Europa in der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung

Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung

Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung begleitet den Prozess der Europäisierung in allen Geschäftsbereichen aktiv und setzt sich in den zuständigen Gremien, insbesondere im Bundesrat, aber auch auf den regelmäßig stattfindenden Ministerkonferenzen sowie in den fachspezifischen ministerialen Länderarbeitsgruppen für eine integrative und innovative Haltung der Bundesrepublik Deutschland am Brüsseler Verhandlungstisch ein.

Auch auf EU-Ebene nimmt die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung direkten Einfluss. Dies erfolgt durch die Teilnahme an öffentlichen Konsultationen der Europäischen Kommission. Im Rahmen dieser Konsultationen nehmen wir beispielweise zu Geltungsumfang, Prioritäten und Mehrwert neuer EU-Initiativen Stellung oder bewerten bestehende Politiken und Rechtsvorschriften.

Auch wenn die von den Gerichten und Staatsanwaltschaften wahrzunehmenden Aufgaben der Rechtsprechung, Strafverfolgung und sonstigen Rechtspflege nach wie vor grundsätzlich nicht in den unmittelbaren Kompetenzbereich der Europäischen Union fallen, findet eine immer weiter greifende Angleichung der Verfahren und materiellen Rechtsgrundlagen statt. Gleichzeitig wird die justizielle Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Behörden im Bereich des Zivilrechts und des Strafrechts zunehmend ausgeweitet und effektiviert. Dies bringt Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft, aber auch für die Wahrnehmung und ggf. Durchsetzung öffentlicher Interessen. Denn von schnelleren und einfacheren Verfahrensabläufen, dem Abbau bürokratischer Hindernisse und der unmittelbaren Vernetzung der zuständigen Behörden profitiert jede Bürgerin und jeder Bürger; zudem sind verlässliche Justizsysteme Motor für Wachstum und wirtschaftliche Stabilität.

Im Rahmen des Europäisierungsprozesses ist es uns ein Anliegen, dass grundlegende und bewährte innerstaatliche Regelungen erhalten bleiben und soweit wie möglich in die europäischen Rechtsinstrumente übernommen werden. Gleichzeitig sind wir offen dafür, in anderen Mitgliedstaaten erprobte Regularien auf europäischer Ebene zu unterstützen. Auf diese Weise tragen wir zur Weitereinwicklung der Europäischen Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bei.

Entsendung von Justizangehörigen

Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung unterstützt den Prozess der europäischen Integration durch Entsendung von Justizangehörigen an europäische Institutionen und internationale Organisationen. Auf diese Weise kann unsere Expertise auf dem Gebiet des nationalen Rechts und der hiesigen Praxis auf europäischer Ebene nutzbar gemacht werden. Berliner Dienstkräfte aus dem Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung sind regelmäßig in unterschiedlichen europäischen Organisationen und Bundeseinrichtungen, wie beispielsweise bei Eurojust in Den Haag und bei der Europäischen Staatsanwaltschaft, sowie im Büro des Landes Berlin bei der EU in Brüssel tätig. Gleichzeitig schätzen wir europäische Kompetenzen bei der Auswahl und Einstellung unseres eigenen Personals, die zum Beispiel durch Arbeitserfahrungen in europäischen Behörden und Organisationen oder auch im Rahmen eines Studienaufenthalts im EU-Ausland oder die Mitarbeit an einem europäischen Projekt erworben wurden.

