„Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“ im Blick

Schaltterraum der Berliner Sparkasse im Mühlendammgebäude nach einer Zeichnung von Albert Kiekebusch 1894

von Ursula A. Kolbe

Wir blicken auf über 200 Jahre deutsche Spartradition zurück. Und wer darüber mehr wissen will, dem sei die Ausstellung des Deutschen Historischen Museums Unter den Linden in Berlin, in Zusammenarbeit mit der Berliner Sparkasse empfohlen. Unter dem Titel „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“ beleuchtet sie die breite Thematik noch täglich bis zum 26. August.

Ein Schwerpunkt dabei die alle Wirren dieser Zeit überdauernde Auffassung, dass das Sparen eine besondere deutsche Tugend sei; eine Eigenschaft also, die viele und sehr einflussreiche Deutsche im Laufe der Zeit für wünschenswert hielten, dies von sich und anderen forderten. „Das bedeutet natürlich nicht“, um mit Prof. Dr. Raphael Gross, den Präsidenten des Deutschen Historischen Museums, zu sprechen, dass die Deutschen als solche besonders sparsam sind.

Es müsse noch nicht einmal heißen, dass die Deutschen mehr als alle anderen sparen, so dass man etwa sagen könnte: Deutsche sparen, Chinesen prassen. Die zwar mit Vorsicht zu benutzenden Statistiken zeigen im Hinblick auf die Chinesen sogar genau das Gegenteil. Sie sparen im Durchschnitt mehr als Deutsche. Es bedeute nur, dass man zeigen kann, dass Sparen in Deutschland lange Zeit als Tugend angesehen und propagiert wurde, und dass man vermuten könne, dies sei nicht ganz folgenlos für die Gegenwart geblieben.

Scheinbar unbeeindruckt von Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise und historisch niedrigen Zinsen sparen die Deutschen seit langem auf einem konstant hohen Niveau, das keine besonderen Ausschläge zeigt und außergewöhnlich wenig auf wirtschaftliche oder politische Entwicklungen reagiert.

Erste Gedanken schon im 13. Jahrhundert

Fragen drängen sich auf, wie es zu dieser Einstellung kommt und welche Rolle der Staat dabei spielt. Kann diese Sparneigung nicht auch schädlich sein? Fragen, denen die Ausstellung nachgehen will – von der Gründung der Knappschaften als Institute der sozialen Fürsorge für Bergleute im 13. Jahrhundert über die Entstehung und die zentrale Rolle der Sparkassen im ausgehenden 18. Und 19. Jahrhundert bis zum Sparen als politischem Instrument und wichtigem Mittel der Kriegsfinanzierung.

Sie zeichnet die Geschichte der Sparerziehung nach, die seit der Industrialisierung als Gegenmittel zu revolutionärem Gedankengut betrachtet wurde, getreu dem Motto „Wer spart, hat etwas zu verlieren und geht nicht auf die Straße“. In seinem Hauptwerk im ersten Band des Hauptwerks „Das Kapital“ (1867) bezeichnete schon Karl Marx (1818 – 1883), der Nationalökonom und Philosoph, die Sparsamkeit als eine Kardinaltugend des Kapitalismus.

„Der Schatzbildner …macht Ernst mit dem Evangelium der Entsagung, …Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Geiz bilden daher seine Kardinaltugenden, viel verkaufen, wenig kaufen, die Summe seiner politischen Ökonomie.“
Von klein auf wird in Deutschland das Sparen eingeübt und vorgelebt: Anfang des 20. Jahrhunderts tragen Spardosen den Werbeslogan „Junges Blut spar Dein Gut“, Schulsparkassen fördern die Entwicklung eines ausgeprägten Sparsinns; im Nationalsozialismus wird Sparsamkeit zum zentralen Erziehungsziel erklärt.

Die Ausstellung geht auch der vielschichtigen Bedeutung des Sparens im Nationalsozialismus nach, wie dem Verhältnis von Sparideologie und Antisemitismus, der Verzahnung von Finanz- und Staatsapparat und der Popularisierung des Sparens: von der Einführung von Sondersparformen und erfolgreichen Konsumgüterprogrammen bis zum Zweck des Sparens als „geräuschloser“ Rüstungsfinanzierung für die Vorbereitung eines Angriffskrieges.

Die Sparkassen entstanden als Hilfsorganisationen für die unbemittelten Bürger. Sie waren Einrichtungen der Städte. So die ersten 1778 in Hamburg, 1786 in Oldenburg, 1791 in Kiel. Frühe Sparkassenregister voller handschriftlicher Einträge z. B. zeugen davon. Auch ein Porträt von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem vor 200 Jahren geborenen Gründer der Genossenschaftsbewegung. Für die Berliner Sparkasse schlug die Geburtsstunde am 15. Juni 1818; die erste Sparkasse Preußens nahm ihre Geschäfte auf.

