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Rundschreiben Pflege Nr. 01/2019 über Leistungen der ambulanten HzP nach den §§ 61 SGB XII

vom 30.10.2019 mit Änderungen vom 31.10.2022

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzung Erläuterung der Abkürzung
AGM = Arbeitgebermodell
bzw. = beziehungsweise
ggf. = gegebenenfalls
HzP = Hilfe zur Pflege
IAP = Individuelle Ambulante Pflegegesamtplanung
LK = Leistungskomplex
MD = Medizinischer Dienst Berlin-Brandenburg
SGB = Sozialgesetzbuch
TdS = Träger der Sozialhilfe
z.B. = zum Beispiel

1. Rechtliche Grundlagen

1.1. Leistungsberechtigung nach § 61 SGB XII

Die persönliche Leistungsberechtigung auf HzP ergibt sich aus § 61 in Verbindung mit §§ 61a, 61b SGB XII. Danach muss neben der sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 61a SGB XII vorliegen.

Seit 01.01.2017 ist der Pflegebedürftigkeitsbegriff der HzP mit dem der Pflegeversicherung identisch (vergleiche § 14 SGB XI). Er erfährt nur insoweit eine Erweiterung, dass er auch eine Leistungsgewährung nicht ausschließt, wenn Betroffene voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen. Er lässt insbesondere jedoch keine Leistungsausweitung zu, wenn die Voraussetzungen, die die Pflegeversicherung vorgibt, nicht erfüllt sind. Somit sind Leistungen der HzP unterhalb des Pflegegrades 1 ausgeschlossen.

Pflegebedürftig sind Personen, wenn sie gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb fremder Hilfe bedürfen. Maßgeblich sind dabei die in Absatz 2 genannten Kriterien aus den Bereichen

  • Mobilität
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Selbstversorgung
  • Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- und therapie-bedingten Anforderungen und Belastungen
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Für die Gewährung von Leistungen sind die pflegebedürftigen Personen entsprechend der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten einem von fünf Pflegegraden zuzuordnen (§ 61b SGB XII; vergleiche § 15 SGB XI für versicherte Personen).

Für Nichtversicherte und Personen, die die versicherungsrechtlichen Leistungsvoraussetzungen nicht erfüllen, ist durch den TdS ein Gutachten zur Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit zu erstellen bzw. zu beauftragen, das in Anlehnung an das Gutachtenformular des MD nach Maßgabe des § 15 SGB XI und der Begutachtungs-Richtlinien nach § 17 Absatz 1 SGB XI zu erstellen ist (§ 62 SGB XII). Dieses ist bei ambulanter Pflege wegen der Höhe des Pflegegeldes nach § 64a SGB XII sowie der Zuordnung weiterer Leistungen nach §§ 64b66 SGB XII wichtig. Dem Grundsatz, Mehrfachbegutachtungen zu vermeiden, ist möglichst Rechnung zu tragen.

Bei versicherten Personen ist die Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad auf der Grundlage des Gutachtens des MD bindend (§ 62a Satz 1 SGB XII).

Somit kommt die Gewährung von HzP in Betracht

  • als ergänzende Hilfe zu den Leistungen der Pflegeversicherung unter Beachtung der Nachrangigkeit der Sozialhilfe und des Bedarfsdeckungsprinzips
  • für pflegebedürftige Personen, die keinen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung haben, weil sie
  • nicht pflegeversichert sind (hierzu gehören auch Personen, die nach § 264 SGB V Krankenbehandlung von einer Krankenkasse erhalten)
  • die Wartezeit nach § 33 Absatz 2 SGB XI nicht erfüllen oder
  • voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen,

Im Rahmen der ambulanten HzP nach dem SGB XII sind folgende Leistungen möglich:

  • Pflegegeld nach § 64a SGB XII bei Pflegegrad 2 bis 5 (siehe Ziffer 4.),
  • Häusliche Pflegehilfe bei Heranziehung eines Pflegedienstes nach § 64b SGB XII bei Pflegegrad 2 bis 5 (siehe Ziffer 5.),
  • Leistungen für die Beschäftigung von Pflegekräften durch die pflegebedürf-tige Person nach § 64f Absatz 3 SGB XII (sogenanntes AGM) (siehe Ziffer 9.),
  • Leistungen der HzP als Persönliche Assistenz im Rahmen der HzP (siehe Ziffer 5.4.),
  • persönliches Budget nach § 63 Absatz 3 SGB XII,
  • Beiträge für eine angemessene Alterssicherung für Pflegepersonen nach § 64f Absatz 1 SGB XII bei Pflegegrad 2 bis 5 (siehe Ziffer 8.),
  • Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII bei Pflegegrad 2 bis 5 und nach § 66 SGB XII bei Pflegegrad 1 (siehe Ziffer 11.),
  • Teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege nach § 64g SGB XII bei Pflegegrad 2 bis 5 (siehe Ziffer 10.),
  • Kurzzeitpflege nach § 64h SGB XII bei Pflegegrad 2 bis 5 (siehe Ziffer 6.),
  • Verhinderungspflege nach § 64c SGB XII bei Pflegegrad 2 bis 5 (siehe Zif-fer 6.),
  • Pflegehilfsmittel und Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 64d und § 64e SGB XII bei Pflegegrad 1 bis 5 (siehe Ziffer 7.),
  • Digitale Pflegeanwendungen nach § 64j SGB XII und ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen nach § 64k SGB XII
  • Fußpflege (siehe Ziffer 5.5.),
  • Fenster- und Gardinenreinigung (siehe Ziffer 5.6.).

Es ist zu beachten, dass bei Pflegegrad 1 gemäß § 63 Absatz 2 SGB XII nur die Bewilligung des Entlastungsbetrags nach § 66 SGB XII, von Pflegehilfsmitteln nach § 64d SGB XII, von Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII sowie digitale Pflegeanwendungen nach § 64j SGB XII und ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen nach § 64k SGB XII in Betracht kommen.

1.2. Vorrangige Leistungen der Pflegeversicherung (SGB XI)

Insbesondere die Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI gehen der HzP vor (§ 13 Absatz 3 Satz 1 SGB XI). HzP ist folglich nur zu gewähren, wenn und soweit die Pflegeversicherung keine Leistungen erbringt.

Leistungen der Pflegeversicherung erhalten versicherte Personen, die mindestens dem Pflegegrad 1 zugeordnet sind (§§ 14, 15 SGB XI). Im Pflegegrad 1 stehen jedoch nur wenige Leistungen zur Verfügung (§ 28a SGB XI, siehe Ziffer 3.1.).

Die zuständige Pflegekasse hat allen pflegebedürftigen Personen nach § 7b Absatz 1 SGB XI unmittelbar nach Eingang eines Erstantrages eine Beratung anzubieten, die innerhalb von 14 Tagen durchzuführen ist, oder einen Beratungsgutschein auszustellen, der innerhalb von 14 Tagen bei einer unabhängigen Beratungsstelle einzulösen ist. In Berlin wird die Erstberatung vornehmlich durch die Pflegestützpunkte durchgeführt. Auf Wunsch der pflegebedürftigen Personen hat die Beratung im häuslichen Bereich zu erfolgen und kann auch nach Ablauf der Frist durchgeführt werden.

1.2.1. Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI (siehe auch Ziffer 5.)

Bei häuslicher Pflege besteht ein Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe) nach § 36 Absatz 1 SGB XI. Die Pflegesachleistung wird durch zugelassene Pflegedienste mit einem Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI und einer Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI erbracht. Leistungsvoraussetzung ist das Vorliegen mindestens des Pflegegrades 2.

Körperbezogene Pflegemaßnahmen umfassen pflegebedingte Leistungen aus den Bereichen Körperpflege, Mobilität und Ernährung.

Pflegerische Betreuung beinhaltet die Unterstützung bei der Bewältigung und Gestaltung des Alltags. Hierzu gehören insbesondere die Unterstützung bei der Kommunikation und der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte, Hilfen bei der örtlichen und zeitlichen Orientierung und der Tagestrukturierung, Hilfen bei der Bewältigung psychosozialer Problemlagen sowie Unterstützung bei bedürfnisgerechten Beschäftigungen und bei der Regelung von finanziellen und administrativen Angelegenheiten.

Die erweiterten Leistungsinhalte nach dem SGB XI haben zu einer inhaltlichen Ausweitung der bisher vereinbarten LK geführt (siehe Ziffer 5.2. bis 5.4.). Seit dem Jahr 2021 sind zeitbezogene Vergütungsvereinbarungen als Option der Leistungsabrechnung hinzugekommen (siehe Ziffer 5.2.1.).

Die Höhe des Sachleistungsanspruchs ist – in Abhängigkeit von der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten – in § 36 Absatz 3 SGB XI festgelegt.

Die Leistungsbeträge ab 01.01.2022 sind der Tabelle unter Ziffer 1.2.10. zu entnehmen.

1.2.2. Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen nach § 37 SGB XI (siehe auch Ziffer 4.)

Anstelle der Pflegesachleistung können pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 ein Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen nach § 37 SGB XI in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist, dass die pflegebedürftigen Personen in der Lage sind, die erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sicher zu stellen.

Besteht der Anspruch nicht für den vollen Kalendermonat, wird das Pflegegeld tageweise auf der Basis von 30 Tagen berechnet. Die Hälfte des bisher bezogenen Betrages wird während einer Kurzzeitpflege für bis zu acht Wochen, während einer Verhinderungspflege bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr weitergezahlt (§ 37 Absatz 2 Satz 3 SGB XI).

In den ersten vier Wochen einer vollstationären Krankenhausbehandlung, eines Aufenthalts in einer Vorsorge- oder einer Rehabilitationseinrichtung sowie einer häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V mit Anspruch auf Leistungen, deren Inhalt den Leistungen nach § 36 SGB XI entspricht, ist das Pflegegeld ebenfalls weiterzuzahlen (siehe 1.2.11.)

Die Leistungsbeträge ab 01.01.2017 sind der Tabelle unter Ziffer 1.2.10. zu entnehmen.

1.2.3. Kombinationsleistung nach § 38 SGB XI

Sachleistungen und Pflegegeld können auch kombiniert werden (§ 38 SGB XI). Dabei wird das Pflegegeld um den Prozentsatz gemindert, in dem die pflegebedürftige Person Sachleistungen in Anspruch nimmt.

Beispiel:

Pflegegrad 3

Pflegesachleistung: 1.693,00 Euro
Inanspruchnahme: 1.185,10 Euro =70%
Pflegegeld: 545,00 Euro
Restanspruch = 30%: 163,50 Euro

Das anteilige Pflegegeld wird in Höhe des hälftigen Betrages während einer Kurzzeitpflege für bis zu acht Wochen, während einer Verhinderungspflege bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr weitergezahlt (§ 38 Satz 4 SGB XI).

In den ersten vier Wochen einer vollstationären Krankenhausbehandlung, eines Aufenthalts in einer Vorsorge- oder einer Rehabilitationseinrichtung sowie einer häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V mit Anspruch auf Leistungen, deren Inhalt den Leistungen nach § 36 SGB XI entspricht, ist das anteilige Pflegegeld ebenfalls weiterzuzahlen (siehe 1.2.11.)

1.2.4. Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI (siehe auch Ziffer 11.)

Versicherte Pflegebedürftige haben seit 01.01.2017 einen Anspruch auf einen einheitlichen Entlastungsbetrag von 125 Euro monatlich. Dieser ist wie bisher einsetzbar für Angebote der Tagespflege, Kurzzeitpflege, ambulanter Pflegedienste (ab Pflegegrad 2 nicht für Leistungen der Selbstversorgung) sowie von nach Landesrecht anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a Absatz 1 und 2 SGB XI. Der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI ist gegenüber dem Entlastungsbetrag nach § 64i oder § 66 SGB XII vorrangig (hierzu und zum Verhältnis gegenüber den anderen Leistungen der HzP siehe Ziffer 11.).

1.2.5. Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI und Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen nach § 45e SGB XI

Nach § 38a SGB XI haben pflegebedürftige Personen im Sinne des SGB XI – auch mit Pflegegrad 1 – unter den dort genannten Voraussetzungen zusätzlich einen Anspruch auf einen pauschalen zweckgebundenen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214 Euro pro Monat, wenn sie mit mindestens zwei und maximal elf weiteren pflegebedürftigen Personen im Sinne des SGB XI in einer Pflege-Wohngemeinschaft leben. Dieser ist nicht auf die HzP anrechenbar.

Unter den gleichen Voraussetzungen wird bei Gründung einer Pflege-Wohngemeinschaft eine Anschubfinanzierung für die altersgerechte und barrierefreie Umgestaltung der gemeinsamen Wohnung gewährt. Dieser Anspruch besteht neben den Leistungen für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Absatz 4 SGB XI.

1.2.6. Verhinderungs- und Kurzzeitpflege nach §§ 39, 42 SGB XI (siehe auch Ziffer 6.)

Bei Verhinderung der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson, beispielsweise wegen Urlaub oder Krankheit, übernimmt die Pflegeversicherung die Kosten einer Ersatzpflege (§ 39 SGB XI) für längstens sechs Wochen bis zu 1.612 Euro je Kalenderjahr. Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson die pflegebedürftige Person vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate gepflegt hat und die pflegebedürftige Person zum Zeitpunkt der Verhinderung mindestens dem Pflegegrad 2 zugeordnet ist. Die Ersatzpflege kann auch in Einrichtungen der Kurzzeitpflege, in betreuten Pflege-Wohngemeinschaften sowie in nicht nach dem SGB XI zugelassenen Einrichtungen erfolgen, beispielsweise in stationären Einrichtungen der Hilfe für Menschen mit Behinderungen, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen.

Daneben können pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 Mittel der Kurzzeitpflege für bis zu acht Wochen und bis zu 1.774 Euro im Kalenderjahr in Anspruch nehmen (§ 42 SGB XI). Die Leistungen der Kurzzeitpflege dienen insbesondere der Bewältigung von Krisensituationen nach einem Krankenhaus-Aufenthalt oder bei kurzfristiger erheblicher Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit.

Der Anspruch auf Leistungen der Kurzzeitpflege besteht in begründeten Einzelfällen auch in geeigneten Einrichtungen der Hilfe für Menschen mit Behinderungen und anderen geeigneten Einrichtungen, wenn die Versorgung in einer Einrichtung der Kurzzeitpflege nicht möglich ist oder nicht zumutbar erscheint (§ 42 Absatz 3 SGB XI).

Während einer Maßnahme der stationären medizinischen Vorsorge- oder Rehabilitation für eine Pflegeperson ist erforderlichenfalls die gleichzeitige Unterbringung und Pflege der pflegebedürftigen Person zu Lasten der Kurzzeitpflege möglich (§ 42 Absatz 4 SGB XI).

Leistungsberechtigte können bis zu 806 Euro nicht beanspruchter Mittel der Kurzzeitpflege auch für die Verhinderungspflege nutzen. Die gesamten nicht genutzten Mittel der Verhinderungspflege können umgekehrt zusätzlich zur Finanzierung einer Kurzzeitpflege herangezogen werden und somit das Budget auf 3.386 Euro erhöhen.

Die Leistungsbeträge ab 01.01.2022 sind der Tabelle unter Ziffer 1.2.10. zu entnehmen.

1.2.7. teilstationäre Tages- oder Nachtpflege nach § 41 SGB XI (siehe auch Ziffer 10.)

Pflegebedürftige Personen ab Pflegegrad 2 haben zusätzlich einen Anspruch auf teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege nach § 41 SGB XI, wenn häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann oder wenn dies zur Ergänzung oder Stärkung der häuslichen Pflege erforderlich ist.

Die Leistungsbeträge sind der Tabelle unter Ziffer 1.2.10. zu entnehmen.

1.2.8. Pflegehilfsmittel und Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 SGB XI (siehe auch Ziffer 7.)

Pflegebedürftige Personen ab Pflegegrad 1 haben nach § 40 SGB XI einen Anspruch auf Pflegehilfsmittel, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden beitragen oder eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen. Für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel ist die Kassenleistung auf 40 Euro monatlich begrenzt. Der Anspruch auf Pflegehilfsmittel ist auf den häuslichen Bereich beschränkt. Pflegefachkräfte können im Rahmen ihrer Leistungserbringung konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben. Damit wird die Notwendigkeit und die Erforderlichkeit der Versorgung vermutet. Der Antrag kann innerhalb von 2 Wochen ohne ärztliche Verordnung bei der Kranken- oder Pflegekasse eingereicht werden. Näheres findet sich in den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes Bund.

Die Pflegekassen können nach § 40 Absatz 4 SGB XI subsidiär auch für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes Zuschüsse von bis zu 4.000 Euro je Maßnahme gewähren. Eine Maßnahme im Sinne des § 40 Absatz 4 SGB XI ist auch darin zu sehen, die Kosten für pflegebedingt erforderliche Umzüge zu gewähren.
Leben mehrere Anspruchsberechtigte in einer gemeinsamen Wohnung ist der Maßnahme-Zuschuss auf 4.000 Euro je Person begrenzt, maximal jedoch 16.000 Euro.

1.2.9. Digitale Pflegeanwendungen

Pflegebedürftige Personen haben einen Anspruch auf insgesamt 50 Euro Erstattung im Monat für digitale Pflegeanwendungen und ergänzende Unterstützungsleistungen durch ambulante Pflegeeinrichtungen. (§§ 39a, 40a f. SGB XI)

1.2.10. Leistungsbeträge der Pflegeversicherung:

Leistungsart Betrag in Euro pro Monat (Abweichung gekennzeichnet)
Pflegesachleistung § 36 SGB XI
Pflegegrad 1 0 €
Pflegegrad 2 bis 724 €
Pflegegrad 3 bis 1.363 €
Pflegegrad 4 bis 1.693 €
Pflegegrad 5 bis 2.095 €
Pflegegeld § 37 SGB XI
Pflegegrad 1 0 €
Pflegegrad 2 316 €
Pflegegrad 3 545 €
Pflegegrad 4 728 €
Pflegegrad 5 901 €
Entlastungsbetrag § 45b SGB XI
Pflegegrad 1-5 je Pflegegrad 125 €
Digitale Pflegeanwendungen § 40a SGB XI und ergänzende Unterstützung bei deren Nutzung § 39a SGB XI – Leistungsanspruch § 40b SGB XI
Pflegegrad 1-5 insg. je Pflegegrad bis 50 €
Wohngruppenzuschlag – § 38a SGB XI
Pflegegrad 1-5 je Pflegegrad 214 €
Verhinderungspflege § 39 SGB XI
Pflegegrad 1 0 €
Pflegegrad 2-5 je Pflegegrad bis 1.612 € im Jahr
Tages- /Nachtpflege § 41 SGB XI
Pflegegrad 1 0 €
Pflegegrad 2 bis 689 €
Pflegegrad 3 bis 1.298 €
Pflegegrad 4 bis 1.612 €
Pflegegrad 5 bis 1.995 €
Kurzzeitpflege § 42 SGB XI
Pflegegrad 1 0 €
Pflegegrad 2-5 je Pflegegrad bis 1.774 € im Jahr
Vollstationäre Dauerpflegepflege § 43 SGB XI
Pflegegrad 1 125 €
Pflegegrad 2 770 €
Pflegegrad 3 1.262 €
Pflegegrad 4 1.775 €
Pflegegrad 5 2.005 €

Begrenzung des pflegebedingten Eigenanteils bei vollstationärer Pflege

Der von den vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zu tragende Eigenanteil an pflegebedingten Aufwendungen (einschließlich der Ausbildungskosten und ggf. weiterer Zuschläge) wird mit zunehmender Dauer der vollstationären Pflege schrittweise verringert. Er reduziert sich durch einen von der Pflegekasse zu zahlenden Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI um:

  • 5% in den ersten 12 Monaten
  • 25% bei mehr als 12 Monaten
  • 45% bei mehr als 24 Monaten
  • 70% bei mehr als 36 Monaten des Leistungsbezugs nach § 43 SGB XI.

Siehe dazu auch “Auszug aus dem Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und den Verbänden der Pflegekassen auf Bundesebene zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI

1.2.11. Ruhen von Leistungsansprüchen gegen die Pflegeversicherung

Gemäß § 34 SGB XI ist das Pflegegeld nach den §§ 37, 38 SGB XI während eines Auslandsaufenthaltes von bis zu sechs Wochen weiter zu gewähren. Für Sachleistungen gilt dies nur, wenn die Pflegekraft, die ansonsten die Pflegesachleistungen erbringt, die pflegebedürftige Person auf der Reise begleitet (§ 34 Absatz 1 SGB XI). Bei einem Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz ruht der Pflegegeldanspruch nach den §§ 37 und 38 SGB XI nicht (§ 34 Absatz 1a SGB XI).
Das Pflegegeld wird während der gesamten Dauer des Aufenthaltes weitergezahlt.

Leistungen der häuslichen Pflege ruhen grundsätzlich während des Aufenthaltes in einer der in § 71 Absatz 4 SGB XI genannten Einrichtungen oder einer häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V mit Anspruch auf Leistungen, deren Inhalt den Leistungen nach § 36 SGB XI entspricht. Allerdings wird Pflegegeld nach §§ 37 und 38 SGB XI in den ersten vier Wochen einer vollstationären Krankenhausbehandlung, einer häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V mit Anspruch auf Leistungen, deren Inhalt den Leistungen nach § 36 SGB XI entspricht, oder einer Aufnahme in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen nach § 107 Absatz 2 SGB V weitergezahlt; bei pflegebedürftigen Personen, die ihre Pflege durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen und bei denen § 63b Absatz 6 Satz 1 SGB XII Anwendung findet, wird das Pflegegeld nach §§ 37 und 38 SGB XI auch über die ersten vier Wochen hinaus weiter gezahlt.

1.2.12. Erlöschen der Leistungsansprüche gegenüber der Pflegeversicherung

Der Anspruch auf Leistungen gegen die Pflegeversicherung erlischt nach § 35 Satz 1 SGB XI grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit im SGB XI nichts Abweichendes bestimmt ist. Satz 2 regelt die entsprechende Anwendung von § 19 Absatz 1a SGB V u.a. bei Insolvenz oder Schließung einer Pflegekasse.

Wird die Mitgliedschaft durch Versterben der pflegebedürftigen Person beendet, erlöschen nach § 35 Satz 3 SGB XI die Ansprüche auf Kostenerstattung nach dem SGB XI abweichend von § 59 SGB I nicht, wenn sie innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tod des Berechtigten geltend gemacht werden.

1.2.13. Gemeinsames Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI

Einzelheiten zu den Leistungsvoraussetzungen und Leistungsarten sind dem Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI in der jeweils geltenden Fassung zu entnehmen:

Gemeinsames Rundschreiben des GKV Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI

1.3. Vorrangige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung

Neben den Leistungen der Pflegeversicherung sind bei der Bewilligung häuslicher Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII auch die vorrangigen Leistungen der Krankenversicherung, insbesondere die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V, der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 SGB V und die Übergangspflege im Krankenhaus nach § 39e SGB V zu beachten.

Die Leistungen nach dem Fünften Buch einschließlich der Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V bleiben von den Leistungen der Pflegeversicherung unberührt (§ 13 Absatz 2 SGB XI).

1.3.1. Häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V)

Voraussetzung für die Gewährung häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V ist eine ärztliche Verordnung.
Diese ist durch den Pflegebedürftigen oder die Pflegebedürftige rechtzeitig bei seinem bzw. ihrem behandelnden Arzt (Hausarzt) einzuholen.

Bei einer Krankenhausentlassung kann auch ein Krankenhausarzt oder eine Krankenhausärztin häusliche Krankenpflege bis zum dritten auf den Entlassungstag folgenden Tag verordnen, wenn aus seiner bzw. ihrer Sicht häusliche Krankenpflege erforderlich ist. Er oder sie soll in diesem Fall vor Entlassung den weiterbehandelnden Arzt informieren.

1.3.1.1. Häusliche Krankenpflege als Krankenhausvermeidungspflege (§ 37 Absatz 1 SGB V)

Gesetzlich Krankenversicherte haben nach § 37 Absatz 1 SGB V neben der ärztlichen Behandlung Anspruch auf häusliche Krankenpflege als sogenannte Krankenhausvermeidungspflege. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen können die Krankenkassen die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen. Hierzu muss der MD festgestellt haben, dass die längere Dauer der häuslichen Krankenpflege zur Vermeidung von Krankenhausbehandlung erforderlich ist. Die häusliche Krankenpflege nach § 37 Absatz 1 SGB V beinhaltet neben der Behandlungspflege (z. B. Medikamentengabe, Injektionen oder Verbandwechsel) auch die im Einzelfall erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung.

Soweit im Falle einer häuslichen Krankenpflege nach § 37 Absatz 1 SGB V ein Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung besteht, ruhen die entsprechenden Leistungen der häuslichen Pflege (§ 34 Absatz 2 Satz 1 SGB XI; siehe Ziffer 1.2.11.). Insoweit entfällt auch die Leistungspflicht des TdS. Zur Grundpflege im Sinne des SGB V gehören die Hilfen, die als körperbezogene Pflegemaßnahmen mit den Modulen 1 und 4 der Anlage zu § 15 Absatz 2 SGB XI in Zusammenhang stehen, also Hilfen/Unterstützungsleistungen aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität. Darüberhinausgehende Bedarfe sind zunächst aus den Leistungen der Pflegeversicherung, ggf. ergänzend als HzP zu erbringen.

1.3.1.2. Häusliche Krankenpflege bei schwerer Krankheit

Versicherte erhalten nach § 37 Absatz 1a SGB V wegen schwerer Krankheit oder akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten Krankenhausbehandlung bzw. Operation die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung von ihrer Krankenkasse. Das bedeutet, dass die strengen Kriterien der Vermeidung eines Krankenhausaufenthaltes nicht erfüllt sein müssen. Allerdings ist Voraussetzung, dass keine Pflegebedürftigkeit ab Pflegegrad 2 vorliegt. Im Hinblick auf die Leistungspflicht des TdS ist die Leistung daher nur für versicherte Leistungsberechtigte relevant, die entweder HzP mit Pflegegrad 1 erhalten oder Unterstützungsleistungen nach anderen Rechtsvorschriften des SGB XII, weil der Pflegegrad 1 nicht erreicht wird (siehe Ziffer 3.).

Hinweis: Reichen Leistungen der häuslichen Krankenpflege bei schwerer Krankheit nach § 37 Absatz 1a SGB V nicht aus, erbringt die Krankenkasse nach § 39c SGB V Leistungen der Kurzzeitpflege. (siehe Ziffer 6.6.)

1.3.1.3. Häusliche Krankenpflege als Behandlungspflege nach § 37 Absatz 2 SGB V

Häusliche Krankenpflege wird nach § 37 Absatz 2 SGB V als Behandlungspflege gewährt, wenn dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. In diesem Fall kann die Satzung der zuständigen Krankenkasse bestimmen, dass zusätzlich Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als freiwillige Leistung erbracht wird. Eine solche Satzungsregelung ist allerdings nach § 37 Absatz 2 Satz 6 SGB V nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 nicht mehr zulässig. Im Falle der Übernahme der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung durch die zuständige Krankenkasse entfällt insoweit die Leistungspflicht nach dem SGB XI und nach dem SGB XII.

1.3.2. Außerklinische Intensivpflege (§ 37c SGB V)

Ein Sondertatbestand liegt bei Personen mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege (z. B. bei Langzeitbeatmung) vor, der als außerklinische Intensivpflege nach § 37c Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 SGB V von der zuständigen Krankenkasse zu übernehmen ist. Der besondere Bedarf zeichnet sich durch die Erforderlichkeit der ständigen Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder eines vergleichbar intensiven Einsatzes einer Pflegefachkraft aus.

Voraussetzung ist eine Verordnung durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt, die oder der für die Versorgung dieser Versicherten besonders qualifiziert ist.

Angesichts der zusätzlich notwendigen Pflegemaßnahmen nach dem SGB XI stellt sich hier die Frage der Abgrenzung der Leistungen zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und Pflegeversicherung bzw. HzP.

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte hierzu in seinem Urteil vom 17.06.2010 (B 3 KR 7/09) festgestellt, dass sich die Hilfen im Bereich der Behandlungspflege einerseits und im Bereich der Grundpflege nebst hauswirtschaftlicher Versorgung andererseits unterscheiden und dem jeweiligen Bereich zuordnen lassen. So könne ermittelt werden, welchen täglichen Zeitbedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung der oder die Pflegebedürftige habe und welche Kosten hierfür anfielen. Allerdings trete bei der Erbringung der Grundpflege die Behandlungspflege im Regelfall nicht vollständig in den Hintergrund, weil während der Durchführung der Grundpflege weiterhin Behandlungspflege – auch als Krankenbeobachtung – stattfindet und beide Leistungsbereiche gleichrangig nebeneinanderstehen. Das Gericht geht dabei davon aus, dass die Tätigkeiten jeweils von derselben Pflegefachkraft durchgeführt werden. Aus diesem Grunde sei der ermittelte Zeitwert nicht vollständig, sondern nur zur Hälfte vom Anspruch auf die ärztlich verordnete, rund um die Uhr erforderliche Behandlungspflege abzuziehen. Entsprechend seien die Kosten für erbrachte Grundpflege hälftig als Pflegesachleistung nach dem SGB XI zu übernehmen.

Vor dem Hintergrund des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs werden seit 01.01.2017 im Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den MD jedoch keine Zeitwerte mehr ermittelt und festgestellt. Der Grundpflege bzw. ab dem 01.01.2017 den körperbezogenen Pflegemaßnahmen können aus dem Gutachten des MD somit keine Zeitwerte zugeordnet werden, die gemäß dem BSG-Urteil von der Rund-um-die-Uhr-Behandlungspflege abzuziehen wären.

Der TdS ist an die nach dem SGB XI getroffenen Vergütungsvereinbarungen nach § 89 SGB XI gebunden. Das BSG-Urteil ist unmittelbar aber nur auf Fälle anwendbar, in denen der leistungserbringende Pflegedienst im Rahmen der von ihm vereinbarten Zeitvergütung tätig wird. Infolgedessen sind bei einem Pflegedienst, der seine Leistungen nur als Einzel-LK erbringt und entsprechend bei einer Intensivpflege die körperbezogenen Pflegemaßnahmen abrechnet, im Sinne der obigen BSG-Rechtsprechung im Wege eines sachgerechten Ausgleichs nur die hälftigen Kosten anzuerkennen (SG Gotha – S 14 SO 4520/15, bisher unveröffentlicht).
Die pflegerischen Leistungen können auch durch Angehörige oder andere nahestehende Pflegepersonen übernommen werden. In diesem Fall ist das Pflegegeld nach § 37 SGB XI bzw. bei Nichtversicherten das Pflegegeld nach § 64a SGB XII zu bewilligen.

In Intensivpflege-Wohngemeinschaften ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sämtliche Hilfen aus einer Hand gewährt werden.

Die hälftige Kostenaufteilung als Grundsatz aus genanntem BSG-Urteil wurde in § 17 Absatz 1b SGB XI übernommen und der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beauftragt, in Richtlinien den Zeitanteil festzulegen, für den die Pflegeversicherung in Intensivpflege-Fällen die Kosten zu tragen hat. In den „Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Kostenabgrenzung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung bei Pflegebedürftigen, die einen besonders hohen Bedarf an behandlungspflegerischen Leistungen haben (Kostenabgrenzungs-Richtlinien) vom 16.12.2016 sind die täglichen Zeitanteile je Pflegegrad pauschal festgelegt.

Pflegegrad Pauschale Minutenwerte
2 37 pro Tag
3 76 pro Tag
4 104 pro Tag
5 141 pro Tag

Die Abrechnung nach Minutenwerten setzt allerdings voraus, dass der Dienst über eine zeitbezogene Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI verfügt. Dann kann diese Anwendung finden. Rechnet er nach dem LK-System ab, besteht die Schwierigkeit, die körperbezogenen Pflegemaßnahmen in Zeitwerte umzurechnen. Fehlt es an der Vereinbarung einer Zeitvergütung nach § 89 SGB XI (die Ergänzungsvereinbarung für Persönliche Assistenz nach § 89 SGB XI erfüllt diese Anforderung nicht) ist die im SGB V vereinbarte Intensivpflegezeitvergütung für die oben genannten Minutenwerte anzuwenden (Urteil: SG Berlin S 195 SO 1215/17 vom 21.06.2021). Je nachdem, ob es sich um die Versorgung in der Einzelhäuslichkeit oder in einer Intensiv-Pflegewohngemeinschaft handelt, findet der für die jeweilige Wohnform nach SGB V vereinbarte Kostensatz Anwendung.

Als Grundlage zur Abrechnung, sofern keine Zeitvergütung nach § 89 SGB XI vorliegt, ist nach § 75 Absatz 5 SGB XII vorzugehen und u.a. die Vergütungsvereinbarung zur intensivpflegerischen Versorgung nach SGB V des jeweiligen Intensiv-Pflegedienstes anzufordern.

Erfolgt die Intensivpflege gemeinschaftlich für mehrere Pflegebedürftige in Intensivpflegewohngemeinschaften können zu den SGB V Zeitvergütungen hauswirtschaftliche LK gemäß des individuellen Bedarfs hinzutreten.

Im Einzelfall ist zu ermitteln, ob zusätzliche Hilfen bei der Haushaltsführung zu gewähren sind. Eine zusätzliche Bewilligung von Hilfen bei der Haushaltsführung ist nur gerechtfertigt, wenn diese Hilfen nicht von den selben Pflegekräften übernommen werden, die zeitgleich die Behandlungs-/Grundpflege sicherstellen. Bei einer Versorgung in der Einzelhäuslichkeit ist i.d.R. nicht von weiteren zu bewilligenden hauswirtschaftlichen Hilfen auszugehen.

Bei der Versorgung in Intensivpflege-Wohngemeinschaften ist zu prüfen, in welchem Umfang diese zusätzlich mit anderem Personal anfallen und in welchem Umfange diese dann zu erstatten sind (ggf. Pooling von Leistungen).

Sind zusätzliche Hilfen bei der Haushaltsführung erforderlich, ist vom Pflegedienst ein gesonderter Leistungsnachweis vorzulegen. Die Abrechnung erfolgt entsprechend des Vertrages nach § 89 SGB XI.

Die Pflegekassen haben nach § 18 Absatz 1a SGB XI die Möglichkeit, den Zeitanteil für die Durchführung der körperbezogenen Pflegemaßnahmen einzelfallbezogen feststellen zu lassen. Allerdings bedarf die Verwendung dieses individuellen Zeitanteils für die Zuordnung auch einer nach § 89 SGB XI vereinbarten Zeitvergütung.

1.3.3. Übergangspflege im Krankenhaus nach § 39e SGB V

Mit der Übergangspflege im Krankenhaus wird ein neuer Leistungsanspruch (unabhängig von Pflegebedürftigkeit) im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung im Krankenhaus eingeführt. Die Krankenkasse erbringt Leistungen der Übergangspflege in dem Krankenhaus, in dem die Behandlung erfolgte, wenn erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, Kurzzeitpflege, Leistungen zur medizinische Rehabilitation oder Pflegeleistungen nach dem SGB XI nicht oder nur unter unzumutbarem Aufwand erbracht werden können. Die Übergangspflege im Krankenhaus umfasst die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Aktivierung der Versicherten, die Grund- und Behandlungspflege, ein Entlassungsmanagement, Unterkunft und Verpflegung sowie die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung. Ein Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung.

Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten vom Beginn der Übergangspflege im Krankenhaus an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage die Zuzahlung nach § 61 Satz 2 SGB V an das Krankenhaus. Dabei sind Zahlungen anzurechnen, die bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. aufgrund einer Anschlussrehabilitation geleistet wurden.

1.4. § 63b SGB XII – Leistungskonkurrenz

1.4.1. Grundsätzliche Nachrangigkeit der Leistungen der HzP nach den §§ 61 ff. SGB XII

Der Grundsatz der Nachrangigkeit von Fürsorgeleistungen ist für die HzP in § 63b Absatz 1 SGB XII geregelt. Danach werden Leistungen der HzP nach den §§ 61 ff. SGB XII nur gewährt, soweit Leistungsberechtigte nicht gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.

Daraus folgt, dass insbesondere Pflegegeld nach § 64a SGB XII nur gewährt wird, soweit Leistungsberechtigte nicht Pflegegeld nach § 37 SGB XI aus der Pflegeversicherung erhalten. Da die Pflegegelder nach § 37 SGB XI und nach § 64a SGB XII in gleicher Höhe geleistet werden, kommt (ergänzendes) Pflegegeld für versicherte pflegebedürftige Personen nicht in Betracht.

Weitere gleichartige Leistungen im Sinne des § 63b Absatz 1 SGB XII sind insbesondere die Pflegegelder nach beamtenrechtlichen Beihilfevorschriften, die Pflegezulage nach § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG), das Pflegegeld nach § 44 SGB VII und die Pflegezulage nach § 267 Absatz 1 Satz 3 bis 6, § 269 Absatz 2, 2. Halbsatz Lastenausgleichsgesetz (LAG).

Auch Pflegegeld wegen Hilflosigkeit nach § 8 Absatz 1 Landespflegegeldgesetz (LPflGG) sowie Pflegegeldanteile wegen Hilflosigkeit nach § 8 Absatz 2 LPflGG, die im Rahmen des Bestandsschutzes gewährt werden, sind in Bezug auf das Pflegegeld nach § 64a SGB XII gleichartige Leistungen im Sinne des § 63b Absatz 1 SGB XII und daher in voller Höhe auf diese Leistung der HzP anzurechnen (siehe auch Nummer 7 Absatz 2 der Ausführungsvorschriften zum Landespflegegeldgesetz (AV-LPflGG)).

Häusliche Pflegehilfe nach § 64b SGB XII wird ebenfalls nur gewährt, soweit pflegebedürftige Personen nicht Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI beanspruchen können. Wegen der gedeckelten Leistungsbeträge der Pflegeversicherung sind hier ergänzende Leistungen der HzP möglich. Vor dem Hintergrund der Nachrangigkeit der HzP und im Umkehrschluss aus § 63b Absatz 6 Satz 1 SGB XII ist in diesen Fällen das Dispositionsrecht versicherter pflegebedürftiger Personen, zwischen Pflegegeld nach § 37 SGB XI oder Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI oder der Kombination von beidem nach § 38 SGB XI wählen zu können, eingeschränkt. Sie müssen gegenüber ihrer Pflegekasse die Pflegesachleistung in vollem Umfang in Anspruch nehmen.

Eine Ausnahme gilt für Leistungsberechtigte, die ihre Pflege im Rahmen des AGM‘s sicherstellen. In diesen Fällen können pflegebedürftige Personen nicht auf die Pflegesachleistung des SGB XI verwiesen werden; die Pflegekasse gewährt hier nur das Pflegegeld nach § 37 SGB XI, das auf die HzP anzurechnen ist (§ 63b Absatz 6 SGB XII).

Vor dem Hintergrund der Nachrangigkeit der Hilfen nach dem SGB XII (§ 2 SGB XII) sind auch zwei Drittel des Pflegegeldes wegen Hilflosigkeit nach § 8 Absatz 1 LPflGG bzw. der Leistungsanteile wegen Hilflosigkeit nach § 8 Absatz 2 LPflGG, die nur noch im Rahmen des Bestandsschutzes gewährt werden, für die häusliche Pflegehilfe nach § 64b SGB XII einzusetzen, weil diese Teilbeträge als zweckgleich zur häuslichen Pflegehilfe anzusehen sind (siehe auch Nummer 7 Absatz 3 AV-LPflGG).