Zivilrechtliche Zusammenarbeit

Seit ihrer Integration in das Primärrecht durch den Vertrag von Maastricht 1993 ist die zivilrechtliche Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten ein wesentlicher Faktor bei der Aktivierung des Binnenmarktes. Es gilt daher, Handels- und Freizügigkeitshindernisse abzubauen und die justiziellen Rahmenbedingungen für den Personen-, Dienstleistungs- und Warenverkehr fortlaufend zu verbessern. Aktuell sind auf diesem Gebiet etwa Maßnahmen zu nennen, die darauf abzielen, den Rechtsrahmen für im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge zu vereinfachen und – zum Beispiel durch die Verpflichtung von Unternehmen zur Bereitstellung einer Schaltfläche zur Ausübung des Widerrufsrechts einer Verbraucherin oder eines Verbrauchers – zu modernisieren. Ferner wird derzeit über einen Vorschlag für eine europarechtliche Regelung diskutiert, nach der Unternehmen unter anderem umfassende Verfahren zur Abschwächung der negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt durch ihre Geschäftstätigkeit in ihren Wertschöpfungsketten umsetzen müssen. Die Berliner Justizverwaltung begleitet diese Prozesse in besonderer Weise durch regelmäßige Ausrichtung und Teilnahme an Diskussionsforen in Brüssel.

Strafrechtliche Zusammenarbeit

Im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit gilt es einerseits eine effektive, den Anforderungen der immer komplexer werdenden Kriminalität Stand haltende Strafverfolgung zu gewährleisten und andererseits ein EU-einheitliches und hohes Schutzniveau der Beschuldigtenrechte sicher zu stellen. In diesem Zusammenhang nimmt die Berliner Justiz eine besonders aktive Rolle im Rahmen des „Europäischen Justiziellen Netzes (EJN) in Strafsachen“ ein und unterhält enge Arbeitskontakte zu der europäischen Koordinierungsstelle in Strafsachen „Eurojust“ in Den Haag. Die Maßnahmen auf EU-Ebene insbesondere zur Harmonisierung des nationalen materiellen Strafrechts und zur Rechtsangleichung im Bereich des Strafverfahrensrechts begleiten wir durch unsere Beteiligung an dem Meinungsbildungsprozess der deutschen Bundesländer und über unsere Vertretung im Brüsseler Büro des Landes Berlin.

Justizielle Opferhilfe / Zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Terroranschlägen

Das Thema justizielle Opferhilfe besitzt sowohl für die EU als auch für die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung einen hohen Stellenwert. Seit dem Jahr 2018 besteht in der Senatsverwaltung ein eigenes Referat dafür. Dieses ist zugleich Zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Terroranschlägen und deren Angehörige.

Eine Hauptaufgabe des Referates ist es, die Gesamtsituation von Betroffenen von Straftaten zu analysieren, deren Belange aufzunehmen und diese in den Bereich der Opferhilfe einzubringen. Dies umfasst zum einen das Schaffen eines niedrigschwelligen Zugangs zu Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten. Zum anderen geht es um die Verbesserung der Situation von Betroffenen im Ermittlungs- und Strafverfahren. Auch für eine Weiterentwicklung des sozialen Entschädigungsrechts und einen erleichterten Zugang zu anderen finanziellen Hilfen setzt sich das Referat ein.
Wichtige Grundlage für die Arbeit des Referats bildet dabei die EU-Opferschutzrichtlinie. Diese Richtlinie gibt den Opfern von Straftaten beispielsweise das Recht auf Zugang zu Unterstützungsdiensten. In Berlin gibt es eine große Vielfalt dieser Unterstützungsdienste. Das Referat arbeitet daran, dass diese Hilfe immer besser bei den Betroffenen ankommt, indem beispielsweise die proaktive Opferhilfe weiter vorangetrieben wird. Im Rahmen der proaktiven Opferhilfe werden Opfer von Straftaten von Mitarbeitenden einer Opferhilfestelle kontaktiert. Die Betroffenen müssen sich also nicht selbst um ein Hilfsangebot kümmern, sondern ihnen werden Angebote unterbreitet. Dies erleichtert ihnen den Zugang zu individuell passenden Unterstützungsleistungen.

