Durst auf den „längsten Biergarten der Welt“

Zum 21. Mal durstiger Andrang in der Berliner Karl-Marx-Allee bei der Biermeile

von Ursula A. Kolbe

„Wer kein Bier hat, hat nichts zu trinken!“ Diesen nunmehr sicher über 500 Jahre alten Spruch Martin Luthers – dessen Name mit Blick auf 500 Jahre Reformation jetzt in vieler Munde ist – dürften die Bierliebhaber im Hinterkopf haben, die schon einen Termin im Kalender fest vermerkt haben:
Das 21. Internationale Bierfestival in der traditionsreichen Berliner Karl-Marx-Allee. Vom 4. bis 6. August 2017 bevölkern dann wieder Hunderttausende die Stände zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor. Eine Touristenattraktion für Gäste aus aller Welt.

Und das sind die Biere ja allemal. Im „längsten Biergarten der Welt“ präsentieren sich auf insgesamt 2,2 Kilometern 344 Brauereien aus 87 Ländern mit 2.400 einmalig vertretenen Bieren. 22 Bierregionen bieten ihre kulinarischen Spezialitäten an. Und ebenso tragen die Auftritte nationaler und internationaler Künstler auf den 19 Bühnen zum stimmungsvollen Bild dieses Traditionsfestes bei.

Jedes Jahr stehen ein Land, eine Region oder ein spezielles Thema im Fokus. Das war natürlich im vergangenen Jahr die Rückblende auf 500 Jahre deutsches Reinheitsgebot. Dieses Jahr haben zwei Traditionsbrauereien aus Nordrhein-Westfalen die Ehre: So feiert die Privatbrauerei Ernst Barre aus dem Kreis Minden-Lübbbecke im Wiehengebirge ihr 175jähriges Jubiläum.

Die 1842 von Ernst Johann Barre gegründete Erzquell Brauerei Bielstein ist eine Ortschaft der Stadt Wiehl im Oberbergischen Kreis und seit vier Generationen in Familienbesitz. Einen zweiten Standort gibt es mit der über 127jährigen Erzquell Brauerei in Siegtal am Fuße des Giebelwaldes.

Die Deutschen lieben ihren „Gerstensaft“

Sozusagen schon altes Urgestein auf der beliebten Biermeile ist auch die 1. Dampfbierbrauerei Zwiesel. Über den Berliner Geschäftspartner Michael Ruth, Inhaber der Firma „Biere-der-Welt“, der auch das süffige Dampfbier in Berlin und Umgebung vertreibt, sind die traditionsreichen Brauer aus dem anerkannten Luftkurort im niederbayerischen Landkreis Regen seit dem ersten Bierfestival in Berlin dabei, verrät uns Elisabeth Pfeffer, die uns damals bei unserem Besuch in der Zwieseler Brauerei in die Geheimnisse des Dampfbierbrauens eingeweiht hatte.

Überhaupt lieben die Deutschen ihr Bier: Jedes Jahr werden hierzulande etwa acht Milliarden Liter Bier getrunken. Es gibt über 1.350 Braustätten, die circa 5.000 verschiedene Biere herstellen. Also kann ein Bierliebhaber theoretisch 13,5 Jahre lang jeden Tag ein neues Bier aus Deutschland trinken und verkosten.

Das Bierbrauen in die Welt getragen

Aber nicht nur hierzulande werden deutsche Biere genossen. So wurden 1,5 Milliarden Liter Bier ins Ausland exportiert. Die Braukultur Deutschlandes ist weltweit bekannt. Schon der Römer Tacitus beschrieb in seinem Werk Germania im Jahr 98 n. Chr. das deutsche Gebräu so. „Zum Getränk dient (den Germanen) eine Flüssigkeit aus Gerste oder Weizen, zu einer gewissen Weinähnlichkeit vergoren.“

Unzählige Touristen pilgern jedes Jahr nach Deutschland, um die Heimat ihrer Lieblingsbiere auf Bierfesten, in Bars und Kneipen, bei Verkostungen kennen zu lernen. Umgekehrt haben viele Deutsche das traditionsreiche Handwerk des Bierbrauens in die Welt getragen. Und etliche internationale Biere, zum Beispiel aus den USA, China und Australien, werden in Andenken und mit einem deutlichen Bezug zu deutschen Bierbraurezepturen hergestellt.