1.4.2. Leistungskonkurrenz zwischen Pflegegeld nach § 64a SGB XII und häuslicher Pflegehilfe nach § 64b SGB XII sowie Pflegegeld nach § 64a SGB XII und Verhinderungspflege nach § 64c SGB XII (§ 63b Absatz 5 SGB XII)

Pflegegeld und Pflegesachleistung sind keine gleichartigen Leistungen, sodass eine Anrechnung hier nicht in Betracht kommt. Grundsätzlich wird daher das Pflegegeld nach § 64a SGB XII neben der häuslichen Pflegehilfe als Sachleistung nach § 64b SGB XII gewährt. Das Pflegegeld kann jedoch um bis zu zwei Drittel gekürzt werden (§ 63b Absatz 5 SGB XII). Gleiches gilt, wenn Sachleistungen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden, so insbesondere die Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI, die von den Pflegekassen geleistet werden. Auch hier ist eine Kürzung des Pflegegeldes um bis zu zwei Drittel möglich.

Auch bei einer Verhinderungspflege nach § 64c SGB XII ist ggf. das Pflegegeld weiterzuzahlen, jedoch ebenfalls um bis zu zwei Drittel zu kürzen (siehe auch Ziffer 6. und Ziffer 4.7.)

1.4.3. Teilweise Anrechnung der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII oder gleichartiger Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften auf das Pflegegeld

Eine Besonderheit gilt bei den Leistungen der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII und gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften. Diese werden nicht voll auf das Pflegegeld nach § 64a SGB XII angerechnet, sondern nur mit 70 Prozent (§ 63b Absatz 2 Satz 1 SGB XII), weil hier in Bezug auf den Pflegeanteil nur eine teilweise Überschneidung der Leistungsinhalte angenommen wird.

Gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften sind unter anderem das Pflegegeld wegen Blindheit bzw. Taubblindheit nach § 2 LPflGG und die Blindengeldanteile nach § 8 Absatz 2 LPflGG. Auch hier erfolgt eine Anrechnung nur zu 70 Prozent.

Die wegen Gehörlosigkeit oder hochgradiger Sehbehinderung gewährten Leistungen bzw. Leistungsanteile nach dem LPflGG werden in Anlehnung an § 63b Absatz 2 Satz 1 SGB XII ebenfalls mit 70 Prozent auf das Pflegegeld nach § 64a SGB XII angerechnet, weil davon auszugehen ist, dass bei vorliegender Pflegebedürftigkeit des Pflegegrades 2 und höher, das Gehörlosengeld in Höhe dieser Teilsumme eine gleichartige Leistung darstellt, die ebenfalls für die Deckung des Pflegebedarfes einzusetzen ist.

In den Einzelfällen, in denen bisher auf der Grundlage des aufgehobenen Rundschreibens I Nr. 37/2004 auf eine Anrechnung verzichtet worden ist, kann Bestandsschutz eingeräumt werden.

1.4.4. Anspruch auf häusliche Pflege bei Aufenthalt in teil- oder vollstationärer Einrichtung (§ 63b Absatz 3 und 4 SGB XII)

Während des Aufenthalts in einer teilstationären oder vollstationären Einrichtung haben pflegebedürftige Personen grundsätzlich keinen Anspruch auf häusliche Pflege (§ 63b Absatz 3 Satz 1 SGB XII). Ein Anspruch auf häusliche Pflege kommt nur für die Zeiten in Betracht, in denen sich die pflegebedürftigen Personen im häuslichen Bereich aufhalten.

Eine Ausnahme gilt während der Inanspruchnahme einer Tages- bzw. Nachtpflege in einer teilstationären Pflegeeinrichtung nach § 64g SGB XII oder einer vergleichbaren, nicht nach diesem Buch durchgeführten Maßnahme. In diesen Zeiten ist das Pflegegeld nach § 64a SGB XII parallel zu zahlen, allerdings kann es angemessen gekürzt werden (§ 63b Absatz 3 Satz 2 SGB XII). Kriterien der Angemessenheit der Kürzung sind insbesondere der Umfang der Inanspruchnahme der teilstationären Pflege und die dadurch erzielte Entlastung der Pflegeperson.

Bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einem Krankenhaus nach § 108 SGB V oder in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Absatz 2 SGB V werden die Leistungen der häuslichen Pflege weitergezahlt, soweit die pflegebedürftigen Personen die häusliche Pflege bereits vorher durch selbst beschäftigte besondere Pflegekräfte (AGM) sichergestellt haben (§ 63b Absatz 4 Satz 1 SGB XII). Vorrangige Leistungen des Pflegegeldes für selbst beschaffte Pflegehilfen nach den §§ 37 und 38 SGB XI sind anzurechnen (§ 63b Absatz 4 Satz 2 SGB XII).

1.4.5. Anrechnung von Leistungen nach § 45b SGB XI auf Leistungen der HzP (§ 63b Absatz 2 Satz 2 SGB XII)

§ 63b Absatz 2 Satz 2 SGB XII legt fest, dass der Entlastungsbetrag nach § 45b Absatz 1 SGB XI den nach dem SGB XII zu gewährenden Entlastungsbeträgen nach §§ 64i, 66 SGB XII vorgeht. Der Gesetzgeber wollte insoweit eine Doppelleistung vermeiden. Versicherten Personen mit einem Anspruch auf den Entlastungsbetrag nach § 45b Absatz 1 SGB XI steht somit der Entlastungsbetrag nach § 64i oder § 66 SGB XII nicht zu (siehe auch Ziffer 11.)

Auf die übrigen Leistungen der HzP wird der Entlastungsbetrag nach § 45b Absatz 1 SGB XI – wie bisher – nicht angerechnet (Näheres siehe Ziffer 11.4.)

1.4.6. Handhabung der Anrechnungsfreiheit des Zuschlages von 83 Euro bzw. der Anrechnung von 83 Euro der Pflegeversicherungsleistungen (ohne Anspruch auf einen Zuschlag) bei Besitzstandsschutz nach § 141 Absatz 2 SGB XI

Anliegen der PSG II und III ist es, dass es auf Seiten der pflegebedürftigen Personen zu keiner Schlechterstellung aufgrund der Reformen kommen soll. Das gilt auch für die bisherigen zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen (ab 01.01.2017: Entlastungsbetrag)

Für versicherte pflegebedürftige Personen, die am 31.12.2016 einen Anspruch auf den erhöhten Betrag (208,00 Euro) nach § 45b Absatz 1 SGB XI in der am 31.12.2016 geltenden Fassung hatten und die ab dem 01.01.2017 nach § 45b Absatz 1 SGB XI (Fassung ab 01.01.2017) nur noch Anspruch auf den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro haben, ist ein Besitzstandsschutz in § 141 Absatz 2 SGB XI eingeräumt worden; danach haben pflegebedürftige Personen Anspruch auf die Differenz in Höhe von 83 Euro, soweit deren Höchstleistungsanspruch aus den §§ 36, 37 und 41 SGB XI ab dem 01.01.2017 nicht um mindestens 83 Euro höher ist als der ihnen am 31.12.2016 zustehende Höchstleistungsanspruch aus den §§ 36, 37 und 41 SGB XI unter Berücksichtigung des § 123 SGB XI in der am 31.12.2016 geltenden Fassung. Auch dieser Zuschlag findet nach § 45b Absatz 3 SGB XI bei den Fürsorgeleistungen keine Anrechnung.

Ist das Ergebnis des Vergleichs der Höchstleistungsbeträge hingegen, dass der am 01.01.2017 zustehende Höchstleistungsbetrag um mindestens 83 Euro höher ist als am 31.12.2016, haben pflegebedürftige Personen keinen Anspruch auf einen Zuschlag. Zum Ausgleich sind von den monatlichen Leistungen der Pflegeversicherung 83 Euro nicht auf die Fürsorgeleistungen anrechenbar (§ 141 Absatz 2 Satz 5 SGB XI). Dies stellt sicher, dass der sonst geltende Bestandsschutz bei Kürzung des Entlastungsbetrages nicht durch eine entsprechende Anrechnung durch die Sozialhilfe unterlaufen wird.

In diesen Fällen wird wie bisher die um die volle Leistung der Pflegeversicherung geminderte Netto-Rechnung des Pflegedienstes bzw. der Tagespflege-Einrichtung bezahlt; die Freilassung von 83 Euro monatlich von der Anrechnung erfolgt, in dem die Summe als zusätzliche Leistung direkt dem oder der Leistungsberechtigten gegen Nachweis der Inanspruchnahme eines Angebots nach § 45b Absatz 1 SGB XI im Wege der Kostenerstattung ausgezahlt wird. Wie bei jeder anderen Leistung auch, ist eine Bescheiderteilung über den Leistungsanspruch dem Grunde nach erforderlich.

1.4.7. Gleichzeitige Anrechnung vorrangiger Leistungen nach § 63b Absatz 1 SGB XII und Kürzung des Pflegegeldes nach § 63b Absatz 5 SGB XII

Bei Sachverhalten, die sowohl eine Anrechnung gleichartiger Leistungen nach § 63b Absatz 1 SGB XII als auch eine Kürzung des Pflegegeldes nach § 63b Absatz 5 SGB XII wegen gleichzeitigen Bezuges von häuslicher Pflegehilfe nach § 64b SGB XII, Verhinderungspflege nach § 64c SGB XII oder gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich machen, ist zunächst die Anrechnung der gleichartigen Leistung vorzunehmen und erst danach die Kürzung durchzuführen. Das folgt aus der vom Gesetz vorgegebenen Reihenfolge und ist zudem für die pflegebedürftige Person günstiger (vergleiche Meßling, jurisPK-SGB XII, § 66 Rz. 28-30, 2. Auflage, 2014), wie folgendes Beispiel zu den Leistungen nach § 2 Absatz 2 Satz 1 LPflegeGG belegt (Stand 07/2022):

falsch richtig
Pflegegeld Grad II 316,00 Euro 316,00 Euro Pflegegeld Grad II
Kürzung um 2/3 -210,67 Euro -161,28 Euro Anrechnung LPflGG
Zwischenergebnis 105,33 Euro 154,72 Euro Zwischenergebnis
Anrechnung LPflGG 161,28 Euro -103,14(6 ̅) Euro Kürzung um 2/3
Auszahlung 0,00 Euro 51,57(3 ̅) Euro Auszahlung

1.5. Verhältnis der HzP zum SGB II

Auch Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist HzP nach §§ 61 ff. SGB XII zu leisten. Haushaltshilfen erhält dieser Personenkreis jedoch gemäß § 21 Absatz 6 SGB II vom Job-Center. Danach ist Betroffenen bei einem unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf ein entsprechender Mehrbedarf einzuräumen. Als Anwendungsfall ist in der Begründung zu § 21 Absatz 6 SGB II infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 ausdrücklich die notwendige Haushaltshilfe genannt.

Der unabweisbare laufende Bedarf an Haushaltshilfe kann sich dabei entweder daraus ergeben, dass der oder die Betroffene auf einen Rollstuhl angewiesen ist, oder ein Bedarf aus anderen Gründen physischer oder psychischer Art besteht. Entsprechend sind derartige Antragsteller oder Antragstellerinnen an das zuständige Job-Center zu verweisen. Eingegangene Anträge sind nach § 16 Absatz 2 SGB I weiterzuleiten. Es besteht auch keine nachrangige sachliche Zuständigkeit des TdS, die ihn zu einer Vorleistung verpflichten würde.

1.6. Einsatz des Einkommens und Vermögens

Bei der ambulanten HzP gilt die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII. Nach § 87 SGB XII ist das Einkommen, das die Einkommensgrenze übersteigt, in angemessenem Umfang einzusetzen.

Wenn der Bedarf nur für einmalige Aufwendungen (z. B. Pflegehilfsmittel, Maßnahmen der Wohnumfeldverbesserung) besteht, deren Nutzen für mindestens ein Jahr bestimmt ist, kann die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen über der Einkommensgrenze für bis zu vier Monate verlangt werden (§ 87 Absatz 3 SGB XII).

Bei der Übernahme von Lebensunterhalt in einer teilstationären Einrichtung der Tagespflege oder in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung sind die sich dadurch ergebenden häuslichen Ersparnisse zu beachten.

Näheres ist der Gemeinsamen Arbeitsanweisung der Berliner Bezirksämter – Sozialämter – über den Einsatz von Einkommen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) (GA-ESH) in der jeweils gültigen Fassung zu entnehmen, insbesondere den Ziffern 2.2.2.1 und 4.2.3.

Gemeinsame Arbeitsanweisung der Berliner Bezirksämter – Sozialämter – über den Einsatz von Einkommen nach dem SGB XII (GA-ESH)

Der Einsatz des Vermögens nach den §§ 90 f. SGB XII ist den Ausführungsvorschriften über den Einsatz von Vermögen nach dem SGB XII (AV-VSH) zu entnehmen.

Ausführungsvorschriften über den Einsatz von Vermögen nach dem SGB XII (AV-VSH)

Zu den Vergütungen und Entgelten:

https://einrichtungskatalog.verwalt-berlin.de/topqw/Einrichtungskatalog/EinrichtungenNachTyp/PKUPF.html

https://einrichtungskatalog.verwalt-berlin.de/topqw/Einrichtungskatalog/EinrichtungenNachTyp/PTAPF.html

https://www.berlin.de/sen/soziales/vertraege/einrichtungen-mit-verguetungen/Auflistung.aspx?Typ=Typ;mwoh=true

http://www.berlin.de/sen/soziales/vertraege/verguetung/Einrichtungskatalog/EinrichtungenNachTyp/PTAPF.shtml

http://www.berlin.de/sen/soziales/vertraege/verguetung/Einrichtungskatalog/EinrichtungenNachTyp/PKUPF.shtml

2. Hilfebedarfsermittlung nach § 63a SGB XII

2.1. Allgemeines

Die Leistungsstelle und die Pflegebedarfsermittlung stellen gemeinsam eine effiziente und zügige Bearbeitung von Anträgen auf Leistungen der HzP sicher. Hierzu unterrichten sie sich gegenseitig unverzüglich, wenn ein Antrag eingeht oder sich ein pflegerischer Hilfebedarf abzeichnet. Dies gilt auch für Veränderungen im laufenden Hilfefall.

Der TdS hat den notwendigen pflegerischen Hilfebedarf zu ermitteln und festzustellen (§ 63a SGB XII). Ausgangspunkt für die Hilfebedarfsfeststellung ist das Gutachten zur Feststellung des Grades der Pflegebedürftigkeit nach § 15 SGB XI (bei versicherten pflegebedürftigen Personen) oder § 62 SGB XII (bei nichtversicherten pflegebedürftigen Personen).

Für die Bewilligung von ambulanten Leistungen der HzP ist eine IAP anhand des Gutachtenformulars – IAP (Stand 2017, Neu 2018, Version 3.2) – zu erstellen. Dabei sind die Hinweise im Manual zum Gutachtenformular – Manual (Stand 2017, Neu: Dezember 2018, Version 3.2) – zu beachten.

Die IAP kann auch durch nicht öffentliche Stellen erstellt werden. Es handelt sich dabei um eine Auftragsverarbeitung nach § 80 SGB X in Verbindung mit Artikel 28 f. EU-DSGVO, bei der die dort genannten Voraussetzungen einzuhalten sind.

Bei der Pflegebedarfsermittlung für Personen ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse wird empfohlen, Dienstleistende für das Dolmetschen und Übersetzungen sowie Sprachmittlung hinzu zu ziehen. Hierzu kann der Gemeindedolmetscherdienst Berlin in Anspruch genommen werden, sofern kein muttersprachliches Personal zur Verfügung steht.

2.2. Bindungswirkung

Bei der Feststellung des individuellen Hilfebedarfs ist zu beachten, dass der TdS nach § 62a Satz 1 SGB XII an die Entscheidung der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit gebunden ist. Die Bindung erstreckt sich auf die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Festsetzung des Pflegegrades nach den §§ 14, 15 SGB XI. Darüber hinaus muss nach § 63a SGB XII der tatsächliche Hilfebedarf in jedem Fall zusätzlich und individuell ermittelt werden, auch wenn das Gutachten des MD oder der vom TdS beauftragten Gutachtenstelle vorliegt.

Stellt sich bei der Bedarfsermittlung ein Hilfebedarf heraus, der zu einem höheren Pflegegrad nach § 15 SGB XI berechtigen könnte, ist dies im Gutachtenformular zur IAP zu dokumentieren. Zur Wahrung des Nachrangprinzips ist die Beantragung einer Höherstufung durch die pflegebedürftige Person zu veranlassen. Daneben hat die Leistungsstelle die Möglichkeit, nach § 95 SGB XII ein Widerspruchs- oder ggf. Klageverfahren einzuleiten bzw. die Feststellung eines höheren Pflegegrades zu betreiben.

2.3. Die Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs

Bei der Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X; der TdS bestimmt dabei von Amts wegen über Art und Umfang der Ermittlungen. Nach § 21 SGB X kann er sich der Beweismittel bedienen, die er nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich hält.

Dazu gehört auch die Möglichkeit der Inaugenscheinnahme nach § 21 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 SGB X; diese wird regelmäßig im Rahmen eines Hausbesuches durchgeführt. Der Hausbesuch setzt voraus, dass die Hilfebedarfsfeststellung die Wohnung der antragstellenden oder leistungsberechtigten Person betritt; hierzu ist die Zustimmung der Bewohnerin oder des Bewohners erforderlich.

Anlässlich des Hausbesuches können auch medizinisch-pflegerische Unterlagen, die in der Wohnung der pflegebedürftigen Person aufbewahrt werden, eingesehen werden.

2.3.1. Durchführung des Hausbesuches

Die Feststellung des individuellen Hilfebedarfs hat in der Regel im Wohnbereich der pflegebedürftigen Person stattzufinden. Zu diesem Zweck werden Hausbesuche durchgeführt. Der Hausbesuch umfasst das Betreten der Wohnung und die Inaugenscheinnahme der antragstellenden bzw. leistungsberechtigten Person und deren Räumlichkeiten.

Hausbesuche müssen rechtzeitig angemeldet werden; sie dürfen nur dann unangemeldet durchgeführt werden, wenn unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Besonderheiten des zu klärenden Sachverhaltes eine Terminvereinbarung nicht zulassen. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn begründete Hinweise oder Anhaltspunkte vorliegen, die einer Aufklärung bedürfen, z. B. im Rahmen einer anlassbezogenen Prüfung.

Der Hausbesuchstermin wird regelmäßig mit der antragstellenden bzw. leistungsberechtigten Person und ggf. ihrer gesetzlich vertretungsberechtigten oder betreuenden Person abgesprochen. An dem Bedarfseinschätzungstermin sollen möglichst auch Angehörige oder andere nahestehende Personen teilnehmen; das gilt insbesondere dann, wenn sie sich an der Pflege und Betreuung beteiligen.

Der an der pflegerischen Versorgung beteiligte Pflegedienst kann ebenfalls zur Pflegebedarfsermittlung hinzugezogen werden. Vor einer entsprechenden Einbindung in die Ermittlungen müssen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Pflegedienstes von der pflegebedürftigen Person durch schriftliche Erklärung von ihrer Schweigepflicht entbunden werden.

Dem Wunsch der antragstellenden oder leistungsberechtigten Person auf Anwesenheit einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters des Pflegedienstes soll nicht Rechnung getragen werden, wenn zu befürchten ist, dass das Ziel des Hausbesuchs bei einer Teilnahme der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters nicht zu erreichen ist. In diesem Fall käme im Streitfalle eine Zurückweisung nach §§ 13 Absatz 4 in Verbindung mit 6 SGB X in Betracht. Beispiel: Es bestehen begründete Zweifel, dass die pflegebedürftige Person in Gegenwart der Angestellten des Pflegedienstes offen und angstfrei über den Umgang des Pflegedienstes mit den pflegebedürftigen Personen berichten wird.

2.3.2. Der Zutritt zur Wohnung

Die grundgesetzlich geschützte Unversehrtheit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes ist ein hohes Gut. Behördenmitarbeiter oder Behördenmitarbeiterinnen dürfen daher auch im Rahmen ihrer gesetzlichen Ermittlungsaufgaben die Wohnung der pflegebedürftigen Person nur betreten, wenn deren Einwilligung vorliegt.

Bei einer Pflegewohngemeinschaft ist die Zustimmung der pflegebedürftigen Person zum Betreten des eigenen Einzelzimmers und der Gemeinschaftsräume grundsätzlich ausreichend (siehe Ziffer 5.2. (LK Tagespauschale in Pflege-Wohngemeinschaften). Andere dort wohnende Personen können die Zustimmung zum Betreten der Gemeinschaftsräume nur in Ausnahmefällen wegen begründeter Unzumutbarkeit verweigern.

Die zuständigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Bezirksamtes und vor allem auch eines beauftragten Pflegebedarfsermittlungsdienstes haben sich vor Betreten der Wohnung als Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen des Bezirksamtes oder als in dessen Auftrag handelnde Person zu legitimieren.

Verweigert die antragstellende oder leistungsberechtigte Person oder deren Vertretung bzw. Betreuung den Zutritt zur Wohnung, kann das wegen fehlender Mitwirkung im Sinne des § 66 SGB I zur Einstellung der Ermittlungen oder sogar zur Leistungsversagung führen (siehe Ziffer 2.3.6.).

2.3.3. Identitätsnachweis

Zum Nachweis der Identität ist die mit der Bedarfsfeststellung betraute Person berechtigt, von der antragstellenden und zu begutachtenden Person die Vorlage des Personalausweises (oder des Reisepasses) zu verlangen. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Mitwirkungspflichten der Leistungsberechtigten an der Durchführung des Verwaltungsverfahrens nach § 60 Absatz 1 SGB I in Verbindung mit §§ 8 ff. SGB X. Die leistungsberechtigte oder antragstellende Person ist zur wahrheitsgemäßen Angabe aller Tatsachen, die für die jeweilige sozialrechtliche Leistung erheblich sind und auf Verlangen zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet (§ 60 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 1, Nummer 3 Alternative 2 SGB I). Die wahrheitsgemäße Identität der zu begutachtenden Person ist für das Bewilligungsverfahren aufgrund des Individualitätsprinzips erheblich. Personalausweis oder Reisepass sind Beweisurkunden im Sinne der Vorschrift, die zur Vorlage gegenüber einer öffentlichen und nichtöffentlichen Stelle zum Zwecke des Identitätsnachweises vorgesehen sind. (Vergleiche §§ 14, 18 Absatz 1 und 20 Absatz 1 PAuswG)

Über die Mitwirkungspflicht und die Folgen fehlender oder fehlerhafter Mitwirkung ist die antragstellende Person aufzuklären (§ 66 Absatz 3 SGB I). Dies sollte zur Sicherheit schriftlich spätestens mit Ankündigung des Hausbesuches erfolgen.

2.3.4. Die Inaugenscheinnahme während des Hausbesuches

Bei der Inaugenscheinnahme zur Hilfebedarfsermittlung werden regelmäßig personenbezogene bzw. personenbeziehbare Sozialdaten verarbeitet. Es handelt sich dabei um Sozialdaten im Sinne des § 67 Absatz 2 Satz 1 SGB X i.V.m. Artikel 4 Nummer 1 und Artikel 9 Absatz 1 i.V.m. Absatz 2 b) und h) der Verordnung (EU) 2016/679 (EU DSGVO)), weil bei den Ermittlungen Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse von identifizierten oder identifizierbaren natürlichen Personen verarbeitet (hier insb. erhoben und verwendet) werden, wie z. B. Name und Adresse der oder des Betroffenen sowie Angaben zum persönlichen Hilfebedarf oder zu gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten. Unter den Begriff der “Verarbeitung” fällt jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung (Artikel 4 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2016/679). Die datenerhebende oder -verarbeitende Stelle muss daher eine Stelle im Sinne des § 35 SGB I sein, die dem Sozialgeheimnis verpflichtet ist. Das ist bei den Berliner Bezirksämtern der Fall.

Bei der Ermittlungstätigkeit können zumindest die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte der antragstellenden oder leistungsberechtigten Person aus Artikel 2 des Grundgesetzes beeinträchtigt werden. Der wichtigste zu beachtende Grundsatz ist daher der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes: Die Verwaltung darf nur das geeignete, erforderliche und angemessene Mittel zur Zielerreichung einsetzen. In der Konsequenz darf nur das Mittel eingesetzt werden, das mit dem geringsten Aufwand zum Ziel führt. Der aufgewendete Einsatz darf zum angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis stehen.

Die Inaugenscheinnahme im Rahmen eines Hausbesuches ist für die Ermittlung des Hilfebedarfes in der Regel als geeignet, erforderlich und angemessen anzusehen, weil der Bedarf der antragstellenden oder leistungsberechtigten Person an Fremdhilfe in seinem gewohnten Umfeld zusammen mit den ihn betreuenden Personen optimal und ohne größere Belastungen für die Beteiligten beobachtet und beurteilt werden kann. Die Komplexität des Sachverhaltes lässt sich anderweitig nicht besser und umfassender ermitteln.

Für die Erhebung von Sozialdaten ist es nach § 67a Absatz 1 SGB X erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Kenntnis dieser Daten zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle erforderlich ist und der antragstellenden oder leistungsberechtigten Person die in Artikel 13 und ggf. Artikel 14 der Verordnung (EU) 2016/679 aufgeführten Pflichtinformationen mitgeteilt werden (ergänzend §§ 82 f. SGB X). In der Regel wird der oder die Betroffene bereits bei der Antragstellung über seine oder ihre Rechte und die des TdS unterrichtet. Zur Beweissicherung sollte die Kenntnisnahme schriftlich bestätigt werden.

Führen die Fachdienste der Gesundheitsämter die Hilfebedarfsermittlung durch, erfolgt die Datenverarbeitung und Übermittlung nach §§ 4a Absatz 1 und 2 in Verbindung mit 1 Absatz 3 Nummer 3 b) Gesundheitsdienste-Gesetz.

2.3.5. Einsichtnahme in medizinisch-pflegerische Unterlagen

Zum Zweck der Feststellung des Bedarfs an ambulanter HzP nach § 63a SGB XII sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Pflegebedarfsermittlungsdienstes im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes befugt, Einsicht in medizinisch-pflegerische Unterlagen zu nehmen. Hierzu gehören insbesondere die Pflegedokumentation der Pflegedienste, das Pflegegutachten des MD (MD-Pflegegutachten), ärztliche Atteste sowie weitere medizinisch-pflegerische Unterlagen, die Rückschlüsse auf den Pflegebedarf und den Leistungsumfang zulassen. Die Einsichtnahme muss für die Sachverhaltsaufklärung erforderlich sein.

Bei einer Folge- oder Neubegutachtung ist es zusätzlich erforderlich, die Wirksamkeit der bewilligten Maßnahmen zu beurteilen. Hierfür sind Informationen zu den erbrachten Leistungen im Hinblick auf Art, Umfang und Verlauf notwendig. Auch in diesem Zusammenhang ist es datenschutzrechtlich zulässig, Einsicht in die Pflegedokumentation zu nehmen.

Im Zuge einer Einsichtnahme können zum Zwecke der Beweissicherung von der Pflegedokumentation und anderen medizinisch-pflegerischen Unterlagen auch in geeigneter Weise Bilddokumente gefertigt werden.

Es ist davon auszugehen, dass die Pflegedokumentation bei der pflegebedürftigen Person aufbewahrt wird. Auch vor einer Einsichtnahme in medizinisch-pflegerische Unterlagen ist die pflegebedürftige Person über das Recht des TdS zur Datenerhebung beim Betroffenen nach § 67a Absatz 1 SGB X zu unterrichten. Die Unterrichtungspflicht gilt auch vor einer ggf. erforderlichen Durchsicht von Schränken in der Wohnung der pflegebedürftigen Person.

Für die Anforderung des MD-Pflegegutachtens bei der Pflegekasse sowie die Einsichtnahme in die Pflegedokumentation des Pflegedienstes, die nicht bei der oder dem Betroffenen aufbewahrt wird, ist die schriftliche Zustimmung der pflegebedürftigen Person erforderlich.

Verweigert die pflegebedürftige Person oder deren Vertretung bzw. Betreuung die Einsichtnahme in die für eine Leistungsgewährung erforderlichen medizinisch-pflegerischen Unterlagen, kann das wegen fehlender Mitwirkung im Sinne des § 66 SGB I zur Einstellung der Ermittlungen oder sogar zur Leistungsversagung führen (siehe Ziffer 2.3.6.).

2.3.6. Fehlende Mitwirkung

Kommt die pflegebedürftige Person oder deren Vertretung bzw. Betreuung – auch im Zusammenwirken mit anderen von der pflegebedürftigen Person zu vertretenden Umständen – ihren Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62 und 65 SGB I nicht nach und kann hierdurch die Aufklärung der Leistungsvoraussetzungen – hier: die Ermittlung des Hilfebedarfes – nicht, nicht vollständig oder nur erheblich erschwert festgestellt werden, kann der TdS die Leistung der HzP wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I ohne weitere Ermittlungen ganz oder teilweise versagen oder entziehen. Die Versagung oder Entziehung der Leistung ist nach § 66 Absatz 3 SGB I nur möglich, nachdem die pflegebedürftige Person schriftlich auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hingewiesen wurde und die betroffene Person ihrer Mitwirkungspflicht nicht innerhalb der ihr gesetzten, angemessenen Frist nachgekommen ist. Ggf. kann die Mitwirkung nach § 67 SGB I nachgeholt werden.

Wenn nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast wegen fehlender Mitwirkung durch die pflegebedürftige Person feststeht, dass der TdS –nach Ausschöpfung anderer ihm zur Verfügung stehender Erkenntnisquellen – den Hilfebedarf nicht endgültig aufklären kann, ist er berechtigt, die Leistung ganz oder teilweise wegen nicht nachgewiesener Leistungsvoraussetzungen abzulehnen. Als Ablehnungsgrund ist in diesen Fällen nicht die fehlende Mitwirkung anzuführen, sondern die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts.

Ein Verstoß gegen eine Mitwirkungsobliegenheit nach § 21 SGB X kann darin gesehen werden, wenn im Falle eines erforderlichen Hausbesuches die Zustimmung zum Betreten der Wohnung verweigert wird. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht kann in der Verweigerung der Einsicht in erforderliche medizinisch-pflegerische Unterlagen liegen. Wenn das dazu führt, dass eine vollständige Sachverhaltsaufklärung nicht erfolgen kann, wird das zulasten des möglichen Leistungsberechtigten ausgelegt werden können.

Die leistungsberechtigte Person ist im Rahmen eines Beratungsgespräches – möglichst schon bei Antragstellung – über die möglichen leistungsrechtlichen Folgen einer fehlenden Mitwirkung aufzuklären. Insbesondere ist die pflegebedürftige Person darauf hinzuweisen, dass unaufgeklärte Sachverhalte zu ihren Lasten gehen können.

2.3.7. Hilfebedarfsfeststellung – Zusammenwirken zwischen TdS und Pflegedienst

Mit Auslaufen des Berliner Rahmenvertrages (BRV) besteht keine verbindliche Regelung mehr bzgl. des Zusammenwirkens zwischen TdS und Pflegedienst bei der Hilfebedarfsfeststellung.

Um dennoch eine einheitliche Vorgehensweise für das Land Berlin und gegenüber allen hier tätigen Pflegediensten zu unterstützen, wird nachfolgendes Verfahren empfohlen:

Spätestens innerhalb einer Woche ab Beginn der pflegerischen Versorgung durch den Pflegedienst teilt dieser unter Berücksichtigung der Auffassung der pflegebedürftigen Person oder deren gesetzlicher Vertretung bzw. Betreuung dem TdS den aus seiner Sicht vorliegenden Bedarf an LK’s oder Zeit mit. Diese Einschätzung wird bei der Bedarfsermittlung durch den TdS berücksichtigt.

Nach der Mitteilung informiert der TdS seinerseits den Pflegedienst schnellstmöglich, über den festgestellten Bedarf in LK’s oder Zeit. Empfohlen wird auch weiterhin, dass diese Mitteilung innerhalb von 8 Wochen erfolgt, sofern die Mitwirkung der antragstellenden Person, insbesondere die Vorlage aller den Hilfebedarf begründenden Unterlagen und die Mitwirkung bei der unmittelbaren Pflegebedarfsermittlung durch Begutachtung der antragstellenden Person, dem nicht entgegensteht.

Entstehende Verzögerungen sollen dem Pflegedienst mit entsprechender Begründung mitgeteilt werden und verlängern entsprechend die Zeitspanne bis zur Mitteilung des festgestellten Bedarfes in LK’s oder Zeit. Die Feststellung des pflegerischen Bedarfsumfanges stellt sozialhilferechtlich keinen Bewilligungsbescheid dar. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Bedarf geringer war oder nicht bestand und der unrichtige Umfang auf vorsätzlichem oder grob fahrlässigen Fehlverhalten seitens Antragsteller oder Antragstellerin bzw. Pflegedienst beruht, kann der Bedarf auch rückwirkend neu festgestellt werden (kein Vertrauensschutz entsprechend § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X).

Eine Zahlungspflicht des TdS tritt erst mit dem Erlass eines Bewilligungsbescheides zu dem darin geregelten Zeitpunkt der Leistungsgewährung ein.

2.4. Aufbewahren von medizinisch-pflegerischen Dokumenten in der Leistungsakte

Das MD-Pflegegutachten stellt – soweit vorhanden – eine wesentliche Grundlage für die Leistungsbewilligung neben dem IAP-Bogen dar. Die Leistungsstellen haben vor dem Hintergrund der Bindungswirkung der Entscheidung der Pflegekassen nach § 62a Satz 1 SGB XII die Möglichkeit, Plausibilitätsprüfungen vorzunehmen und mögliche Ansprüche gegen vorrangige Sozialleistungsträger zu identifizieren. Es ist daher datenschutzrechtlich vertretbar, wenn das Pflegegutachten des MD zur Leistungsakte genommen wird.

Die darin enthaltenen Daten sind immer auf ihre Erforderlichkeit in Bezug auf die vollständige und rechtmäßige Aufgabenerfüllung bzw. Leistungsgewährung im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. Nicht pflegebegründende Daten sind zu schwärzen.

Soweit der Pflegebedarfsermittlungsbereich eigene Pflegeakten führt, gelten zuvor genannte Regelungen nicht, da diese Daten relevant für die Feststellung eines Anspruchs im Bereich der ambulanten HzP sind und demzufolge dem Leistungsträger zur Anspruchsüberprüfung vorliegen müssen. Das gilt auch für das Pflegegutachten des vom TdS beauftragten Pflegebedarfsermittlungsdienstes für Nichtversicherte.

2.5. Wunsch- und Wahlrecht

2.5.1. Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 9 Absatz 2 und 3 SGB XII

Das Wunsch- und Wahlrecht des § 9 Absatz 2 SGB XII bringt in Ergänzung des Individualisierungsprinzips in Absatz 1 zum Ausdruck, dass auch die Vorstellungen der pflegebedürftigen Personen bei der Gestaltung der Hilfe zu berücksichtigen sind.

Die Wünsche müssen angemessen sein. Es darf also nur ein sozialhilferechtlich anerkannter Bedarf befriedigt werden (§ 9 Absatz 2 Satz 1 SGB XII); zum anderen darf die gewünschte Maßnahme nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sein (§ 9 Absatz 2 Satz 3 SGB XII).

Der Kostenvergleich erfolgt auf der Grundlage der Durchschnittskosten im Land Berlin, die üblicherweise für diese Hilfemaßnahme und den jeweiligen Pflegegrad entstehen; in Ausnahmefällen können auch die Kosten in anderen Ländern herangezogen werden. Bei einer Überschreitung der Durchschnittskosten um mehr als 30 vom Hundert ist im Allgemeinen von unverhältnismäßigen Mehrkosten auszugehen (vergleiche dazu Sozialgericht Hildesheim, Urteil vom 19.05.2010 – S 34 SO 212/07). Der Besonderheit des Einzelfalles ist jedoch Rechnung zu tragen.

Vor diesem Hintergrund ist es möglich, auch Pflegedienste zu wählen, die mit einem höheren Punktwert abrechnen und/oder Investitionskosten gesondert in Rechnung stellen.

Die pflegebedürftige Person kann zwischen den Pflegediensten frei wählen (siehe § 2 Absatz 2 SGB XI). Zu ihrer Unterstützung bei der Ausübung ihres Wahlrechts hat die zuständige Pflegekasse nach § 7 Absatz 3 SGB XI der pflegebedürftigen Person Leistungs- und Preisvergleichslisten zur Verfügung zu stellen; damit soll auch der Wettbewerb unter den zugelassenen Pflegeeinrichtungen gefördert werden (siehe Pflegenavigator der AOK Nordost, https://www.aok.de/pk/nordost/pflege/pflegenavigator/).

Der TdS ist neben den Pflegekassen Vertragspartner bei allen Vergütungsvereinbarungen der zugelassenen Pflegedienste und kann daher pflegebedürftige Personen nicht allein auf preiswerte Dienste verweisen. Sofern dies im Rahmen der Beratung gewünscht wird, kann auf preisliche Unterschiede hingewiesen werden.

2.5.2. Vorrang der ambulanten Leistungen nach § 9 Absatz 2 Satz 2 und § 13 Absatz 1 Satz 2 SGB XII

§ 9 Absatz 2 Satz 2 SGB XII und § 13 Absatz 1 Satz 2 SGB XII bringen den grundsätzlichen Vorrang der ambulanten Versorgung zum Ausdruck. Für das Wunsch- und Wahlrecht der pflegebedürftigen Person bedeutet dies zunächst, dass der Wunsch nach stationärer Hilfe nur berücksichtigt werden kann, wenn die ambulante Versorgung nicht möglich ist, nicht ausreicht oder zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führt.

Darüber hinaus begründet § 64 SGB XII für die HzP eine besondere Pflicht des TdS, auf ambulante Pflege hinzuwirken.

Dabei ist als Regelfall die Pflege durch nichtprofessionelle Pflegepersonen vorgesehen, mit denen die pflegebedürftige Person verwandt ist, in Nachbarschaft lebt oder sozial verbunden ist. Entsprechend sind die Pflegepotentiale des verwandtschaftlichen und sozialen Umfeldes zu mobilisieren. Professionelle Pflegekräfte sind nur bei Erforderlichkeit einzusetzen (§ 64b Absatz 1 Satz 1 SGB XII).

Der Vorrang der ambulanten Versorgung gilt jedoch ebenfalls nur dann, wenn dadurch – im Vergleich zur stationären Versorgung – keine unverhältnismäßigen Mehrkosten entstehen und die stationäre Unterbringung unzumutbar ist (siehe §§ 9 Absatz 2 Satz 3, 13 Absatz 1 Satz 3 SGB XII).

Es kann davon ausgegangen werden, dass eine ambulante pflegerische Versorgung dann unverhältnismäßige Mehrkosten verursacht, wenn die Kosten der stationären Versorgung um 30 vom Hundert oder mehr überschritten werden. Dabei ist der Besonderheit des jeweiligen Einzelfalles Rechnung zu tragen.

Für den Kostenvergleich sind vorrangige Leistungen – insbesondere die der Pflegeversicherung – von den Leistungen der HzP in Abzug zu bringen.

Bei stationärer Versorgung ist zum Kostenvergleich nur die Maßnahmenpauschale (Pflegesatz) heranzuziehen.

Keine Berücksichtigung finden Eigenanteile der pflegebedürftigen Person, die sich aus dem jeweiligen Einsatz ihres Einkommens ergeben, da dies in vielen Fällen zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen würde. Insbesondere für alleinstehende pflegebedürftige Personen würde bei entsprechendem Einkommen die Versorgung in einer stationären Pflegeeinrichtung durch die hohen Eigenanteile bei dieser Leistungsform für das Land Berlin grundsätzlich weitaus kostengünstiger sein.

2.5.3. Zumutbarkeit der stationären Versorgung

Entscheidende Bedingung für die Durchbrechung der Vorrangigkeit der ambulanten Versorgung ist jedoch, dass die Versorgung in einer geeigneten stationären Einrichtung für die pflegebedürftige Person zumutbar ist (§ 13 Absatz 1 Sätze 3, 4 und 5 SGB XII).

