Umlagerte Schlemmermeilen rund um den Funkturm

Bacchus lässt sich einen guten Tropfen Wein aus Sachsen-Anhaltinischen Landen munden

von Ursula A. Kolbe

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah. Wenns dann noch ums Essen und Trinken geht, ein wohlbekannter Tipp: Die Internationale Grüne Woche in den Messehallen unter dem Berliner Funkturm. Sie hatte zum nunmehr 82. Mal ihre Tore geöffnet – und 1.650 Aussteller aus 66 Ländern waren gekommen.

Um die 400.000 Besucher stürmten die Schlemmermeilen in den Hallen – guckten, staunten, kosteten, ein Häppchen hier, ein Häppchen dort, das Bier und anderes Erfrischendes flossen durch die Kehlen und manch prallgefüllter Einkaufsbeutel trat den Heimweg mit an. Wollten wissen, was es in Feld und Flur Neues gibt.

Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hat wohl Recht, wenn er konstatiert, dass die Grüne Woche ein Seismograph für politische und gesellschaftliche Veränderungen rund um die Agrarbranche ist. Hier trifft Tradition auf Innovation, ist umfassende Informations- und Kontaktbörse, kurz macht die Symbiose aus Fach- und Publikums-Event die Grüne Woche seit ihrem Start im Jahre 1926 zum Dauerbrenner.

Auch die 2017er Auflage präsentierte eine globale Marktübersicht der Ernährungswirtschaft sowie ein schier unerschöpfliches Angebot an regionalen und internationalen Produkten, war damit zugleich eine Leistungsschau der Pflanzen- und Tierproduktion sowie des Gartenbaus.

Und im Rahmen des Konferenzprogramms stand im Mittelpunkt das 9. Global Forum for Food and Agriculture 2017 (GFFA). Auf dieser weltweit bedeutendsten agrarpolitischen Tagung diskutierten rund 70 Minister u. a. Schlüsselakteure über das Leitthema “Landwirtschaft und Wasser– Schlüssel zur Welternährung“ als eine der drängendsten Zukunftsfragen der Menschheit.

Blumenhalle verkündete „Das Paradies ist überall“

Wie in jedem Jahr zeigte sich die Blumenhalle wieder als eine Augenweide für alle Sinne. Und jetzt mit Blick auf das 500. Jubiläum der Reformation verwandelte sie das berühmte Zitat von Martin Luther „Das Paradies ist überall“ in ein gartenarchitektonisches Gesamtkunstwerk – mit Frühlingsblühern aller Art, ob Rhododendron, Azaleen oder Orchideen. Das überall entstehen kann – in Parkanlagen und Kleingärten oder Gärten schlechthin.

Im Mittelpunkt der Präsentation des Verbandes der Berliner Kleingärtner stand der Gedanke des „Kleingartenparadieses“. Denn bei allen fernen Paradiesen kann man auch mittsymbolisierte mit ihren fünf Blütenblättern die fünf großen Weltreligionen – mit Gehölzen, Kräutern, Beerensträuchern, Blumen und Gemüse. Auch das Element Wasser als Quelle allen irdischen Lebens fehlte nicht.

In diesem Kontext zog ebenso der Stand der Internationalen Gartenschau die Aufmerksamkeit der Besucher auf das am 13. April beginnende Blumenfestival unter dem Motto „Ein Mehr aus Farben“ auf sich. (Mehr dazu im Beitrag der Ausgabe „Ein Blick auf die IGA und ihren Veranstaltungsreigen“.)

„Regionalität“ allerorten hoch im Kurs

500 Aussteller aus allen Bundesländern von der Küste bis zu den Alpen luden die Messe-Besucher aus Nah und Fern zu einer genussvollen Deutschlandtour ein, stellten sich mit ihren kulinarischen Highlights den kritischen Blicken und Geschmäckern. Hauptsache regional. Denn 76 Prozent der Bundesbürger gaben zu Protokoll, dass sie Produkte aus ihrer Region bevorzugen. Eier, Gemüse, Obst, Fleisch und Milchprodukte sind die beliebtesten Erzeugnisse – bei hoher Qualität und Tierwohl im Blick. Dazu einige Kostproben:

Brandenburg als agrarisches Umland von Berlin hat wieder mit seinen Spezialitäten wie Beelitzer Spargel, Spreewälder Gurke und Äpfel aus dem Havelland schlechthin gepunktet. Und ob Senfprodukte aus dem Spreewald-Culinarium des Spreewaldvereins oder Knoblauchkäse von Uckerkaas Bandelow, die Stände waren jeden Tag dicht umlagert. Mit einem eigens kreierten Bibelbrot aus Anlass des 500jährigen Reformationsjubiläums wartete die Bäckerei Plentz aus Schwante auf.

Unter dem Motto „Bayern – ein Genuss“ gab es die traditionellen Schmankerln wie Käse oder Frankenwein, aber auch z. B. Meerrettich- und Senfspezialitäten. Über den Dampfbierstand lesen Sie mehr in dem Beitrag „Auf ein Dampfbier und manch Naturgeschichtliches“. Eine abwechslungsreiche Genuss-Wanderung durch das Naturschutzgebiet „Großer Pfahl“ bei Viechtach im Bayerischen Wald wurde den Besuchern auf der Sonderfläche in der Bayernhalle dargeboten.