Neben der Opferschutz-Richtlinie stellt die Opferschutzstrategie der EU-Kommission für die Jahre 2020-2025 eine maßgebliche Orientierung für die Arbeit des Referates dar. Ein Ziel, das die Kommission hierin benennt, ist es, die Kooperation zwischen den einzelnen Akteuren des Opferschutzes/der Opferhilfe zu stärken. Dieses Ziel wird auch das Referat im Jahr 2022 weiterverfolgen, weil nur durch eine konstruktive Zusammenarbeit innerhalb der Berliner Hilfelandschaft, Weiterentwicklungen in der Opferhilfe möglich sind.

Antidiskriminierungspolitik

Zu den zentralen gesellschaftspolitischen Zielsetzungen des Berliner Senats gehört es, das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung durchzusetzen. Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung bündelt und stärkt die Antidiskriminierungspolitik auf Landesebene. Sie versteht es dabei als eine ihrer Aufgaben, auch die für Berlin wirksamen europäischen antidiskriminierungspolitischen Impulse und Programmatiken aufzunehmen, umzusetzen und zu kommunizieren.

Insbesondere wird auf Grundlage der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) auf den Weg gebracht, das Schutz vor Diskriminierungen aufgrund einer rassistischen Zuschreibung, vor Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der sexuellen und geschlechtlichen Identität und des sozialen Status bietet. Das LADG wird bestehende Schutzlücken bei Diskriminierungen durch hoheitliches – d.h. öffentlich-rechtliches – Handeln des Landes Berlin schließen, den Betroffenen Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung geben, eine Beweislasterleichterung in Form einer Vermutungsregelung und ein Verbandsklagerecht enthalten.

Die EU ist nach wie vor als Impulsgeberin und kritische Begleiterin der nationalen Antidiskriminierungspolitiken anzusehen, obwohl auf Bundesebene der Richtlinienvorschlag der Europäische Kommission zur sog. 5. Gleichbehandlungsrichtlinie (KOM (2008) 426) nach wie vor keine Zustimmung findet. Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung unterstützt ausdrücklich die Initiative der EU-Kommission, die dazu beitragen könnte, das bislang unterschiedliche Schutzniveau für einzelne Merkmale abzubauen, so dass das Recht auf Gleichbehandlung über den Bereich der Beschäftigung hinaus auch beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, in den Bereichen Bildung und Sozialschutz einschließlich des Gesundheitswesens und bei sozialen Vergünstigungen gewährleistet werden kann. Auf europäischer Ebene gilt dieses bisher nur für die Diskriminierungsgründe ethnische Herkunft und Geschlecht, jetzt sollen auch die Merkmale Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität in den umfassenderen Diskriminierungsschutz einbezogen werden. Die Kommission folgt damit einem konsequent horizontalen antidiskriminierungsrechtlichen Ansatz.

Mit Blick auf das Themenfeld Antisemitismus hat die Europäische Kommission im Januar 2021 in ihrem „Handbook for the practical use of the IHRA Working Definition of Antisemitism“ (DS-03-21-002-EN-C) das Berliner Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention, das der Senat von Berlin am 12. März 2019 beschlossen hat, als ein „good practice example“ herausgestellt, wie auch die Einrichtung einer Antisemitismusbeauftragten bei der Berliner Generalstaatsanwaltschaft und die vom Senat geförderte „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus“ (RIAS), die im Bereich des zivilgesellschaftlichen Monitorings arbeitet. Handlungsgrundlage des Landeskonzepts ist die IHRA-Definition, die vom Rat der Europäischen Union erneut am 02.12.2020 (13637/20) als Grundlage der Antisemitismusbekämpfung in Europa bekräftigt wurde.

LSBTI-Politik

Das Land Berlin betreibt seit 1989 eine aktive Politik für die Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Personen (LSBTI). Im Mittelpunkt dieser Politik steht insbesondere die Selbstbestimmung von LSBTI zu ermöglichen, Emanzipation zu stärken und Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks zu verhindern bzw. abzubauen.