Bereits bei der Durchführung des Kostenvergleichs, aber auch bei der Prüfung der Zumutbarkeit darf nicht abstrakt auf das Vorhandensein stationärer Einrichtungen hingewiesen werden. Vielmehr ist ein tatsächlich zur Verfügung stehender Heimplatz zu Grunde zu legen. Dabei muss die jeweilige stationäre Einrichtung geeignet sein, den individuellen Bedarf der pflegebedürftigen Person zu decken.

Die Zumutbarkeit der stationären Versorgung ist zwar einzelfallbezogen, jedoch grundsätzlich anhand objektiver Maßstäbe zu prüfen; subjektive Vorstellungen der pflegebedürftigen Person sind nicht zur Beurteilung heranzuziehen. Entscheidend ist, ob die mit der Aufnahme in die stationäre Einrichtung verbundene Veränderung der Lebensumstände nach allgemeiner Anschauung vertretbar und für die pflegebedürftige Person tragbar ist.

Nach § 13 Absatz 1 Satz 5 SGB XII sind bei der Prüfung der Zumutbarkeit der stationären Versorgung die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen.

Eine besondere Bedeutung hat bei der Berücksichtigung der persönlichen Umstände, in welchem Maße die pflegebedürftige Person in ihr soziales Umfeld integriert ist, und ob bei einer stationären Versorgung mit dem Verlust der sozialen Gemeinschaft zu rechnen ist. Je weniger die pflegebedürftige Person aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnimmt oder teilnehmen kann, desto eher ist die Bedarfsdeckung im stationären Bereich zumutbar.

Weitere persönliche Umstände, die die Zumutbarkeit beeinflussen können, sind das Alter und der Gesundheitszustand der pflegebedürftigen Person.

So ist es für junge pflegebedürftige Personen unzumutbar, auf Dauer in einem Pflegeheim mit alten Menschen zusammenleben zu müssen. Unzumutbarkeit ist auch anzunehmen, wenn ein alter Mensch durch einen Wechsel in eine stationäre Einrichtung laut ärztlicher Prognose gesundheitlichen Schaden nehmen würde.

Im Hinblick auf die familiären Umstände ist die Einbeziehung von Familienangehörigen in die Betreuung von Bedeutung sowie die Frage, ob die familiären Kontakte durch die Versorgung in einer stationären Einrichtung erschwert oder gar unmöglich werden.

Schließlich können auch die große Entfernung der stationären Einrichtung vom jetzigen Wohnort und damit der Verlust sozialer Kontakte eine Rolle spielen.

Ergibt die Prüfung, dass die vom TdS vorgesehene stationäre Pflege unzumutbar ist, sind unverhältnismäßige Mehrkosten der ambulanten Pflege hinzunehmen (§ 13 Absatz 1 Satz 6 SGB XII).

§ 130 SGB XII enthält eine Besitzstandsregelung für Personen, die am 26. Juni 1996 im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder der HzP ambulant betreut worden sind.

3. Leistungen der ambulanten HzP unterhalb des Pflegegrades 2

3.1. Leistungen bei Pflegegrad 1 nach § 63 Absatz 2 SGB XII

Bei Pflegegrad 1 sind die Leistungen der HzP nach § 63 Absatz 2 SGB XII auf Pflegehilfsmittel nach § 64d SGB XII, Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII, digitale Pflegeanwendungen nach § 64j SGB XII, ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen nach § 64k SGB XII und den Entlastungsbetrag nach § 66 SGB XII in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich begrenzt.

Weitere Leistungen der HzP sind ausgeschlossen, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Hilfebedarf bei Pflegegrad 1 dermaßen gering ist, dass die vorgesehenen Leistungen ausreichen. In der amtlichen Begründung heißt es hierzu: „Aus pflegewissenschaftlicher Sicht ist ein uneingeschränkter Zugang zu den Leistungen der HzP bei Pflegegrad 1 nicht angezeigt.“

Leistungen der ambulanten HzP bei Pflegegrad 1 kommen in Betracht für Personen,

  • die nach § 33 Absatz 2 SGB XI die Vorversicherungszeit von zwei Jahren in den letzten zehn Jahren nicht erfüllt haben oder
  • die ergänzende Hilfen (nur bei: Pflegehilfsmitteln, Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes, digitalen Pflegeanwendungen und Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen) benötigen.

Die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln nach § 64d SGB XII erfolgt unter Beachtung der Erforderlichkeit und des Nachranggrundsatzes (siehe Ziffer 3.2.). Dies gilt ebenfalls für digitale Pflegeanwendungen nach § 64j SGB XII und Leistungen zur Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen nach § 64k SGB XII.

Die Bewilligung von Leistungen für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII erfolgt unter Beachtung der Erforderlichkeit und des Nachranggrundsatzes sowie nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens (siehe Ziffer 3.2.).

Der Entlastungsbetrag nach § 66 SGB XII ist auf bis zu 125 Euro monatlich begrenzt und dient der Stabilisierung der häuslichen Pflegesituation. Dementsprechend ist der Entlastungsbetrag zweckgebunden einzusetzen für

  • die Entlastung pflegender Angehöriger oder nahestehender Pflegepersonen,
  • die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags,
  • die Inanspruchnahme von
    • Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 64b SGB XII,
    • Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII,
    • andere Leistungen nach § 64f SGB XII,
    • Leistungen zur teilstationären Pflege im Sinne des § 64g SGB XII,
  • die Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten im Sinne des § 45a SGB XI.

Zu den ersten beiden Spiegelstrichen sind konkrete Leistungsangebote weder im Gesetzestext noch in der Begründung benannt. Da die darin genannten Zwecke denen des § 45b SGB XI entsprechen, dürfte auch die Inanspruchnahme einer Kurzzeitpflege, einer Verhinderungspflege und von Pflegehilfsmitteln aus dem vom TdS bewilligten Entlastungsbetrag nach § 66 SGB XII finanzierbar sein.

Die Finanzierung von Hilfen durch Pflegepersonen (nahestehende Personen, Nachbarn oder Nachbarinnen) ist seit dem 14.01.2021 mit Änderung der Pflegeunterstützungsverordnung (PuVO) zur Regelung der Nachbarschaftshilfe aus dem Entlastungsbetrag ebenfalls möglich. Mit der Einfügung des neuen § 5a PuVO wurde eine Anpassung an die Bedarfslage der Pflegebedürftigen in Berlin vorgenommen und die Unterstützung durch ehrenamtliche Nachbarschaftshelfende in die Leistungspalette der Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a SGB XI eingebunden. Das gilt für den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI wie auch nach §§ 64i, 66 SGB XII.

Es gilt das Kostenerstattungsprinzip, das dem der Pflegeversicherung nach § 45b Absatz 2 Satz 2 SGB XI entspricht. Leistungen aus dem Entlastungsbetrag werden bis zu einer Gesamthöhe von 125 Euro monatlich nur gegen Vorlage entsprechender Belege erstattet. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 66 SGB XII, der Leistungen von bis zu 125 Euro vorsieht (unter anderem in LPK-SGB XII/Krahmer/Höfer/SGB XII § 64i, Rn. 3)

Der Entlastungsbetrag dient der Bedarfsdeckung im jeweiligen Anspruchsmonat. Im Gegensatz zum Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI ist im SGB XII die Möglichkeit zum Ansparen gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen und damit nicht möglich. Dies würde auch dem fürsorgerechtlichen Grundsatz zuwiderlaufen, dass Hilfen nur zur Behebung einer gegenwärtigen Bedarfslage gewährt werden.

3.1.1. Vorrangige Leistungen der Pflegeversicherung bei Pflegegrad 1

Versicherte Pflegebedürftige haben vorrangig die Leistungen der Pflegeversicherung bei Pflegegrad 1 in Anspruch zu nehmen.

Die Leistungen der Pflegeversicherung für Personen mit Pflegegrad 1 sind in § 28a Absatz 1 SGB XI geregelt:

  • Pflegeberatung gemäß den §§ 7a und 7b SGB XI,
  • Beratung in der eigenen Häuslichkeit gemäß § 37 Absatz 3 SGB XI,
  • zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen gemäß § 38a SGB XI,
  • Versorgung mit Pflegehilfsmitteln gemäß § 40 Absatz 1 bis 3 und 5 SGB XI,
  • finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen oder gemeinsamen Wohnumfeldes gemäß § 40 Absatz 4 SGB XI,
  • zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen gemäß § 43b SGB XI,
  • zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung gemäß § 44a SGB XI,
  • Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen gemäß § 45 SGB XI,
  • Ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen gemäß § 39a SGB XI und digitale Pflegeanwendungen gemäß § 40a SGB XI,
  • Leistungsanspruch beim Einsatz digitaler Pflegeanwendungen gemäß § 40b SGB XI.

Zusätzlich gewährt die Pflegeversicherung für pflegebedürftige Personen in häuslicher Pflege nach § 28a Absatz 2 SGB XI auf Basis des Kostenerstattungsprinzips gegen Vorlage entsprechender Belege einen Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI in Höhe von monatlich bis zu 125 Euro. Einer gesonderten Beantragung des Entlastungsbetrages bei der Pflegeversicherung bedarf es nicht (§ 45b Absatz 2 Satz 1 SGB XI). Der Anspruch entsteht mit Vorliegen der Pflegebedürftigkeit und der häuslichen Versorgung.

Der Entlastungsbetrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags (§ 45b Absatz 1 Satz 2 SGB XI).

Folgende Angebote können genutzt werden:

  • Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
  • Leistungen der Kurzzeitpflege,
  • Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36 SGB XI (im Pflegegrad 1 ohne Einschränkung),
  • Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a SGB XI.

Die Erstattung der Aufwendungen aus dem Entlastungsbetrag erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in § 45b Absatz 1 Satz 3 SGB XI genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI eingesetzt werden (§ 45b Absatz 1 Satz 4 SGB XI).

Der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI geht nach § 63b Absatz 2 Satz 2, 1. Halbsatz SGB XII dem Entlastungsbetrag nach § 66 SGB XII vor. Versicherte Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 können daher den Entlastungsbetrag nach § 66 SGB XII nicht erhalten.

Grundsätzlich haben pflegebedürftige Personen auch bei Pflegegrad 1 ein Wahlrecht in Bezug auf den Einsatz des Entlastungsbetrages im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Angebote.
Das gilt für den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI genauso wie für den Entlastungsbetrag nach § 66 SGB XII.

3.2. Leistungen neben der HzP (bei Pflegegrad 1 und ohne Pflegegrad)

3.2.1. Vorrangigkeit des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI und Einschränkung des Wahlrechts bei Pflegegrad 1

Es kann im Einzelfall vorkommen, dass ein Hilfebedarf bei der Haushaltsführung oder an pflegerisch-betreuerischer Unterstützung besteht, obwohl die Leistungen bei Pflegegrad 1 (Ziffer 3.1.) bereits ausgeschöpft sind oder ein Pflegegrad nicht erreicht wird.

In diesem Fall besteht die Möglichkeit, die erforderlichen Hilfen nach anderen Rechtsgrundlagen zu gewähren.

Bei festgestelltem Pflegegrad 1 ist dabei immer zu beachten, dass der Anspruch auf den Entlastungsbetrag im Rahmen der Pflegeversicherung nach § 28a Absatz 2 in Verbindung mit § 45b SGB XI bzw. im Rahmen der HzP nach § 63 Absatz 2 in Verbindung mit § 66 SGB XII vorrangig in Anspruch zu nehmen bzw. in Anrechnung zu bringen ist. § 63b Absatz 2 Satz 2, 2. Halbsatz SGB XII ist unbeachtlich, da es sich bei den anderen Rechtsgrundlagen nicht um HzP handelt.

Um die Vorrangigkeit der SGB XI-Leistung sicher zu stellen, sind die mit dem Entlastungsbetrag zu finanzierenden Hilfebedarfe aus dem nach dem IAP festgestellten Gesamtbedarf herauszurechnen, um für den verbleibenden ungedeckten Hilfebedarf eine Leistung nach anderen Rechtsgrundlagen prüfen zu können. Bei einer Gesamtversorgung der pflegebedürftigen Person durch einen Pflegedienst ist von der monatlichen Gesamtrechnung der Entlastungsbetrag von 125 Euro in Abzug zu bringen.

Auch das Wahlrecht bei der Verwendung des Entlastungsbetrages (siehe letzter Absatz Ziffer 3.1.1.) ist im Falle der Beantragung von Leistungen, die nicht im Rahmen der HzP abgedeckt werden können, eingeschränkt. Der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI ist dann unbedingt zur Deckung eines ggf. vorhandenen Hilfebedarfs an körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischer Betreuung und danach für hauswirtschaftliche Verrichtungen einzusetzen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Nachrangprinzip des § 2 Absatz 1 SGB XII.

Gleiches gilt für nichtversicherte pflegebedürftige Personen hinsichtlich der Verwendung des Entlastungsbetrages nach § 66 SGB XII. Auch hier ist das Wahlrecht eingeschränkt, wenn über den Entlastungsbetrag hinaus noch ein Bedarf an laufenden Leistungen für Pflege, Betreuung oder Haushaltsführung besteht. Die pflegebedürftigen Personen sind per Leistungsbescheid darauf hinzuweisen, dass sie mit dem Entlastungsbetrag zunächst den notwendigen Bedarf an körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischer Betreuung und danach an hauswirtschaftlichen Hilfen zu decken haben. Es gilt das fürsorgerechtliche Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe (§ 2 Absatz 1 SGB XII).

3.2.2. Möglichkeiten der Leistungsgewährung für pflegerisch-betreuerische Hilfen und Unterstützung bei der Haushaltsführung neben der HzP

Bei einem ungedeckten Bedarf an Hilfen bei der Führung des Haushalts soll gemäß § 70 SGB XII Hilfe zur Weiterführung des Haushalts bewilligt werden. Grundsätzlich sollen die Leistungen nach § 70 SGB XII zwar nur vorübergehend gewährt werden; kann durch die Leistung jedoch die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgeschoben werden, so kann die Leistung auch auf einen längeren (unbefristeten) Zeitraum ausgedehnt werden.

Beschränkt sich der Hilfebedarf auf einzelne, für den Lebensunterhalt erforderliche hauswirtschaftliche Tätigkeiten, kommt auch die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. der Grundsicherung nach § 27 Absatz 3 SGB XII oder nach (§ 42 in Verbindung mit) § 27a Absatz 4 Satz 1 SGB XII in Betracht.

Eine Übernahme der einzelnen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten als Leistung der Grundsicherung nach dem vierten Kapitel des SGB XII kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die leistungsberechtigte Person laufende Grundsicherungsleistungen erhält. Ansonsten ist § 27 Absatz 3 SGB XII die mögliche Anspruchsgrundlage.

Hinweis: Auch wenn Personen ihren notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten können, erhalten sie auf Antrag aus der Hilfe zum Lebensunterhalt einen angemessenen Zuschuss nach § 27 Absatz 3 SGB XII, wenn ihnen die Aufbringung der für die geleistete Hilfe und Unterstützung notwendigen Kosten nicht in voller Höhe zumutbar ist. Als angemessen gelten Aufwendungen, die üblicherweise als Anerkennung für unentgeltlich geleistete Hilfen und Unterstützungen oder zur Abgeltung des entsprechenden Aufwandes geleistet werden. Den Zuschuss erhält nicht, wer einen entsprechenden Anspruch auf Assistenzleistungen nach § 78 des Neunten Buches hat.

Hilfe zur Weiterführung des Haushalts ist – in Abgrenzung zur Hilfe zum Lebensunterhalt – zu bewilligen, wenn zwar nur einzelne, in ihrer Gesamtheit jedoch wesentliche Tätigkeiten der Haushaltsführung zu übernehmen sind. Die Gewährung von Hilfen nach dem dritten und vierten Kapitel des SGB XII stellt tatsächlich nur auf reine Funktionen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts und auf einzelne Tätigkeiten ab (z. B. Einkaufen, Reinigung der Wohnung). Bei vorliegendem Pflegegrad 1 wird in den meisten Fällen davon auszugehen sein, dass der Umfang der hauswirtschaftlichen Tätigkeiten die Gewährung von Hilfe zur Weiterführung des Haushalts rechtfertigt.

Im Rahmen der genannten Hilfen ist darauf hinzuwirken, dass die Hilfe durch Personen erfolgt, die der hilfebedürftigen Person nahestehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird (§ 70 Absatz 3 SGB XII; siehe Ziffer 3.2.3.).

Sofern auf gewerbliche Anbieter zurückgegriffen werden muss, sind nach Möglichkeit Haushaltsdienstleister in Anspruch zu nehmen und nur im begründeten Einzelfall zugelassene Pflegedienste.

Bei einem dringend notwendigen Bedarf in Bezug auf körperbezogene Pflegemaßnahmen oder pflegerische Betreuung kommt eine Hilfegewährung nach § 73 SGB XII in Betracht. Ein dringend notwendiger Bedarf liegt vor, wenn ohne Hilfegewährung die Führung eines menschenwürdigen Lebens nicht möglich wäre. Davon ist insbesondere im Fall bestehender oder drohender Verwahrlosung auszugehen. Bei der Hilfegewährung ist nachhaltig darauf hinzuwirken, dass die leistungsberechtigte Person befähigt wird, sich selbst zu helfen. Daher sind im Rahmen der Hilfegewährung die Selbständigkeit und die Eigenverantwortlichkeit der leistungsempfangenden Person zu stärken. Auch bei Hilfen nach § 73 SGB XII ist darauf hinzuwirken, dass die Hilfe durch nahestehende Personen oder als Nachbarschaftshilfe erfolgt.

3.2.3. Erbringung der Hilfe durch nahestehende Personen oder durch (ehrenamtliche) Nachbarschaftshilfe

Bei der Erbringung der Weiterführung des Haushalts nach § 70 SGB XII durch nahestehende Personen oder Nachbarschaftshilfe durch unentgeltlich tätige Personen können angemessene Aufwendungen erstattet oder angemessene Beihilfen gewährt werden. Daneben können, soweit die Inanspruchnahme erforderlich ist, auch die Kosten für eine ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe im Sinne der Pflegeunterstützungsverordnung (PuVO) erstattet werden.

Angemessene Aufwendungen der haushaltsführenden Person müssen bei einem Anspruch nach § 70 SGB XII, der im Rahmen der Fallbearbeitung im Fachbereich HzP des TdS bearbeitet wird, mit der Pflege im Zusammenhang stehen und erforderlich sein. Es kann sich dabei beispielsweise um Fahrkosten, einen Mehraufwand für besondere Ernährung und Bekleidung oder Kinderbetreuungskosten handeln. Erforderliche Aufwendungen sind einzelfallbezogen nachzuweisen und aktenkundig zu machen.

Aufwendungserstattungen und Beihilfen sind nur dann als angemessen anzusehen, wenn sie wesentlich unter den Kosten der Versorgung durch einen zugelassenen Pflegedienst liegen.

Beihilfen sind zur Gewinnung oder dem Erhalt der Einsatzbereitschaft einer im Haushalt unterstützenden Person zu gewähren. Sie können beispielsweise als angemessene Entschädigung für einen Verdienstausfall oder als Taschengeld gewährt werden.

Aus Vereinfachungsgründen ist es möglich, die Beihilfe in Form einer monatlichen Aufwandspauschale zu gewähren.

Diese Aufwandspauschale soll einen Anreiz für die unentgeltlich tätigen Personen bieten, sich auch weiterhin in die hauswirtschaftliche Versorgung einzubringen.

Als mögliche Orientierungshilfen für die Höhe der monatlichen Aufwandspauschale können die folgenden Beispiele für Pflegepersonen auch für Unterstützungskräfte im Haushalt herangezogen werden (jeweils unentgeltliche Tätigkeit):

  • Variante Zeitwert

Für den zu deckenden Hilfebedarf wird ein täglicher Zeitwert ermittelt, dem eine bestimmte Aufwandspauschale zuzuordnen ist.

Bei einem Hilfebedarf

  • bis zu 25 Minuten täglich werden 25 % des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 = 79 Euro
  • ab 26 bis 50 Minuten täglich werden 50 % des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 = 158 Euro
  • ab 51 bis 75 Minuten täglich werden 75 % des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 = 237 Euro
  • ab 76 Minuten täglich werden 85 % des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 = 269 Euro

gewährt.

Neben § 70 SGB XII kommt entsprechend dem zu deckenden Hilfebedarf auch §§ 27 Absatz 3 Satz 1, 27a Absatz 4 Satz 1 SGB XII, allerdings nur für einzelne, für den Lebensunterhalt erforderliche hauswirtschaftliche Tätigkeiten in Betracht, siehe Ziffer 3.2.2.

Bei pflegerisch-betreuerischen Leistungen kommt die Gewährung einer Aufwandspauschale im Rahmen des § 73 SGB XII in Betracht.

Als wichtig wird eine positiv formulierte Bescheiderteilung angesehen, die beispielsweise lauten könnte: „Das BA … gewährt Ihnen …(Name) für … (Leistungen angeben) bis zum …(Datum) Leistungen in Höhe von …Euro monatlich. Zusätzlich weisen wir Sie darauf hin, dass Sie die Möglichkeit haben, den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI oder § 66 SGB XII einzusetzen für … (Leistungsbenennung).“

  • Variante Punktzahlen

Anhand der Gutachten nach dem Neuen Begutachtungsinstrument werden die dort ausgewiesenen Punktwerte für den festgestellten Bedarf an hauswirtschaftlichen Verrichtungen ermittelt.

Den ermittelten Gesamtpunktzahlen für hauswirtschaftliche Versorgung werden ebenfalls abgestimmte monatliche Aufwandspauschalen zugeordnet.

  • 1 bis 5 Punkte: 25% des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 = 79 Euro
  • 6 bis 11 Punkte: 50% des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 = 158 Euro
  • 12 bis 18 Punkte: 75% des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 = 237 Euro
  • 19 bis 21 Punkte: 85% des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 = 269 Euro.

Neben § 70 SGB XII kommt entsprechend dem zu deckenden Hilfebedarf auch §§ 27 Absatz 3 Satz 1, 27a Absatz 4 Satz 1 SGB XII, allerdings nur für einzelne, für den Lebensunterhalt erforderliche hauswirtschaftliche Tätigkeiten in Betracht, siehe Ziffer 3.2.2.

Bei pflegerisch-betreuerischen Leistungen kommt die Gewährung einer Aufwandspauschale im Rahmen des § 73 SGB XII in Betracht.

Im Rahmen der Hilfe zur Weiterführung des Haushalts nach § 70 SGB XII ist es zusätzlich möglich, für die unentgeltlich tätigen Pflegepersonen Beiträge für eine angemessene Alterssicherung zu übernehmen (§ 70 Absatz 3 SGB XII).

Hinweis: Einnahmen von Pflegepersonen für die Erbringung körperbezogener Pflege, pflegerischer Betreuung oder Hauswirtschaft, welche den Umfang des der Pflegetätigkeit entsprechenden Pflegegeldes nach § 37 SGB XI nicht übersteigen, sind sozialversicherungsfrei (siehe § 3 Satz 2 SGB VI). Für Angehörige gilt das auch bei höheren Einnahmen.

Nach § 3 Nummer 36 EStG sind Einnahmen für Leistungen der körperbezogenen Pflege, der pflegerischen Betreuung oder der Haushaltshilfe bis zur Höhe des maßgeblichen Pflegegeldes nach § 37 SGB XI steuerfrei, wenn sie von Angehörigen der pflegebedürftigen Person oder von Personen erbracht werden, die damit eine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Absatz 2 EStG gegenüber der pflegebedürftigen Person erfüllen.

3.2.4. Leistungen – außerhalb der HzP – in sonstigen Fällen

Im begründeten Einzelfall kommt auch im Rahmen der Altenhilfe nach § 71 SGB XII die Gewährung materieller Leistungen in Betracht, die wegen des Fehlens eines Pflegegrades weder als Leistung der Pflegeversicherung noch als HzP bewilligt werden können. Unabdingbare Voraussetzung ist jedoch, dass der geltend gemachte Bedarf altersspezifisch ist. (LPK-SGB XII/ Renate Bieritz-Harder SGB XII § 71 Rn 9). Bei der Bewilligung einer materiellen Altenhilfe soll vor allem der präventive Aspekt der Leistung zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit oder aber auch das Ziel einer Verringerung von Pflegebedürftigkeit zum Tragen kommen (§ 71 Absatz 5; Rn 22, a.a.O.).

Beispielsweise ist damit auch die Bewilligung eines erforderlichen Hausnotrufes möglich. Die unter Ziffer 7.2.3. – „Pflegehilfsmittel nach § 64d und Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII“ beschriebenen Voraussetzungen hierfür sind zu beachten. Insbesondere ist ein ärztliches Attest beizubringen, dass die Installation eines Hausnotrufes zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden erforderlich ist.

4. Pflegegeld nach § 64a SGB XII

4.1. Pflegegeld nach § 64a SGB XII als Grundleistung ab Pflegegrad 2

Das Pflegegeld nach § 64a SGB XII ist die Grundleistung der HzP bei häuslicher Versorgung. Das folgt aus § 64 SGB XII, wonach der TdS darauf hinwirken soll, dass häusliche Pflege – soweit diese ausreichend ist – unter Verwendung des Pflegegeldes nach § 64a SGB XII durch Personen, die der pflegebedürftigen Person nahestehen, oder als Nachbarschaftshilfe (Pflegepersonen) übernommen wird. Mit dem Pflegegeld wird die leistungsberechtigte Person in die Lage versetzt, ihren Pflege- und Unterstützungsbedarf insbesondere durch nahestehende Personen oder als Nachbarschaftshilfe mittels kleiner Geldzahlungen oder Geschenke – als Dankeschön für deren Aufopferungsbereitschaft – sicher zu stellen. Eine Vergütung erhalten Pflegepersonen regelmäßig nicht.

Die Leistungsberechtigten werden mit dem Pflegegeld in die Lage versetzt, die vielfältigen Aufwendungen, die mit der Pflegebedürftigkeit verbunden sind, ohne Einzelnachweis aufzufangen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist das Pflegegeld nach Maßgabe der folgenden Absätze zu gewähren, auch wenn es nicht ausdrücklich beantragt wird.

Einen Anspruch auf Pflegegeld haben nur Leistungsberechtigte, die mindestens dem Pflegegrad 2 zugeordnet werden.

Die Leistung entspricht nach Inhalt und Umfang der des Pflegegeldes der Pflegeversicherung nach § 37 Absatz 1 SGB XI. Wegen der Vorrangigkeit der Versicherungsleistungen kommt Pflegegeld nach § 64a SGB XII nur für Personen in Betracht, die
  • nicht pflegeversichert sind (auch sogenannte Chipkartenfälle nach § 264 SGB V) oder
  • die Vorversicherungszeit für Leistungen der Pflegeversicherung von zwei Jahren in den letzten zehn Jahren vor Antragstellung nicht erfüllt haben (§ 33 Absatz 2 SGB XI) oder
  • voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen.

Bei Bezug von Sachleistungen ist die Zahlung eines Restpflegegeldes zu prüfen (siehe Ziffer 4.3. ff.).

Der Anspruch setzt weiter voraus, dass die leistungsberechtigte oder bei pflegebedürftigen Kindern die sorgeberechtigte Person mit dem Pflegegeld die erforderliche Pflege in geeigneter Weise und in vollem Umfang selbst sicherstellt (§ 64a Absatz 1 Satz 2 SGB XII). Bei der Erstbewilligung kann die geeignete Sicherstellung der Pflege regelmäßig der individuellen ambulanten Pflegegesamtplanung (IAP) entnommen werden.

In Fällen, in denen ausschließlich Pflegegeld nach § 64a SGB XII bewilligt wird, ist in der Regel jährlich im Rahmen eines Hausbesuchs zu überprüfen, ob die Pflege in geeigneter Weise sichergestellt ist. Rechtsgrundlage für diese Überprüfung ist die in § 63a SGB XII niedergelegte Verpflichtung des TdS, den notwendigen pflegerischen Bedarf zu ermitteln und festzustellen. Die Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens richtet sich entsprechend nach den Regelungen der IAP. Als inhaltliche Orientierung wird ergänzend auf das Formular des GKV-Spitzenverbandes zum „Nachweis über einen Beratungseinsatz nach § 37 Absatz 3 SGB XI“ hingewiesen.

Besteht der Anspruch auf Pflegegeld nicht für einen vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen. Dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. (§ 64a Absatz 2 SGB XII).

Bei Tod der oder des Leistungsberechtigten ist das Pflegegeld bis zum Ende des Sterbemonats zu leisten (§ 64a Absatz 2 Satz 3 SGB XII).

4.2. Häusliche Pflege durch Pflegepersonen

Der Gesetzgeber räumt bei häuslicher Versorgung gemäß § 64 SGB XII der Pflege durch nahestehende Personen oder als Nachbarschaftshilfe (Pflegepersonen) den Vorrang ein.

Das bedeutet, dass bereits im Rahmen der Hilfebedarfsermittlung nach § 63a SGB XII (IAP) durch Beratung und Aufklärung sowie durch die Gestaltung der Leistungen im Einzelfall darauf hinzuwirken ist, dass die Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch nahestehende Personen oder als Nachbarschaftshilfe erbracht wird. Hinwirken bedeutet das Initiieren oder mindestens das Erhalten privater Pflegearrangements. Bei Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger Behinderung kann es allerdings angezeigt sein, ein qualifiziertes, professionelles Pflegeangebot in Anspruch zu nehmen.

Nahestehende Personen sind in erster Linie Angehörige. Neben Ehegatten, Eltern und Kindern sind das alle anderen Verwandten und Verschwägerten wie beispielsweise Großeltern, Enkelkinder, Geschwister, Schwager oder Schwägerin und Schwiegereltern. Daneben sind Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in besonderer Weise verbunden sind (z. B. mit ihr in eheähnlicher Gemeinschaft leben) als nahestehende Personen einzubinden.

In diesem Zusammenhang ist auch die Eltern-Kind-Beziehung zu nennen. § 1618a BGB verpflichtet Kinder (auch nichteheliche und besonders volljährige Kinder) und Eltern einander zu Beistand und Rücksicht. Die Pflicht zur Beistandsleistung umfasst die wechselseitige Unterstützung und Hilfestellung.

Gehört ein Kind noch dem elterlichen Haushalt an und wird von den Eltern erzogen oder unterhalten, ist es verpflichtet – entsprechend Alter, Kraft und Lebensstellung – im gemeinsamen Haushalt Dienste zu leisten (§ 1619 BGB). Zu den hauswirtschaftlichen Diensten gehören auch das Einkaufen von Lebensmitteln, das Reinigen der Wohnung und das Kochen sowie Zubereiten von Speisen. Das Kindeswohl ist dabei, insb. mit Blick auf die zusätzlichen Anforderungen durch den Pflegebedarf, immer im Blick zu behalten (vergleiche § 1666 BGB).

Aus § 64 SGB XII (Vorrang) folgt, dass ein Pflegedienst Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 64b SGB XII nicht abrechnen kann, wenn eine nahe stehende Person ihren Angehörigen als Angestellte oder Angestellter eines Pflegedienstes pflegt. Das gilt unabhängig davon, ob die nahestehende Person eine ausgebildete Pflegefachkraft ist. Anderenfalls würde sich eine Umgehung des in § 64 SGB XII niedergelegten Vorrang-Nachrang-Prinzips ergeben. Ein Anspruch auf Häusliche Pflegehilfe besteht nach § 64b Absatz 1 SGB XII erst dann, wenn die häusliche Pflege nach § 64 SGB XII nicht sichergestellt werden kann.

Gegen eine Vergütung für durch Familienangehörige geleistete Dienste spricht auch die Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XI, wonach es den Pflegekassen verwehrt ist, zur Sicherstellung der häuslichen Pflege Verträge mit Verwandten, Verschwägerten oder Haushaltsangehörigen der pflegebedürftigen Person abzuschließen, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die nahe stehende Person als Inhaber des Pflegedienstes die Pflege nicht persönlich durchführt; hierin ist grundsätzlich keine Umgehung des § 64 SGB XII zu sehen.

4.3. Einsatz von (Rest-) Pflegegeld bei professioneller Pflege durch Dienste

Es ist nicht untersagt, das Pflegegeld nach § 64a SGB XII zur Finanzierung professioneller Hilfen durch einen Pflegedienst zu verwenden.

Beantragt eine pflegebedürftige Person, die von einem Pflegedienst gepflegt wird, ausschließlich Investitionskosten als häusliche Pflegehilfe nach § 64b SGB XII, ist zu prüfen, ob sie anstelle der Sachleistung nach § 36 SGB XI die Kombinationsleistung nach § 38 SGB XI bei ihrer Pflegekasse beantragen kann, um mit dem dann ausgezahlten (Rest-) Pflegegeld der Pflegekasse die Investitionskosten zu bezahlen.

Ist die Übernahme der Investitionskosten im Rahmen der HzP doch erforderlich und somit auch Restpflegegeld nach § 64a in Verbindung mit § 63b Absatz 5 SGB XII (siehe Ziffer 1.4.2.) zu zahlen, sind die Investitionskosten mit dem Restpflegegeld abgegolten.

4.4. Kürzung des Pflegegeldes nach § 63b Absatz 5 SGB XII

Nach § 63b Absatz 5 SGB XII ist eine Kürzung des Pflegegeldes in zwei Fällen vorgesehen:

  • Die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft ist erforderlich oder
  • Pflegebedürftige erhalten neben dem Pflegegeld Leistungen der Verhinderungspflege oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften.

Führt anstelle einer Pflegeperson eine besondere Pflegekraft (als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter eines Pflegedienstes) die Pflege professionell durch, werden die Kosten entweder durch die Pflegekasse nach § 36 SGB XI, den Sozialhilfeträger nach § 64b SGB XII oder durch beide getragen. Auch in diesem Fall besteht daneben weiter ein Anspruch auf Pflegegeld, das in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens um bis zu zwei Drittel gekürzt werden kann (§ 63b Absatz 5 SGB XII).

Bei einem Nebeneinander des Pflegegeldes nach § 64a SGB XII und der Verhinderungs- bzw. Ersatzpflege nach § 64c SGB XII kann das Pflegegeld ebenfalls in dem in § 63b Absatz 5 SGB XII genannten Umfang gekürzt werden. Wird die notwendige Ersatzpflege nach § 64c SGB XII durch eine nicht professionelle Pflegeperson unentgeltlich erbracht, besteht aus § 64c SGB XII ein Anspruch auf die „angemessenen Kosten“ der notwendigen Ersatzpflege; für die „Angemessenheit der Kosten“ ist das Pflegegeld nach § 64a SGB XII heranzuziehen, das bis zu der Höhe des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI ausgezahlt werden kann. Auch in diesem Fall besteht daneben ein Anspruch auf Pflegegeld mit der Kürzungsoption nach § 63b Absatz 5 SGB XII.

Ob und in welchem Umfang eine Kürzung erfolgt, ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei kann nachfolgender Gegenüberstellung verfahren werden: Je größer der Anteil der von der Pflegeperson übernommenen Pflege am Gesamtpflegebedarf ist, desto geringer sollte die Kürzung des Pflegegeldes ausfallen.

4.5. Versagung des (Rest-) Pflegegeldes

Das gekürzte Pflegegeld ist grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn der festgestellte pflegerische Bedarf in vollem Umfang durch professionelle Pflege abgedeckt wird. Bei festgestelltem Pflegegrad 2 und höher ist davon auszugehen, dass neben dem pflegerischen Bedarf zusätzlicher Unterstützungsbedarf anfällt.

Die Auszahlung des (Rest-) Pflegegeldes ist daher nur dann zu versagen, wenn eine zweckentsprechende Verwendung tatsächlich nicht erfolgt oder nicht möglich ist. Eine entsprechende Prüfung kann nur grundsätzlicher Natur sein; Einzelnachweise sind nicht zu fordern. Das widerspräche dem Prinzip einer pauschalierten Geldleistung. Die Versagung des gekürzten Pflegegeldes ist daher auf Ausnahmefälle zu beschränken.

4.6. Anrechnung des (Rest-) Pflegegeldes bei Kombinationsleistung der Pflegekasse

Beantragt eine pflegebedürftige Person, die von ihrer Pflegekasse die Kombinationsleistung bezieht, das Rest-Pflegegeld nach § 64a in Verbindung mit § 63b Absatz 5 SGB XII, ist das Teilpflegegeld aus der Kombinationsleistung auf das Rest-Pflegegeld anzurechnen (siehe Ziffer 1.4.1. und 1.4.2.). Da sich in diesen Fällen die Höhe der Versicherungsleistung häufig ändert, empfiehlt es sich, eine monatliche Abschlagszahlung des Rest-Pflegegeldes zu leisten und die Zahlungen jährlich abzugleichen.

4.7. Kürzung und Beendigung des Pflegegeldes nach § 63b Absatz 3 SGB XII

Bei Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung ist Pflegegeld nicht zu zahlen (§ 63b Absatz 3 SGB XII). Bei teilstationärer Pflege (Tages- oder Nachtpflege) kann das Pflegegeld angemessen gekürzt werden (§ 63b Absatz 3 Satz 2 SGB XII); für die Kürzung gelten die gleichen Maßstäbe wie oben unter Ziffer 4.4. ausgeführt.

4.8. Pflegegeld als Einkommen im Sinne des EStG

Pflegegeld, das an Angehörige oder moralisch/sittlich verpflichtete Pflegepersonen weitergereicht wird, ist nach § 3 Nummer 36 EStG steuerfrei. Eine moralisch-sittliche Verpflichtung ist anzunehmen, wenn eine enge persönliche Beziehung der Pflegeperson zu dem oder der Pflegebedürftigen besteht (siehe auch Ziffer 4.2.).

4.9. Anrechenbarkeit von Pflegegeld

Das Pflegegeld ist eine zweckgebundene Leistung und daher nicht auf die existenzsichernden Leistungen nach dem Kapitel 3 und 4 SGB XII sowie auf Leistungen nach dem SGB II anzurechnen (§ 11a Absatz 3 SGB II, § 83 Absatz 1 SGB XII).

5. Pflegesachleistung (§ 64b SGB XII)

5.1. Rechtsverhältnis zwischen Pflegedienst und dem Träger der Sozialhilfe – Dreiecksverhältnis – Leistungsmissbrauchsprävention und -bekämpfung

5.1.1. Anspruch aus § 75 Absatz 6 SGB XII und Schuldbeitritt auf Grundlage des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses

Die Leistungen von Pflegediensten hat die bisherige Rechtsprechung unter das sogenannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis gefasst und die Ansprüche nach der bis 31.12.2019 geltenden Rechtslage zwischen Pflegedienst und TdS dem Zivilrecht zugeordnet. Rechtsstreitigkeiten über Zahlungen bzw. Rückforderungen aus diesen Ansprüchen sind somit nicht vor dem Sozialgericht, sondern vor dem Zivilgericht zu führen.

Mit Wirkung für Leistungen und Ansprüche ab dem 01.01.2020 können Pflegedienste Zahlungsforderungen für erbrachte Pflegeleistungen bei einer leistungsberechtigten Person aus eigener Rechtsgrundlage direkt vom Sozialamt (Land Berlin) einfordern (vergleiche auch § 75 Absatz 6 SGB XII). Hieraus resultierende Rechtsstreitigkeiten unterliegen der Sozialgerichtsbarkeit.