So basieren die ersten Brauversuche des Brauereigründers Jim Koch, der die amerikanische Craftbier Brauerei Samuel Adams 1984 auf den auf dem Dachboden wiedergefundenen Braurezepten seines ursprünglich aus Deutschland stammenden Großvaters aufgebaut hat. Ein weiteres Beispiel von deutscher Braukunst findet sich in China: Die Tsingtao Brauerei wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von deutschen Brauern in der Stadt Tsingtau (heute: Qingdao) gegründet und ist heute zweitgrößte Bierbrauerei Chinas sowie eine der größten der Welt.

Brauhäuser „die vornehmsten Apotheken“

Thomas Mann ist es allabendlich gut bekommen, Richard von Weizsäcker sehnte sich nach heißen Reden oft nach dem kühlen Gerstensaft, und schon Paracelsus hielt es „für eine Medizin mit wunderbarer und unaussprechlicher Wirkung“.
Was dran ist am deutschen Bier, erklärt vor allem das „Drin“ des begehrtesten Kaltgetränkes hierzulande. Denn deutsches Bier ist nicht nur Geschmack und Bekömmlichkeit, weil es seit 1516 nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wird.

Die ausschließliche Verwendung von Malz aus Braugetreide, Hopfen, Hefe und Brauwasser hat auch eine Reihe wertvoller Inhaltsstoffe, die das Bier zu einem Genuss- und Nahrungsmittel machen. Für den kursächsischen Arzt Henckel waren Brauhäuser sogar „die vornehmsten Apotheken“.

Interessant ist zu wissen, dass mengenmäßig größter Bestandteil des Bieres mit ca. 90 Prozent Wasser ist. Demgegenüber stehen, natürlich nach Reinheitsgebot, jeweils ca. fünf Prozent Alkohol und Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Mineralstoffe und Vitamine. Der hohe Wassergehalt und die enthaltenen Elektrolyte und Mineralstoffe sorgen dann für die gute durstlöschende Wirkung.

Ebenso laden die zahlreichen Kohlenhydrate die Energiekammern des menschlichen Körpers wieder auf. Die im Bier mitgelieferten Spurenelemente Eisen und Kupfer tragen zur Blutbildung bei. Ebenfalls mit von der Partie ist zur Immunbildung wichtiges Zink, Kalium, Kalzium, Magnesium und besonders Phosphorsäure für den Zwischenstoffwechsel. Selbst die Zähne bekommen das für die Stabilisierung des Zahnschmelzes so wichtige Fluor.

Den im Bier präsenten Vitaminen der B-Gruppe, auch „Nervenvitamine“ genannt, wird eine große Bedeutung zugeschrieben. Sie tragen zur Stärkung der Konzentration bei, regen den Stoffwechsel an und aktivieren den Kreislauf. Man ist heute sogar überzeugt, dass die medizinische Wirkung von maßvollem Bier-Konsum nicht unterschätzt werden sollte.

Noch ein Wort zum Malz: Besonders durch die 100%ige Verwendung von Malz aus hochwertigem Braugetreide erhält deutsches Bier seinen Status als Genuss- und Lebensmittel. Das zeigt auch die Rezeptur für die Herstellung eines Liters Bieres: 169g Malz, 2g Hopfen, genügend Hefe und etwas mehr als 1 Liter Brauwasser.

Seine Bekömmlichkeit und anregende Wirkung auf unterschiedliche Organe ist ohnehin legendär, denn Bier fördert die Durchblutung, die Verdauung, die Nierenfunktion und beruhigt die Nerven. Auch als Aperitif ist Bier ein geeigneter Appetitanreger vor der Mahlzeit. Na denn, sehr zum Wohle – natürlich in Maßen!