Spargroschen im Ersten Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg wurde auch mit Spargroschen geführt. In Berlin war der Patriotismus besonders groß. Schlangen von Menschen zeichneten Kriegsanleihen. Vier Jahre später war das Geld weg. Der angebliche Feind: Die Juden. In der Hitlerzeit galten die Deutschen als genetisch veranlagte Sparer, die Juden als „raffendes Volk“.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Sparen in der Adenauer-Ära politisch motiviert. Ebenso sparten die Deutschen nach der Währungsreform 1948 unermüdlich weiter. Auch heute liegt trotz Nullzins immer noch viel Geld auf den Banken. Die Sparerziehung führe nicht immer zum „ökonomisch richtigen Handeln“, hatte Kurator Robert Muschalla in diesem Zusammenhang kurz vor der Ausstellungseröffnung konstatiert.

Etwa fünfzig Prozent der Deutschen zahlen für eine Riester-Rente ein und helfen damit dem Staat, sich aus der Verantwortung zurückzuziehen. Aber vierzig Prozent sparen gar nichts, viele besitzen nicht einmal ein Bankkonto. Ihnen fehlt nicht die Sparfähigkeit, geschweige denn Sparfähigkeit, ihnen fehlt einfach das nötige Geld dafür.

Eines möge aber keiner erwarten wie vielleicht Tipps über beste Sparanlagen in dieser gewiss finanziellen Unsicherheit, siehe Nullzins. Aber wie hieß es bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Finanzkrise 2008: „Wir sagen den Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“ Ex-Finanzminister Peer Steinbrück 2011 dazu: „Ich weiß bis heute eigentlich nicht, auf welcher rechtlicher Grundlage wir das alles gemacht haben.“

Die Ausstellung knüpft auch mit Expertenstimmen an die aktuellen Debatten an und zeigt mit Seitenblicken nach Großbritannien und Frankreich die Entwicklung des Sparens im internationalen Vergleich. Themenräume zum gegenwärtigen Sparverhalten, zum Geschlechterbild in der Sparwerbung und zur Natursymbolik beleuchten das Phänomen des Sparens Epoche übergreifend.

2018 schauen wir zurück, und Prof. Dr. Gross stellt zu diesem Thema viele neue Fragen in den Raum: Was von der Tradition hat sich fortgesetzt? Wo haben sich bestimmte Vorstellungen in nationalökonomische Theorien übersetzt, die noch heute unsere Finanzpolitik im Privaten oder im Öffentlichen bestimmen? Prägen sie noch heute unsere Deutung von der Finanzpolitik? Was können wir daraus lernen, vielleicht im Umgang mit unseren europäischen Nachbarn? – Ich denke, jeder Tag, jedes Ereignis wird uns neue Erkenntnisse bringen.

Ausstellung für jedermann zugänglich

Eines sei noch hervorgehoben: Die Ausstellung ist inklusiv und barrierefrei. Sie bietet zudem neben Texten in Deutsch und Englisch die Hauptinformationen auch in Braille, in Leichter Sprache sowie als Gebärdenvideo an. „Inklusive Kommunikations-Stationen“ laden zu einem partizipativen Einstieg in jeden Themenbereich ein.

Die Hörführung bietet Informationen zu mehr als 50 Stationen an (dt. und engl.), ergänzt durch historische O-Töne und Übersetzungen handschriftlicher Originale, wahlweise einem Rundgang folgen oder die Ausstellung mit der Hörführung selbst erkunden.

Infos zum Begleitprogramm: www.dhm.de; über Führungen für Erwachsene und Schulklassen unter E-Mail: fuehrung@dhm.de;Tel.: 030/20304-750; weitere Infos und das museumspädagogische Programm im Internet: www.dhm.de/bildung-vermittlung.

Verwiesen sei noch auf die Sonderführung anlässlich des 200. Gründungsjubiläums der Berliner Sparkasse am 15. Juni 2018 um 12 Uhr, 14 Uhr (englisch) und 16 Uhr. Treffpunkt: Ausstellungshalle; 4 Euro pro Person zzgl. Eintritt.

Darin wird aufgezeigt, wie die Sparkassenidee entstand und verbreitet wurde. Anliegen war, durch das Sparen von Kleinstbeträgen auch den Ärmsten der Bevölkerung eine Vorsorge für Notsituationen zu ermöglichen. Anhand von Originalobjekten werden darüber hinaus auch epochenübergreifende Aspekte wie Sparwerbung und Sparerziehung thematisiert, die das Verhältnis zum Sparen in Deutschland bis heute nachhaltig prägen.