Laut jüngerer Rechtsprechung galt der Grundsatz des Schuldbeitritts bei der HzP auch für Pflegedienste: Demnach bewirkte die Kostenbewilligung des TdS gegenüber der leistungsberechtigten Person, dass das Land Berlin im Rahmen des zivilrechtlichen Verhältnisses zwischen Leistungsempfänger und Pflegedienst der Schuld beitrat. Der Pflegedienst erhielt damit für seine Zahlungsansprüche neben dem Leistungsberechtigten einen weiteren Schuldner, das Land Berlin. Dies wurde aus dem sogenannten sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis abgeleitet:

  • Die leistungsberechtigte Person bzw. der/die Hilfeempfänger/-in hat gegenüber dem TdS einen Anspruch auf HzP (Grundverhältnis).
  • Die leistungsberechtigte Person und der Pflegedienst schließen einen privatrechtlichen Pflegevertrag (§§ 611 BGB, § 120 SGB XI); aus diesem schuldet der Pflegedienst die vertraglich vereinbarten Pflegeleistungen (Erfüllungsverhältnis) und die leistungsberechtigte Person ist grundsätzlich Zahlungsschuldner gegenüber dem Pflegedienst. Die leistungsberechtigte Person legt dem TdS den Pflegevertrag in Kopie vor.
  • Nach der Bedarfsfeststellung erlässt der TdS einen Bescheid gegenüber dem Leistungsberechtigten bzw. der Hilfeempfängerin. Durch den Bescheid hat der TdS im Umfang der bewilligten Leistungen gegenüber der leistungsberechtigten Person die Gewähr übernommen, ihm durch den Pflegedienst die Leistung zu verschaffen (Leistungsverschaffungsverhältnis zwischen TdS und Pflegedienst). Damit ist der TdS bisher weiterer (Kosten-) Schuldner geworden; der Pflegedienst hatte daraus einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegenüber dem TdS. An dieser Stelle hat sich ab 01.01.2020 die Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch geändert und es besteht mit § 75 Absatz 6 SGB XII ein direkter Anspruch des Pflegedienstes gegenüber dem TdS. Für die Leistungsvoraussetzungen und -höhe ergeben sich zwischen diesen Parteien aus aktueller Sicht keine Änderungen. Der Gesetzgeber wollte die bestehende Praxis im Vertragsrecht widerspiegeln, insbesondere die unmittelbare Leistung an den leistungserbringenden Dienst (BT-Drs. 18/9522 v. 05.09.2016, S. 340, Zu Absatz 6). Die (festgestellte) Leistungsberechtigung der pflegebedürftigen Person und die vorhergehende Erbringung der Leistungen sind aus dem Wortlaut ablesbare Voraussetzungen der Anspruchsnorm. Der TdS erbringt die Leistung nicht als Geldleistung an die leistungsberechtigte Person, sondern er übernimmt höchstens bis zum Umfang der im Pflegevertrag vereinbarten Leistungen die Kosten der Pflegeleistungen aus dem Pflegevertrag.

Bisher bewirkte der Bescheid aus rechtlicher Sicht „automatisch“ einen zivilrechtlichen Schuldbeitritt zu Gunsten des Pflegedienstes. Diese Rechtsfolge hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung verbindlich festgestellt:
(Bundessozialgericht vom 18.03.2014, Az: B 8 SF 2/13 R, https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=169333;
BSG vom 18.11.2014, Az. B 8 SO 23/13 R, https://openjur.de/u/747228.html).

Indem der TdS der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer (Pflegedienst) durch Bescheid beitrat, wandelte sich nach Ansicht des Bundessozialgerichts die zivilrechtliche Schuld aus dem zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen Dienstvertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche Schuld um (im Anschluss an BSGE 102, 1). Der Schuldbeitritt teile seinem Wesen nach notwendigerweise die Rechtsnatur der Forderung, zu der er erklärt wird. Die öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlagen aus dem SGB XII für das Grundverhältnis (§§ 61 ff. SGB XII) oder die öffentlich-rechtlichen Verträge (Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI, § 75 Absatz 5 SGB XII in Verbindung mit der Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI) zwischen TdS und Pflegedienst spielten dabei keine Rolle. Zivilrecht galt auch dann, wenn der TdS vom Pflegedienst eine Rückerstattung wegen Überzahlung forderte.

Nach aktueller Rechtslage und dem Willen des Gesetzgebers ist der neue Zahlungsanspruch aus § 75 Absatz 6 SGB XII öffentlich-rechtlicher Natur, sodass im Fall von Rechtsstreitigkeiten nun der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist. Dies gilt umgekehrt auch für Rückerstattungen, die der TdS wegen Überzahlung vom Pflegedienst fordert.

Im Gegensatz dazu, bleibt das Rechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigten und Leistungserbringenden zivilrechtlicher Natur und somit der Zivilrechtsweg eröffnet.

5.1.1.1. Rechtsstreitigkeiten vor dem Zivilgericht bei Ansprüchen nach Rechtslage bis 31.12.2019 – Änderung seit 01.01.2020

Aus dem Schuldbeitritt hatte die Rechtsprechung die Konsequenz gezogen, dass Streitigkeiten zu Zahlungsansprüchen nach der bis 31.12.2019 geltenden Rechtslage (Forderungen des Pflegedienstes bzw. Rückforderungen durch das Sozialamt) nicht vor dem Sozialgericht, sondern vor dem Zivilgericht geführt werden (Amtsgericht bzw. ab einem Betrag über 5.000 EUR Landgericht). Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten hat der oder die jeweilige Kläger oder Klägerin die Darlegungs- und Beweislast, soweit nicht die Voraussetzungen einer Beweislastumkehr vorliegen.

Mit Einfügung des unmittelbaren Anspruchs des leistungserbringenden Dienstes auf Vergütung der gegenüber der leistungsberechtigten Person erbrachten Leistungen wurde nunmehr ein öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen den TdS geschaffen (§ 75 Absatz 6 SGB XII). Dieser gilt für Ansprüche nach der Rechtslage ab 01.01.2020. In der Folge handelt es sich nach dem Willen des Gesetzgebers bei Forderungen des Pflegedienstes gegen den TdS bzw. Rückforderungen des Sozialamtes gegen den Pflegedienst um Angelegenheiten der Sozialhilfe, die der Sozialgerichtsbarkeit unterliegen. In diesen Verfahren gilt der Untersuchungs- bzw. Amtsermittlungsgrundsatz.

5.1.1.2. Zinsanspruch

Weitere Rechtsfolge ist der Zinsanspruch bei Zahlungsverzug nach §§ 280, 286 BGB.

5.1.2. Leistungsmissbrauch und seine Aufdeckung

Häusliche Pflege findet im privaten Raum statt, wo pflegebedürftige Menschen oft auf sich allein gestellt sind. Hier besteht die Gefahr, dass sie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pflegedienstes, der sie versorgen soll, nicht die vertraglich vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen erhalten oder die erbrachten Leistungen nicht richtig abgerechnet werden. Auch der würdevolle Umgang mit den anvertrauten Menschen wird nicht immer gewahrt. Ohne den Pflegediensten einen Generalverdacht entgegenzubringen, müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirke eine Sensibilität für Auffälligkeiten entwickeln, um solchem Fehlverhalten entgegen wirken zu können und so die Pflegequalität zu stärken. Setzt sich beispielsweise eine leistungsberechtigte Person im Gespräch in ihren Aussagen oder in ihrem Verhalten in Widerspruch zu ihrem bisherigen Verhalten, muss es in einem Vermerk festgehalten werden. Alle ernst zu nehmenden Hinweise sind schriftlich zu vermerken.

Hinweise zu verschiedenen Formen von Unregelmäßigkeiten und Maßnahmen sind in der Broschüre „Häusliche Pflege – Was tun bei Pflegefehlern, Abrechnungsmanipulation und Gewalt“ für alle an der Pflege Beteiligten enthalten: https://www.berlin.de/sen/pflege/service/publikationen/index.php/detail/5

Hinweise auf Leistungsmissbrauch sind der Ansprechpartnerin oder dem Ansprechpartner für Leistungsmissbrauchsbekämpfung zur Kenntnis zu geben. Von dort wird die Angelegenheit weiter bearbeitet.

Erste Ansprechpartner vor Ort sind die in den Bezirken speziell eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Qualitätssicherung und zur Verhinderung von Leistungsmissbrauch und Abrechnungsmanipulation in der ambulanten HzP; in der für Pflege zuständigen Senatsverwaltung sind die Bereiche II C 2 und II D 1 SenWGPG verantwortlich (Vertrag-LMB@SenWGPG.berlin.de).

5.1.2.1. Abrechnung fingierter Pflegeleistungen und andere Unregelmäßigkeiten

Eine Form von Fehlverhalten stellt das vorsätzliche Abrechnen nicht erbrachter Pflegeleistungen dar, die sogenannten „Luftleistungen“. Hierzu zählen auch die Fälle, bei denen ein (erheblicher) Pflegebedarf vorgetäuscht wird, um Leistungen abrechnen zu können (vorgetäuschter Pflegebedarf). Dies ist jeweils Abrechnungsbetrug im Sinne des § 263 StGB und schädigt gleichermaßen die Pflegekassen und das Land Berlin als TdS. Häufige Abrechnungsmanipulationen untergraben zudem das Vertrauen in die Integrität von Pflegeeinrichtungen und deren Träger.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegedienstes dürfen nicht als vertretungsberechtigte Person für die oder den Leistungsberechtigten auftreten; eine entsprechende Bevollmächtigung ist als unzulässig zurückzuweisen (§ 13 Absatz 5 SGB X).

Nicht abrechnungsfähig sind Pflegeleistungen, die durch beim Pflegedienst angestellte Angehörige der pflegebedürftigen Person erbracht werden (siehe im Einzelnen: Ziffer 4.2. Häusliche Pflege durch Pflegepersonen).

5.1.2.2. Nachweis von Unregelmäßigkeiten oder Fehlverhalten

Nur beschiedene und nachweislich erbrachte Leistungen können abgerechnet werden. Der Leistungsnachweis ist eine zahlungsbegründende Unterlage, der Verbindlichkeit zukommt. Gibt es Zweifel an der Richtigkeit des vorgelegten Leistungsnachweises, sind diese durch Vorlage entsprechender Belege aufzuklären (z. B. Handzeichenlisten, Dienst- und Tourenpläne). Wegen weiterer Einzelheiten zum Abrechnungsverfahren wird auf Ziffer 5.2. verwiesen.

5.1.2.3. Rückforderungsanpruch des TdS gegenüber Pflegedienst

Wurden Leistungen nach § 17 Absatz 13 Rahmenvertrag SGB XI entgegen dem Pflegevertrag nach § 120 SGB XI erbracht oder tatsächlich nicht erbrachte Leistungen abgerechnet, ist der Pflegedienst gegenüber dem TdS zur Rückerstattung verpflichtet. Der TdS kann überzahlte Beträge mit anderen offenen Forderungen des Pflegedienstes aufrechnen (§ 387 ff. BGB).

Beruht der Bescheid auf einer von der leistungsberechtigten Person nur vorgetäuschten Pflegebedürftigkeit, ist er zurückzunehmen. Die Vergütung kann vom Pflegedienst auf zivilrechtlicher Grundlage zurückgefordert werden, wenn er Kenntnis von der Täuschung hatte (§§ 812, 819, 823 BGB).

5.1.2.4. Weitere Maßnahmen bei nachgewiesenen Vertragsverstößen zu Lasten des TdS – insbesondere bei aufgedecktem Leistungsmissbrauch

Erhebliche Vertragsverstöße sind an die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (Vertrag-LMB@SenGPG.berlin.de) für die mögliche Überprüfung des Versorgungsvertrages zu melden. Wird etwa der Geschäftsführung des Pflegedienstes oder der Pflegedienstleitung vorsätzliche Falschabrechnung nachgewiesen, ist eine Auflösung des Versorgungsvertragsverhältnisses durch die Pflegekassen und die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Abteilung Pflege, zu prüfen. Nach § 74 Absatz 2 SGB XI wird das Abrechnen nicht erbrachter Leistungen ausdrücklich als möglicher Kündigungsgrund genannt. Nachgewiesener Leistungsmissbrauch kann daher die Kündigung des Versorgungsvertrages durch die Pflegekasse (im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung als Vertreter des TdS) nach sich ziehen; damit verliert der Pflegedienst seine Zulassung als Pflegedienst im Sinne des SGB XI und des SGB XII. Bei schweren Fällen von Abrechnungsbetrug oder Leistungsmissbrauch wird sogar eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen sein, sodass eine Vertragskündigung unausweichlich wird.

Bevor eine Kündigung als schwerwiegendste Maßnahme in Erwägung gezogen wird, müssen die Pflegekassen mit der Senatsverwaltung unter Beachtung des Rechtstaatsprinzips zunächst weniger gravierende Maßnahmen prüfen (abgestufte Maßnahmen) – etwa Anhörung des Pflegedienstes, Verweis, Abmahnung (siehe §§ 22, 23 Rahmenvertrag SGB XI).

5.1.2.5. Weitere Ansprechpartner bei Vertragsverstößen

Austausch mit Pflegekassen: Häufig ist nicht nur der TdS, sondern auch die Pflegekasse geschädigt, wenn z. B. Sachverhalte bekannt werden, bei denen ein Pflegedienst nicht erbrachte Leistungen abrechnet. Das Bezirksamt sollte sich zu konkreten Schadensfällen an die zuständige Pflegekasse der leistungsberechtigten Person wenden, um Informationen auszutauschen. Der Austausch solcher Daten ist nach § 47a Absatz 2 SGB XI zulässig.

Auch die Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen (Fehlverhaltensbekaempfung@nordost.aok.de ) kann informiert werden (§ 47a Absatz 1 SGB XI in Verbindung mit § 197a SGB V).

Strafanzeigen und Abstimmung mit dem Landeskriminalamt: Bei Verdacht auf strafrechtlich relevantes Verhalten stellt das Bezirksamt Strafanzeige beim zuständigen LKA 347 und informiert den Bereich II C 2 / II D 1 bei der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (Vertrag-LMB@SenGPG.berlin.de). Sofern die Polizei bereits ermittelt oder dies zu vermuten ist, sollten unter Umständen weitere Maßnahmen des TdS (Senatsverwaltung Abteilung Pflege und Bezirksamt) erst nach Abstimmung mit dem Landeskriminalamt durchgeführt werden.

5.2. Vertragliche Regelungen bei Leistungen zur häuslichen Pflegehilfe nach § 64b SGB XII durch Pflegedienste

Verzeichnis der Anlagen

Anlage 1a: Liste der zugelassenen Pflegedienste mit Punktwerten

https://einrichtungskatalog.verwalt-berlin.de/topqw/Einrichtungskatalog/EinrichtungenNachTyp/PAMBU.html

Anlage 1 b: Liste der anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag, § 45a SGB XI

https://www.pflegeunterstuetzung-berlin.de/unterstuetzung/uebersicht-aller-angebote/

Anlage 2: Muster-Vereinbarungen über die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen und der hauswirtschaftlichen Versorgung gemäß § 89 SGB XI, Stand: 01. Januar 2017 “ https://www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/bln/pflege/ambulant/muster_verguetungsveeinbarung_variante1.pdf

https://www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/bln/pflege/ambulant/muster_verguetungsveeinbarung_variante2.pdf

https://www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/bln/pflege/ambulant/bln_pflege_amb_anlage_vereinb_§89sgbv.pdf

https://www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/bln/pflege/ambulant/bln_pflege_amb_anlage_vereinb_§89sgbv.pdf

Anlage 3: Übersicht über die LK mit Hinweisen zu deren einheitlicher Anwendung:

https://www.berlin.de/sen/pflege/service/vertraege/ambulante-pflege/

https://www.pflegestuetzpunkteberlin.de/thema/berliner-leistungskomplexe-zur-pflege/

Anlage 4: Rahmenvertrag gemäß § 75 Absatz 1 und 2 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung in der Fassung vom 01.03.2015

https://www.berlin.de/sen/pflege/service/vertraege/

Auf häusliche Pflegehilfe nach § 64b SGB XII haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 einen Anspruch, soweit die häusliche Pflege nicht nach § 64 SGB XII sichergestellt werden kann. Sie umfasst die körperbezogenen Pflegemaßnahmen, die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und die Hilfe bei der Haushaltsführung als Pflegesachleistung; sie umfasst auch die pflegefachliche Anleitung von pflegebedürftigen Personen und Pflegepersonen. Die häusliche Pflegehilfe wird grundsätzlich durch professionelle Pflegedienste wahrgenommen. Häusliche Pflegehilfe kann auch Betreuungs- und Entlastungsleistungen umfassen, die durch landesrechtlich anerkannte „Angebote zur Unterstützung im Alltag“ nach § 45a SGB XI erbracht werden (siehe Ziffer 11.).

5.2.1. Vertragliche Grundlagen für die Leistungserbringung durch Pflegedienste

Die Bewilligung ambulanter Pflegeleistungen, die durch einen Pflegedienst erbracht werden, sowie die Erbringung und Abrechnung der Leistungen erfolgt auf der Grundlage

  • einer Zulassung des Pflegedienstes durch Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI
  • einer (dreiseitigen) Vereinbarung über die Vergütung nach § 89 SGB XI
  • des Rahmenvertrags zur ambulanten pflegerischen Versorgung (§ 75 SGB XI)
  • der Vereinbarung zur gesonderten Abrechnung investiver Aufwendungen (§ 75 Absatz 5 SGB XII in Verbindung mit § 82 Absatz 4 SGB XI)

Zulassung des Pflegedienstes

Die Bewilligung ambulanter Pflegeleistungen von Pflegekassen oder TdS, die durch einen Pflegedienst erbracht werden, setzt die Zulassung des Pflegedienstes voraus. Zulassung bedeutet: Es muss ein gültiger Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI, vereinbart zwischen dem Pflegedienst und der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen im Einvernehmen mit dem TdS, vorliegen (Aktuelle Liste der zugelassenen Pflegedienste: siehe Anlage 1 a)

Bei Nachfragen zur Zulassung eines Pflegedienstes kann auf die in Berlin dafür zuständige Pflegekasse, die AOK Nordost, verwiesen werden (siehe Webseite http://www.aok-gesundheitspartner.de/bln/pflege/ambulant_sgbxi/.)

Vergütungsvereinbarung (nach LK oder Zeit)

Als weitere Voraussetzung für eine Bewilligung muss der Pflegedienst eine Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI mit den Pflegekassen und dem TdS abgeschlossen haben, den sogenannten dreiseitigen Vertrag. Danach richtet sich die Vergütung, das heißt die Preise für die ambulanten Leistungen der häuslichen Pflege.

Diese Leistungen werden in Berlin in Form von LK pauschaliert zur Verfügung gestellt und von den Kostenträgern vergütet. Einige Pflegedienste haben statt der LK eine Zeitvergütung, das heißt den Preis für Stundensätze in 5-Minuten-Takten vereinbart.
Die Preiskomponente der LK (Punktwerte) bzw. die Stundensätze sind in der Übersicht (Anlage 1a und Anlage 1b) zu finden.

Die Vergütungsvereinbarung bildet auch die vertragsrechtliche Grundlage für ergänzende Leistungen des TdS. Ferner ist die Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI auch für Personen anzuwenden, die keinen Leistungsanspruch gegenüber der Pflegeversicherung haben.

Rahmenverträge mit einheitlichen Vorgaben für Pflegedienste und Kostenträger

Vertragliche Regelungen zu Rechten und Pflichten der Pflegedienste und der Kostenträger, insbesondere zur Erbringung der Leistungen und zum Abrechnungsverfahren sind in

  • dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI für Pflegedienste und alle Kostenträger, das heißt Pflegekassen und den TdS (Rahmenvertrag SGB XI, Anlage 4)

Der Rahmenvertrag gilt verbindlich für die Pflegedienste und den TdS.

Pflegevertrag nach § 120 SGB XI

Zwischen Pflegedienst und der leistungsberechtigten Person muss zeitnah ein schriftlicher – privatrechtlicher – Pflegevertrag vereinbart werden. Darin muss der Pflegedienst die Art, den Inhalt und den Umfang der Leistungen einschließlich der vereinbarten Vergütung einschließlich ergänzender Unterstützungsleistungen bei der Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen detailliert beschreiben (§ 120 SGB XI), gesondert berechenbare Investitionskosten sind auszuweisen (§ 6 Absatz 7 Rahmenvertrag SGB XI). Nach Aufforderung muss der Pflegedienst der Pflegekasse und der pflegebedürftigen Person unverzüglich eine Ausfertigung des Pflegevertrags aushändigen (§ 6 Absatz 4 Rahmenvertrag SGB XI). Der Kostenübernahmeanspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem TdS setzt den Abschluss des Pflegevertrags voraus. Der Schuldbeitritt im Sinne des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses (ohne ausdrückliche Erklärung) konnte und der unmittelbare Zahlungsanspruch kann nur dann wirksam entstehen, wenn die Verpflichtung nach Inhalt und Beschaffenheit hinreichend bestimmt war; der Pflegevertrag ist Voraussetzung für den unmittelbaren Zahlungsanspruch des Pflegedienstes gegenüber dem TdS. Vor der Rechnungsbegleichung gegenüber dem Pflegedienst muss die Kopie des Pflegevertrages dem TdS vorliegen. Bei verändertem Hilfebedarf/-verlangen ist der Pflegevertrag anzupassen (§ 6 Absatz 6 Rahmenvertrag SGB XI).

Den Pflegevertrag kann der oder die Pflegebedürftige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, ohne Angabe von Gründen, bereits vor dem ersten Pflegeeinsatz und auch ohne Vorliegen des schriftlichen Exemplars kündigen (§ 120 Absatz 2 Satz 2 SGB XI). Für den Pflegedienst gilt die im Pflegevertrag vereinbarte Kündigungsfrist (im Muster-Pflegevertrag der AOK 6 Wochen zum Monatsende). Bei einer Kündigung hat der Pflegedienst zu berücksichtigen, dass sich die pflegebedürftige Person die Dienste anderweitig beschaffen kann (§ 627 Absatz 2 BGB in Verbindung mit dem pflegerischen Versorgungsauftrag). Allenfalls aus wichtigem Grund kann der Pflegedienst mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen (z. B. nach einem strafbaren tätlichen Angriff der pflegebedürftigen Person auf die Pflegekraft).

5.2.2. Weitere Regelungen zur Bedarfsfeststellung und Bewilligung der Hilfe

Der TdS übernimmt die Kosten nur für die Leistungen, die er als notwendige Hilfen festgestellt hat.

Für den zeitlichen Rahmen der Bedarfsfeststellung und Mitteilung wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.3.7. verwiesen.

Eine Besonderheit ergibt sich im Fall der besonderen Eilbedürftigkeit der Hilfeleistung (Finalpflege): Ist im Ausnahmefall eine telefonische Zusage gegenüber dem Pflegedienst erforderlich, gilt diese als vorläufige Leistungsbewilligung; in jedem Bezirksamt gibt es Kontaktpersonen, die zur Zusage einer solchen vorläufigen Bewilligung berechtigt sind. Das zuständige Bezirksamt bestätigt die getroffene Vereinbarung unverzüglich möglichst per Telefax oder E-Mail mit Scan. Änderungen dieser vorläufigen Bewilligung dürfen nicht rückwirkend vorgenommen werden und sind nach Möglichkeit für die Zukunft abzustimmen.

5.2.3. Leistungsvergütung (=Preise)

Die Pflegedienste haben für die Erbringung ihrer Leistungen Anspruch auf die gemäß § 89 SGB XI vereinbarten Vergütungen. Die Vergütungen für die definierten LK oder die Zeitvergütung gelten unabhängig von der Rechtsgrundlage der Bewilligung, also auch auf der Basis von §§ 27 Absatz 3, 70 oder 73 SGB XII. Die Vergütung der Pflegesachleistung erfolgt überwiegend aufgrund leistungskomplexbezogener Pauschalen. Den LK ist jeweils eine Punktzahl zugeordnet, auf die sich die Verbände der Leistungserbringer mit den Kostenträgern verständigt haben. Die inhaltliche Definition der LK und die Punktzahl sind für alle Leistungsanbieter gleich. Die Vergütungsvereinbarung enthält den Punktwert, das heißt die individuelle pflegedienstbezogene Preiskomponente bezogen auf die prognostizierten Kosten des Pflegedienstes. Der Betrag (Preis) ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Punktzahl mit dem aktuellen individuellen Punktwert des Pflegedienstes.

Die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen kann nach § 89 Absatz 3 Satz 1 SGB XI auch entsprechend dem Zeitaufwand bemessen werden. Neben den LK 32-Vereinbarungen haben in Berlin einzelne Pflegedienste eine Einzelvereinbarung für eine Zeitvergütung abgeschlossen.

Vergütungsvereinbarungen in der Pflege werden befristet, das heißt für einen Zeitraum, eine „Laufzeit“, abgeschlossen. Wird nach Ablauf des Vergütungszeitraumes nicht zu Neuverhandlungen aufgefordert, gelten die vereinbarten oder festgesetzten Vergütungen auch nach Ablauf des Vertragszeitraums bis zum In-Kraft-Treten neuer Verträge weiter (§ 89 Absatz 3 Satz 4 SGB XI in Verbindung mit § 85 Absatz 6 Satz 3 SGB XI. Die Punktwerte werden in der Regel auf Antrag der Pflegedienste jeweils in der Regel jährlich verhandelt.

Eine Zahlungsverweigerung unter Berufung auf das Auslaufen der alten Vergütungsvereinbarung ist rechtswidrig. Die Preise sind für alle verbindlich, die Leistungsberechtigten dürfen weder zuzahlen noch einen Rabatt erhalten (§ 17 Absatz 6 Rahmenvertrag SGB XI). Eine unterschiedliche Behandlung nach Kostenträgern (§ 89 Absatz 1 Satz 6 SGB XI) oder nach sogenannten Selbstzahlenden und Leistungsberechtigten der HzP (§ 84 Absatz 4 Satz 2 SGB XI) ist nicht zulässig.

Eine Zahlungsverweigerung unter Berufung auf das Auslaufen der alten Vergütungsvereinbarung ist rechtswidrig. Die Preise sind für alle verbindlich, die Leistungsberechtigten dürfen weder zuzahlen noch einen Rabatt erhalten (§ 17 Absatz 6 Rahmenvertrag SGB XI). Eine unterschiedliche Behandlung nach Kostenträgern (§ 89 Absatz 1 Satz 6 SGB XI) oder nach sogenannten Selbstzahlern und Leistungsberechtigten der HzP (§ 84 Absatz 4 Satz 2 SGB XI) ist nicht zulässig.

Auch inhaltliche Veränderungen der LK (Anlage 1 zur Vergütungsvereinbarung) gelten ab In-Kraft-Treten der aktuellen Vergütungsvereinbarung.

Bei Leistungen nach § 27 Absatz 3 SGB XII und nach § 70 SGB XII ist die Inanspruchnahme anderer Anbieter, etwa von Reinigungsfirmen oder Seniorenservicediensten, zu prüfen. Für diese gelten die Vergütungsvereinbarungen nach § 89 SGB XI nicht. Teilweise verfügen Anbieter über die Anerkennung als „Angebot zur Unterstützung im Alltag“ gemäß § 45a SGB XI (siehe Anlage 1c). Ggf. ist hier auch eine Leistungserbringung durch Nachbarschaftshelfende im Sinne der PUVO zu prüfen.

5.2.4. Abrechnungsverfahren

Modalitäten für die Abrechnung mit dem TdS sind im Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI geregelt. Sie ergeben sich insbesondere aus §§ 16 und 17 des Rahmenvertrags nach § 75 SGB XI.

Zahlungsfrist

Die Abrechnung erfolgt kalendermonatlich. Die Rechnungen hat der Pflegedienst beim zuständigen Bezirksamt in der Regel innerhalb von zwei Monaten nach Leistungserbringung mit dem Leistungsnachweis einzureichen (§ 17 Absatz 4 Rahmenvertrag SGB XI). Die Bezahlung von nicht zu beanstandenden Rechnungen muss innerhalb von 14 Tagen nach Eingang erfolgen (§ 17 Absatz 8 Rahmenvertrag SGB XI). Bei Zahlung durch Überweisung gilt die Frist als gewahrt, wenn der Zahlungsauftrag durch die Bezirkskasse innerhalb der Frist erteilt wird. Abweichende Absprachen sind zwischen Anbieterseite und Kostenträgern möglich (§ 17 Absatz 9 Satz 1 Rahmenvertrag SGB XI). Auf eine mögliche Geltendmachung von Verzugszinsen der Pflegedienste nach §§ 286, 288 BGB wird aufmerksam gemacht.

Leistungsnachweis (§ 16 Rahmenvertrag SGB XI)

Ohne einen ordnungsgemäßen Leistungsnachweis ist eine Rechnung nicht vertragsgerecht. Die Rechnung kann nicht ordnungsgemäß geprüft und die Zahlung nicht angewiesen werden. Die vom Pflegedienst durchgeführten Leistungen sind pro Einsatz im Leistungsnachweis einzutragen und von den jeweiligen Pflegekräften abzuzeichnen. Wenn nach Zeit vergütet wird, muss die Pflegekraft die Anfangs- und Endzeit notieren. Dies ist bei LK nicht vorgeschrieben, aber möglich. Bei LK ist der Eintrag zu den Tagesabschnitten (morgens, mittags, nachmittags, abends, nachts) vorzunehmen. Am Monatsende bestätigt die verantwortliche Vertretung des Pflegedienstes – Pflegedienstleitung – die ordnungsgemäße Durchführung der vertraglich vereinbarten Leistungen.

Der oder die Leistungsempfänger oder Leistungsempfängerin oder dessen oder deren vertretungsberechtigte Person bestätigt den Leistungsnachweis mit Unterschrift und Datum. Die leistungsberechtigte Person hat vor der Unterschrift den Inhalt des Leistungsnachweises zu überprüfen, da auch sie damit die ordnungsgemäße Durchführung aller darin enthaltenen Leistungen rechtswirksam bestätigt.

Vorausbestätigungen sind unzulässig; in zu begründenden Ausnahmefällen kann die Pflegedienstleitung in Abstimmung mit den beteiligten Kostenträgern, also auch mit dem TdS, den Leistungsnachweis mit ihrer Unterschrift bestätigen, z. B. bei einem ungeplanten voraussichtlich längeren Krankenhausaufenthalt am Monatsende.

Die Pflegekasse erhält das Original des Leistungsnachweises, der TdS eine Kopie (§ 17 Absatz 4 Rahmenvertrag SGB XI).

Die Prüfung der Rechnungen durch die Abrechnungsstelle erstreckt sich darüber hinaus auf die Übereinstimmung der abgerechneten Leistungen (Summenspalte) mit den bewilligten Leistungen (Anzahl der Tage im Monat beachten), den hinreichenden Nachweis abgerechneter Notfall-Leistungen sowie die rechnerische Richtigkeit.

Der TdS kann bei Verdacht auf nicht vertragskonforme Abrechnung bei seinen Leistungsfällen zur Prüfung Nachweise anfordern, z. B. das aktuelle Namenskürzelverzeichnis sowie die Dienst- und Tourenpläne (§ 17 Absatz 12 Rahmenvertrages SGB XI). Der Pflegedienst ist zur Rückerstattung verpflichtet, wenn Leistungen entgegen der vertraglichen Grundlagen erbracht oder tatsächlich nicht erbrachte Leistungen abgerechnet wurden (§ 17 Absatz 13 Rahmenvertrag SGB XI). Forderungen des Pflegedienstes können mit Rückerstattungsforderungen aufgerechnet werden (§ 387 ff. BGB).

Besonderheiten bei elektronischer Leistungserfassung

Die elektronische Leistungserfassung und Abrechnung ist dem Pflegedienst möglich, wenn die Regelungen des Rahmenvertrags entsprechend eingehalten werden (§ 16 Absatz 4, § 17 Absatz 5 Rahmenvertrag SGB XI). Damit der Leistungsnachweis aus einem elektronischen System akzeptiert werden kann, muss der Pflegedienst dafür eine mit den Kostenträgern, das heißt mit den Pflegekassen und dem TdS, abgestimmte Erklärung unterzeichnen und bei der AOK Nordost einreichen. Die Übersicht der Pflegedienste mit anerkanntem Einsatz der elektronischen Leistungserfassung ist im Einrichtungskatalog und auf der Liste mit den Investitionskostenzuschlägen (siehe unter Basis Hotline/FAQ-Explorer/Hinweise zu Einrichtungen und Diensten/Kostensätze) abrufbar.

Der Pflegedienst bestätigt in der Erklärung unter anderem, dass nachträgliche Änderungen der Dateneingabe kenntlich zu machen und zu begründen sind. Den Kostenträgern sowie dem MD werden zur Prüfung auf Anforderung zeitnah die Einsichtnahme in die Tagesnachweise der leistungserbringenden Einsatzkräfte sowie ggf. in weitere Nachweise (beispielsweise Tourenpläne, Dienstpläne, Arbeitszeitnachweise) ermöglicht bzw. entsprechende Unterlagen zugesandt. Den Ausdruck der elektronisch erstellten Leistungsnachweise müssen die pflegebedürftige, die betreuende oder die bevollmächtigte Person und die verantwortliche Vertretung des Pflegedienstes weiterhin handschriftlich unterzeichnen. Der Leistungsnachweis in Papierform ist der Abrechnung beizufügen. Ein fortlaufend zu führender Leistungsnachweis vor Ort in der Häuslichkeit der pflegebedürftigen Person entfällt allerdings.

Zur gewerblichen Vergütung für Pflege durch Angehörige
Sofern der Pflegedienst Kenntnis über den Angehörigenstatus einer seiner Pflegekräfte erlangt, hat er die Kostenträger darüber zu informieren. Ein Pflegedienst darf gegenüber dem TdS keine Leistungen abrechnen, soweit die pflegebedürftige Person durch eine Angehörige oder einen Angehörigen gepflegt und betreut wird, der beim Pflegedienst angestellt ist, unabhängig vom Umfang der Pflege (siehe Ziffer 4.2. Häusliche Pflege durch Pflegepersonen).

5.2.5. Abrechnung von gesondert berechenbaren Aufwendungen gemäß § 82 Absatz 4 SGB XI – Investitionen

In Berlin haben die Pflegedienste seit dem 01.01.2013 die Möglichkeit, den Pflegebedürftigen ihre betriebsnotwendigen Investitionskosten in Rechnung zu stellen (§ 82 Absatz 4 SGB XI). Bei den Investitionskosten handelt es sich unter anderem um Aufwendungen für die Büromiete, Leasingkosten für die Autos sowie Abschreibungen auf die Inventargegenstände des Büros. Für Pflegedienste gibt es in Berlin keine staatliche Förderung. Die Investitionskosten werden neben der Pflegevergütung zusätzlich ausgewiesen (in der Darstellung vergleichbar mit der Ausweisung der Mehrwertsteuer auf einem Kassenbon). Eine Verpflichtung zur Übernahme der Investitionskosten hat der TdS gemäß § 76a Absatz 3 SGB XII nur dann, wenn die zuständige Landesbehörde ihre Zustimmung nach § 82 Absatz 3 Satz 3 des Elften Buches erteilt oder der Pflegedienst eine entsprechende Vereinbarung über den dafür anerkannten Zuschlag mit der für Pflege zuständigen Senatsverwaltung nach dem 10. Kapitel SGB XII abgeschlossen hat. Der mit dem jeweiligen Pflegedienst vereinbarte Investitionszuschlag wird den Bezirksämtern von Berlin monatlich aktualisiert im Einrichtungskatalog und in einer Liste mit den Investitionskostenzuschlägen zur Verfügung gestellt (siehe Anlage 6). Wenn ein Pflegedienst nicht in dieser Übersicht aufgeführt ist, darf das Bezirksamt die Investitionskosten nicht bewilligen und nicht abrechnen. Die überwiegende Anzahl der Pflegedienste erhebt für die Investitionskosten einen Zuschlag in Höhe von 2,5 % auf die Pflegeleistungen (Stand: Juni 2019).

Die Investitionskosten können als Zuschlag auf alle in der Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI definierten Leistungen erhoben werden, unabhängig von der leistungsrechtlichen Rechtsgrundlage, also auch für eine Bewilligung nach §§ 27, 70, 73 SGB XII.

Zum Umgang mit Anträgen auf HzP, die sich ausschließlich auf Investitionskosten beziehen, siehe Ziffer 4.3., Einsatz von (Rest-)Pflegegeld bei professioneller Pflege.

5.2.6. Umlage der Ausbildungskosten

Für die generalistische Ausbildung regelt das Pflegeberufegesetz (PflBG) in den §§ 26 ff. die bundeseinheitliche Refinanzierung der Ausbildungskosten über länderspezifische Ausbildungsfonds. In Berlin ist der Ausbildungsfonds beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) eingerichtet. Alle Pflegeeinrichtungen (Krankenhäuser, stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen) müssen monatliche Umlagebeiträge für die Ausbildung an den Ausbildungsfonds abführen. Darüber hinaus zahlen ebenso die Kassen und das Land in den Ausbildungsfonds ein. Die Ausbildungskosten werden komplett über den Fonds refinanziert, zusätzlich werden Teile der Mehrkosten der Ausbildung erstattet. Ist ein ambulanter Pflegedienst Träger der praktischen Ausbildung, wird im ersten Ausbildungsdrittel die Ausbildungsvergütung zu hundert Prozent refinanziert. Im zweiten und dritten Ausbildungsdrittel trägt ein ambulanter Pflegedienst einen Anteil an der Ausbildungsvergütung selbst (1/14 der durchschnittlichen Personalkosten seiner Pflegefachkräfte). Diese sogenannte Wertschöpfungspauschale wird aus Leistungen refinanziert, die die Auszubildenden erbringen und die vom Pflegedienst auch abgerechnet werden dürfen.

Für die Ausbildung in der Altenpflege nach dem Altenpflegegesetz, die zum 31.12.2024 ausläuft, und für die landesrechtlich geregelte Ausbildung im Bereich der Hilfe, dies ist in Berlin die Pflegefachassistenz nach dem Pflegefachassistenzgesetz, regelt der § 82a SGB XI, dass die zur Ausbildung zugelassenen Pflegeeinrichtungen die Ausbildungsvergütung während der Dauer des Ausbildungsverhältnisses in der Vergütung berücksichtigen und somit auf die Pflegebedürftigen der ausbildenden Einrichtung umlegen können.

5.2.7. Besonderheiten bei der Bewilligung und Vergütung ambulanter Pflegeleistungen durch Pflegedienste

5.2.7.1. Pflege durch Pflegedienste mit Betriebssitz in Berlin

Das Land Berlin ist der örtliche Einzugsbereich für in Berlin zugelassene Pflegedienste. Ein Pflegedienst darf in Berlin erbrachte Leistungen mit den Kostenträgern grundsätzlich nur abrechnen, wenn er einen Versorgungsvertrag für den Einzugsbereich Berlin hat. In einzelnen Leistungsfällen erteilen die Pflegekassen und der TdS ausnahmsweise die Zustimmung zur Versorgung durch einen Brandenburger Pflegedienst, insbesondere, wenn ansonsten ein Versorgungsengpass droht.

5.2.7.2. Abrechnung der Leistung beim Einsatz von zwei Pflegekräften

Ist in begründeten Einzelfällen der Einsatz von zwei Pflegekräften bei einer pflegebedürftigen Person erforderlich, ist wie folgt zu verfahren: Die Pflegekasse überprüft nach Erhalt der begründenden Information durch den Pflegedienst die Notwendigkeit, ggf. unter Hinzuziehung des MD. Nach ihrer Genehmigung des Einsatzes von zwei Pflegekräften können die LK 1 – 9 entsprechend der Anzahl der eingesetzten Pflegekräfte einschließlich der Einsatzpauschale (LK 17) nach der Anzahl der eingesetzten Pflegekräfte abgerechnet werden. Der Rechnungsvordruck/Leistungsnachweis ist entsprechend zu kennzeichnen (etwa durch Handzeichen beider Pflegekräfte auf dem Leistungsnachweis). Bei Nicht-Versicherten muss der TdS anstelle der Pflegekassen die Notwendigkeit überprüfen und den Einsatz genehmigen.