Als Querschnittsthema finden sich LSBTI-Themen in vielen Bereichen der EU-Politik wieder, wie zum Beispiel in der Asylpolitik, im Bereich der Grundrechte, der Justiz oder der Freizügigkeit, um nur einige Beispiele zu nennen. In diesem Zusammenhang sei auch die von der EU Kommission am 12. November 2020 vorgestellte „EU-Strategie zur Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, Transgender-, nichtbinären, intersexuellen und queeren Personen (LGBTIQ)“ erwähnt. Dabei handelt es sich um die erste Strategie dieser Art in der Europäischen Union. Die Strategie nimmt nun stärker die Ungleichheiten und Herausforderungen, mit denen LSBTI-Personen konfrontiert sind, stärker in den Fokus. Die Strategie sieht u.a. vor, die Liste der „EU-Straftaten“ um Hassstraftaten, einschließlich homophober Hetze und Hassdelikte, zu erweitern und neue Rechtsvorschriften über die gegenseitige Anerkennung von Elternschaft in grenzüberschreitenden Situationen vorzulegen. Ferner sollen die Belange von LSBTI-Personen in der Politikgestaltung der EU angemessen berücksichtigt werden.

Ferner beobachtet der Fachbereich aktuelle fachpolitische Entwicklungen in Bezug auf LSBTI sowohl in der EU als auch im Europarat und wertet beispielsweise Rechtsprechungen des EuGH oder des EGMR aus.

Der Fachbereich LSBTI bei der LADS engagiert sich darüber hinaus auch aktiv auf europäischer Ebene und steht in Kontakt mit bzw. vernetzt sich sowohl mit europäischen Institutionen und Organisationen wie beispielsweise mit der EU-Grundrechteagentur, der SoGi-Einheit sowie der European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) des Europarats, Verbänden wie Transgender Europe oder ILGA Europe als auch mit weiteren europäischen Städten im Rahmen des Rainbow Cities Networks (RCN).

Mit der Im Sommer 2019 vom Senat verabschiedeten Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt!“, einem Aktionsplan mit über 90 Maßnahmen, setzt der Berliner Senat auch europapolitische Akzente. So soll sich das Land Berlin verstärkt im Rainbow Cities Netzwerk (RCN) einbringen und andere Städte, insbesondere Partnerstädte dazu einladen, sich dem Städtenetzwerk anzuschließen. Auch soll die Zusammenarbeit mit Berlins Partnerstädten in Zusammenhang mit der Förderung der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt verstärkt werden.

European Coalition of Cities against Racism (ECCAR)

Berlin ist seit 2006 aktives Mitglied der Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus (ECCAR) Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus. Der Beitritt zur Städtekoalition erfolgte mit der Unterzeichnung des 10-Punkte-Aktionsplans gegen Rassismus. Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung vertritt das Land Berlin im Lenkungsausschuss dieser Europäischen Städtekoalition. Darüber hinaus beteiligt sich Berlin an verschiedenen thematischen Arbeitsgruppen dieser Städtekoalition.
Die Europäische Städtekoalition gegen Rassismus „European Coalition of Cities Against Racism” (ECCAR) besteht seit 2004. Sie geht auf eine UNESCO Initiative zurück. Das Konzept basiert auf der Einsicht, dass Diskriminierung vor Ort entsteht und demnach auch vor Ort bekämpft werden muss. Die UNESCO kooperiert heute mit regionalen Städtekoalitionen in sechs Weltregionen. Inzwischen haben sich über 140 europäische Städte dieser ECCAR angeschlossen.

Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung nimmt regelmäßig an den Lenkungsausschuss- und Arbeitstreffen der Städtekoalition teil. Berlin ist Mitglied in den Arbeitsgruppen zu Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus, zu Antiziganismus und zur Umsetzung der UN Decade for People of African Descent. Der Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus war aktiv an der Auftaktkonferenz der Arbeitsgruppe Antisemitismus beteiligt. Mit dem Ansprechpartner zu Antisemitismus wird Berlin auch weiterhin an dieser Arbeitsgruppe mitwirken. Die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Umsetzung der UN Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft geht auf eine Initiative Berlins zurück. Die Abteilung Antidiskriminierung der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung beteiligt sich im Rahmen der Arbeitsgruppe zu antimuslimischen Rassismus an der Erstellung eines Good Practice Guide Books zu öffentlichen Maßnahmen gegen antimuslimischen Rassismus.

