutdown

Die verschiedentlich in den Medien geäußerte These, der Corona-bedingte Verkehrsrückgang sei in den NO2-Messwerten nicht zu erkennen, trifft also nicht zu. Dass der Straßenverkehr einen beträchtlichen Anteil an der NO2-Belastung hat, ist durch die oben genannten Auswertungen, vor allem durch die unverändert erhöhten Messwerte an allen Hauptstraßen im Vergleich zu Wohngebieten zweifelsfrei belegt. Es gibt daher keinen Grund, an den bisherigen Erkenntnissen zu den Ursachen der NO2-Belastung in Berlin zu zweifeln:

Fast die Hälfte der Belastung stammt von den Fahrzeugen in der betreffenden Straße („Lokale Kfz“), ein weiteres Viertel vom Kfz-Verkehr im übrigen Stadtgebiet („städtischer Hintergrund“). Die übrige NO2-Belastung von etwa 25 % kommt von anderen Quellen und von außerhalb der Stadt.
Bild 4 zeigt, welchen prozentualen Anteil verschiedene Schadstoffquellen an der NO2-Konzentration in verkehrsreichen Hauptstraßen in der Berliner Innenstadt haben.

Bild 4: Mittlere berechnete Quellanteile an der Stickstoffdioxidbelastung an 27 Hauptverkehrsstraßen in Berlin im Jahr 2015 und Anteile der einzelnen Fahrzeugkategorien zum Kfz-Beitrag

Einschränkend möchten wir darauf hinweisen, dass der inhärent große Einfluss der Wetterschwankungen auf die Schadstoffbelastung bei der Auswertung nicht vollständig berücksichtigt werden konnte. Für eine statistisch gesicherte Elimination des Wettereinflusses aus den Daten sind deutlich längere Datenreihen erforderlich, als seit Beginn des Corona-Shutdown zur Verfügung stehen. Das gilt insbesondere für die Feinstaubbelastung. Was die Wirkung auf die Stickstoffdioxidbelastung angeht, ist sein Effekt jedoch relativ groß im Vergleich zu den Wirkungen der Maßnahmen, die unter normalen Umständen zur Verbesserung der Luftqualität ergriffen werden.

In jedem Fall gilt: Der Stickoxidausstoß aus dem Kfz Verkehr und vor allen aus Dieselfahrzeugen muss weiter gemindert werden, denn es ist zu erwarten, dass nach Beendigung der Corona-bedingten Beschränkungen der Kfz-Verkehr wieder zunimmt und deshalb auch die NO2-Belastung wieder ansteigt.

Entwicklung der Messwerte für Feinstaub (PM 10) und Ruß

Feinstaubwerte sind für eine Abschätzung der Folgen von weniger Verkehr auf die Luftqualität weniger geeignet als beispielsweise NO2. Um die Hintergründe zu erläutern haben wir einige Messwerte für Feinstaub (PM10) sowie für die rußartigen Bestandteile im Feinstaub ausgewertet und die Entwicklung vor und während des Corona-Shutdown verglichen.
Während der Corona-Beschränkungen nahm der Kfz-Verkehr in Berlin um 20-30 % ab. In den Feinstaubwerten an verschiedenen Messpunkten an Hauptverkehrsstraßen, in verkehrsarmen Wohngebieten der Berliner Innenstadt und am Stadtrand ist der Effekt dieser Corona-bedingten Verkehrsabnahme von 20-30 % tatsächlich kaum zu sehen.

Das hat zwei Gründe:
a) Das Wetter: Während der Shutdown-Periode seit Mitte März gab es wiederholt Hochdruckwetterlagen, mit weniger Wind und weniger vertikalem Luftaustausch, so dass erhöhte Feinstaubwerte großräumig und weit über Berlin hinaus beobachtet wurden. Dies zeigen die vom Umweltbundesamt veröffentlichten Karten der Verteilung der Feinstaubbelastung in Deutschland, zum Beispiel für den 28. März 2020 (siehe Bild 1) mit einer wetterbedingt höheren Feinstaubbelastung in weiten Teilen Süd- und Ostdeutschlands. Im Vergleich zu einem Zeitraum vor den Coronabeschränkungen stiegen die Feinstaubwerte weiträumig an, in Berlin sowohl am Stadtrand, als auch in Wohngebieten und an Hauptverkehrsstraßen (siehe Bild 3).

b) Die Kfz-Emissionen: Der Anteil des Kfz-Verkehrs an der Feinstaubbelastung ist seit Jahren deutlich zurückgegangen. Inzwischen stammt nur noch ein Viertel (26 % in Bild 2) der gesamten Feinstaubbelastung an innerstädtischen Hauptstraßen vom Kfz-Verkehr. Vor 15 Jahren war dieser Anteil mit 42 % noch deutlich höher. Der Rückgang geht auf drei Faktoren zurück: auf eine Abnahme des Pkw-Verkehrsaufkommens in Berlin, auf die 2008 eingeführte Umweltzone und auf verschärfte EU-Abgasvorschriften, die dazu geführt haben, dass jedes Diesel-Fahrzeug inzwischen einen Rußfilter hat.