5.3. Erläuterungen zu den LK

5.3.1. Allgemeines

Eine Übersicht über die vereinbarten LK ist der Anlage 3 zu entnehmen
https://www.pflegestuetzpunkteberlin.de/thema/berliner-leistungskomplexe-zur-pflege/.

Den Punktzahlen der LK liegen jeweils die durchschnittlichen Aufwendungen zu Grunde. Auf diese haben sich die Kostenträger und die Leistungserbringerseite geeinigt. Die Kalkulation für die pauschalierten LK richtet sich vor allem nach dem zeitlichen Aufwand, dem Qualifikationsmix beim vorgehaltenen Personal und den Regieaufwendungen (z. B. Kosten für Leitung, Verwaltung und Sachkosten). Der Leistungsaufwand kann je nach individueller Pflegesituation unterschiedlich sein. Durch die Pauschale ist er jedoch abgedeckt, es gibt keinen Anspruch auf eine bestimmte Zeitdauer (Ausnahme: LK 20).

In einem LK werden einzelne, aber inhaltlich zusammengehörende Verrichtungen als Pauschale zusammengefasst. Grundsätzlich sind alle Verrichtungen, die in einem LK zusammengefasst werden, abrufbar (siehe Anlage 3): Die in den LK aufgezählten Verrichtungen stellen eine Auswahl möglicher Inhalte des Gesamtkomplexes dar (siehe „Leistungsart“ in der LK-Übersicht, Anlage 3). Im Einvernehmen sind auch weitere Leistungen möglich, die in den Gesamtrahmen des jeweiligen LK fallen können bzw. einzelne Verrichtungen können wegfallen, die nicht benötigt werden. Die Pflege ist in Form aktivierender Pflege zu gewährleisten (siehe auch § 11 SGB XI).

Es gibt nur einen LK mit Zeitbezug als Ausnahme, den LK 20 für Betreuungsmaßnahmen. Dieser wird zeitbezogen bewilligt und kann in einem Einsatz mehrfach abgerufen werden. Die Pflegedienste müssen den Zeitansatz für LK 20 (100 Punkte) im Pflegevertrag nach § 120 SGB XI mit der pflegebedürftigen Person vereinbaren. Der Zeitansatz muss bei allen Pflegebedürftigen eines Pflegedienstes gleich sein. Ein Zeitansatz ab 6 Minuten für 100 Punkte ist als angemessen zu akzeptieren. Der jeweils aktuelle Zeitansatz der Pflegedienste für LK 20 (6-10 Minuten) ist für die Bezirksämter im Fachverfahren einsehbar.

Für die Mehrfachbewilligung der LK 11 b, 12 und 13 je Woche hatten sich die Vertragspartner seinerzeit auf zeitliche Orientierungswerte für diese LK verständigt (Anlage 1f). Eine Leistungspflicht in diesem Zeitumfang ist jedoch damit nicht verbunden, die Inhalte der LK sind zu erbringen.

5.3.2. – LK 1 bis 20 nach der dreiseitigen Vereinbarung gemäß § 89 SGB XI

Die LK enthalten auch die üblichen, nach Expertenstandards definierten Prophylaxen. Die Prophylaxen sind zur Vorbeugung von Sekundärerkrankungen selbstverständlicher Bestandteil der körperbezogenen Maßnahmen (z. B. bei Dekubitus, Kontrakturen, Kontinenztraining). Darüber hinaus gehende prophylaktische Bedarfe werden gesondert abgedeckt wie z. B. eine spezielle Lagerung oder Mobilisierung (siehe Ziffer 5.3.2.2. zu LK 5).

Verrichtungsbezogen gehören zu diesen LK unter anderem das Betten machen, Zimmer lüften sowie die Vor- und Nachbereitung der Pflegeutensilien und Sanitäranlagen dazu.

5.3.2.1. LK 1 – 4 – Körperpflege

Die LK 1-4 können nicht parallel in einem Einsatz erbracht werden, sondern sind bedarfsentsprechend alternativ zu wählen. Denkbar ist, dass eine Person täglich Hilfe beim Waschen benötigt. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen kleiner und großer Körperpflege ist der Waschumfang. Bei „Teilwaschen“ in LK 2 kann die leistungsberechtigte Person Teilbereiche ihres Körpers selbst waschen. „Erweitert“ bei LK 1 und LK 3 setzt den Bedarf an Hilfe beim Aufsuchen oder Verlassen des Bettes voraus (aktive Hilfestellung beim Aufstehen oder Hinlegen).

Beispiel: Eine Person benötigt 6 Mal in der Woche die Verrichtung „Teilwaschen“ und 1 Mal wöchentlich „Hilfe beim Baden“ (und hat dabei keinen Bedarf beim Aufstehen/Verlassen des Bettes). Bewilligt werden dafür 6 x LK 2 und 1 x LK 3b (einziger LK mit Baden). Ist das Baden ausnahmsweise nicht möglich oder nicht gewünscht, kann anstelle von LK 3b auch „Duschen“ (Waschen des ganzen Körpers) mit LK 4 abgerechnet werden.

Bei der Bewilligung der LK 1 – 4 ist zu beachten, dass das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen der Klassen II bis IV als verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahme im Rahmen der Behandlungspflege gemäß § 37 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V von den Krankenkassen zu übernehmen ist.

5.3.2.2. LK 5 – Lagern/Betten

LK 5 kann nur bewilligt werden, wenn jemand körperbezogene Pflegemaßnahmen benötigt, unabhängig von der Erbringung durch einen Pflegedienst. Er kann nur in Kombination mit mindestens einem anderen LK (dieser nicht zwingend körperbezogen) im Rahmen eines Einsatzes erbracht werden.

Da die Pflege insgesamt grundsätzlich als aktivierende Pflege zu erbringen ist, vergleiche § 11 Absatz 1 SGB XI, kommt der LK 5 im Hinblick auf Lagern/Mobilisation nur dann in Betracht, wenn über die aktivierende Pflege hinaus hierfür gezielter Handlungsbedarf besteht. Hierzu zählen z. B. die gezielte Lagerung bei einer Lähmung. Der LK 5 kann deshalb in Verbindung mit den LK 1 – 4, 7a und 7b nur abgerechnet werden, wenn abschließend noch einmal eine besondere Lagerung erforderlich ist.

Er kann auch gesondert als Transfer gewährt werden, z. B. wenn ein Rollstuhlfahrer nach dem Mittagessen liegen möchte bzw. muss, auch dann jedoch nur in Kombination mit mindestens einem anderen LK (z. B. Zubereitung einer Mahlzeit, Reinigung der Wohnung). Das Führen eines Lagerungsprotokolls kann eingefordert werden.

5.3.2.3. LK 6 – Ernährung

Hilfe bei der Nahrungsaufnahme kann grundsätzlich nur den Personen gewährt werden, die z. B. aufgrund einer Halbseitenlähmung oder ähnlicher schwerwiegender Einschränkungen Hilfe benötigen oder aufgrund von Antriebsstörungen zur selbstständigen Nahrungsaufnahme nicht in der Lage sind.

Hinweise zur Ernährung über eine Magensonde
Die Verabreichung der Sondennahrung ist nicht in den LK geregelt. Sie ist grundsätzlich als „Nahrungsaufnahme“ anzusehen und den körperbezogenen Pflegemaßnahmen im Rahmen der Ernährung zugeordnet; sie umfasst die Verabreichung der Sondennahrung mittels Spritze, Schwerkraft oder Pumpe. Dazu gehört das Vorrichten der Sondennahrung, die Überprüfung der Lage der Sonde, die Verabreichung der Sondennahrung einschließlich deren Überwachung sowie das Spülen der Sonde (§ 1 Absatz 5 Buchstabe b, 3. Anstrich Rahmenvertrag SGB XI). Unter Behandlungspflege fällt dagegen das Legen und Wechseln der Sonde und die Reinigung der Sonde, die Desinfektion der Wunde sowie die Wundversorgung der Behandlungspflege (gemäß Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege – Häusliche Krankenpflege-Richtlinie – nach § 92 SGB V – HKP-RiLi).

Die Verabreichung von Medikamenten ist als verrichtungsbezogene, krankheitsspezifische Pflegemaßnahme im Rahmen der Behandlungspflege nach § 37 Absatz 1 Satz 3 bzw. § 37c Absatz 1 Satz 3 SGB V von den Krankenkassen zu übernehmen.

Der zeitliche Umfang kann bei der Sondenernährung stark variieren. Deshalb kann im Einzelfall ggf. der LK 15 statt des LK 6 bewilligt werden. Dies gilt auch bei einer Nasensonde. Das Führen eines Einfuhrprotokolls kann eingefordert werden.

5.3.2.4. LK 7a und b – Darm- und Blasenentleerung

Die Darm- und Blasenentleerung beinhaltet auch die Pflege bei der Katheter- und Urinalversorgung, den Wechsel oder die Entleerung des Beutels im Rahmen der ein- oder zweiteiligen Entero- und/oder Urostomaversorgung sowie die Pflege bei der physiologischen Blasen- und Darmentleerung, das Teilwaschen einschließlich der Hautpflege, ggf. den Wechsel der Wäsche. Dazu gehören nicht die Behandlungspflegen gemäß Leistungsverzeichnis der HKP-RiLi wie Einlegen, Wechsel und Reinigung des Katheters sowie der Verbandwechsel der Katheteraustrittsstelle und die Wundversorgung bei künstlich geschaffenen Ausgängen.

Hilfen bei der Darm- und Blasenentleerung können vor allem erforderlich sein bei Personen, die aufgrund von Verlusten, Lähmungen oder anderen Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat pflege- und hilfebedürftig sind, insbesondere, wenn sie der Hilfe bei der Nutzung von Inkontinenzartikeln und Hilfsmitteln (Toilettenstuhl) bedürfen.

Besteht die Hilfestellung lediglich beim Aufsuchen und Verlassen der Toilette, ist dieser LK nicht anwendbar; diese Hilfestellungen sind im Rahmen der LK 1 – 4 zu erbringen.

LK 7a ist nur in Kombination mit mindestens einem anderen LK abrechenbar.

LK 7b ist nicht neben den LK 1 – 4 abrechenbar, kann jedoch mit anderen LK kombiniert werden.

5.3.2.5. LK 8 und 9 – Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, Begleitung außer Haus

Enthalten sind spezielle Hilfen in Zusammenhang mit der Mobilität. Sie können kombiniert angewendet werden. Für den Leistungsbereich der Pflegeversicherung sind die Verrichtungen außerhalb der Wohnung zu unterstützen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen der pflegebedürftigen Person erfordern, etwa weil ein Hausbesuch nicht möglich ist. LK 9 bedarf deshalb der besonderen Begründung. Arztbesuche sind durch Bestätigung der Praxis mit Stempel und Unterschrift nachzuweisen.

Hilfestellung beim Verlassen oder Wiederaufsuchen der Wohnung (LK 8), ggf. in Verbindung mit LK 9 (Begleitung außer Haus), kann in der Regel nur von Pflegebedürftigen gewählt werden, die in der Lage sind, die Wohnung zu verlassen. Abweichungen sind nur mit Begründung möglich.

Bei LK 9 ist die vorrangige Leistung eines verordneten Krankentransports (SGB V) zu prüfen.

5.3.2.6. LK 10 – Beheizen der Wohnung bei Ofenheizung

Das Beheizen der Wohnung umfasst die Beschaffung des Heizmaterials aus einem Vorrat im Haus, die Entsorgung der Verbrennungsrückstände und das Heizen.

5.3.2.7. LK 11a bis 15 (Hilfen bei der Haushaltsführung)

Die LK 11a – 15 sollen nicht in gesonderten Einsätzen erbracht werden, sofern Pflegeleistungen erforderlich sind und es der Bedarfssituation der hilfebedürftigen Person entspricht.

Die LK 11b – 13 orientieren sich an einem durchschnittlichen zeitlichen Aufwand, der im Einzelfall bei der Leistungserbringung sowohl über- als auch unterschritten werden kann. Folgende Orientierungswerte für die Ermittlung des Bedarfsumfanges wurden in Anlage 1 f des Berliner Rahmenvertrages vereinbart:

11b Reinigung der Wohnung 40 Minuten
12 Wechsel und Waschen der Wäsche und Kleidung 70 Minuten
13 Einkaufen 35 Minuten

Zur Ermittlung des Bewilligungsumfangs für die Reinigung der Wohnung, die Wäschepflege und das Einkaufen ist es hilfreich, den notwendigen wöchentlichen Zeitaufwand hierfür insgesamt festzustellen und dann den LK 11b bis 13 zuzuordnen. Werden beispielsweise die LK 11b – 13 je einmal pro Woche gewählt, entspricht das einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 2 Stunden und 24 Minuten. Wird der zeitliche Bedarf an Wäschepflege, Einkaufen und Reinigen der Wohnung wöchentlich mit rund 1 ½ Stunden bis 2 ¼ Stunden festgestellt, sind beispielsweise der LK 12 (Wäschepflege) 14-tägig und die LK 11b und 13 einmal pro Woche zu bewilligen.

5.3.2.8. LK 11a, 11b und 11c – Reinigen der Wohnung

LK 11a, LK 11b sowie LK 11c sind nicht nebeneinander abrechenbar.

Der LK 11a ist nur in Kombination mit mindestens einem anderen LK abrechenbar, niemals jedoch in Verbindung mit LK 11b oder LK 11c. Er ist für das Abwaschen des Geschirrs, sofern es nicht im LK 14 oder 15 mit zu erbringen ist, oder zum Aufräumen der Wohnung oder zur Entsorgung von Abfall heranzuziehen. Die Leistung kann in begründeten Fällen mehrfach in der Woche erforderlich sein, beispielsweise, wenn desorientierte Pflegebedürftige Gegenstände nach ihrem Gebrauch nicht an den üblichen Ort zurücklegen.

LK 11b beinhaltet die in der Regel wöchentliche Reinigung der Wohnung, Müllentsorgung, Spülen und Staubwischen und kann erforderlichenfalls mehrfach pro Einsatz angewendet werden. Das Reinigen der Wohnung wird bezogen auf den allgemein üblichen Lebensbereich des Pflegebedürftigen (§ 1 Absatz 5 Buchstabe d, 3. Anstrich Rahmenvertrag SGB XI). Er ist mit einer zeitlichen Orientierung von 40 Minuten unterlegt. Übersteigt der erforderliche Aufwand für die Reinigung der Wohnung den zeitlichen Orientierungswert um mindestens 25 Minuten, ist die Wahl eines weiteren LK 11b angemessen. Es ist jedoch zu beachten, dass im LK 11b nicht alle Verrichtungen als Hilfe bei der Haushaltsführung enthalten sind, sondern die LK 12 bis 15 weitere Leistungen wie Wäsche waschen, Einkaufen, Kochen und Abwaschen umfassen.

LK 11c beinhaltet aufwendige Aufräumarbeiten bei besonderen Anlässen wie beispielsweise nach Renovierungen oder längeren Abwesenheiten, allerdings keine Entrümpelungen. Er ist nicht obligatorisch zu gewähren, sondern kann in besonderen Fällen und bei zeitlich hohem zusätzlichen Aufwand zur Unterhaltsreinigung (der regelmäßig gewährten Reinigung) zur Anwendung kommen, z. B. nach Malerarbeiten (sofern nicht vertraglich mitgeschuldet), nach mehreren Monaten Abwesenheit und Erfordernis umfänglicher Reinigungsleistungen, die mit den üblichen 1-2 Einsätzen pro Woche nicht realisiert werden können. Entspricht es der Bedarfssituation, kann anstelle des LK 11c auch einmalig LK 11b über den „normalen Bedarf“ hinaus bewilligt werden.

5.3.2.9. LK 12 – Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung

ist je nach Bedarf wöchentlich ggf. 14-tägig oder monatlich zu wählen. Ein weiterer LK 12 ist angemessen, wenn der Zeitaufwand für die Wäschepflege den 70-Minuten-Orientierungswert um mindestens 42 Minuten überschreitet. Die Anwendungshinweise zu LK 11b sind zu beachten. Der Zeitaufwand richtet sich nach dem zeitlichen Einsatz der Pflegekraft, nicht nach der Dauer des Waschmaschinenprogramms. Ggf. können während des Waschvorgangs andere Verrichtungen erbracht werden.

5.3.2.10. LK 13 – Einkaufen

ist in der Regel ein- bis zweimal pro Woche zu bewilligen.

5.3.2.11. LK 14 – warme Mahlzeit

beinhaltet die Zubereitung einer warmen Mahlzeit einschließlich der Getränke sowie das Aufwärmen des Tiefkühlmittagstisches in der Häuslichkeit der pflegebedürftigen Person, das Spülen des Geschirrs, Reinigen des Arbeitsbereiches und des Essplatzes. Die pflegebedürftige Person ist grundsätzlich auf die mögliche Nutzung eines „Fahrbaren Mittagstisches“ hinzuweisen (siehe hierzu auch RS II Nr. 8/2012 und LK 15). Der LK 14 ist bei Inanspruchnahme eines „Fahrbaren Mittagstisches“ nicht abrechenbar.

5.3.2.12. LK 15 – sonstige Mahlzeit

beinhaltet die Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit einschließlich der Getränke, das heißt Frühstück und Abendessen, das Aufwärmen eines Mittagessens sowie Spülen des Geschirrs und Reinigen des Arbeitsbereiches und des Essplatzes. Auch die „Zubereitung warm angelieferter Kost“ („Fahrbarer Mittagstisch“) kann mit LK 15 abgerechnet werden. Soweit ausschließlich Hilfe beim Spülen des Geschirrs benötigt wird, ist LK 11a anzuwenden.

LK 14 und 15
sollen zusammen in der Regel nicht mehr als dreimal täglich bewilligt und abgerechnet werden. LK 14 sollte im Wechsel mit LK 15 angewendet werden, da grundsätzlich die Zubereitung des Mittagessens für zwei Tage und das Aufwärmen am zweiten Tag sachgerecht ist.

5.3.2.13. LK 16a und 16b – Erstbesuch und Folgebesuch

Der Erstbesuch ist für die Erhebung der Pflegeanamnese und Erarbeitung der Pflegeplanung (ggf. mit Strukturierter Informationssammlung – SIS) vorgesehen. Er kann ausschließlich jeweils bei Erstübernahme einer Pflege durch einen Pflegedienst angewendet werden. Ein Folgebesuch ist abrechenbar, wenn eine gravierende Änderung des Pflegezustandes eingetreten ist oder Pflegerisiken erhoben werden müssen, welche in der Regel eine Änderung des Pflegevertrages nach sich ziehen. Der vorrangige Anspruch auf Pflegeberatung gemäß § 7a bzw. § 37 Absatz 3 SGB XI ist zu berücksichtigen.

5.3.2.14. LK 17 – Einsatzpauschale

Die Einsatzpauschale ist bei jedem Einsatz nach SGB XI (unabhängig von Einsätzen nach SGB V) abrechenbar, sofern sie im Pflegevertrag vereinbart ist. Ausgenommen hiervon sind Pflegeeinsätze nach § 37 Absatz 3 SGB XI (Beratung in der eigenen Häuslichkeit) und die Tagespauschalen in Wohngemeinschaften (LK 19). Der LK 17 ist nicht neben LK 19 abrechenbar.

Auf den tatsächlichen Aufwand, die Länge der Wegstrecke oder die Personalkosten für die konkrete Wegezeit, kommt es bei dieser Pauschale nicht an. Die Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung haben sich seinerzeit auf Basis einer Mischkalkulation für die Pauschale entschieden. Im Einzelfall ist daher hinzunehmen, wenn die Abrechnung nicht mit dem sichtbaren Aufwand übereinstimmt. So ist bei einer Wohngemeinschaft (ohne LK 19) der LK 17 pro pflegebedürftiger Person je Leistungstag einmal abrechenbar, auch wenn Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Pflegedienstes ihren Dienst in der Wohngemeinschaft beginnen. Die Einsatzpauschale ist bei zeitgleicher Versorgung von zwei oder mehreren Pflegebedürftigen in einem Haushalt bzw. in einer Wohngemeinschaft nur einmal pro pflegebedürftiger Person und Leistungstag abrechenbar. Für die Berechnung der höheren Einsatzpauschale in der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr ist der von der pflegebedürftigen Person gewünschte und mit dem Pflegedienst jeweils vereinbarte Einsatzbeginn ausschlaggebend.

Bei Einsätzen in Wohnhäusern, Wohngemeinschaften sowie Seniorenresidenzen, Seniorenwohnanlagen oder Ähnlichem ist die Einsatzpauschale nicht abrechnungsfähig, wenn der Pflegedienst am gleichen Standort Räumlichkeiten nutzt. Ein gleicher Standort liegt vor, wenn der Haushalt der pflegebedürftigen Person (Leistungsort) dieselbe Postanschrift hat und sich in demselben Gebäude befindet. Zur Auslegung von „Räumlichkeiten“ ist das Wohnteilhabegesetz heranzuziehen. Ein Pflegedienst darf grundsätzlich keine Büro-, Betriebs- oder Geschäftsräume in einer Pflege-Wohngemeinschaft im Sinne des Wohnteilhabegesetzes und ähnlich gelagerten Versorgungsstrukturen (z. B. Service-Wohnen, ASOG-Einrichtungen) betreiben. Sonst könnte der Status als Pflege-Wohngemeinschaft in Frage gestellt werden. Bei konkreten Zweifeln am Status wird empfohlen, sich zwecks Zuordnungsprüfung nach § 25 WTG an die Heimaufsicht beim Landesamt für Gesundheit und Soziales zu wenden.

Bei genehmigtem Einsatz wird LK 17 auch für eine zweite Pflegekraft vergütet. Dies ist auf dem Leistungsnachweis zu kennzeichnen, etwa indem beide Pflegekräfte ihr Handzeichen im Leistungsnachweis eintragen.

5.3.2.15. LK 19 – Tagespauschale für die Versorgung und Betreuung von Pflegebedürftigen der Pflegegrade 4 und 5 in Pflege-Wohngemeinschaften

Durch den LK 19a werden alle Leistungen der LK 1 bis 16 sowie LK 20 für Pflegebedürftige der Pflegegrade 4 und 5 in Pflege-Wohngemeinschaften pauschal erfasst. Ist die pflegebedürftige Person zeitweise, das heißt mehr als 6 Stunden, abwesend, ist der halbe Tagessatz abrechenbar (LK 19b).

Eine WG im Sinne des LK 19 ist eine Gruppe von in der Regel 6 bis 12 Personen – in Ausnahmefällen auch weniger, mindestens aber drei Personen – die in einer Wohnung wohnen, in der jeder Bewohner und jede Bewohnerin seinen bzw. ihren eigenen Wohn-/Schlafbereich hat, Küche und Wohnzimmer gemeinsam genutzt werden können, eine der Bewohnerzahl angemessene Anzahl an Toiletten/Bädern vorhanden ist, sowie eine 24-stündige Versorgung vorausgesetzt wird. Die Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner erfolgt durch einen oder mehrere ambulante Pflegedienste mit dem Ziel, eine umfassende Versorgung im Umfang der LK 1–16 sowie LK 20 entsprechend der individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Bewohnerin oder des Bewohners über 24 Stunden sicherzustellen. Wie bei jeder häuslichen Pflege hat die Dokumentation der Pflegeleistungen, die nach LK 19 abgerechnet werden, gemäß den vertraglichen Regelungen des Rahmenvertrages zu erfolgen. Für die Pflegegrade 2-3 sind nach Bedarf die Einzel-LK 1-16 und 20 zu bewilligen.

Bei Neuaufnahme einer pflegebedürftigen Person in eine Wohngemeinschaft kann zum Zeitpunkt der Leistungserbringung der notwendige Pflegegrad noch nicht feststehen bzw. der Bescheid über den Pflegegrad erst später vorliegen. Dann ist eine Abrechnung des LK 19 nicht möglich – auch nicht rückwirkend. Vor diesem Hintergrund ist eine Versorgung mit Einzel-LKs zu vereinbaren und zu dokumentieren, so dass der Dienst die Möglichkeit hat, erbrachte Leistungen nachzuweisen.

Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI in Bezug auf Leistungen der häuslichen Pflegehilfe und teilstationäre Leistungen nach § 41 SGB XI: Der sogenannte Wohngruppenzuschlag steht seit dem 01.01.2017 allen versicherten Pflegebedürftigen (Pflegegrad 1 bis 5) zu. Im SGB XII ist eine derartige Leistung für Nichtversicherte – wie bisher – nicht vorgesehen. In der amtlichen Begründung zu § 63 Absatz 1 SGB XII – neu – heißt es dazu, dass der notwendige Bedarf, der insbesondere in ambulant betreuten Wohngruppen anfällt, im Rahmen der häuslichen Pflegehilfe durch einen Pflegedienst berücksichtigt werden kann. Der Wohngruppenzuschlag in einer ambulant betreuten Wohngruppe gemäß § 38a SGB XI kann nach dem BSG-Urteil v. 12.05.2017, Az. B 8 SO 14/16 R, nicht auf die HzP nach § 64b SGB XII (Häusliche Pflegehilfe durch einen Pflegedienst) angerechnet werden, auch wenn die Tagespauschale LK 19 gewährt wird (siehe RS Pflege Nr. 01/2017).

Teilstationäre Leistungen nach § 41 SGB XI kommen neben dem Wohngruppenzuschlag nur dann in Betracht, wenn der MD bescheinigt, dass die Pflege in der Pflege-Wohngemeinschaft ohne teilstationäre Leistungen (Tagespflege) nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist (§ 38a Absatz 1 Satz 2 SGB XI).

5.3.2.16. LK 20 – Häusliche Betreuung

Pflegerische Betreuungsmaßnahmen nach dem LK 20 umfassen eine Palette an Maßnahmen, die in einem nicht abschließenden Leistungskatalog in Anlage 1 der Vergütungsvereinbarung aufgezählt werden, in den Bereichen „Begleitung“, „Unterstützung“, „Beaufsichtigung“, „Hilfen“ sowie „Unterstützung bei Inanspruchnahme von Dienstleistungen“. Damit wird auch die gemäß § 36 SGB XI vorgesehene Erweiterung der Leistungsinhalte um die Unterstützung bei den für die tägliche Lebensführung notwendigen geschäftlichen Belangen umgesetzt. Eine Leistung nach LK 20 ist einzeln, neben den LK 1 bis 16, sowie bei entsprechendem Bedarf mehrfach in einem Einsatz abrechenbar. Der Zeitansatz für die 100 Punkte ist in jedem Pflegevertrag, pro Pflegedienst jeweils einheitlich, festgelegt (Minimum: 6 Minuten; siehe Ziffer 5.3.1. und Anlage 6).

Der LK 20 ist nicht zur Erweiterung der LK mit körperbezogenen Pflegemaßnahmen verwendbar, beispielsweise weil Menschen mit demenziellen Fähigkeitsstörungen oder psychischen Erkrankungen im Zusammenhang mit körperbezogenen Pflegemaßnahmen in besonders intensiver Weise angeleitet oder beaufsichtigt werden müssen. Leistungen der häuslichen Betreuung werden neben körperbezogenen Pflegemaßnahmen und den Hilfen bei der Haushaltsführung erbracht.

Hilfe in Notfällen
Notfalleinsätze sind nach dem LK 20 als notwendige Leistungen abrechenbar, die in nicht vorhersehbaren Situationen erbracht werden und hohe Zeitaufwände nach sich ziehen. Der Notfall ist dem TdS zeitnah im Nachgang zu melden. Unabhängig vom Zeitaufwand sind für diesen Einsatz einheitlich 6 x LK 20 zu bewilligen. Um Notfalleinsätze handelt es sich dann, wenn ein Notarzt, die Feuerwehr oder die Polizei hinzugezogen werden müssen. Die Art des Notfalles sowie die Einleitung erforderlicher und unverzüglicher Maßnahmen aus Anlass einer akuten massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder des Todes (Verständigung Arzt oder Ärztin / Notarzt oder Notärztin, der Angehörigen), die eingeleitete Abhilfe sowie ggf. der Handlungsbedarf Dritter, sind vom Pflegedienst in einem Kurzbericht zu dokumentieren. Da die Leistungen nicht vorher bewilligt werden können, ist bei der Abrechnung der Kurzbericht beizufügen. Neben der Hilfe in Notfällen dürfen keine weiteren LK abgerechnet werden. Sollte der LK häufig abgerechnet werden, muss geprüft werden, ob ambulante Pflege in der gegenwärtigen Form weiterhin ausreichend ist.

Die Leistung „Hausnotruf“ (Hilfsmittel) oder Leistungen aufgrund eines Notrufs sind hier nicht umfasst.

Führen eines Haushaltsbuchs
Die Abrechnung für das Führen eines Haushaltsbuches kommt grundsätzlich in Betracht, wenn eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge eingerichtet wurde und eine andere Person nicht in der Lage ist, das Führen des Haushaltsbuches zu übernehmen. Für die Leistung kann nur der Personalaufwand in Rechnung gestellt werden, der dem Pflegedienst bei dem Führen eines Haushaltsbuchs entsteht. Eine Erstattung von Kontoführungsgebühren durch den TdS kommt darüber hinaus nicht in Betracht. Es wird als angemessen erachtet, dafür monatlich 4 x LK 20 abzurechnen.

5.3.3. neu –ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 39a SGB XI und § 64k SGB XII)

Der Anspruch auf digitale Pflegeanwendungen wird hiermit um ergänzende Unterstützungsleistungen bei deren Nutzung erweitert, wenn diese bei der Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen gewünscht werden und erforderlich sind (z. B. um den pflegerischen oder betreuerischen Nutzen sicherzustellen).

Die Auswahl und Erstattungsfähigkeit beschränkt sich auf die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte jeweils festgelegten ergänzenden Unterstützungsleistungen zu konkreten digitalen Pflegeanwendungen.

5.4. Persönliche Assistenz – alt: LK 32 1. Variante / Zeitlich umfangreiche Pflegen – alt: LK 32 2. Variante

Im Berliner Rahmenvertrag wurde als LK 32 “Persönliche Assistenz“ zum einen für hilfebedürftige Menschen mit schwerer Körperbehinderung und erheblichem Pflegebedarf die Möglichkeit geschaffen, selbstständig die Gestaltung ihres Alltags zu übernehmen (Ziffer 5.4.1.). Sie bestimmen dabei selbst über Zeit, Art und Ort der Assistenzleistungen. Diese Leistungen erbringt – im Gegensatz zum AGM (Ziffer 9.1.2.) – ein Pflegedienst.

Eine zweite Variante des LK 32 diente der Sicherung nicht planbarer pflegerischer Bedarfe mit ständiger Beaufsichtigung („Tag-/Nacht–Wache“; z. B. Sterbebegleitung) ebenfalls durch einen Pflegedienst (Ziffer 5.4.2.).
Beide Varianten des LK 32 wurden in der Anlage 1 f des Berliner Rahmenvertrages vereinbart. Dieser Berliner Rahmenvertrag nach § 79 SGB XI enthielt beide Varianten des LK 32 nur noch bis einschließlich 31.12.2019. Eine Weiterführung dieser Vereinbarung, die allen zugelassenen Pflegediensten die Leistungserbringung und Abrechnung ermöglicht, wurde abgelehnt.
Durch das Bundesteilhabegesetz und das Berliner Teilhabegesetz (BlnTG) hat sich zudem zum 01.01.2020 die Rechtslage geändert.

5.4.1. Persönliche Assistenz (alt LK 32 – Variante 1)

Die zentrale Bearbeitung der „Persönlichen Assistenz“ erfolgt nun durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales. Seit 01.01.2020 wird im SGB IX ein pauschal festgelegter Anteil der „Persönlichen Assistenz“ als Teilhabeleistung anerkannt. Er kann aus der Eingliederungshilfe erstattet werden, wenn der jeweilige Pflegedienst mit dem zuständigen Kostenträger der Eingliederungshilfe einen Ergänzungsvertrag (§ 123 Absatz 1 SGB IX in Verbindung mit § 78 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 SGB IX), unter Beachtung der dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 123 SGB IX, abgeschlossen hat. Anderenfalls können im Rahmen der „Persönlichen Assistenz“ (bisheriger LK 32 Variante 1) seit 01.01.2020 nur die ungedeckten Pflegekosten durch die Kostenträger nach SGB XI und SGB XII erstattet werden, sofern hierzu eine Einzelvereinbarung nach § 89 SGB XI vorliegt bzw. fortgeführt wird. Alle Berliner Pflegedienste wurden über die neue Rechts- und Vertragslage informiert. Die erforderlichen Vereinbarungen können jederzeit mit den Kostenträgern geschlossen werden, sofern die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Inhaltlich hat die „Persönliche Assistenz“ die 1. Variante des bisherigen LK 32 übernommen, ausschließlich mit Zeitvergütung. Dies wurde in § 17 des neuen Berliner Rahmenvertrags der Eingliederungshilfe vom 05.06.2019 vereinbart.

Für die Sachbearbeitung in den Bezirksämtern ist weiterhin wichtig, die entsprechenden Fallgestaltungen zu kennen, um antragstellende Personen und Leistungsberechtigte ggf. an das zuständige Teilhabeamt oder an das Landesamt für Gesundheit und Soziales verweisen zu können.

Persönliche Assistenz – (alt: LK 32 bisherige 1. Variante) – betrifft Fallgestaltungen mit wesentlicher körperlicher Behinderung und umfangreichem Pflegebedarf. Soweit der tatsächliche Wille der antragstellenden Person ergibt, dass diese Leistungsform gewollt ist, leitet der bezirkliche Fachbereich Pflege den Antrag an den bezirklichen Teilhabfachdienst nach Maßgabe der bezirksindividuellen Vorschriften weiter. Folgende Voraussetzungen müssen dann nach summarischer Prüfung für eine Fallübergabe an das Landesamt für Gesundheit und Soziales kumulativ gegeben sein (siehe auch Rundschreiben Soz Nr. 02/2022 Zuständigkeitserklärung und Verfahren bei persönlicher Assistenz – Verfahren Persönliche Assistenz vom 15.03.2022 sowie die Gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe vom 05.02.2020):

  • Das Land Berlin als Träger der Eingliederungshilfe ist örtlich zuständig. Dies gilt auch für gerichtlich festgestellte (einstweilige) Zuständigkeiten.
  • Die leistungsberechtigte Person ist volljährig und es werden keine Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII gewährt.
  • Eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI wurde festgestellt.
  • Eine wesentliche Körperbehinderung nach § 99 Absatz 1, Absatz 4 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 1 Eingliederungshilfeverordnung liegt vor.
  • Es liegt keine wesentliche geistige oder seelische Behinderung nach § 99 Absatz 1, Absatz 4 Satz 2 Eingliederungshilfeverordnung vor.
  • Der Assistenzbedarf muss dauerhaft für mindestens 6 Monate erforderlich sein;
  • Der Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege ist sehr vielschichtig, so dass eine Ausdifferenzierung in Einzelleistungskomplexe nicht möglich bzw. sinnvoll ist
  • Der individuelle Gesamtbedarf, der einer Persönlichen Assistenz zugeordnet werden kann, liegt regelmäßig bei mindestens fünf Stunden täglich. Bei schwankenden Bedarfen gilt der tägliche Bedarfsumfang im Monatsdurchschnitt. Der für die Zuordnung zur Persönlichen Assistenz erforderliche Stundenumfang ergibt sich aus den festgestellten, grundsätzlich bestehenden Bedarfen im Bereich der Pflege (SGB XI und SGB XII) und einfachen Assistenz (Teil 2 SGB IX). Bei der Beurteilung des Stundenumfangs ist der durch unentgeltlich tätige Pflegepersonen gedeckte Bedarf für die Zuordnungsprüfung nicht abzuziehen. Wird ein ggf. darüberhinausgehender Gesamtbedarf anteilig bereits durch einen anderen Rehabilitationsträger gedeckt, so ist dieser anderweitig gedeckte Anteil nicht einzubeziehen. Der Teilhabefachdienst Soziales ermittelt den Bedarf in der Regel im Gespräch mit der leistungsberechtigten Person sowie aus den vorliegenden Unterlagen und dokumentiert es.
  • Es liegt kein ausschließlicher Bedarf an qualifizierter Assistenz vor. Unberührt bleiben Leistungen der qualifizierten Assistenz neben der Gewährung der Persönlichen Assistenz.
  • Insbesondere ist keine Leistung in Räumlichkeiten nach §§ 43a, 71 Absatz 4 SGB XI i.V.m. § 103 Absatz 1 SGB IX geplant, der auf die Berechnung der Stundenzahl Auswirkungen hat.

Eine gesonderte fachliche Weisung der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales wird künftig die aktualisierten Regelungen enthalten. Auf eine weitergehende vertiefte Darstellung der „Persönlichen Assistenz“ wird daher verzichtet.

Hinweis: Mit In-Kraft-Treten der, mit Stand dieses Rundschreibens in Bearbeitung befindlichen, aktualisierten Gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe sind die dort geregelten Voraussetzungen maßgeblich für die Prüfung der Persönlichen Assistenz. Dieses Rundschreiben tritt dann insoweit außer Kraft.

5.4.2. Zeitlich umfangreiche Pflegen – (alt: LK 32 Variante 2)

LK 32 Variante 2 wurde ab 01.01.2020 vertraglich nicht neu vereinbart und ist somit als spezielle Leistungsform entfallen.

Alle Fälle, die nach LK 32 bewilligt wurden aber nicht die oben genannten Voraussetzungen der Persönlichen Assistenz erfüllen, einschließlich LK 32 bisherige 2. Variante, verbleiben im Bezirk. Deren Bedarf wird seit 01.01.2020 entsprechend der geschlossenen Vergütungsverträge über das LK-System bzw. über Pflegeleistungen nach Zeitbedarfen abgedeckt.

5.5. Fußpflege im Rahmen der Hilfe zur Pflege

5.5.1. Abgrenzung zu anderen Leistungsansprüchen

5.5.1.1. Medizinische Fußpflege – Leistung nach SGB V

Vorrangig ist zu prüfen, ob es sich um eine medizinische Fußpflege handelt, die nach dem SGB V von der zuständigen Krankenkasse zu finanzieren ist. Das ist dann der Fall, wenn es sich um die Behandlung krankhafter Veränderungen am Fuß infolge Diabetes mellitus (diabetisches Fußsyndrom), Durchblutungsstörungen oder Nervenschädigungen handelt und die antragstellende Person ohne diese Behandlung Folgeschädigungen der Füße wie Entzündungen und Wundheilungsstörungen erleiden würde. In diesen Fällen ist die antragstellende Person aufzufordern, sich von ihrem oder ihrer behandelnden Arzt oder Ärztin eine Verordnung für medizinische Fußpflege (Heilmittel nach den Heilmittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach dem SGB V – Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2786/HeilM-RL_2021-10-21_iK-2022-04-01.pdf) ausstellen zu lassen. Diese Leistung kann nur durch eine oder einen staatlich anerkannte oder anerkannten Podologen oder Podologin erbracht werden.

5.5.1.2. Allgemeine Fußpflege im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. der Grundsicherung

Im Rahmen des SGB XII ist die notwendige allgemeine Fußpflege zunächst dem Bereich der persönlichen Lebensführung (Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung) zuzuordnen. Aus dem Regelsatz sind die dafür erforderlichen Mittel und Dienste zu finanzieren.

Besteht im Einzelfall der beispielsweise durch ärztliches Attest nachgewiesene Bedarf für eine professionelle Fußpflege dauerhaft für voraussichtlich mehr als einen Monat unausweichlich in mehr als nur geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe und können die dadurch bedingten Mehraufwendungen nicht anderweitig ausgeglichen werden, dann wird der Regelsatz erhöht ((§ 42 SGB XII in Verbindung mit) § 27a Absatz 4 Satz 1 Ziffer 2 SGB XII).