Elektronischer Rechtsverkehr

Durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und dem Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs steht die Justiz vor der vermutlich größten Umwälzung ihrer jüngeren Geschichte, der Digitalisierung der Justiz. Dabei liegt ein Schwerpunkt in der Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs mit der Anwaltschaft. Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung ermöglicht bereits seit 2010 den elektronischen Zugang zu den Berliner Gerichten und Strafverfolgungsbehörden. Auf EU-Ebene steht der Ausbau der europäischen E-Justiz an. In diesem Rahmen setzen wir uns dafür ein, den grenzüberschreitenden elektronischen Zugang zum Recht für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in Europa zu verbessern und die elektronische Zusammenarbeit von Einrichtungen der Justiz innerhalb von Europa zu fördern. Deshalb beteiligen wir uns über das Europäische Mahnverfahren an dem zu diesem Zweck gegründeten Projekt “e-CODEX” (e-Justice Communication via Online Data Exchange) von 19 europäischen Staaten und weiteren Partnern. Mit dem zentral für ganz Deutschland am Amtsgericht Wedding angesiedelten Europäischen Mahnverfahren, werden grenzüberschreitende Verfahren im Zusammenhang mit unbestrittenen Forderungen vereinfacht, beschleunigt und kostengünstig abgewickelt. In der praktischen Durchführung setzen wir dabei das in Kooperation mit Österreich entwickelte IT-Fachverfahren EUMAV ein, das von der Europäischen Kommission mit dem E-Government-Award ausgezeichnet wurde.

Berliner Justizvollzug

Der Berliner Justizvollzug wird in seiner konkreten Ausgestaltung maßgeblich auch durch Entwicklungen auf europäischer Ebene geprägt. Dabei liegt die Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug seit 2006 unmittelbar bei den Ländern und nicht mehr beim Bund. Unsere Abteilung für Justizvollzug achtet bei der Erarbeitung der Gesetzesentwürfe für den Berliner Straf-, Jugend- oder Sicherungsverwahrungsvollzug darauf, dass die in diesem Bereich unabdingbaren Grundprinzipien gewahrt werden. Dazu gehört, dass Personen, denen die Freiheit entzogen ist, unter Achtung ihrer Menschenrechte zu behandeln sind und dass sich Einschränkungen im Rahmen des Freiheitsentzugs grundsätzlich auf das Mindestmaß beschränken und verhältnismäßig sind. Auf EU-Ebene werden die zu beachtenden europäischen Standards für den Justizvollzug maßgeblich durch die Europäische Menschenrechtskonvention, das Ministerkomitee des Europarates, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) gesetzt. Insbesondere die im Jahr 2006 aktualisierten und überarbeiteten Europäischen Strafvollzugsgrundsätze enthalten wichtige Leitlinien.