Deswegen stammt der Feinstaub aus dem Kfz-Verkehr nur noch zu einem geringen Teil – zu etwa einem Fünftel – aus dem Auspuff der Fahrzeuge. Der große Rest besteht aus Abrieb von Reifen, Bremsen und Asphalt sowie aus Straßenstaub, der durch vorbeifahrende Fahrzeuge und Wind aufgewirbelt wird.

Nimmt man bei einer 20 bis 30-prozentigen Verkehrsabnahme durch Corona eine entsprechende Abnahme des oben genannten 26-prozentigen Verkehrsanteils am Feinstaub an, kann der erwartete coronabedingte Rückgang der Feinstaubwerte also nur zwischen 5 und 8 % betragen. Diese relativ kleine Verringerung wurde von den vergleichsweise großen, wetterbedingten Schwankungen der Feinstaubwerte überlagert. Um den Wettereffekt statistisch herausrechnen zu können, bräuchte man deutlich längere Zeitperioden mit einem coronabedingt reduzierten Kfz-Verkehr.

Es lohnt sich deshalb ein Blick auf eine stärker vom Kfz-Verkehr und weniger von anderen Einflüssen geprägte Messgröße als dem aus vielen Komponenten zusammengesetzten Feinstaub: Die schwarzen, auch als „Black Carbon“ (BC) bezeichneten Kohlenstoffpartikel, die ein Maß für die Rußbelastung darstellen. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz betreibt inzwischen an drei Messpunkten im Routinebetrieb und einem Messpunkt im Rahmen eines Projektes (jeweils an einer Hauptverkehrsstraße, am Stadtrand und zwei in innerstädtischen Wohngebieten) sogenannte Aethalometer, die eine automatische Bestimmung der besonders gesundheits- und klimaschädlichen Rußkomponente im Feinstaub ermöglichen. Auch wenn die Rußemissionen aus dem Auspuff von Dieselfahrzeugen deutlich zurückgegangen sind, hat der Kfz-Verkehr – zumindest außerhalb der Heizperiode, also auch während der Corona-Beschränkungen – einen deutlich höheren Anteil an der Rußbelastung als am gesamten Feinstaub, zu dem noch viele andere Quellen beitragen (siehe Bild 2). So finden sich schwarze Kohlenstoffpartikel auch im Reifen- und Fahrbahnabrieb. Sie werden auch von Ottomotoren mit Direkteinspritzung emittiert, wenngleich in geringerem Maße als bei Diesel-Kfz ohne Filter.

An den BC-Messreihen ist der Corona-Effekt der Verkehrsabnahme deshalb sehr viel deutlicher abzulesen als an den Feinstaubwerten (siehe Bild 4). Es zeigt sich ähnlich wie beim Feinstaub, dass während des Corona-Shutdown auch die BC-Werte am Stadtrand und in städtischen Wohngebieten deutlich höher lagen. Dies liegt an der schon erwähnten großräumig erhöhten Feinstaubbelastung seit Beginn der Corona-Beschränkungen, die auch auf die BC-Messwerte durchschlägt. Im Gegensatz dazu sank die BC-Belastung an Hauptverkehrsstraßen sogar etwas. Der lokale Beitrag des Kfz-Verkehrs zur BC-Belastung lässt sich aus der Differenz der Konzentration an Hauptverkehrsstraßen und der niedrigeren Werte in innerstädtischen Wohngebieten ohne viel Kfz-Verkehr abschätzen. Dieser aus dem Verkehr stammende Anteil schwarzer Kohlenstoffpartikel ging während der Shutdown-Periode auf fast die Hälfte zurück.

Fazit: Beim Blick auf die besonders schädlichen kohlenstoffhaltigen Bestandteile des Feinstaubs, die stärker vom Kfz-Verkehr geprägt sind, ist der Effekt der Verkehrsabnahme durch die Corona-Beschränkungen deutlich sichtbar.

Bild 1: Feinstaubverteilung in Deutschland am 28.3.2020

Bild 1

Bild 2: Anteile verschiedener Verursacher an der Feinstaub (PM10)-Belastung an Hauptverkehrsstraßen in Berlin (Quelle: Berliner Luftreinhalteplan, 2. Fortschreibung)

Bild 2

Bild 3: Feinstaubwerte vor und während der Corona-Beschränkungen in Berlin

Bild 3

Bild 4: Konzentration von schwarzen Kohlenstoffpartikeln im Feinstaub (BC) vor und während der Corona-Beschränkungen in Berlin

Bild 4