Kann die Person ihren notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten, jedoch die Fußpflege nicht mehr selbst durchführen, kann ein Zuschuss nach § 27 Absatz 3 SGB XII gewährt werden, für die „einzelne erforderliche Tätigkeit“.

5.5.2. Fußpflege im Rahmen der HzP

In den nach § 89 SGB XI mit den Pflegediensten in Berlin vertraglich vereinbarten LK ist die Fußpflege nicht enthalten und somit keine vorrangige Sachleistung der Pflegekasse.

Liegen die Leistungsvoraussetzungen der HzP nach §§ 61 ff. SGB XII vor und ist mindestens der Pflegegrad 2 anerkannt, ist eine notwendige allgemeine Fußpflege im Rahmen der häuslichen Pflegehilfe nach § 64b SGB XII zu übernehmen. Die Leistung erbringt ein externes Dienstleistungsunternehmen.

Erhalten Leistungsberechtigte ab Pflegegrad 2 ein Pflegegeld nach § 37 SGB XI oder § 64a SGB XII, sind die Kosten für die Fußpflege aus dieser Leistung im Sinne der Sicherstellung der Bedarfsdeckung von körperbezogenen Pflegemaßnahmen zu bestreiten.

Beanspruchen Leistungsberechtigte ab einem Pflegegrad 2 die Sachleistung nach § 36 SGB XI oder § 64b SGB XII, sind die Kosten für die Fußpflege aus dem sogenannten Restpflegegeld nach § 63b Absatz 5 in Verbindung mit § 64a SGB XII zu begleichen, das nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung der individuellen Bedarfslage mindestens in Höhe eines Drittels des Pflegegeldes nach § 64a SGB XII gewährt wird.

Für die Bedarfsdeckung bei Pflegegrad 1 siehe Ziffer 3. Liegt kein Pflegegrad vor, richtet sich die Leistungsgewährung nach Ziffer 5.5.1.2.

5.5.3. Vergütung

Im Falle einer gesonderten Bewilligung wird empfohlen, eine monatliche Pauschale in Höhe von bis zu 20 Euro (Stand: Juni 2018) zu gewähren. Die tatsächlichen Aufwendungen sind halbjährlich durch Vorlage der Quittungen nachzuweisen.

5.6. Fenster- und Gardinenreinigung

Die Fenster- und Gardinenreinigung ist den hauswirtschaftlichen Verrichtungen zuzuordnen.
Der Bedarf ist im Zuge der Hilfebedarfsfeststellung im Rahmen der IAP zu ermitteln und zu dokumentieren. Die Notwendigkeit kann bis zu zweimal jährlich anerkannt werden, davon maximal einmal mit Gardinenreinigung bzw. Gardinenwäsche.

Nach § 64 SGB XII ist ggf. darauf hinzuwirken, dass Familienangehörige oder andere nahestehende Personen die Arbeiten übernehmen oder dies im Wege der Nachbarschaftshilfe erfolgt.

In der Regel sind Fenster- und Gardinenreinigung für Personen des Pflegegrades 2 bis 5 nur dann als Sachleistung eines Pflegedienstes zu gewähren, wenn sie ohne Tritthilfe durchführbar sind (LK 11b). Im Bedarfsfall ist ggf. zweimal jährlich ein zusätzlicher LK 11b zu bewilligen.
Anderenfalls ist die Hilfe im Rahmen der häuslichen Pflege (§ 64b SGB XII) durch ein (nicht als Pflegeeinrichtung zugelassenes) Dienstleistungsunternehmen zu gewähren.

Im Einzelfall ist zu prüfen, ob eine absenkbare Gardinenstange als wohnumfeldverbessernde Maßnahme eingebaut werden kann (§ 40 SGB XI, § 64e SGB XII), um das Abnehmen und Aufhängen der Gardinen für die Reinigung zu erleichtern. Die Gardinenpflege ist in LK 12 (Wäsche waschen) enthalten.

Leistungsberechtigte Personen mit Pflegegrad 2 bis 5, die die Sachleistungen der Pflegeversicherung nach § 36 SGB XI oder des Trägers der Sozialhilfe nach § 64b SGB XII erhalten und die Fenster- und Gardinenreinigung aufgrund der dafür benötigten Tritthilfe nicht als Sachleistung abrechnen können, müssen bei vorliegender Sozialhilfebedürftigkeit das sogenannte Restpflegegeld gemäß § 63b Absatz 5 SGB XII für diese Leistungen einsetzen.

Im Falle der Inanspruchnahme der Geldleistung bei einer Pflegebedürftigkeit der Grade 2 bis 5 aus der Pflegeversicherung (§ 37 SGB XI) oder der analogen Leistung nach § 64a SGB XII ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch die Fenster- und Gardinenreinigung sichergestellt ist. Nur im Ausnahmefall können hier die Kosten für ein Dienstleistungsunternehmen gesondert übernommen werden. Der Antragsteller oder die Antragstellerin muss dabei darlegen, dass das Pflegegeld anderweitig verbraucht wird.

Für die Leistungsgewährung an eine pflegebedürftige Person mit Pflegegrad 1 wird auf die Ausführungen zu hauswirtschaftlichen Verrichtungen unter Ziffer 3. verwiesen (Verwendung des Entlastungsbetrages).

Liegt trotz eines festgestellten Bedarfes keine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI und bzw. oder SGB XII vor, kann die Leistung nur nach den § 27 Absatz 3 bzw. §§ (42 in Verbindung mit) 27a Absatz 4 SGB XII als Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung oder im Rahmen des § 70 SGB XII als Hilfe zur Weiterführung des Haushalts gewährt werden.

Wird ein Dienstleistungsunternehmen für die Durchführung der erforderlichen Arbeiten beauftragt, sind für eine Kostenübernahme zuvor drei Kostenvoranschläge einzuholen und dem TdS vorzulegen. Der TdS klärt die pflegebedürftige Person darüber auf, dass sie für die Durchführung dieser hauswirtschaftlichen Aufgaben im Kontext der HzP-Leistungen statt eines Pflegedienstes auch ein Dienstleistungsunternehmen beauftragen kann, dass keine Zulassung als Pflegeeinrichtung hat.

6. Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege

6.1. Ziele der Kurzzeitpflege nach § 64h SGB XII und der Verhinderungspflege nach § 64c SGB XII und deren Anwendungsbereich

Kurzzeit- und Verhinderungspflege ergänzen und sichern die Leistungen der häuslichen Pflege und sollen so einen dauerhaften Wechsel in die stationäre Langzeitpflege verhindern.

In Beratungen ist stärker auf die vielfältigen Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Kurzzeit-, insbesondere aber auch der Verhinderungspflege hinzuweisen. Vor dem Hintergrund begrenzter Kurzzeitpflegeplätze ist der Hinweis wichtig, dass die Verhinderungspflege auch in vollstationären Pflegeeinrichtungen möglich ist.

Die Gewährung von Kurzzeitpflege setzt voraus, dass die häusliche Versorgung zeitweise nicht gesichert ist und auch teilstationäre Pflege nicht ausreicht. Das kann beispielsweise nach dem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung, oder in einer sonstigen Krisensituation der Fall sein. Aber auch in Zeiten der Krankheit, des Urlaubs oder einer sonstigen Verhinderung der Pflegeperson kommt Kurzzeitpflege in Betracht (siehe Verhinderungspflege).

Verhinderungspflege wird im Fall der Verhinderung der Pflegeperson gewährt. Dabei finden sowohl Verhinderungen auf Grund äußerer Zwänge als auch solche, die auf willentlichen Entscheidungen der Pflegeperson beruhen, Berücksichtigung.

Die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege nach dem SGB XII kommen in Betracht für pflegebedürftige Personen der Pflegegrade 2 bis 5, die zudem
  • nicht pflegeversichert sind (auch sogenannte Chipkartenfälle nach § 264 SGB V),
  • die Wartezeit von zwei Jahren für Leistungen der Pflegeversicherung noch nicht erfüllt haben oder
  • ergänzende Hilfen benötigen, weil die erforderlichen Aufwendungen nicht in vollem Umfang von der Pflegekasse gedeckt werden oder die kalenderjährlichen Ansprüche nach dem SGB XI ausgeschöpft sind.

Die Leistungen der Kurzzeitpflege und der Verhinderungspflege nach dem SGB XII sind im Gegensatz zu denen des SGB XI weder betragsmäßig gedeckelt noch zeitmäßig begrenzt. Sie umfassen auch die Kosten der Unterkunft und Verpflegung sowie der Investitionskosten.

6.2. Inhalt der Kurzzeitpflege nach § 64h SGB XII

Inhaltlich entspricht die Kurzzeitpflege nach dem SGB XII den vorrangigen Leistungen im SGB XI.

Kurzzeitpflege wird für einen vorübergehenden Zeitraum stationär durchgeführt. Sie wird in Berlin grundsätzlich in eigenständigen Kurzzeitpflegeeinrichtungen erbracht; sogenannte eingestreute Betten, etwa in stationären Einrichtungen der Langzeitpflege, sind in Berlin nicht zulässig.

Sie kann aber auch in anderen Einrichtungen, etwa der Eingliederungshilfe, erbracht werden (§ 64h Absatz 2 SGB XII), wenn die Pflege in einer zugelassenen Kurzzeitpflegeeinrichtung nach den §§ 71, 72 SGB XI nicht möglich ist oder nicht zumutbar erscheint. Dies kann insbesondere bei pflegebedürftigen Kindern der Fall sein, da es in Berlin keine Kurzzeitpflegeeinrichtung für diese Zielgruppe gibt.

Während der Kurzzeitpflege darf keine häusliche Pflegehilfe nach § 64b SGB XII gewährt werden (§ 63b Absatz 3 Satz 1 SGB XII).

6.3. Inhalt der Verhinderungspflege nach § 64c SGB XII

Im Fall der Verhinderung der Pflegeperson sind nach § 64c SGB XII die angemessenen Kosten für eine notwendige Ersatzpflege zu übernehmen. Die Leistung entspricht inhaltlich der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI.

Als Pflegeperson kommen Ehegatten oder Ehegattinnen und Lebenspartner oder Lebenspartnerinnen, Angehörige, Nachbarn oder Nachbarinnen sowie Bekannte in Betracht, die die pflegebedürftige Person nicht erwerbsmäßig pflegen, nicht dagegen die Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen eines Pflegedienstes (siehe Ziffer 4.2.).

Die Ersatzpflege kann durch andere Pflegepersonen, einen Pflegedienst, Einzelpflegekräfte, aber auch außerhalb der Häuslichkeit in einer Kurzzeitpflege- oder einer anderen (teil- oder voll-) stationären Einrichtung (auch in Einrichtungen, die nicht zur Pflege nach § 72 SGB XI zugelassen sind) durchgeführt werden.

Die Verhinderungspflege ist auch in vollstationären Pflegeeinrichtungen sowie anderen Einrichtungen möglich, die keinen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen abgeschlossen haben.

6.4. Vorrangige Leistungen der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI und der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI

6.4.1. Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI

Versicherte haben zunächst die vorrangigen Leistungen der Pflegeversicherung für Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege in Anspruch zu nehmen.

Im Rahmen der Kurzzeitpflege übernehmen die Pflegekassen Aufwendungen für die Pflege einschließlich Ausbildungszuschlag, die Betreuung und die medizinische Behandlungspflege in einer Einrichtung der Kurzzeitpflege bis zum gesetzlichen Höchstbetrag von 1.774 Euro je Kalenderjahr (§ 42 Absatz 2 Satz 2 SGB XI). Der Anspruch auf Kurzzeitpflege gegenüber der Pflegekasse ist auf acht Wochen im Kalenderjahr beschränkt. Bei Jahreswechsel entsteht ein neuer Anspruch.

Es ist möglich, die Kurzzeitpflege mit nicht verbrauchten Mitteln der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI (Ziffer 6.4.2.) auf bis zu 3.386 Euro zu erhöhen.

Sind in dem Entgelt einer im Ausnahmefall genutzten sonstigen Einrichtung nach § 42 Absatz 3 Satz 1 SGB XI die dargestellten Kostenpositionen nicht gesondert ausgewiesen, sind 60 vom Hundert des Gesamtentgelts auf den Pflegekassenbetrag anrechenbar (§ 42 Absatz 3 Satz 3 SGB XI). In begründeten Einzelfällen kann die Pflegekasse in Ansehung der Kosten für Unterkunft und Verpflegung und der Investitionskosten davon abweichen.

Beförderungskosten werden im Rahmen der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI nicht von der Pflegekasse übernommen. Soweit eine besondere Beförderung (Taxi, Krankentransport, Behindertenbeförderung) erforderlich ist, kann der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI dafür verwendet werden (Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 21.04.2020 zu § 42, Ziffer 5.1 Absatz 6 – https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/richtlinien__vereinbarungen__formulare/empfehlungen_zum_leistungsrecht/2020_05_18_Gemeinsamen_Rundschreiben_Pflege_Stand_21-04-2020.pdf) bzw. sind die Kosten im Rahmen der HzP zu übernehmen.

6.4.2. Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI

Voraussetzung für die Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI ist, dass eine Pflegeperson (oder mehrere Pflegepersonen) die pflegebedürftige Person vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in ihrer häuslichen Umgebung gepflegt haben; dabei sind Unterbrechungstatbestände von bis zu 4 Wochen unschädlich, wenn die Unterbrechung den Voraussetzungen der Verhinderungspflege entspricht (siehe Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 21.04.2020 zu § 39 SGB XI, Ziffer 2 Absatz 1). Hinweis: Diese Mindestzeit ist keine Voraussetzung für die Leistung nach dem SGB XII.

Die Pflegekasse übernimmt die pflegebedingten Aufwendungen bis zu 1.612 Euro je Kalenderjahr nur, wenn die Verhinderungs- oder Ersatzpflege erwerbsmäßig ausgeübt wird, § 39 Absatz 3 Satz 2 SGB XI. Dieser Betrag kann um bis zu 806 Euro des nicht verbrauchten Leistungsbetrages für die Kurzzeitpflege auf 2.418 Euro erhöht werden. Die Ersatzpflege ist zudem zeitlich auf bis zu sechs Wochen kalenderjährlich begrenzt.

Wenn die Pflegeperson mit der pflegebedürftigen Person bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert ist oder mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist davon auszugehen, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig ausgeübt wird (§ 39 Absatz 1 Satz 3 SGB XI). In diesem Fall ist die Kostenerstattung für die Ersatzpflege auf das Pflegegeld des jeweiligen Pflegegrades nach § 37 Absatz 1 Satz 3 SGB XI für bis zu sechs Wochen beschränkt (siehe Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 21.04.2020 zu § 39 SGB XI, Ziffer 2.2).

Daraus ergeben sich folgende Höchstbeträge:

  • Pflegegrad 2: 474,00 Euro
  • Pflegegrad 3: 817,50 Euro
  • Pflegegrad 4: 1.092,00 Euro
  • Pflegegrad 5: 1.351,50 Euro

Auf Nachweis können darüber hinaus notwendige Aufwendungen wie Fahrkosten oder Verdienstausfall, die der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Pflege entstanden sind, übernommen werden. In diesen besonderen Fällen kann eine Kostenerstattung bis zum Höchstbetrag in Höhe von 1.612 Euro erfolgen (siehe Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 21.04.2020 zu § 39 SGB XI, Ziffer 2.2).

Wenn die nahestehenden Pflegepersonen (siehe oben) darlegen, dass die Durchführung der Ersatzpflege der Erzielung von Erwerbseinkommen dient, kann die Pflegekasse im Einzelfall entscheiden, dass die dargestellte Beschränkung der Kostenerstattung (auf Pflegegeld) nicht erfolgt. Die Verhinderungspflege kann im häuslichen Bereich auch stundenweise in Anspruch genommen werden. Eine stundenweise Verhinderungspflege von weniger als acht Stunden am Tag wird nicht auf die Höchstdauer von sechs Wochen angerechnet.

Bei einer Ersatzpflege in einer stationären Einrichtung ohne ausdifferenzierten Tagessatz werden für die pflegebedingten Aufwendungen maximal 80 vom Hundert des Tagessatzes übernommen (siehe Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 21.04.2020 zu § 39 SGB XI, Ziffer 2.1).

Der Antrag auf Kostenerstattung für Verhinderungspflege muss nicht im Voraus bei der Pflegekasse gestellt werden.

6.4.3. Weitergewährung des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI

Für die ersten acht Wochen einer Kurzzeitpflege und für die ersten sechs Wochen einer Verhinderungspflege je Kalenderjahr wird ein bisher gewährtes Pflegegeld zur Hälfte weitergezahlt (§ 37 Absatz 2 Satz 2 SGB XI); für den ersten und letzten Tag der Kurzzeit- oder Verhinderungspflege wird das Pflegegeld in voller Höhe gezahlt. Die Weitergewährung gilt auch für anteiliges Pflegegeld nach § 38 Satz 3 SGB XI (sogenannte Kombinationsleistung, siehe Ziffer 1.2.3).

Dieses Pflegegeld wird nicht als vorrangige Leistung auf ergänzende Leistungen der Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege nach dem SGB XII angerechnet (keine Zweckgleichheit; keine gleichartige Leistung, § 63b Absatz 1 SGB XII), weil es zur Erhaltung der Pflegebereitschaft der (verhinderten) Pflegeperson dient.

Wenn die Leistungen der Pflegekasse für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege ausgeschöpft sind und der oder die Pflegebedürftige weiterhin der Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege bedarf, gewährt die Pflegekasse für die weitere Dauer das Pflegegeld des jeweils vorliegenden Pflegegrades. Dieses Pflegegeld ist auf die HzP anzurechnen, weil es als Ersatzleistung der Finanzierung der Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege dient.

6.5. Leistungsgewährung nach § 64h SGB XII und nach § 64c SGB XII

6.5.1. Leistungsumfang bei Kurzzeitpflege nach § 64h SGB XII

Sofern die Pflegekasse die Kosten einer Kurzzeitpflege übernommen hat, trägt der TdS bei Vorliegen der sonstigen sozialhilferechtlichen Voraussetzungen die ungedeckten Restkosten. Die Notwendigkeit der Kurzzeitpflege ist nicht nochmals zu prüfen.

Bei Personen ohne vorrangige Ansprüche nach dem SGB XI, beispielsweise auch, weil die kalenderjährlichen Leistungsansprüche nach dem SGB XI bereits ausgeschöpft sind, ist die Notwendigkeit der Kurzzeitpflege anhand der dargelegten Antragsgründe und der unter Ziffer 6.1. genannten Kriterien zu prüfen.

Die vorrangigen Leistungen der Pflegekasse für die Kurzzeitpflege sind auf die Aufwendungen für die Pflege einschließlich Ausbildungszuschlag, die Betreuung und die medizinische Behandlungspflege (Maßnahmepauschale) in Anrechnung zu bringen. Kosten für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale) sowie ggf. die Investitionskosten im Kostensatz der Einrichtung sind zusätzlich als Bedarf nach dem SGB XII anzuerkennen. Hinsichtlich der Verpflegung ist allerdings die Inanspruchnahme der häuslichen Ersparnis nach § 92a SGB XII zu prüfen (siehe auch Ziffer 2.2.2.1 der Gemeinsamen Arbeitsanweisung der Berliner Bezirksämter – Sozialämter – über den Einsatz von Einkommen nach dem SGB XII GA – ESH).

6.5.2. Leistungsumfang bei der Verhinderungspflege (§ 64c SGB XII)

Bei Beantragung einer Leistung auf Verhinderungspflege nach § 64c SGB XII (Verhinderungspflege) ist in jedem Fall darauf zu achten, dass sowohl der Anspruch auf Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI als auch auf Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI als vorrangige Leistungen nach dem SGB XI ausgeschöpft sind. Die unter den Ziffern 6.4.1. und 6.4.2. dargestellten Umwidmungsmöglichkeiten sowohl der Kurzzeit- als auch der Verhinderungspflege nach dem SGB XI sind zu beachten.

Bei entsprechender Erforderlichkeit sind im Einzelfall die Kosten für eine Kurzzeitpflege oder Verhinderungspflege über den zeitlichen Leistungsrahmen der Pflegeversicherung hinaus zu übernehmen. Soweit eine zusammenhängende Maßnahme über den zeitlichen Rahmen der Pflegeversicherung hinaus andauert, ist im Rahmen der Bedarfsfeststellung nach § 63a SGB XII auch zu prüfen, ob die Pflege neu zu organisieren ist.

Sofern die Pflegekasse Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI in einer stationären Einrichtung bewilligt, trägt der TdS die ungedeckten Kosten für die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich Ausbildungszuschlag sowie für Unterkunft, Verpflegung und die Investitionskosten. Hinsichtlich der Verpflegung ist die Inanspruchnahme der häuslichen Ersparnis nach § 92a SGB XII zu prüfen (siehe auch Ziffer 2.2.2.1 der Gemeinsamen Arbeitsanweisung der Berliner Bezirksämter – Sozialämter – über den Einsatz von Einkommen nach dem SGB XII GA – ESH).

Bei Personen ohne vorrangige Ansprüche nach dem SGB XI ist die Notwendigkeit von Leistungen nach § 64c SGB XII anhand der dargelegten Antragsgründe und der unter Ziffer 6.1 genannten Kriterien zu prüfen, wobei die Mindestpflegezeit von 6 Monaten vor Eintritt des Verhinderungsfalls nicht erforderlich ist. Auch in Fällen, in denen eine Pflegeperson z. B. bereits kurze Zeit nach Beginn der Pflege erkrankt, soll der Wechsel in eine stationäre Pflegeeinrichtung verhindert werden (siehe Begründung zum Pflegestärkungsgesetz III, Bundestags-Drucksache 18/9518, Seite 95).

Es ist grundsätzlich zu prüfen, ob die Ersatzpflege zu Lasten des TdS nicht durch eine andere Pflegeperson erbracht werden kann. Eine Ersatzpflege durch Pflegepersonen ist nur unentgeltlich möglich (siehe Ziffer 4.2.); im Gegensatz zur Verhinderungspflege nach dem SGB XI können nahestehende Pflegepersonen im Rahmen des § 64c SGB XII nicht darlegen, dass die Durchführung der Ersatzpflege der Erzielung von Erwerbseinkommen dient (Subsidiaritätsprinzip). Insoweit ist die Finanzierung der Ersatzpflege in diesen Fällen auf die unter Ziffer 6.4.2. genannten Höchstbeträge beschränkt.

6.6. Kurzzeitpflege als Krankenkassenleistung nach § 39c SGB V

Sofern keine Pflegebedürftigkeit ab Pflegegrad 2 im Sinne des SGB XI festgestellt wurde, gewähren die Krankenkassen ihren Versicherten unter bestimmten Umständen Kurzzeitpflegeleistungen, wenn Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Sinne des § 37 Absatz 1a SGB V bei schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere etwa nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten Operation nicht ausreichen (§ 39c SGB V). Leistungshöhe, Leistungsinhalte und Leistungsdauer richten sich nach § 42 Absatz 2 Satz 1 und 2 SGB XI. Daher umfassen diese Leistungen auch nur die pflegebedingten Aufwendungen (Pflege, Betreuung, medizinische Behandlungspflege).

Ungedeckte Restkosten (Unterkunft, Verpflegung, Investitionskosten) können nach § 64h SGB XII nur dann übernommen werden, wenn zwar mindestens der Pflegegrad 2 festgestellt worden ist, das Ausmaß dieser Pflegebedürftigkeit aber nicht auf Dauer, voraussichtlich nicht für mindestens sechs Monate, bestehen wird (§ 61a SGB XII). Dieses muss ggf. vom TdS gesondert festgestellt werden. Sofern Pflegegrad 2 im Sinne des § 61a SGB XII nicht festgestellt werden konnte, sind die ungedeckten Restkosten als Bedarf der Hilfe zum Lebensunterhalt anzuerkennen. § 39c SGB V verweist auf die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI.

In Analogie zur Kostenübernahme der investiven Aufwendungen bei der Kurzzeitpflege nach SGB XI sind die Kosten für investive Aufwendungen für die Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V auch der Leistungsart nach § 48 SGB XII zuzuordnen. Die Höhe der Kosten richtet sich nach den Investitionskosten der nach SGB XI zugelassenen Kurzzeitpflegeeinrichtung.

6.7. Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI

Versicherte mit einem Pflegegrad können den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro nach § 45b SGB XI für Leistungen der Kurzzeitpflege verwenden (§ 45b Absatz 1 Satz 3 Ziffer 2 SGB XI). Insbesondere können nicht in Anspruch genommene („angesparte“) Entlastungsbeträge verwendet werden, um Restkosten (wie Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten) für den Besuch einer Einrichtung der Kurzzeitpflege zu finanzieren. Das gilt auch für die Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI, soweit die hierfür verfügbaren Mittel für die in § 45b Absatz 1 Satz 3 SGB XI aufgeführten Angebote verwendet werden (§ 45b Absatz 1 Satz 4 SGB XI). In diesem Fall sind die Ausführungen zu Ziffer 11. zu beachten.

7. Pflegehilfsmittel nach § 64d SGB XII und Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII

7.1. Gesetzliche Grundlagen

Pflegebedürftige haben nach § 64d SGB XII einen Anspruch auf Pflegehilfsmittel.

Auch Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes stehen für Pflegebedürftige zur Verfügung. Die Bewilligung steht nach § 64e SGB XII jedoch im Ermessen des TdS.

Die Hilfen richten sich in Bezug auf ihre Inhalte nach den Vorschriften des SGB XI und kommen in Betracht für Personen, die

  • nicht pflegeversichert sind (auch sogenannte Chipkartenfälle nach § 264 SGB V) oder
  • die Wartezeit für Leistungen der Pflegeversicherung noch nicht erfüllt haben (§ 33 Absatz 2 und 3 SGB XI) oder
  • voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder
  • über den SGB XI-Anspruch hinaus ergänzende Hilfe benötigen.

7.2. Pflegehilfsmittel nach § 64d SGB XII

7.2.1. Vorrangige Leistungen

Versicherte Pflegebedürftige erhalten notwendige Pflegehilfsmittel nach § 40 SGB XI vorrangig von ihrer Pflegekasse. Voraussetzung ist, dass das Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden beiträgt oder eine selbständigere Lebensführung ermöglicht. Der Anspruch auf Pflegehilfsmittel ist auf die häusliche Pflege beschränkt.

Dabei sind die Pflegekassen selbst nur dann leistungspflichtig, wenn das Hilfsmittel nicht nach § 33 Absatz 1 Satz 1 oder § 23 Absatz 1 SGB V von der zuständigen Krankenkasse zur Verfügung zu stellen ist, weil es den Erfolg der Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine Behinderung ausgleichen soll. Die Pflegeversicherung ergänzt damit lediglich die Leistungspflicht der Krankenversicherung, schränkt sie jedoch in keiner Weise ein.

Das bedeutet, dass die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V auch gegenüber dem SGB XII vorrangig ist.

Bei Anträgen auf Hilfsmittel, die sowohl den in § 33 Absatz 1 Satz 1 oder § 23 Absatz 1 SGB V als auch den in § 40 Absatz 1 SGB XI genannten Zwecken dienen können, entscheidet nach § 40 Absatz 5 SGB XI der erstangegangene Leistungsträger (Kranken- oder Pflegekasse) über beide Ansprüche. Diese sogenannten doppelfunktionalen Hilfsmittel sind in der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes über doppelfunktionale Hilfs- und Pflegehilfsmittel festgelegt.
https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/richtlinien__vereinbarungen__formulare/rahmenvertraege__richlinien_und_bundesempfehlungen/HiMi-Richtlinien_nach_40_Abs.5_SGB_XI_06-2020.pdf

Nach § 18 Absatz 6a SGB XI ist der MD verpflichtet, in seinem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit konkrete Empfehlungen zur Hilfs- und Pflegehilfsmittelversorgung abzugeben. Die Empfehlungen müssen sich auf Hilfsmittel beziehen, die den Zielen des § 40 SGB XI dienen (siehe oben) und gelten mit Einverständnis der begutachteten Person als Antrag. Sie sind in den Begutachtungs-Richtlinien nach § 17 Absatz 1 SGB XI unter Ziffer 4.12.2.4 konkretisiert.
https://www.medizinischerdienst.de/fileadmin/MDK-zentraler-Ordner/Downloads/01_Pflegebegutachtung/21_05_17_BRi_Pflegebeduerftigkeit.pdf

Pflegefachkräfte können im Rahmen ihrer Leistungserbringung und Beratungseinsätze, ebenfalls bei der Antragstellung durch den Pflegebedürftigen, konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben (§ 40 Absatz 6 SGB XI). Damit entfällt eine zusätzliche fachliche Prüfung der Notwendigkeit der Versorgung durch die Pflege- oder Krankenkasse. Diese Regelungen dienen der Vereinfachung des Antragsverfahrens, damit die Versicherten wichtige Hilfsmittel zur Förderung ihrer Selbstständigkeit schneller und einfacher erhalten. In welchen Fällen und für welche Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel nach § 40 Absatz 6 Satz 2 SGB XI die Erforderlichkeit oder Notwendigkeit der Versorgung vermutet wird, ist über die Richtlinien zur Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln durch Pflegefachkräfte gemäß § 40 Absatz 6 Satz 6 SGB XI vom 20.12.2021 festgelegt.

(Hilfsmittel_Richtlinie_40_Abs_6_SGB_XI_Stand_01.03.22
Hilfsmittel_Richtlinie_40_Abs_6_SGB_XI-S.14-15_Anlage_I_beschreibbar)

Bei Leistungsberechtigten nach dem Landespflegegeldgesetz (LPflGG) sowie Empfängern von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII ist zu prüfen, ob für die Beschaffung eines beantragten Pflegehilfsmittels der Einsatz des Landespflegegeldes bzw. der Blindenhilfe verlangt werden kann. Voraussetzung ist, dass diese Geldleistungen noch nicht gemäß § 63b Absatz 1 oder Absatz 2 SGB XII in voller Höhe oder teilweise auf das Pflegegeld nach § 64a SGB XII angerechnet werden. Das Pflegehilfsmittel muss dem Ausgleich einer Funktionsbeeinträchtigung dienen, für die auch das Landespflegegeld oder die Blindenhilfe die Mehraufwendungen (teilweise) ausgleichen soll.

7.2.2. Leistungsvoraussetzungen und Leistungsinhalte nach § 64d SGB XII

Pflegehilfsmittel sind nur dann im Rahmen der HzP zu gewähren, wenn sie der Erleichterung der Pflege oder der Linderung von Beschwerden dienen oder eine selbstständigere Lebensführung in dem Sinne ermöglichen, dass eine pflegerische Fremdhilfe reduziert werden kann (§ 64d Absatz 2 SGB XII in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Nummer 5 SGB XI). Der Anspruch auf Pflegehilfsmittel nach dem SGB XII ist – ebenso wie in der Pflegeversicherung – auf den häuslichen Bereich beschränkt.

Sofern sich die Notwendigkeit für das beantragte Pflegehilfsmittel nicht aus dem Analog-Gutachten zur Feststellung eines Pflegegrades nach § 62 SGB XII oder der Empfehlung der Pflegefachkraft in entsprechender Anwendung der Vorgaben des § 40 Absatz 6 SGB XI ergibt, ist eine Stellungnahme des zuständigen Pflegebedarfsermittlungsdienstes einzuholen (§ 63a SGB XII). Sofern versicherte pflegebedürftige Personen bei zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln den im SGB XI vorgesehenen Leistungsbetrag von maximal 40 Euro überschreiten, ergibt sich die Notwendigkeit aus dem Gutachten zur Feststellung des Pflegegrades nach § 18 SGB XI, der Empfehlung der Pflegefachkraft nach § 40 Absatz 6 SGB XI direkt oder durch Einholung einer Stellungnahme des zuständigen Pflegebedarfsermittlungsdienstes. Nach entsprechender Prüfung ist ggf. eine aufstockende Leistung über § 64d SGB XII erforderlich. Alle anderen Pflegehilfsmittel erhalten Leistungsberechtigte der Pflegeversicherung nach § 40 SGB XI soweit sie notwendig sind. Eine Deckelung dieser Leistungen ist dort nicht vorgegeben.

In Betracht kommt die Übernahme von Kosten für Pflegehilfsmittel zur

  • Erleichterung der Pflege (z. B. Pflegebetten und Zubehör)
  • Körperhygiene (z. B. saugende Bettschutzeinlagen/waschbar, Bettpfannen, Urinflaschen, Waschsysteme)
  • Linderung von Beschwerden (z. B. Lagerungsrollen)
  • Mobilität/selbstständigen Lebensführung (z. B. Hausnotrufsysteme)
  • und für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel (z. B. Bettschutzeinlagen, Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel).

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen führt nach § 139 SGB V ein Hilfsmittel-verzeichnis, dem als Anhang das Pflegehilfemittelverzeichnis nach § 78 Absatz 2 SGB XI angefügt ist (siehe https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de/home). Das Pflegehilfsmittel-Verzeichnis enthält Produkte, die nach ihrer Zweckbestimmung die oben genannten Leistungsvoraussetzungen erfüllen. Allerdings entfalten beide Verzeichnisse keine rechtliche Verbindlichkeit. Sie dienen vielmehr der Orientierung und der Information über die verfügbaren Produkte.

Allgemeine Gegenstände des täglichen Gebrauchs (beispielsweise Elektromesser, elektrischer Dosenöffner, Decken, Kissen) oder Hilfsmittel, die eine Teilhabe am Leben außerhalb des individuellen Wohnumfeldes ermöglichen, gehören nicht zu den Pflegehilfsmitteln.

Vom Antragsteller oder von der Antragstellerin sind drei Kostenvoranschläge verschiedener Anbieter beizubringen. Kostenaufwändige (technische) Pflegehilfsmittel sollten – wenn möglich – nur leihweise zur Verfügung gestellt werden.

Für elektrische Pflegebetten sollte grundsätzlich die jeweilige Versorgungspauschale der AOK Nordost der Bewilligungsmaßstab sein. Derzeit (Stand April 2018) zahlt die AOK Nordost für die leihweise Überlassung eines Pflegebettes für zwei Jahre (einschl. Matratze und Wartung) 475,- Euro zzgl. 19 % MwSt. Für Schwerlastbetten (über 165 Kilogramm Körpergewicht) wird die doppelte Gebühr bezahlt. Die Abrechnung sollte über einen Kostenübernahmeschein direkt mit dem Lieferanten erfolgen.

Für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel werden auch bei Nichtversicherten Kosten grundsätzlich bis maximal 40 Euro monatlich erstattet. Dieser Betrag ist bei nachgewiesenem dauerhaftem Bedarf als monatliche Pauschale an die pflegebedürftige Person zu zahlen. In Ausnahmefällen können bei nachgewiesenem Bedarf auch über den für die Pflegekasse geltenden monatlichen Höchstbetrag von 40,- Euro hinaus (§ 40 Absatz 2 SGB XI) Kosten übernommen werden. Dieses betrifft sowohl die Leistungen für Nichtversicherte als auch ergänzende Leistungen für Versicherte.

Nach § 40 Absatz 3 Satz 4 SGB XI ist die Gewährung bei Versicherten ab Vollendung des 18. Lebensjahres an einen Eigenanteil in Höhe von 10 vom Hundert der Kosten des Pflegehilfsmittels, höchstens 25 Euro, geknüpft (außer bei zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln nach § 40 Absatz 2 SGB XI). Die Pflegekasse kann den Versicherten nach § 40 Absatz 3 Satz 5 und 6 SGB XI in Verbindung mit § 62 SGB V von der Zuzahlung befreien. Die Eigenanteile für Versicherte werden nicht vom Sozialhilfeträger übernommen.

Entsprechend den Ausführungen unter Ziffer 7.2.1. sind Pflegehilfsmittel nach § 64d SGB XII nur dann zu gewähren, soweit sie nicht nach § 48 SGB XII in Verbindung mit § 264 SGB V als Hilfe bei Krankheit oder im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach Teil 2 des SGB IX zu gewähren sind.

7.2.3. Hinweise zum Hausnotruf

Bei vorliegender Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI übernehmen die Pflegekassen die Installation und die monatliche Grundgebühr für den Hausnotruf als Pflegehilfsmittel nach § 40 SGB XI. Es kommt für den TdS ergänzend nur die Kostenübernahme für die Schlüsselhinterlegung in Betracht. Für die Schlüsselhinterlegung ist grundsätzlich ein Betrag von 23,50 Euro als angemessen anzusehen (Stand Februar 2022). Die Erforderlichkeit der Schlüsselhinterlegung ist zu prüfen, in der Regel im Rahmen der IAP.

Für Personen ohne Leistungsanspruch aus der Pflegeversicherung (siehe Ziffer 7.1.) sind bei Erforderlichkeit die Kosten der Installation, die monatliche Grundgebühr und ggf. die Schlüsselhinterlegung zu übernehmen. Die Notwendigkeit eines Hausnotrufsystems ist im Rahmen der IAP zu prüfen. Es muss sich um Personen handeln, die allein oder überwiegend allein leben, in erheblichem Maße sturzgefährdet sind und mit handelsüblichen Telefonen in Notsituationen keinen Hilferuf absetzen können.

Bei Personen ohne Pflegegrad ist die Übernahme der Kosten eines Hausnotrufsystems nur in Ausnahmefällen im Rahmen der Altenhilfe nach § 71 SGB XII möglich. Hier ist zusätzlich eine ärztliche Bescheinigung erforderlich, die die Notwendigkeit eines Hausnotrufsystems zur Vermeidung von gesundheitlichen Schäden bestätigt. Ggf. sind die für die Bescheinigung entstehenden Gebühren zu übernehmen. Es gilt in diesen Fällen die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII. Im Zusammenhang mit der Bewilligung der Nutzungskosten eines Hausnotrufs sind darüber hinaus keine weiteren Leistungen im sozialhilferechtlichen Sinne als notwendig anzusehen.

7.2.4. Hinweise zur Gewährung einer Mobilen Treppensteighilfe (Scala-Mobil)

Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 16.07.2014 einer betroffenen Person einen Anspruch auf eine mobile Treppensteighilfe (Scala-Mobil) gemäß § 40 Absatz 1 Satz 1 SGB XI aus der Pflegeversicherung zugesprochen. Die Notwendigkeit sei der besonderen Wohnsituation (Treppe, kein Treppenlift, kein Fahrstuhl) geschuldet und käme daher nicht als Hilfsmittel nach § 33 Absatz 1 Satz 1 SGB V in Betracht. Vielmehr sei eine mobile Treppensteighilfe als ein Pflegehilfsmittel anzusehen, mit dessen Hilfe eine selbständigere Lebensführung ermöglicht werde.

Die Bewilligung einer mobilen Treppensteighilfe kommt demnach unter Beachtung der Nachrangigkeit auch im Rahmen der HzP nach § 64d SGB XII in Betracht.

Alternativ wäre im Einzelfall zu prüfen, ob eine Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes in Frage kommt (siehe Ziffer 7.3.), oder ob die antragstellende Person ihre Situation durch den Bezug einer behindertengerechten Wohnung selbst entscheidend verbessern kann.

7.3. Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII

7.3.1. Vorrangige Leistungen nach § 40 Absatz 4 SGB XI

Die Pflegekassen können für pflegebedürftige Versicherte nach § 40 Absatz 4 SGB XI nachrangig Zuschüsse zu Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gewähren. Vorrangig sind insbesondere Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls sowie Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe nach dem SGB IX. Die Zuschüsse sind je Maßnahme auf 4000,- Euro begrenzt. Dabei sind alle zum Zeitpunkt der Antragstellung erforderlichen Ein- oder Umbauten als eine Maßnahme zu verstehen. Auch später anfallende Reparaturen an technischen Einbauten zählen nicht als neue Maßnahme, sondern werden der ursprünglichen Maßnahme zugeordnet, so dass – nach Ausschöpfung des Höchstbetrags von 4000 Euro die Pflegekasse für die Reparatur nicht aufzukommen hat (siehe BSG B 3 P 2/15 R für die Reparatur eines eingebauten Treppenlifts oder BSG B 3 P 4/16 R für die Reparatur eines Türöffnungssystems).