500 Jahre Luther-Jubiläum zogen sich auch durch die Angebote in Sachsen-Anhalt. So brachte „Kathi“ eine Luther Backmischung sowie den Luther- und Katharina-Lieblingskuchen im Glas mit – mit authentischen Zutaten aus dieser Zeit. Entstanden sind ein leckerer Schokokuchen mit Schokostückchen sowie Kirschen als Backmischung, ein Katharina Lieblingskuchen im Glas mit Nüssen und Feigen sowie ein Luther Lieblingskuchen im Glas mit Schokosplits und Rotwein.

Berlin präsentierte sich traditionell mit ihren bekannten Marken wie die Currywurst (Curry 36), die Kultmarke „Mampe“ oder den Spezialmix „Fliegerlikör“. Berlins älteste Konditorei Buchwald servierte ihren „Baumkuchen-Schmarrn“. Schilkin hatte seinen berühmten Kräuterlikör „Berliner Luft“ aufgeboten.

Mecklenburg-Vorpommern lockte mit seinen Spezialitäten aus dem Land an der Ostseeküste. Stichwort nur Afrikanischer Wels. Fünf neue Bockbiere kamen aus der Störtebeker Braumanufaktur, Burger mit Kalbfleisch vom eigenen Betrieb, Bio-Sanddorn-Chili-Senf sowie Mate-Hoch-2, ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk mit Mateextrakt.

Rheinland-Pfalz ist Deutschlands unbestrittenes Weinland Nr. 1. Rund zwei Drittel aller Reben stehen in den Anbaugebieten Rheinhessen, Pfalz, Mosel, Nahe, Mittelrhein und Ahr. Groß ist der Respekt vor einer 2.000 Jahre währenden Weinbautradition, der Mut zu Innovation der großartigen Winzerinnen und Winzer.

„Traditionsreich, Vielfältig, Natürlich: Ungarn“

Zum zweiten Mal in seiner nunmehr 45. Messebeteiligung war Ungarn in diesem Jahr Partnerland der Internationalen Grünen Woche. Ein Land, das sich stolz auf seine Traditionen präsentierte, zugleich modern und wandlungsfähig.
Wie immer standen im Fokus der Besucher die Spezialitäten der über 20 Aussteller. Neben der berühmten ungarischen Salami, beispielsweise aus Szeged, standen hausgemachte regionale Produkte hoch im Kurs, z. B. vom ungarischen Steppenrind und Mangalica (Woll)-Schweinen. Eine weitere Spezialität ist “sauereingelegtes Gemüse“, das nach alten Hausrezepten in Vecsés (dt: Wetschesch) hergestellt wird.

Und natürlich durften auch Weine aus den 22 Anbaugebieten nicht fehlen, wie der aus dem berühmten Weinanbaugebiet Tokaj. Ebenso gehörte Palinka, ein Obstbrand, der nur aus heimischen Früchten hergestellt werden darf, also ein echtes Hungarikum“, dazu. Hergestellt nach strengem Reinheitsgebot.
Nach wie vor ist Deutschland im Bereich der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft für Ungarn der wichtigste Exportmarkt. 2015 wurden Waren für rund 1,22 Mrd. Euro geliefert. Umgekehrt importierte Ungarn deutsche Waren für 976 Mio Euro. Der Handel mit Deutschland wächst kontinuierlich.

Übrigens habe ich im Vorfeld der Grünen Woche im „Tagesspiegel“ mit großem Interesse eine Reportage über die Landwirtschaft in Ungarn gelesen. Darin konstatiert Landwirtschaftsminister Dr. Sándor Fazekas u. a., dass er die wachsende Zahl der Beschäftigten in diesem Zweig auf die Reformen der letzten Jahre zurückführe.

Wörtlich heißt es weiter: „Seit einer Bodenreform vor zweieinhalb Jahren darf in Ungarn zum Beispiel nur noch Land kaufen, wer aus der Region kommt und Landwirt ist. Großinvestoren, die mit Boden spekulieren und so die Preise in die Höhe treiben, sollen außen vor bleiben. Um größere Chancen auf dem EU-Markt zu haben, setzt Ungarn stärker auf die biologische Landwirtschaft. Besonders streng ist das Land beim Einsatz von Gentechnik. Seit 2011 ist die in Ungarn verboten.“

Auch das sei noch vermerkt: „Wir wollen unsere 100jährige Unabhängigkeit auch im Ausland feiern, und wo gibt es da eine bessere Möglichkeit als auf der weltgrößten Agrarmesse“, hatte Finnlands Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Kimmo Tilikainen bei der Standeröffnung auf der Grünen Woche herausgestellt.

Deutschland ist der viertgrößte Exportkunde des Landes und die Messe dessen „Showroom“ in der Bundesrepublik, so Esa Wrang, Leiter des Lebensmittelsektors von Export Finnland. In den kommenden Monaten will man 100 neue Produkte auf den Markt bringen. Und: Selbst der Weihnachtsmann hatte sich nach den Feiertagen Zeit genommen, um in Berlin für sein Heimatland zu werben.