Delegationen des vom Europarat ins Leben gerufenen CPT besuchen in regelmäßigen Abständen Hafteinrichtungen in Deutschland. Kündigt eine Delegation des CPT, die sich aus unabhängigen Experten verschiedener Fachbereiche zusammensetzt, ihren Besuch für Berliner Justizvollzugsanstalten bei uns an, organisieren wir diesen in enger Abstimmung mit den ausgewählten Anstalten, um so den Mitgliedern des CPT stets einen umfassenden Einblick und die in ihrem Interesse stehenden Informationen über unseren Justizvollzug geben zu können. Zu den danach vom CPT erstellten Besuchsberichten und Empfehlungen geben wir eine Stellungnahme für die Bundesregierung ab und greifen die vorgetragenen Verbesserungsvorschläge für unsere vollzugliche Praxis und unsere Gesetzesvorhaben auf. Der Berliner Justizvollzug führt seit 2001 zahlreiche Projekte durch, die durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) ermöglicht worden sind. Ziel dieser Projekte ist stets, Maßnahmen für Inhaftierte bzw. Haftentlassene zu entwickeln und zu optimieren, um ihnen nach der Haftentlassung die Eingliederung und damit die Resozialisierung zu erleichtern. Dabei stand und steht die arbeitsmarktliche Integration im Fokus, die durch gezielte berufliche und schulische Qualifikation während der Haftzeit vorbereitet werden muss. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die für ein systematisches Übergangsmanagement unerlässliche Netzwerkarbeit, da der Prozess der sozialen und arbeitsmarktlichen Integration nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten professionell und verbindlich zusammenarbeiten.

Gemeinsames Juristisches Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg (GJPA)

Ein geeintes Europa braucht europäisch ausgebildete Juristinnen und Juristen; daher liegt ein besonderes Augenmerk der Arbeit des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg (GJPA) auf diesem Aspekt. Im ersten und zweiten juristischen Staatsexamen gehören die europarechtlichen Bezüge in allen Pflichtfächern zum Prüfungsstoff. Hierauf legen wir in unserer Prüfungspraxis sowohl in den schriftlichen Klausuren als auch in den mündlichen Prüfungen besonderen Wert. Im Rahmen der juristischen Ausbildung haben Zugang zum deutschen Rechtsreferendariat in Berlin und Brandenburg – über die beim GJPA angesiedelte Gleichwertigkeitsprüfung – auch Hochschulabsolventen aus anderen EU-Staaten. Für ausgebildete Juristinnen und Juristen aus dem EU-Ausland ist die Eignungsprüfung für die europäische Rechtsanwaltschaft für die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein beim GJPA konzentriert. Zudem unterstützt das GJPA fortlaufend die europäisch ausgerichteten Studiengänge an der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Potsdam und der Europa – Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

Für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist es bei ihrer alltäglichen Arbeit von großer Bedeutung, die aktuellen Entwicklungen des Europarechts im Blick zu haben. Deshalb organisieren und vermitteln wir zahlreiche Fortbildungen im Bereich des Europarechts. Hierbei ist je nach Schwerpunkt und Aktualität der europarechtliche Kontext entweder inhaltlicher Teil einer Fortbildungsveranstaltung zu einem bestimmten Rechtsgebiet (z. B.: Internationale Bezüge des Zivilrechts – Internationales Privatrecht und Gesellschaftsrecht) oder sogar Thema einer eigenen Veranstaltung (z. B.: Europarecht in der strafrichterlichen Praxis, Europarecht in der zivilrichterlichen Praxis und Bedeutung des Europarechts für die arbeitsgerichtliche Instanzenrechtsprechung). Das Angebot rechtlicher Fortbildungen wird ergänzt durch fachspezifische Sprachfortbildungen. So werden fortlaufende Sprachveranstaltungen in Englisch und Französisch für Juristinnen und Juristen angeboten. Zudem schreibt das GJPA in regelmäßigen Abständen Fortbildungen zum Englischen, Französischen und Spanischen Recht aus sowie Kurse in Englisch und Polnisch für sämtliche Justizangehörigen. Das GJPA vermittelt auch die Teilnahme von Berliner und Brandenburger Juristinnen und Juristen an Fortbildungen, Bildungsaufenthalten und Hospitationen im europäischen Ausland im Rahmen des European Judicial Training Networks (EJTN). Gerade die Durchführung von Hospitationen stellt ein wichtiges Mittel zur Förderung eines europäischen Bewusstseins bei Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten dar. Wir freuen uns, dass das Interesse der Kolleginnen und Kollegen an der Teilnahme an diesen europäischen Austauschprogrammen seit Jahren konstant hoch ist.