Ein weiterer Zuschuss von bis zu 4000,- Euro kann erst gewährt werden, wenn sich die Pflegesituation ändert und aus diesem Grund weitere wohnumfeldverbessernde Maßnahmen erforderlich werden. Sofern aufgrund eines Defektes ein kompletter Ausfall bzw. die Gebrauchsunfähigkeit einer mit dem Höchstbetrag bezuschussten wohnumfeldverbessernden Maßnahme vorliegt, ist zu prüfen, ob darin eine entsprechende Änderung der Pflegesituation zu sehen ist. Die Ersatzbeschaffung ist dann ggf. eine weitere Maßnahme. (Vergleiche: Haufe).

7.3.2. Leistungsvoraussetzungen und Leistungsinhalte nach § 64e SGB XII

Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes dienen dem Zweck, die Pflege in der Häuslichkeit zu ermöglichen oder erheblich zu erleichtern oder eine möglichst selbstständige Lebensführung wiederherzustellen. Die Maßnahmen müssen räumlich dem individuellen Wohnumfeld der pflegebedürftigen Person zugerechnet werden können und auf die Wahrung elementarer Lebensbedürfnisse ausgerichtet sein.

Bei der Maßnahme muss es sich um einen wesentlichen Eingriff in die Bausubstanz oder um den Einbau bzw. Umbau von bedarfsgerechtem individuell umgestaltetem Mobiliar handeln. In erster Linie kommen hier ein pflegegerechter Bad- oder Küchenumbau, Türverbreiterungen für Rollstühle, die Entfernung von Türschwellen und Ähnliches in Betracht.

Eine Maßnahme im Sinne des § 40 Absatz 4 SGB XI ist auch darin zu sehen, die Kosten für einen Umzug zu gewähren, wenn dadurch ein oben genanntes Ziel erreicht wird. (www.rb-wohnungen.de)

Die Leistung nach § 64e SGB XII ist nicht gedeckelt, sondern im Rahmen des Ermessens (siehe unter 7.1.: „kann-Leistung“) bedarfsgerecht zu gewähren. Vor diesem Hintergrund ist das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Hilfegewährung zu beachten. Die Kosten der Maßnahme müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Das kann dazu führen, dass ein Umzug in eine behindertengerechte Wohnung umfangreichen Umbaumaßnahmen vorzuziehen ist (§ 9 Absatz 2 SGB XII).

7.3.3. Verfahren

Bei Antragstellern oder Antragstellerinnen, bei denen keine vorrangigen Leistungen in Betracht kommen, ist eine Stellungnahme des zuständigen Pflegebedarfsermittlungsdienstes zur Notwendigkeit der Maßnahme einzuholen. Eine Kostenbeteiligung oder die volle Kostenübernahme durch den Vermieter oder die Vermieterin sind im Vorfeld zu klären.

Die Zustimmung des Vermieters oder der Vermieterin zu den geplanten Einbau- bzw. Umbaumaßnahmen ist von der antragstellenden Person nachzuweisen. Der Vermieter oder die Vermieterin darf die Genehmigung, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen, nur in begründeten Fällen verweigern (siehe § 554 BGB). Die Übernahme einer Rückbaugarantie gegenüber dem Vermieter oder der Vermieterin bzw. die Stellung einer entsprechenden Kaution durch den TdS ist nicht möglich.

Mit der Kostenübernahme durch den TdS tritt dieser nicht in das Vertragsverhältnis zwischen dem Antragsteller bzw. der Antragstellerin und dem von ihm bzw. ihr beauftragten Betrieb ein.

Vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin sind drei Kostenvoranschläge einzureichen. Bei schwierigen und kostenintensiven Umbaumaßnahmen ist eine fachtechnische Prüfung der Kostenvoranschläge im Rahmen der Amtshilfe (§ 4 Absatz 1 Nummer 2 und 3 SGB X) durch das jeweilige Bau- und Wohnungsaufsichtsamt zu veranlassen. Sollte dieses nicht möglich sein, ist eine eigenverantwortliche Entscheidung der Leistungsstelle zu treffen. Hinweis: Die AOK Nordost hält selbst kein Fachpersonal vor und kann keine Amtshilfe leisten.

Die Durchführung und Gewährleistung nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) muss sichergestellt sein. Installationsarbeiten im Rahmen der Wasser-, Strom- und Gasversorgung dürfen nur von Betrieben ausgeführt werden, die im Installateur-Verzeichnis der Berliner Wasserbetriebe bzw. der Gasag registriert sind (www.SHK-Berlin.de, https://www.nbb-netzgesellschaft.de/).

Vor Bezahlung der Rechnung ist es sinnvoll, durch Inaugenscheinnahme zu prüfen, ob die Maßnahmen auch in dem geplanten und in Rechnung gestellten Umfang durchgeführt worden sind. Eine besondere fachtechnische Qualifikation ist hierzu nicht erforderlich.

Auch bei Anträgen auf ergänzende Leistungen nach § 64e SGB XII ist eine rechtzeitige Einbindung des TdS notwendig, um den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit gerecht werden zu können.

7.4. Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes in Pflege-Wohngemeinschaften

Leben in einer gemeinsamen Wohnung mehrere Pflegebedürftige, ist der Zuschuss der Pflegekasse nach § 40 Absatz 4 Satz 3 SGB XI je Maßnahme für jeden Pflegebedürftigen auf 4.000,- Euro begrenzt. Der Gesamtzuschuss je Maßnahme ist jedoch auf maximal 16.000,- Euro begrenzt und wird zu gleichen Teilen auf alle Leistungsberechtigten aufgeteilt. Dieses gilt auch, wenn die Maßnahme mehr als 16.000,- Euro kostet.

Ergänzend sind Leistungen nach § 45e SGB XI für die altersgerechte oder barrierefreie Umgestaltung der gemeinsamen Wohnung im Rahmen der Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen in Anspruch zu nehmen. Die Leistung beträgt einmalig bis zu 2.500 Euro je Bewohner, insgesamt bis zu 10.000 Euro. Voraussetzung ist die Neugründung einer Pflege-Wohngemeinschaft. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres nach Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zu stellen.

Sollten trotzdem noch ergänzende Leistungen nach § 64e SGB XII beantragt werden, sind diese bei einer derartig gemeinschaftlich finanzierten Maßnahme auf den Anteil begrenzt, der bei Aufteilung der Gesamtkosten auf alle Bewohner und Bewohnerinnen der Pflege-Wohngemeinschaft zu gleichen Teilen entsteht.

Im Gegensatz zu Anbietern teil- oder vollstationärer Pflege trägt bei der Vermietung von Wohnraum an Bewohner und Bewohnerinnen einer Pflege-Wohngemeinschaft der Vermieter oder die Vermieterin in der Regel nicht die Verantwortung für eine alters- und behindertengerechte Ausstattung (siehe Urteil des SG Berlin vom 16.11.2012 – S 209 P 713/12, Rz. 28). Er muss jedoch den entsprechenden Maßnahmen unter Umständen zustimmen (siehe § 554 BGB).

8. Beiträge zur Alterssicherung für Pflegepersonen nach § 64f Absatz 1 SGB XII

8.1. Rechtliche Grundlage

Nach § 64f Absatz 1 SGB XII hat eine pflegebedürftige Person, die Pflegegeld nach § 64a Absatz 1 SGB XII erhält, einen Anspruch auf die Erstattung von Beiträgen für die angemessene Alterssicherung einer Pflegeperson oder einer besonderen Pflegekraft. Der Bezug eines nach § 63b Absatz 3 und 5 SGB XII gekürzten Pflegegeldes nach § 64a SGB XII steht der Beitragserstattung nicht entgegen.

Voraussetzung ist immer, dass eine Alterssicherung nicht anderweitig sichergestellt (siehe Ziffer 8.2.) und eine angemessene Alterssicherung durch Beiträge noch erreichbar ist (siehe Ziffer 8.3.).

Leistungsberechtigt ist die pflegebedürftige Person (siehe Ziffer 8.5.).

Die Leistungen kommen in Betracht für pflegebedürftige Personen, die

  • nicht pflegeversichert sind (sog. Chipkartenfälle nach § 264 SGB V) oder
  • die Wartezeit für Leistungen der Pflegeversicherung von zwei Jahren noch nicht erfüllen (§ 33 Absatz 2 SGB XI) oder
  • ergänzende Alterssicherungsbeiträge für die Pflegeperson(en) benötigen.

Der TdS ist zu einer Beitragserstattung an die pflegebedürftige Person verpflichtet, wenn

  • die pflegebedürftige Person mindestens Pflegegrad 2 erreicht hat (§ 63 Absatz 1 SGB XII),
  • ein Pflegegeld nach § 64a Absatz 1 SGB XII gewährt wird,
  • die Pflegeperson die Pflege unentgeltlich jeweils mindestens 10 Stunden an mindestens 2 Tagen in der Woche bei der pflegebedürftigen Person durchführt sowie nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (analoge Anwendung des § 44 Absatz 1 SGB XI),
  • die Pflegeperson (ergänzende) Beiträge zu einer angemessenen Alterssicherung leistet,
  • die Alterssicherung der Pflegeperson nicht anderweitig angemessen sichergestellt ist und
  • durch die Beiträge eine angemessene Alterssicherung erreicht werden kann

Eine Pflegeperson ist, abgeleitet von § 19 SGB XI, wer eine pflegebedürftige Person im Sinne des § 61a SGB XII in ihrer häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegt.

Bei der Anerkennung des zeitlichen Aufwands der Pflegeperson ist zu berücksichtigen, dass die Anzahl der geleisteten Stunden in Abhängigkeit zum jeweiligen pflegerischen Bedarf der pflegebedürftigen Person steht.

8.2. Keine anderweitige Sicherstellung – Nachrang der HzP

Vor dem Hintergrund des Nachrangs der Sozialhilfe ist zunächst zu prüfen, ob eine angemessene Alterssicherung der Pflegeperson bereits anderweitig sichergestellt ist.

Dafür ist es erforderlich anhand bekannter Tatsachen und gewöhnlichem Lebensverlauf der Pflegeperson, eine Prognose zur Höhe der zu erwartenden Einkünfte bei Eintritt des Rentenalters zu treffen. Lässt diese erwarten, dass mit Eintritt des Rentenalters keine Sozialhilfeleistungen für den Lebensunterhalt erforderlich werden, ist davon auszugehen, dass die angemessene Alterssicherung anderweitig sichergestellt ist.

Eine angemessene Alterssicherung kann bereits aufgrund der Pflichtversicherung im Rahmen eines aktuellen und / oder früheren Arbeitsverhältnisses vorliegen. Darüber hinaus sind auch Ansprüche auf Alterssicherung auf der Grundlage von Vermögensrenditen, Pensionen, der betrieblichen Altersversorgung u.a. in die Prüfung einzubeziehen. Auch wenn abgeleitete Ansprüche von einem anderen, beispielsweise dem Ehegatten (Hinterbliebenen-Rente) vorliegen oder wenn mit diesem gemeinsam oder durch eine betriebliche Altersversorgung des Ehegatten eine angemessene Alterssicherung gewährleistet ist, entfällt die Notwendigkeit einer Sicherstellung nach § 64f Absatz 1 SGB XII.

Vorrangig ist auch die Übernahme der Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung durch die Pflegekasse nach § 44 SGB XI oder durch das private (Pflege-) Versicherungsunternehmen der pflegebedürftigen Person.

Gleiches gilt für die Beitragsabführung an eine berufsständische Versorgungseinrichtung auf der Grundlage von § 44 Absatz 2 SGB XI. Das Ruhen der Leistungen nach § 44 SGB XI ist in § 34 Absatz 3 SGB XI geregelt.

8.3. Beitragserstattung für eine angemessene Alterssicherung

Von einer angemessenen Alterssicherung nach Art und Höhe der zu erwartenden Leistungen ist bereits immer dann auszugehen, wenn eine monatliche Rentenzahlung im Rentenalter zu erwarten ist.
Die Erstattung von Beiträgen muss daher im Rahmen der HzP, nach dem allgemeinen Gebot der Angemessenheit der Hilfegewährung gemäß § 9 Absatz 2 SGB XII, in einem angemessenen Verhältnis zu der zu erwartenden monatlichen Auszahlung bei Eintritt des Rentenalters stehen. Eine Beitragsübernahme scheidet daher aus, wenn

  • die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alterssicherung bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze nicht mehr erreicht werden können oder
  • die Beiträge für eine angemessene Alterssicherung – etwa infolge des erreichten Alters der Pflegeperson – als unangemessen hoch einzustufen sind.

Die Frage der angemessenen Höhe der Beiträge ist anhand des Umfangs der Pflegeleistungen zu beantworten. Daher ist es gerechtfertigt, hinsichtlich der Höhe der Beiträge – wie in der Pflegeversicherung § 44 Absatz 1 SGB XI – auf die Beitragsbemessung nach § 166 Absatz 2 SGB VI zurückzugreifen.

Der Berechnung der Beiträge sind die Bezugsgrößen nach § 18 SGB IV zugrunde zu legen, die jährlich mitgeteilt werden. Aufgrund der Unterscheidung der Bezugsgrößen nach Ost und West gelten für das Land Berlin entsprechend jeweils unterschiedliche Beiträge für die östlichen und westlichen Stadtbezirke.

8.4. Varianten einer angemessenen Alterssicherung

Alleine durch Beiträge nach § 44 SGB XI wird es vielfach nicht möglich sein, eine nennenswerte und somit angemessene Alterssicherung zu erreichen, sodass im jeweiligen Einzelfall eine ergänzende Alterssicherung über eine private Vorsorge in Betracht kommt.

§ 64f Absatz 1 SGB XII setzt dabei nicht zwingend Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung voraus. Im Gegensatz zu § 44 SGB XI kann eine angemessene (zusätzliche) Alterssicherung für den TdS im Bedarfsfall auch in Form einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen werden (z. B. Riesterrente). Eine private Versicherung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen § 7 Absatz 1 SGB VI ausgeschlossen ist.

Ergänzende freiwillige Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung sind nach § 7 Absatz 1 SGB VI nicht möglich, wenn bereits Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden. Das kann der Fall sein

  • bei einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson im Sinne des § 19 SGB XI
    für die aufgrund des § 44 SGB XI Pflichtbeiträge entrichtet werden oder
  • aufgrund eines anderweitigen Beschäftigungsverhältnisses der Pflegeperson

Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung kommen auch nicht in Betracht, wenn die Pflegeperson bereits eine (vorgezogene) Vollrente wegen Alters bezieht.

8.5. Beitragserstattung

Liegen die Voraussetzungen nach § 64f Absatz 1 SGB XII vor, erfolgt die Erstattung des tatsächlich von der Pflegeperson aufgewendeten, angemessenen Beitrages zur Alterssicherung grundsätzlich an die pflegebedürftige Person. Im Einzelfall kann die Erstattung auch direkt an die Pflegeperson oder an den Versicherungsgeber der Alterssicherung erfolgen, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung sonst nicht sichergestellt ist.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 64f Absatz 1 SGB XII und die bestimmungsgemäße Verwendung des Erstattungsbetrages ist zu überprüfen und zu dokumentieren.

8.6. Ermittlung der zu übernehmenden freiwilligen Rentenversicherungsbeiträge in Altfällen

Für Pflegebedürftige, die bereits vor dem Inkrafttreten des SGB XI, also vor dem 1. April 1995, Leistungen nach dem Gesetz über Pflegeleistungen (PflegeG) bezogen haben – Altfälle –, in denen die Leistungsgewährung zwischenzeitlich nach § 69b Absatz 2 BSHG und dann § 65 Absatz 2 SGB XII erfolgte und die nunmehr nach § 64f Absatz 1 SGB XII zu entscheiden sind, gilt:

Für pflichtversicherte Pflegepersonen kann wegen § 7 Absatz 1 SGB VI kein Bestandsschutz geltend gemacht werden (siehe 8.4.).

Freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für nicht pflichtversicherte Pflegepersonen, d.h. ohne Anspruch auf Pflichtversicherung durch die Pflegekassen gemäß § 44 SGB XI in Verbindung mit § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI, werden weiterhin nach den bis zum 31. März 1995 gültigen Grundsätzen berechnet.

Ist die Pflegeperson bei einer Pflegeeinrichtung angestellt, von der sie rentenrechtlich abgesichert wird, sind Beiträge für eine angemessene Altersversicherung nicht zu erstatten.

Die monatlichen Beiträge für Altfälle werden nicht auf der Grundlage der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV, sondern anhand der Bruttoarbeitsentgelte ermittelt.

Bei der Bemessung der zu übernehmenden Beiträge ist davon auszugehen, dass die Beiträge als Gegenleistung für die pflegerische Tätigkeit anzusehen sind. Die Höhe des zu ersetzenden Beitrags muss demnach dem Umfang der Pflegeleistungen entsprechen. Sie ergibt sich entsprechend der bisherigen Grundsätze folgendermaßen:

Ist der Einsatz der Pflegeperson in vollem Umfang erfolgt (100 % Pflegeaufwand), das heißt, war sie mindestens sechs Stunden pro Tag (einschließlich Sonnabend und Sonntag) tätig, so richtet sich der Beitrag nach dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt. Das durchschnittliche monatliche Bruttoarbeitsentgelt wird jährlich per Rundschreiben bekannt gegeben.

Obwohl der zeitliche Aufwand für die Pflege kein Abgrenzungskriterium für die Zuordnung zu einer Stufe des Pflegegeldes nach dem inzwischen außer Kraft getretenen Gesetz über Pflegeleistungen (PflegeG) vom 22. Dezember 1994 (GVBl Seite 520) darstellt, ergibt die nach diesem Gesetz zuletzt vorgenommene Zuordnung zu einer Stufe des Pflegegeldes einen Hinweis auf den zeitlichen Pflegeaufwand im Einzelfall. Der volle Einsatz der Pflegeperson kann daher im Einzelfall als erfüllt angesehen werden, wenn im Wege des Bestandsschutzes ein Pflegegeld nach Stufen IV, V oder VI gewährt wird.

Um die Ermittlung der Versicherungsbeiträge einschließlich der Verrechnung des Umfangs einer teilweisen Pflegetätigkeit zu vereinfachen, wird daher folgender durchschnittlicher Vomhundertsatz angesetzt:

  • Stufen IV, V, VI = 100 %
  • Stufe III = 70 %
  • Stufe II = 50 %
  • Stufe I = 30 %

Wird in den Stufen I bis III ein höherer Vomhundertsatz geltend gemacht, so ist hierüber ein geeigneter Nachweis zu verlangen.

Ist im Einzelfall eine weitere Pflegekraft eingesetzt, so wird der entsprechende Vomhundertsatz anteilig bemessen.

Errechnet man diese Vomhundertsätze des durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsentgelts, so ergibt sich ein anteiliges monatliches durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt, das die Basis ist für den über den jeweils aktuellen Beitragssatz in der Rentenversicherung zu ermittelnden monatlichen Beitrag.

In den hier beschriebenen Altfällen ist eine Vergleichsrechnung anzustellen. Sollte die unter Nummer 8.3. dargelegte Beitragsberechnung auf der Grundlage des § 166 Absatz 2 SGB VI zu einer Besserstellung führen, ist diese anzuwenden.

9. Arbeitgebermodell (AGM)

9.1. Persönliche Assistenz im AGM

9.1.1. Einführung

Ziel der “Persönlichen Assistenz“ im AGM ist es, Menschen, die aufgrund von Krankheit und Behinderung auf umfangreiche und vielfältige Unterstützung angewiesen sind, in die Lage zu versetzen, das eigene Leben weitestgehend selbstbestimmt und eigenständig zu gestalten und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Der Gesetzgeber hat das AGM in § 64f Absatz 3 SGB XII verankert sowie in den §§ 63b Absatz 4 und Absatz 6 SGB XII privilegiert.

Wegen der Rechtsänderungen für die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII durch das Bundesteilhabegesetz ab 01.01.2018 wird auf das Rundschreiben Soz Nr. 08/2017 (https://www.berlin.de/sen/soziales/themen/berliner-sozialrecht/kategorie/rundschreiben/2017_08-670492.php) hingewiesen.

Die Rechtslage hat sich zum 01.01.2020 durch das Bundesteilhabegesetz und das Berliner Teilhabegesetz (BlnTG) weiter geändert. Die „Persönliche Assistenz“ in Form des AGM orientiert sich in Bezug auf die spezifischen Voraussetzungen für diese Leistungsberechtigung und den Gesamtumfang der Leistung an den Regelungen zur Persönlichen Assistenz nach § 17 des am 05.06.2019 geschlossenen neuen Berliner Rahmenvertrags der Eingliederungshilfe. Die zentrale Bearbeitung der „Persönlichen Assistenz im Arbeitgebermodell“ erfolgt seither berlinweit durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales.

Für die Sachbearbeitung in den Bezirksämtern ist weiterhin wichtig, die entsprechenden Fallgestaltungen zu kennen, um antragstellende Personen und Leistungsberechtigte ggf. an das Landesamt für Gesundheit und Soziales verweisen zu können.

Für die Sachbearbeitung in den Bezirksämtern ist weiterhin wichtig, die entsprechenden Fallgestaltungen zu kennen, um antragstellende Personen und Leistungsberechtigte ggf. an das Landesamt für Gesundheit und Soziales verweisen zu können.

Eine gesonderte fachliche Weisung der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales wird künftig die aktualisierten Regelungen enthalten. Auf eine weitergehende vertiefte Darstellung der „Persönlichen Assistenz“ wird daher verzichtet.

9.1.2. Inhalt und wesentliche Merkmale des AGM

Das AGM soll ein selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sichern. Hierbei organisiert die leistungsberechtigte Person die Leistungserbringung jedoch „durch von … [ihr] selbst beschäftigte besondere Pflegekräfte (§ 63b Absatz 4 Satz 1 SGB XII).“ Wer sich für diese Organisation der Persönlichen Assistenz in Eigenregie entscheidet, wird zum Arbeitgeber oder zur Arbeitgeberin mit allen Rechten und Pflichten. Als Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin ist die leistungsberechtigte Person selbst zuständig für die Auswahl, das Anlernen und die Bezahlung ihres bzw. ihrer Assistenten und Assistentinnen sowie für die damit verbundenen Organisations- und Verwaltungsaufgaben. Ungeachtet der genannten Verantwortung organisieren viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Unterstützungsleistungen mit Hilfe Dritter, etwa durch Beistand, den Betreuer bzw. die Betreuerin oder andere Dritte. Die Assistenten bzw. Assistentinnen sichern nicht nur die pflegerische Versorgung, sondern übernehmen auch andere Hilfs- bzw. Assistenztätigkeiten, die zur Gestaltung des Alltags erforderlich sind.

Für das AGM richtet sich der TdS inhaltlich und bei der maximalen Kostenhöhe nach der Leistungsbeschreibung des § 17 Berliner Rahmenvertrag gemäß § 131 Absatz 1 SGB IX für Leistungen der Eingliederungshilfe [BRV EH] i.V.m. § 1 Absatz 1 der Anlage 5 des BRV EH „Persönliche Assistenz“.:

Demnach umfasst „Persönliche Assistenz“ „die am individuellen Bedarf orientierten Hilfen bei den täglichen Verrichtungen, bestimmt durch die Lebensrealität der auf Assistenz angewiesenen Menschen, die eine kontinuierliche Arbeitstätigkeit erforderlich macht, deren Ausdifferenzierung in Einzelleistungen nicht sinnvoll ist. Dies insbesondere, weil nicht planbare pflegerische Leistungen im großen Umfang parallel zu anderen Leistungen anfallen. Persönliche Assistenz dient der eigenständigen Gestaltung des Alltags in der eigenen Wohnung bzw. in einer selbstgewählten Umgebung. Persönliche Assistenz ist eine von Menschen mit Behinderungen bewusst gewählte Versorgungsform und kann nicht gegen seinen bzw. ihren Willen angewendet werden. Ihre Wahl setzt voraus, dass der bzw. die Leistungsberechtigte die für eine solche eigenständige Gestaltung der Hilfeorganisation erforderlichen Entscheidungen selbstbestimmt treffen kann.“

Der Assistenzbedarf wird als Leistung nach §§ 113 Absatz 2 Nr. 2, Absatz 3 i.V.m. 78 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX i.V.m. § 64f Absatz 3 SGB XII oder nach Antragstellung in Form eines Persönlichen Budget nach § 29 SGB IX in Verbindung mit §§ 113 Absatz 2 Nr. 2 ,Absatz 3, 78 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX und § 63 Absatz 3 SGB XII gewährt.

Bei dem AGM haben die Arbeitgeber oder Arbeitgeberinnen Gestaltungsspielraum. Besondere Qualifikationsanforderungen an die Person des oder der Assistenten oder Assistentinnen gibt es nicht. Zwischen der pflegebedürftigen Person als Arbeitgeber oder Arbeitgeberin und der besonderen Pflegekraft muss ein Beschäftigungsverhältnis bestehen. Der mit der Selbst-Organisation verbundene Aufwand und Anforderungsgehalt kann erheblich sein, insbesondere wenn ein hoher Hilfebedarf von bis zu 24 Stunden besteht und mehrere Assistenten bzw. Assistentinnen benötigt werden. Der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin, nicht der jeweilige Kosten- bzw. Leistungsträger, ist Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerin für seine oder ihre Assistenten bzw. Assistentinnen.

9.1.3. Wichtige Voraussetzungen des AGM

Kumulative Voraussetzungen für den Bedarf an „persönlicher Assistenz“ im AGM:

  • Die Leistungsform wurde selbst gewählt und dient der eigenständigen Gestaltung der Versorgung und des Lebensalltags. Dies liegt vor, wenn die leistungsberechtigte Person bestimmen will, wann welche Leistungen wie und wo erbracht werden;
  • Der Assistenzbedarf muss dauerhaft, für mindestens 6 Monate, erforderlich sein;
  • Das Land Berlin als Träger der Eingliederungshilfe ist örtlich zuständig. Dies gilt auch für gerichtlich festgestellte (einstweilige) Zuständigkeiten;
  • Die leistungsberechtigte Person ist volljährig und es werden keine Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII gewährt;
  • Eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI wurde festgestellt;
  • Eine wesentliche Körperbehinderung nach § 99 Absatz 1, Absatz 4 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 1 Eingliederungshilfeverordnung liegt vor;
  • Es liegt keine wesentliche geistige oder seelische Behinderung nach § 99 Absatz 1, Absatz 4 Satz 2 Eingliederungshilfeverordnung vor;
  • Der Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege ist sehr vielschichtig, so dass eine Ausdifferenzierung in Einzelleistungskomplexe nicht möglich bzw. sinnvoll ist;
  • Der individuelle Gesamtbedarf, der einer Persönlichen Assistenz zugeordnet werden kann, liegt regelmäßig bei mindestens fünf Stunden täglich. Bei schwankenden Bedarfen gilt der tägliche Bedarfsumfang im Monatsdurchschnitt. Der für die Zuordnung zur Persönlichen Assistenz erforderliche Stundenumfang ergibt sich aus den festgestellten, grundsätzlich bestehenden Bedarfen im Bereich der Pflege (SGB XI und SGB XII) und einfachen Assistenz (Teil 2 SGB IX). Bei der Beurteilung des Stundenumfangs ist der durch unentgeltlich tätige Pflegepersonen gedeckte Bedarf für die Zuordnungsprüfung nicht abzuziehen. Wird ein ggf. darüberhinausgehender Gesamtbedarf anteilig bereits durch einen anderen Rehabilitationsträger gedeckt, so ist dieser anderweitig gedeckte Anteil nicht einzubeziehen. Der Teilhabefachdienst Soziales ermittelt den Bedarf in der Regel im Gespräch mit der leistungsberechtigten Person sowie aus den vorliegenden Unterlagen und dokumentiert es;
  • Es liegt kein ausschließlicher Bedarf an qualifizierter Assistenz vor. Unberührt bleiben Leistungen der qualifizierten Assistenz neben der Gewährung der Persönlichen Assistenz;
  • Insbesondere ist keine Leistung in Räumlichkeiten nach §§ 43a, 71 Absatz 4 SGB XI i.V.m. § 103 Absatz 1 SGB IX geplant, die auf die Berechnung der Stundenzahl Auswirkungen hat.

Hinweis: Mit In-Kraft-Treten der, mit Stand dieses Rundschreibens in Bearbeitung befindlichen, aktualisierten Gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe sind die dort geregelten Voraussetzungen maßgeblich für die Prüfung der Persönlichen Assistenz in Form des Arbeitgebermodells. Dieses Rundschreiben tritt dann insoweit außer Kraft.

9.1.4. Kombination von Pflege und Teilhabe

Kennzeichen der Persönlichen Assistenz im AGM ist die Kombination aus Leistungen der HzP sowie Leistungsanteilen zur Teilhabe. Eine Kostenübernahme für ausschließlich pflegerischen Bedarf ist im Wege des AGM nicht möglich.

Beim AGM decken die Assistenten oder Assistentinnen den individuellen Hilfebedarf des Alltags nicht nur pflegerisch, sondern umfassend ab. Dies macht eine kontinuierliche Arbeitstätigkeit erforderlich. Durch eine Aneinanderreihung von Einzelleistungen, also nach dem LK-System oder Einzelfallhilfe der Eingliederungshilfe, könnte die adäquate Versorgung nicht gewährleistet werden. Dies entspricht nicht der Lebensrealität der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen. Deshalb ist während der Arbeitszeit der Assistenten und Assistentinnen in der Regel zeitlich parallel kein weiterer Bedarf an Teilhabeleistungen zu decken.

Seit 01.01.2020 verweist das Leistungsrecht der Eingliederungshilfe nach § 113 Absatz 2 Nummer 2, Absatz 3 SGB IX neue Fassung auf § 78 SGB IX neue Fassung (vergleiche Artikel 26 Absatz 4 BTHG).

9.1.5. Das AGM als Persönliches Budget

Das AGM wurde im Regelfall auf der Basis von § 64f Absatz 3 SGB XII erbracht, bis 31.12.2019 ggf. in Verbindung mit § 54 SGB XII. Seit 01.01.2020 sind als Rechtsgrundlage für den Teilhabeanteil die §§ 99, 113 Absatz 2 Nummer 2, Absatz 3, 102 Absatz 1 Nummer 4, 78, 103 Absatz 2 SGB IX hinzugetreten. Nur wenn der Antragsteller bzw. die Antragstellerin gesondert beantragt, die Leistung auch in Form eines Persönlichen Budgets zu erhalten, wird es in dieser Form erbracht (§ 63 Absatz 3 SGB XII; § 29 SGB IX; § 159 Absatz 5 SGB IX).
Die Leistungsgewährung in Form eines Persönlichen Budgets setzt eine Zielvereinbarung voraus.

9.1.6. Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerinnen aus dem Bereich der Selbsthilfe

Die Verankerung des AGM wird in Berlin insbesondere durch die Selbsthilfeorganisationen Arbeitsgemeinschaft für selbstbestimmtes Leben schwerstbehinderter Menschen (ASL e.V.) und dem Berliner Assistenzverein e.V. mit Informations-, Beratungs- und Unterstützungsleistungen betrieben. Diese beraten nach dem Peer-Counseling-Prinzip, bei dem Menschen mit Behinderungen andere Menschen mit Behinderungen beraten, über Möglichkeiten des AGM sowie zum Trägerübergreifenden Persönlichen Budget (TPB). Weitere Ansprechpartner können über die ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung nach § 32 SGB IX in Erfahrung gebracht werden.

9.2. AGM bei geringerem pflegerischem Bedarf

9.2.1. Rechtliche Grundlage

Neben dem Rechtsanspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Pflegesachleistung (häusliche Pflegehilfe nach § 64b SGB XII, siehe Ziffer 5.) wird die Sicherstellung der häuslichen Pflege generell auch im Rahmen des AGM ermöglicht (§ 64f Absatz 3 SGB XII).

Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich dabei um eine Nachfolgeregelung zu § 65 Absatz 1 Satz 2 SGB XII – alt -, nach der es bereits generell möglich war, die Pflege durch selbst angestellte Pflegekräfte sicher zu stellen.

Neben der Inanspruchnahme eines zugelassenen ambulanten Pflegedienstes bzw. einer nach § 77 Absatz 1 SGB XI zugelassenen Pflegekraft sowie eines Angebotes zur Unterstützung im Alltag (§ 64b SGB XII) besteht somit die Möglichkeit, dass die pflegebedürftige Person eine Pflegekraft selbst beschäftigt, auch wenn nur ein geringerer pflegerischer Bedarf besteht.

§ 64f SGB XII bestimmt, dass in diesem Fall die angemessenen Kosten übernommen werden sollen. Das bedeutet, dass der TdS einen eingeschränkten Ermessensspielraum zur Verfügung hat.

9.2.2. Voraussetzungen für das AGM

§ 64f SGB XII legt fest, dass mindestens Pflegebedürftigkeit des Pflegegrades 2 vorliegen muss.

Weitere Voraussetzung ist, dass die häusliche Pflege nach § 64 SGB XII nicht durch nahestehende Personen oder im Wege der Nachbarschaftshilfe (unentgeltlich tätige Pflegepersonen) sichergestellt werden kann.

Der TdS übernimmt in diesem Fall die Kosten für die Pflege durch eine Pflegekraft. Für eine Pflegekraft ist entscheidend, dass sie entgeltlich tätig wird. Hingegen muss es sich nicht um eine Fachkraft handeln (LPK-SGB XII/Utz Kramer/Sven Höfer, 11. Auflage 2018, § 64b, Rn. 5).

Wichtiges Kriterium für die Bewilligung von Leistungen für häusliche Pflege im Rahmen des AGM ist die Angemessenheit der Kosten. Das bedeutet, dass die Kosten im Rahmen des Arbeitgebermodells nicht höher sein dürfen als wenn die Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst erbracht werden würde (siehe auch Ziffer 9.1.2.).

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das AGM privilegiert ist, in dem auf die Inanspruchnahme der (höheren) Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI verzichtet wird und damit auch auf deren Anrechnung auf die HzP. Stattdessen ist nur das Pflegegeld nach § 37 SGB XI anzurechnen (§ 63b Absatz 6 SGB XII).

Es ist auch darauf zu achten, dass die Pflegekraft geeignet ist (plausible Angaben des Antragstellers in der Regel ausreichend). Die Vergütung für die Pflegekraft darf den Mindestlohn in der Pflegebranche nicht übersteigen und muss die ggf. geltenden Regelungen zu Mindestlöhnen beachten.

Selbsthilfeorganisationen wie die Arbeitsgemeinschaft für selbstbestimmtes Leben schwerstbehinderter Menschen e.V. (ASL) beraten in der Regel nur zum AGM bei Persönlicher Assistenz, nicht jedoch bei geringerem pflegerischem Bedarf.

9.2.3. Verfahren

Zur Ermittlung der HzP für die Beschäftigung einer geeigneten Pflegekraft wird im Zuge der IAP zunächst der Umfang der benötigten Stunden für die Hilfeleistungen im Wochendurchschnitt ermittelt.

Handelt es sich dabei um eine geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijob im Privathaushalt) mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von nicht mehr als 520,00 Euro, ist von der leistungsberechtigten Person eine Anmeldung anhand eines sogenannten Haushaltsschecks bei der Minijob–Zentrale bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft – Bahn – See, 45115 Essen, vorzunehmen.
www.minijob-zentrale.de (minijobs Haushalt / Infos für Arbeitgeber)

Die pauschalen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge werden von der Minijob–Zentrale per Basis-Lastschriftmandat zweimal jährlich jeweils zum 15. Januar und 15. Juli für das vorangegangene Halbjahr eingezogen und sind der pflegebedürftigen Person als Hilfe zur Pflege zu erstatten. Mittels des Haushaltsscheckverfahrens erfolgt gleichzeitig die erforderliche Anmeldung zur Unfallversicherung. Der Beitrag für die Unfallversicherung beträgt einheitlich 1,6 Prozent des Arbeitsentgelts (§ 185 Absatz 4 Satz 3 ff. SGB VII).

Für die beschäftigte Person besteht grundsätzlich eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Folge, dass sie den Differenzbetrag zwischen der vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin zu zahlenden Pauschale von 5 vom Hundert und dem gesetzlichen Beitragssatz von derzeit 18,6 vom Hundert selbst tragen muss. Dabei wird von einem Mindestverdienst von 175 Euro ausgegangen. Allerdings kann sich der oder die Beschäftigte von der Versicherungspflicht befreien lassen (siehe Haushaltsscheck). Dieser Beitrag wird ebenfalls im Zuge des Lastschriftverfahrens vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin eingezogen, jedoch nicht als Hilfe zur Pflege übernommen.

Die Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens im Rahmen eines Minijobs obliegt den Bezirken. Im Gegensatz zum AGM bei „Persönlicher Assistenz“ kann hier auf detaillierte Kontrollen verzichtet werden.

Die angestellte Pflegekraft ist zu benennen. Auf die Vorlage des Arbeitsvertrages kann verzichtet werden. Die Auszahlungen der Hilfe an die Pflegekraft sind von dem oder der Pflegebedürftigen grundsätzlich mittels Kontoauszug halbjährlich nachzuweisen, außerdem ggf. die Überweisung der pauschalen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Im Übrigen ist die Hilfe auf ein Jahr zu befristen sowie die Sicherstellung der Pflege zu überprüfen (Rechtsgedanke des § 37 Absatz 3 SGB XI).

Sollte jedoch ein Arbeitsverhältnis begründet werden, das über die für Minijobs geltenden Grenzen hinausgeht, sind die Regelungen zum Arbeitgebermodell bei „Persönlicher Assistenz“ (Ziffer 9.1.) entsprechend zu beachten.

Soweit die Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende bzw. vertretungsberechtigte Personen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Schritte durchzuführen, sollten sie vom zuständigen Sozialdienst unterstützt werden.

10. Teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege

10.1. Ziel und Anwendungsbereich der Tagespflege nach § 64g SGB XII

Tagespflege in einer Einrichtung der Tages- oder Nachtpflege ergänzt und stärkt eine häusliche Pflegesituation, weil pflegende Angehörige während des Aufenthalts der pflegebedürftigen Person in der Einrichtung eine erforderliche „Auszeit“ nehmen oder weiterhin berufstätig bleiben können. Als Gast einer Tagespflegeeinrichtung wird die pflegebedürftige Person tagsüber versorgt und kann in Gesellschaft anderer auch Betreuungsangebote nutzen. Bei Erforderlichkeit sind Leistungen in einer teilstationären Pflegeeinrichtung (Tages- oder Nachtpflegeeinrichtung) nach § 63 Absatz 1 Ziffer 2 SGB XII in Verbindung mit § 64g SGB XII zu gewähren.

Leistungen kommen nur für Personen ab Pflegegrad 2 in Betracht, die

  1. nicht pflegeversichert sind (auch sogenannte Chipkartenfälle nach § 264 SGB V) oder
  2. die Wartezeit für Leistungen der Pflegeversicherung von zwei Jahren noch nicht erfüllt haben (§ 33 Absatz 2 SGB XI) oder
  3. ergänzende Hilfe benötigen.

10.2. Vorrangige Leistungen nach § 41 SGB XI

Die Bewilligung teilstationärer Pflege erfolgt vorrangig nach § 41 SGB XI durch die Pflegekasse. Sie setzt voraus, dass die häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann oder dass die Ergänzung oder Stärkung der häuslichen Pflege erforderlich ist. Die Bewilligung ist damit an die Feststellung gebunden, dass die ambulante Versorgung damit sichergestellt und eine vollstationäre Unterbringung vermieden werden kann.

Die monatlich gedeckelten Leistungen sind nach Pflegegraden gestaffelt der Tabelle „Leistungsbeträge der Pflegeversicherung“ im Hauptteil Ziffer 1.2.10. zu entnehmen.

Die Leistungen für die Tagespflege können neben Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI oder dem Pflegegeld nach § 37 SGB XI sowie der Kombinationsleistung nach § 38 SGB XI in Anspruch genommen werden, ohne das eine Anrechnung auf diese Ansprüche erfolgt.

Im Rahmen der Höchstbeträge übernehmen die Pflegekassen im Wege der Kostenerstattung die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich Ausbildungszuschlag sowie die der Betreuung und der medizinischen Behandlungspflege, nicht jedoch die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung oder Investitionskosten.

Die Entgelte der teilstationären Leistung nach § 41 SGB XI umfassen auch die notwendige Beförderung von der Wohnung in die Einrichtung und zurück.

Neben dem Anspruch auf Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI kann die Leistung für Tagespflege im Einzelfall in Anspruch genommen werden, wenn der MD unter Einbeziehung sämtlicher durch die beauftragte Person und den Pflegedienst erbrachten Leistungen sowie etwaiger Entlastungsbedarfe weiterer Mitglieder der Wohngemeinschaft geprüft und daraufhin bestätigt hat, dass die Pflege in der ambulant betreuten Wohngruppe ohne teilstationäre Pflege nicht ausreichend sichergestellt ist (§ 38a Absatz 1 Satz 2 SGB XI).

10.3. Leistungsgewährung nach § 63 Absatz 1 Ziffer 2 SGB XII in Verbindung mit § 64g SGB XII

Die Pflegekassen folgen bei Vorliegen von Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI in der Regel dem Antrag der pflegebedürftigen Person auf Leistungen der Tagespflege im Rahmen ihrer (betraglich begrenzten) Leistungsverpflichtung. Daher ist bei Beantragung von ergänzenden Leistungen nach § 63 Absatz 1 Ziffer 2 SGB XII in Verbindung mit § 64g SGB XII zwar die Entscheidung der Pflegekasse über die grundsätzliche Notwendigkeit der Tagespflege zu Grunde zu legen. Es obliegt dem TdS jedoch, im Rahmen seiner Bedarfsfeststellung den notwendigen Umfang (Anzahl der Besuchstage) der Inanspruchnahme zu prüfen und festzulegen.

Bei Pflegebedürftigen ohne Ansprüche aus der Pflegeversicherung erfolgt auch die Feststellung der Erforderlichkeit einer Tagespflege durch den Pflegebedarfsermittlungsdienst. Der Anspruch kommt erst ab festgestelltem Pflegegrad 2 in Betracht. Die weiteren Leistungsvoraussetzungen sind anhand der in § 41 Absatz 1 SGB XI genannten Kriterien zu prüfen (siehe 10.2.). Anlass für eine erforderliche Tagespflege kann beispielsweise

  • die beabsichtigte teilweise Entlastung der Pflegeperson (ansonsten etwa Gefahr der Überforderung),
  • die Ermöglichung einer (Teil-)Erwerbstätigkeit der Pflegeperson,
  • die starke Erhöhung des Pflegebedarfs oder
  • die Notwendigkeit einer nur für einige Stunden am Tag ständigen Beaufsichtigung
    sein.

Nur das Bedürfnis nach Abwechslung und Gesellschaft kann nicht die Notwendigkeit einer Tagespflege begründen.

Die Gewährung von Tagespflege ist zusätzlich zur Gewährung von häuslicher Pflegehilfe in einer Pflege-Wohngemeinschaft vor dem Hintergrund eines 24-Stunden-Versorgungskonzeptes nur in begründeten Ausnahmefällen möglich. Bei der Beantragung von ergänzenden Leistungen der Tagespflege nach § 63 Absatz 1 Ziffer 2 SGB XII in Verbindung mit § 64g SGB XII ist die Entscheidung der Pflegekasse über die grundsätzliche Notwendigkeit, insbesondere auch nach § 38a Absatz 1 Satz 2 SGB XI, zu Grunde zu legen (siehe 10.3. Absatz 1). Der notwendige Umfang ist vom TdS zu prüfen und festzulegen.

Der TdS übernimmt neben den pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Betreuung und der medizinischen Behandlungspflege (Maßnahmepauschale) die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale) sowie Investitionskosten (§ 76a Absatz 1 SGB XII in Verbindung mit Absatz 3 SGB XII). Hinsichtlich der Verpflegung ist allerdings die Inanspruchnahme der häuslichen Ersparnis nach § 92a SGB XII zu prüfen (siehe auch Ziffer 2.2.2.1 der Gemeinsamen Arbeitsanweisung der Berliner Bezirksämter – Sozialämter – über den Einsatz von Einkommen nach dem SGB XII GA – ESH).

Die Kosten der notwendigen Beförderung von der Wohnung zur Tagespflegeeinrichtung und zurück sind zu übernehmen.

Neben den Leistungen für die teilstationäre Betreuung ist im Rahmen einer bedarfsdeckenden HzP auch die Gewährung von Leistungen für die Pflege durch einen Pflegedienst möglich. Gleichzeitig gewährtes Pflegegeld kann angemessen gekürzt werden (§ 63 Absatz 3 Satz 2 SGB XII); für die Kürzung siehe Ziffer 4.3. und 4.4.

10.4. Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI

Der Entlastungsbetrag der Pflegekasse kann auch für Leistungen der Tagespflege eingesetzt werden (§ 45b Absatz 1 Satz 3 Ziffer 1 SGB XI). Dies gilt auch für Personen mit Pflegegrad 1, wobei in diesem Fall keine ergänzende HzP möglich ist (erst ab Pflegegrad 2). Mit dem Entlastungsbetrag kann auch das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten finanziert werden. Die Entlastungsleistungen nach dem SGB XI sind zwar nicht auf die Leistungen der Tagespflege nach § 63b Absatz 2 Satz 2 SGB XII anrechenbar (§ 45b Absatz 3 SGB XI). Sie können dennoch Auswirkungen auf den vom TdS zu deckenden Hilfebedarf haben (siehe Ziffer 11.4.2.).

11. Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII

11.1. Grundlagen der Bewilligung des Entlastungsbetrages nach § 64i SGB XII

Seit 01.01.2017 ist mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) auch in der HzP nach §§ 61 ff. SGB XII bei ambulanter Versorgung ein Entlastungsbetrag eingeführt worden.

Nichtversicherte Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben einen Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich nach § 64i SGB XII.

Zu den Besonderheiten bei der Bewilligung des Entlastungsbetrages für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 nach § 66 SGB XII siehe Ziffer 3.

Der Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII kommt in Betracht für pflegebedürftige Personen der Pflegegrade 2 bis 5, die

  • nicht pflegeversichert sind (auch sogenannte Chipkartenfälle nach § 264 SGB V) oder
  • die Vorversicherungszeit für Leistungen der Pflegeversicherung von zwei Jahren in den letzten zehn Jahren vor Antragstellung nicht erfüllt haben (§ 33 Absatz 2 SGB XI) oder
  • voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen.

Er ist zweckgebunden für qualitätsgesicherte Angebote einzusetzen, und zwar zur

  • Entlastung pflegender Angehöriger oder nahestehender Pflegepersonen,
  • Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung Ihres Alltags oder
  • Inanspruchnahme von nach Landesrecht anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag nach § 45a SGB XI (§ 64i Satz 2 SGB XII).

Die Regelung entspricht insoweit der Regelung zum Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI.

Grundsätzlich ist ein notwendiger Bedarf an Betreuungsleistungen über § 64a bzw. § 64b SGB XII vollständig zu decken und zu gewähren. Wird die Pflege durch Angehörige sichergestellt (im Rahmen des § 64a SGB XII) und es ergibt sich darüber hinaus ein notwendiger sozialhilferechtlicher Bedarf, der der Entlastung der pflegenden Angehörigen dient, kann dieser über die Gewährung des Entlastungsbetrags nach § 64i SGB XII bis zu einer Höhe von maximal 125,- Euro pro Monat finanziert werden.

Der Gesetzestext ist sehr weit gefasst und eröffnet über die vorgegebenen Ziele grundsätzlich auch die Möglichkeit, den Entlastungsbetrag für eine Verhinderungspflege, eine Kurzzeitpflege sowie für Pflegehilfsmittel einzusetzen, wenn hierdurch Angehörige entlastet werden oder die Selbständigkeit von Pflegebedürftigen gefördert wird.
Im Gegensatz zur häuslichen Pflegehilfe nach § 64b SGB XII, zur Tagespflege nach § 64g SGB XII sowie zu den anderen Leistungen nach § 64f SGB XII und zu Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII sind diese Versorgungsangebote nach der amtlichen Begründung zum Dritten Pflegestärkungsgesetz auch nicht ausdrücklich von einer Inanspruchnahme durch die pflegebedürftige Person ausgenommen worden (BT-Drs. 18/9518, S. 97), so dass von der Zulässigkeit der Inanspruchnahme ausgegangen werden kann. Allerdings ist der Einsatz für die oben genannten Versorgungsangebote in der Regel nicht geboten, da hierfür bei Pflegegrad 2 bis 5 reguläre Leistungen der HzP (etwa nach §§ 64c, 64d und 64h SGB XII) bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden können.

Im Ergebnis sollte der Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII daher grundsätzlich nur für die Inanspruchnahme von nach Landesrecht anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag gewährt werden (siehe amtliche Begründung, aaO).

Die für die Erbringung von Leistungen des Entlastungsbetrages verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. (Beispiel: Im Rahmen des Entlastungsbetrages wird ein Einkauf abgerechnet. Dieser darf dann nicht höher vergütet werden, als ein regulärer LK 13). Hier sind analog die Regelungen des § 45b Absatz 4 SGB XI bei der Leistungsgewährung im SGB XII anzuwenden.

Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII entsteht zu dem Zeitpunkt, zu dem laut Bescheid der Anspruch auf HzP bei Pflegegrad 2 bis 5 einsetzt. Da der Entlastungsbetrag jedoch als Kostenerstattungsanspruch ausgestaltet ist, ist er durch Vorlage entsprechender Belege zu konkretisieren (siehe unter Ziffer 3.).

Mangels einer rechtlichen Grundlage ist ein Ansparen des Entlastungsbetrages im Gegensatz zum SGB XI nicht möglich. Der nicht in Anspruch genommene Betrag verfällt am Ende des Monats. Er ist also immer nur zur Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage einsetzbar (siehe auch Ziffer 3.).

11.2. Der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI

Auch nach § 45b SGB XI erhalten alle versicherten Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege einen Entlastungsbetrag von bis zu 125 Euro monatlich gegen Vorlage entsprechender Belege. Der Anspruch entsteht mit dem Einsetzen der Leistungen der Pflegeversicherung, ist jedoch ebenfalls durch Vorlage von Belegen zu konkretisieren.

Der Entlastungsbetrag kann nach § 45b Absatz 1 Satz 3 SGB XI wie bisher eingesetzt werden für

  • Leistungen der Tagespflege (und Nachtpflege)
  • Leistungen der Kurzzeitpflege
  • Leistungen der ambulanten Pflegedienste (bei Personen mit Pflegegrad 2 bis 5 nicht aus dem Bereich bzw. Modul Selbstversorgung, bei Personen mit Pflegegrad 1 schon).
  • Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag (§ 45a SGB XI)

Die Angebote zur Unterstützung im Alltag decken inzwischen ein breites Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten ab. Das sind Betreuungsangebote, Angebote zur Entlastung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen, durch ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe sowie Angebote zur Entlastung im Alltag. Dazu gehören auch Haushaltsdienstleistungen.

Mit dem Entlastungsbetrag können auch Kosten der Unterkunft und Verpflegung in Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege sowie Kurzzeitpflege sowie Investitionskosten finanziert werden.

11.3. Verhältnis des Entlastungsbetrages nach § 64i SGB XII zum Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI

Im Rahmen der Regelung der Leistungskonkurrenzen legt § 63b Absatz 2 Satz 2 SGB XII fest, dass der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI den Leistungen nach § 64i SGB XII (und § 66 SGB XII) vorgeht, sodass der nachrangige Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII bei versicherten Pflegebedürftigen nicht in Betracht kommt.

Nach § 45b Absatz 3 Satz 3 SGB XI darf der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI im Hinblick auf die § 64i (und § 66) SGB XII bei der HzP zwar nur dann Berücksichtigung finden und damit angerechnet werden, soweit nach § 64i (und § 66) SGB XII Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalt den Leistungen nach § 45b SGB XI entsprechen. Dabei kommt es jedoch nicht darauf an, welche Angebote tatsächlich in Anspruch genommen werden. Vielmehr ist entscheidend, dass der Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII (und nach § 66 SGB XII) allgemein Verwendungsmöglichkeiten vorsehen muss, für die auch der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI einsetzbar ist. Von einer derartigen grundsätzlichen Leistungskongruenz geht letztlich auch der Gesetzgeber im Rahmen des § 63b Absatz 2 Satz 2 SGB XII aus, wenn er hier den Vorrang der Leistungen nach § 45b SGB XI feststellt. Aus § 63b Absatz 2 Satz 2 SGB XII kann daher abgeleitet werden, dass zwischen dem Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI und dem Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII (und § 66 SGB XII) grundsätzlich Leistungskongruenz besteht mit der Folge, dass die Nachrangigkeit der HzP eine Anrechnung der Leistung nach § 45b SGB XI zulässt.

11.4. Verhältnis des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI zu anderen Leistungen der HzP

11.4.1. Gesetzliche Rahmenbedingungen

Die Regelung über die Leistungskonkurrenz der Entlastungsbeträge nach § 63b Absatz 2 Satz 2 SGB XII bildet eine Ausnahme von dem ansonsten weiterhin geltenden Grundsatz, dass der Entlastungsbetrag der Pflegeversicherung bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege keine Berücksichtigung findet (§ 45b Absatz 3 Satz 1 SGB XI; bis 31.12.2016: § 13 Absatz 3a SGB XI). Auch in § 63b Absatz 2 Satz 2, 2. Halbsatz SGB XII stellt der Gesetzgeber klar, dass eine Anrechnung auf die übrigen Leistungen der HzP nach dem SGB XII nicht erfolgt.

Diese Regelung geht zurück auf die Gesetzesbegründung zu den Leistungen nach § 45b SGB XII im Rahmen des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes (PflEG) vom 14.12.2001 (BT-Drs. 14/6949, Seite 15 ): „Dieser Zuschuss ist als eine neue Hilfe/Leistung im Recht der Pflegeversicherung definiert, die neben der Pflegeleistung gewährt wird. Bei den Leistungen nach § 45b handelt sich daher nicht um gleichartige Leistungen im Rahmen der HzP nach dem SGB XII, insofern kann auch keine Leistungskonkurrenz zwischen der neuen Leistung nach § 45b und den Leistungen nach dem SGB XII bestehen.“

Das Sozialgericht Berlin hat in seinem Urteil vom 13.09.2010 (S 90 SO 3040/09) diese spezialgesetzliche Regelung im Hinblick auf die Leistungen nach § 45b SGB XI bestätigt und festgestellt, dass deren Regelungsgehalt bei einer einschränkenden Auslegung vollkommen entfallen würde.

11.4.2. Bedarfsmindernde Wirkung des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI

Es ist jedoch möglich, dass zwischen den mit dem Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI eingekauften Hilfeleistungen und der HzP eine inhaltliche Identität besteht. In diesem Fall sind die mit dem Entlastungsbetrag finanzierten Hilfe- und Unterstützungsleistungen bedarfsmindernd zu berücksichtigen (Schellhorn in „Schellhorn/Hohm/Scheider“, Komm. zum SGB XII, 19. Auflage, § 61). Die Sozialhilfe deckt nur einen tatsächlich vorhandenen Bedarf. Wenn beispielsweise ein Hilfebedarf bei der Haushaltsführung (unter anderem LK 13 – Einkaufen) bereits durch entsprechende Unterstützungsleistungen über den Entlastungsbetrag abgedeckt ist, ist die HzP hierfür nicht nochmals zu gewähren.

Bei der Bedarfsfeststellung im Rahmen der IAP haben die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Pflegebedarfsermittlungsdienstes daher unter anderem auch die Aufgabe, die Verwendung des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI festzustellen. Eine Berücksichtigung von Unterstützungsleistungen aus dem Entlastungsbetrag bei der Bedarfsfeststellung stellt keine Umgehung des Anrechnungsverbots dar. Die antragstellende Person ist daher in Bezug auf die Verwendung des Entlastungsbetrags der Pflegekasse auskunftspflichtig. Verweigert die antragstellende Person die Auskunft und ist der Sachverhalt auch nicht auf anderem Wege aufzuklären, gilt der Anspruch auf HzP in Höhe des Entlastungsbetrages als nicht nachgewiesen und führt zu einer entsprechenden Kürzung (§§ 20, 21 SGB X).

Entscheidend für die Befürwortung und Bewilligung von Leistungen zu Lasten des TdS ist grundsätzlich die individuelle Versorgungssituation, wie sie sich dem TdS jeweils darstellt. Dabei ist eine Überversorgung zu vermeiden.

Dagegen ist eine Anrechnung des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI von bis zu 125 Euro monatlich auf die Fürsorgeleistungen nach dem SGB XII in jedem Fall ausgeschlossen. Das liegt schon darin begründet, dass die Leistungen erst nach Inanspruchnahme der entsprechenden Angebote (siehe Ziffer 11.2.) im Rahmen der Kostenerstattung ausgezahlt werden (modifizierte Sachleistung).

Darüber hinaus implizieren die gesetzlichen Bestimmungen, dass die pflegebedürftige Person in ihrem Wahlrecht in Bezug auf die Inanspruchnahme eines qualitätsgesicherten Hilfeangebotes nicht eingeschränkt werden darf. Nach dem SGB XI besteht insbesondere die Möglichkeit, den Entlastungsbetrag anzusparen, um beispielsweise Restkosten (Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten) für den Besuch der Tagespflege oder einer Einrichtung der Kurzzeitpflege zu finanzieren.

Ebenso darf die Hilfegewährung nicht davon abhängig gemacht werden, dass mit dem Entlastungsbetrag bestimmte Bedarfe abgedeckt werden, beispielsweise ein Angebot zur Entlastung im Alltag (Unterstützung bei der Haushaltsführung) wahrgenommen wird.

11.5. Umwidmung von bis zu 40 vom Hundert des Sachleistungsanspruchs nach § 45a Absatz 4 SGB XI (Umwandlungsanspruch)

Nach § 45a Absatz 4 SGB XI ist es ohne vorherige Antragstellung möglich, sich für die Inanspruchnahme von nach Landesrecht anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag die Kosten unter Anrechnung auf bis zu 40 vom Hundert des jeweiligen Sachleistungsanspruchs nach § 36 SGB XI erstatten zu lassen.

Bei einem Bedarf an ergänzenden Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 64b SGB XII dürfen die Leistungsberechtigten von dieser Umwidmungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen, da mit dem vorrangigen Sachleistungsanspruch nach § 36 SGB XI gegen die Pflegekasse zunächst die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie die erforderlichen Hilfen bei der Haushaltsführung sicher zu stellen und abzudecken sind (§ 2 Absatz 1 SGB XII; siehe Vermerk SenGesSoz – II D 11 – vom 26.11.2015, Artikel 2, Ziffer 13).

11.6. Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a SGB XI im Rahmen der häuslichen Pflegehilfe nach § 64b SGB XII

Der im Rahmen der IAP festgestellte notwendige Bedarf kann zu Lasten der HzP statt durch Pflegedienste mit Versorgungsvertrag auch durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag (§ 45a SGB XI) abgedeckt werden (§ 64b Absatz 1 Satz 4 SGB XII). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entgelte von der leistungsberechtigten Person zu bezahlen und die entstandenen Kosten anschließend zu erstatten sind. Die Leistungen sind im Verfahren OPEN/PROSOZ unter „Besondere Pflegekraft“ (Titel 68128-518/618/718/818) zu buchen.

Im Pflegeportal des Landes Berlin finden Sie eine Liste der anerkannten niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote https://www.pflegeunterstuetzung-berlin.de/unterstuetzung/uebersicht-aller-angebote).

12. Digitale Pflegeanwendungen (§ 64j SGB XII) und ergänzende Unterstützung bei der Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k SGB XII)

Zum 09. bzw. 10.06.2021 sind neue Anspruchsgrundlagen für die Leistung von digitalen Pflegeanwendungen und die ergänzende Unterstützung bei deren Nutzung in den Leistungskatalog des SGB XI (§§ 39a, 40a f.) und parallel den des SGB XII (§§ 64j, 64k) aufgenommen worden. Inhaltlich sind sie im Wesentlichen identisch. Die praktische Relevanz im Verfahren der Hilfe zur Pflege hängt insbesondere von den erforderlichen Zulassungen der digitalen Pflegeanwendungen und den sich daran anschließenden Ergebnissen der Versorgungs- und Vergütungsvereinbarungen auf Bundes- und Landesebene ab.

Allgemeine Begriffsdefinitionen

Digitale Pflegeanwendungen im Sinne dieses Gesetzes dienen dem Ziel, Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person zu mindern und einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken. Sie können im Bereich ambulanter Versorgung seitens der pflegebedürftigen Person oder in der Interaktion von Pflegebedürftigen mit Angehörigen, (sonstigen ehrenamtlich Pflegenden) oder zugelassenen ambulanten Pflegediensten genutzt werden im Rahmen der Unterstützung, anleitenden Begleitung oder eines Beitrags zu Erhaltung der Selbstständigkeit. Inbegriffen sind auch Anwendungen, die pflegende Angehörige oder sonstige ehrenamtlich Pflegende in den in § 14 Absatz 2 genannten Bereichen oder bei der Haushaltsführung unterstützen und die häusliche Versorgungssituation des Pflegebedürftigen stabilisieren (§ 40a Absatz 1a Satz 1SGB XI). Sie müssen wesentlich auf digitalen Technologien beruhen. (Näheres s. u. 12.1.1. und 12.2.1.)

Denkbar sind z. B. Anwendungen zur Sturzrisikoprävention, personalisierte Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz oder Anwendungen zur Verbesserung der Kommunikation mit Angehörigen und Pflegefachkräften.

Eine genaue Definition digitaler Pflegeanwendungen wird aktuell durch das BMG in einer Rechtsverordnung erarbeitet.

Dient der Zweck der Anwendung dem allgemeinen Lebensbedarf oder der allgemeinen Lebensführung, der Arbeitsorganisation von ambulanten Pflegeeinrichtungen, der Wissensvermittlung, Information oder Kommunikation, der Beantragung oder Verwaltung von Leistungen oder anderer digitaler Anwendungen, die ausschließlich auf Auskunft oder Beratung zur Auswahl und Inanspruchnahme von Sozialleistungen oder sonstigen Hilfsangeboten ausgerichtet sind, liegt keine digitale Pflegeanwendung vor.

Im Ergebnis umfasst der Anspruch nur digitale Pflegeanwendungen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a Absatz 3 aufgenommen sind.

Die ergänzende Unterstützung bei der Nutzung digitaler Pflegeanwendungen kann auf Wunsch und bei gleichzeitig bestehender Erforderlichkeit der Leistung beansprucht und durch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen erbracht werden. (Näheres s.u. 12.1.2. und 12.2.2.)

Kurzüberblick wichtigste Punkte zur Anspruchsprüfung

Es handelt sich um pflegebedingte Leistungen für den ambulanten Versorgungsbereich. Sie sind im SGB XI in der Höhe insgesamt (digitale Pflegeanwendung + ergänzende Unterstützungsleistung bei deren Nutzung) auf maximal 50 Euro pro Monat begrenzt.

Es kommen nur digitale Pflegeanwendungen aus dem Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für digitale Pflegeanwendungen für einen Anspruch und dessen Prüfung in Betracht.

Für die Abrechnung einer ergänzenden Unterstützungsleistung bei der Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen muss der betreffende Pflegedienst eine entsprechende Vergütungsvereinbarung nach § 89 Absatz 1 Satz 1 SGB XI abgeschlossen haben und der Pflegevertrag mit dem/r Klienten/in muss die Erbringung dieser Leistung ausdrücklich umfassen.

12.1. Vorrangige Leistungen im SGB XI

Im SGB XI sind die neuen Leistungsansprüche nach den §§ 39a, 40a und 40b SGB XI dem Bereich der ambulanten Pflegeleistungen zugeordnet (vergleiche SGB XI 4. Kapitel, 3. Abschnitt, 1. Titel – Leistungen bei häuslicher Pflege) bzw. dem Leistungskatalog bei Pflegegrad 1 (§ 28a Absatz 1 Nr. 9 und 10 SGB XI).

12.1.1. Digitale Pflegeanwendungen – § 40a SGB XI

Versicherte Pflegebedürftige haben nach § 40a SGB XI einen Anspruch auf Versorgung mit Anwendungen, die von den Pflegebedürftigen oder in der Interaktion von Pflegebedürftigen mit Angehörigen, sonstigen ehrenamtlich Pflegenden oder zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen genutzt werden, um Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen zu mindern und einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken (§ 40a Absatz 1 SGB XI). Die Anwesenheit des Pflegedienstes oder von Angehörigen ist während der Leistungserbringung nicht zwingend vor Ort bei der pflegebedürftigen Person erforderlich.

Die erstmalige Bewilligung für eine digitale Pflegeanwendung ist nach § 40a Absatz 2 Satz 3 ff. SGB XI auf höchstens 6 Monate zu befristen. Die Pflegekasse prüft in dieser Zeit, ob die digitale Pflegeanwendung genutzt wird und der Zweck nach § 40a Absatz 1 SGB XI in der konkreten Versorgungssituation erreicht wird. Liegen im Ergebnis der Prüfung die Voraussetzungen vor, erfolgt die unbefristete Bewilligung der digitalen Pflegeanwendung ohne erneuten Antrag.

Die Anwendungen müssen wesentlich auf digitalen Technologien beruhen und auf eigenen, mobilen Endgeräten oder als browserbasierte Webanwendung etwa über öffentlich zugängliche digitale Vertriebsplattformen zur Verfügung gestellt werden. Umfangreiche Hardwareausstattungen sind somit von dem Anspruch nach § 40a SGB XI ausgeschlossen. Das unterscheidet die digitalen Pflegeanwendungen grundsätzlich von den Pflegehilfsmitteln.

Der Anspruch setzt insbesondere voraus, dass

  • die pflegebedürftige Person einen Antrag bei ihrer Pflegekasse gestellt hat,
  • die beantragte Anwendung im Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a Absatz 3 SGB XI aufgenommen ist,
  • kein vorrangiger Leistungsanspruch ggü. der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern vorliegt und
  • die Pflegeversicherung die Notwendigkeit der Versorgung des Pflegebedürftigen mit der digitalen
    Pflegeanwendung bejaht.

Der Hersteller darf für nicht im Verzeichnis enthaltene zusätzliche Funktionalitäten oder mehrfach zur Nutzung abgegebene digitale Pflegeanwendungen keine höheren als die nach § 78a Absatz 1 SGB XI vereinbarten Vergütungsbeträge von der Pflegekasse oder sonstigen Kostenträgern verlangen (§ 78a Absatz 4 Satz 5 SGB XI). Darüberhinausgehende Funktionen oder Anwendungsbereiche müssen von den Pflegebedürftigen selbst bezahlt werden. Über diese Mehrkosten muss die Pflegekasse die pflegebedürftige Person schriftlich oder elektronisch informieren (§ 40a Absatz 2 SGB XI).

Können die beantragten digitalen Pflegeanwendungen sowohl Zwecken nach § 33a Absatz 1 Satz 1 SGB V als auch nach § 40a SGB XI dienen, umfasst der Anspruch nur digitale Pflegeanwendungen, die nach § 33a Absatz 2 des Fünften Buches Medizinprodukte mit niedriger Risikoklasse sind (§ 40a Absatz 1b SGB XI).

Die Hersteller sind verpflichtet, den Anspruchsberechtigten digitale Pflegeanwendungen barrierefrei im Wege elektronischer Übertragung über öffentlich zugängliche Netze, auf maschinell lesbaren Datenträgern oder über digitale Vertriebsplattformen zur Verfügung zu stellen (§ 40a Absatz 4 SGB XI).

12.1.2. Ergänzende Unterstützung bei der Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen – § 39a SGB XI

Bei der Nutzung digitaler Pflegeanwendungen im Sinne des § 40a haben pflegebedürftige Personen zusätzlich einen Anspruch auf ergänzende Unterstützung durch nach diesem Buch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist.

Die Unterstützungshandlungen können, sofern sie gewünscht sind, den pflegerischen oder betreuerischen Nutzen der digitalen Pflegeanwendung für die pflegebedürftige Person sicherstellen.

In Betracht kommen nur Unterstützungsleistungen, die in der Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu der jeweils zugelassenen digitalen Pflegeanwendung als solche festgestellt wurden. Diese sind den Vertragsparteien der Rahmenverträge nach § 75 Absatz 1 SGB XI zeitgleich mit der Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen mitzuteilen (§ 78a Absatz 5 Satz 6 SGB XI) und müssen Bestandteil der Rahmenverträge nach § 75 SGB XI werden. Auf diese Weise soll u.a. eine Abgrenzung zu allgemeinen digitalisierten Pflege- und Beratungsleistungen sichergestellt werden.

Im Einzelfall kann nach der Gesetzesbegründung auch eine erste Hilfe beim Einsatz der digitalen Pflegeanwendung umfasst sein, soweit diese Anleitung nicht dem Hersteller der digitalen Pflegeanwendung obliegt. Diese Information ergibt sich aus den in der Rechtsverordnung nach § 78a SGB XI zu treffenden Regelungen zur Unterstützung der Pflegebedürftigen beim Einsatz einschließlich etwaiger Einführungsschulungen.

Eine Abrechnung der ergänzenden Unterstützungsleistungen ist zudem nur möglich, wenn sie Bestandteil der Vergütungsvereinbarungen gemäß § 89 Absatz 1 Satz 1 SGB XI ist und sie explizit Bestandteil des privatrechtlichen Pflegevertrags nach § 120 SGB XI geworden sind (§ 120 Absatz 3 SGB XI). Über die voraussichtlichen Kosten ist die pflegebedürftige Person /Betreuung wie üblich vor Vertragsschluss und bei jeder wesentlichen Veränderung in der Regel schriftlich durch den Pflegedienst zu unterrichten.

12.1.3. Abrechnungsmodalitäten

Sowohl die Leistungen für die digitalen Pflegeanwendungen nach § 40a SGB XI als auch für die ergänzenden Unterstützungsleistungen bei der Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen nach § 39a SGB XI sind als Kostenerstattungsansprüche ausgestaltet.

Die jeweils mit der Pflegekasse abrechenbaren Kosten für die notwendige digitale Pflegeanwendung (inklusive der Zurverfügungstellung durch den Hersteller) bzw. die im Einzelfall erforderliche ergänzende Unterstützung bei deren Nutzung ergeben sich:

  • für die digitalen Pflegeanwendungen aus der Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und dem Hersteller der digitalen Pflegeanwendung nach § 78a Absatz 1 SGB XI.
  • für die ergänzenden Unterstützungsleistungen aus den zu schließenden Vergütungsvereinbarungen zwischen den Kostenträgern nach § 89 Absatz 2 SGB XI und dem jeweiligen Pflegedienst (vergleiche § 89 Absatz 1 Satz 1 SGB XI)

Die erstattungsfähige maximale Leistungshöhe der Pflegekasse liegt insgesamt für Leistungen nach den §§ 39a und 40a SGB XI bei monatlich 50 Euro (§ 40b SGB XI).

Werden ergänzende Unterstützungsleistungen im Sinne des § 39a SGB XI rechtmäßig erbracht, ist der Vergütungsanspruch des Pflegedienstes unmittelbar gegen die zuständige Pflegekasse zu richten soweit dieser durch den Bescheid der Pflegekasse festgelegt ist und der von der Pflegekasse zu zahlende leistungsrechtliche Höchstbetrag nach § 40b SGB XI nicht überschritten ist (§ 120 Absatz 4 SGB XI). Für darüberhinausgehende abgerufene Leistungen dürfen der pflegebedürftigen Person als selbstleistender Person keine höheren als die nach § 89 vereinbarten Vergütungen berechnet werden.

12.2. Inhalt der Leistungen im SGB XII

Digitale Pflegeanwendungen und die ggf. bei deren Nutzung erforderlichen ergänzenden Unterstützungsleistungen sind dem Bereich der häuslichen Pflege zugeordnet (§ 63 Absatz 1 Satz 1 SGB XII und die systematische Verortung in den Normen der ambulanten Leistungen vor der vollstationären Langzeitpflege). Sie stehen ausdrücklich auch dem Personenkreis mit Pflegegrad 1 zur Erweiterung dessen Leistungsspektrums offen (§ 63 Absatz 2 SGB XII).

Eine Anspruchsberechtigung kann grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem 7. Kapitel des SGB XII vorliegen, d. h.

  • festgestellte Pflegebedürftigkeit i.S.d. § 14 SGB XI (auch, wenn für voraussichtlich weniger als 6 Monate);
  • das Vorliegen von einem der folgenden Merkmale:
    • nicht pflegeversichert (auch sog. Chipkartenfälle nach § 264 SGB V)
    • Wartezeit von zwei Jahren für Leistungen der Pflegeversicherung noch nicht erfüllt
    • benötigte ergänzende Hilfen zu den gedeckelten Leistungen der Pflegekasse nach dem SGB XI;
  • Sozialhilfebedürftigkeit

und ein entsprechender individueller Bedarf für die jeweilige Leistung festgestellt wurde.

12.2.1. Digitale Pflegeanwendungen – § 64j SGB XII

Nach § 64j Absatz 1 SGB XII haben pflegebedürftige Personen einen Anspruch auf eine notwendige Versorgung mit Anwendungen, die von den Pflegebedürftigen oder in der Interaktion von Pflegebedürftigen, Angehörigen und zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen genutzt werden, um insbesondere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen zu mindern und einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken.

Hingewiesen wird auf die aktuelle Abweichung des nutzenden Personenkreises zum Wortlaut des § 40a Absatz 1 SGB XI „oder in der Interaktion von Pflegebedürftigen mit Angehörigen, sonstigen ehrenamtlich Pflegenden oder zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen genutzt werden“.

Die Auswahl und Erstattungsfähigkeit von digitalen Pflegeanwendungen beschränkt sich auf die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a Absatz 3 SGB XI aufgenommenen Anwendungen (§ 64j Absatz 2 SGB XII).

12.2.1.1. Definition digitaler Pflegeanwendungen

Eine allgemeine Definition ist Ziffer 12 Absatz 2 dieses Rundschreibens zu entnehmen. Die Rechtsverordnung des BMG wird diese Anforderungen konkretisieren.

Mit der Festlegung der Zwecke, denen die digitalen Pflegeanwendungen dienen, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers auch dem Vorrang der häuslichen Pflege nach § 64 SGB XII Rechnung getragen werden.

Insbesondere unterfallen dem neuen Leistungsanspruch neben Anwendungen zur Organisation und Bewältigung des pflegerischen Alltags auch Angebote, die zur Bewältigung besonderer pflegerischer Situationen, etwa im Bereich der Erhaltung der Mobilität oder bei Demenz eingesetzt werden können, sowie den Austausch zwischen Pflegefachkräften und Angehörigen bzw. den Pflegebedürftigen erheblich verbessern.

Beispielhaft werden folgende Anwendungsmöglichkeiten genannt:

  • Stabilisierung bzw. Verbesserung des Gesundheitszustandes der pflegebedürftigen Person durch Übungen und Trainings (z. B. Sturzprävention durch KI-basierte Analysen von Smartphone-Kameraaufnahmen des Gangbildes und daraus abgeleitete Anleitungen)
  • Anleitung therapeutischer Maßnahmen per passgenauer App
  • personalisierte Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz
  • Unterstützung bei der Vorbeugung, Vorsorge und Erkennung von Dekubitus

12.2.1.2. Beschaffenheitsvoraussetzung digitaler Pflegeanwendungen

Die Anwendungen müssen auch hier wesentlich auf digitalen Technologien beruhen (§ 64j Absatz 1 SGB XII). D. h. sie bestehen aus vorrangig software- oder webbasierten Versorgungsangeboten, die auf mobilen Endgeräten oder als browserbasierte Webanwendung genutzt werden. Auf diese Weise werden umfangreiche Hardwareausstattungen von dem Anspruch ausgeschlossen.

Die Nutzung von Daten, die der Anwendung etwa von Alltagsgegenständen des täglichen Lebens wie Fitnessarmbänder oder Hilfsmitteln zur Verfügung gestellt werden, fallen nicht unter den Leistungsanspruch.

12.2.2. Ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen – § 64k SGB XII

Ausschließlich bezugnehmend auf § 64j SGB XII erweitert § 64k SGB XII den Anspruch auf digitale Pflegeanwendungen um ergänzende Unterstützungsleistungen bei deren Nutzung, wenn diese bei der Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen gewünscht werden und erforderlich sind (z. B. um den pflegerischen oder betreuerischen Nutzen sicherzustellen).

Die jeweilige Unterstützungsleistung kann nur durch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen entsprechend des jeweils hierzu abgeschlossenen Rahmenvertrages nach § 75 Absatz 2 Nr. 1a SGB XI und Vergütungsvertrages nach § 89 SGB XI erbracht werden. Die jeweilige Unterstützungsleistung muss zudem ausdrücklich Bestandteil des privatrechtlichen Pflegevertrags nach § 120 SGB XI geworden sein.

Die Auswahl und Erstattungsfähigkeit von Leistungen nach § 64k SGB XII beschränkt sich auf die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Rahmen des Aufnahmeverfahrens in das Pflegeanwendungs-Verzeichnis (§ 78a Absatz 5 Satz 6 SGB XI) jeweils festgelegten ergänzenden Unterstützungsleistungen (§ 64k SGB XII). Die Information, welche ergänzenden Unterstützungsleistungen für die Nutzung der digitalen Pflegeanwendung als erforderlich festgelegt wurden, entspricht den Ausführungen unter Ziffer 12.1.2. Absatz 3.

12.2.3. Abrechnungsmodalitäten

Auch in der Hilfe zur Pflege werden die Leistungen für digitale Pflegeanwendungen nach § 64j SGB XII und die ergänzende Unterstützung bei deren Nutzung nach § 64k SGB XII im Rahmen der Kostenerstattung gewährt.

Die ggü. dem Träger der Sozialhilfe nach Abzug ggf. einschlägiger vorrangiger Leistungen anderer Kostenträger abrechenbaren Positionen ergeben sich wie unter Ziffer 12.1.3. beschrieben.

Die Leistungen für digitale Pflegeanwendungen und die ergänzende Unterstützung bei deren Nutzung nach dem SGB XII sind im Gegensatz zu denen des SGB XI nicht betragsmäßig gedeckelt. So kann es auch erforderlich sein, weitere als notwendig erachtete digitale Pflegeanwendungen und entsprechende Unterstützungsleistungen zu gewähren, deren Beantragung aufgrund der gedeckelten Leistung im SGB XI gegenüber der Pflegekasse erfolglos bliebe.

Folgende Rundschreiben werden mit der Veröffentlichung des vorliegenden Gesamt-Rundschreibens aufgehoben:
  • Rundschreiben I Nr. 09/2015
  • Rundschreiben I Nr. 06/2010
  • Rundschreiben I Nr. 15/2006
  • Rundschreiben I Nr. 20/2005
  • Rundschreiben I Nr. 04/2005