Mittelalterliche Fleischbänke – eine einmalige kulturhistorische Sehenswürdigkeit in Thüringen

Die Fleischbänke in Neustadt/Orla

von Wolfgang Prietsch

Wer einen sehr empfehlenswerten Wanderurlaub im Tal der oberen Saale zwischen der Hohenwarte- und der Bleilochtalsperre unternimmt, braucht nach teilweise anspruchsvollen Wandertagen Ruhezeiten.

Da bieten sich Stadtbesichtigungen im Saale-Orla- Kreis an, z.B. in Neustadt/Orla.
Hier sind neben dem berühmten Cranach-Altar in der St. Johannis-Kirche vor allem die in Europa einmaligen erhaltenen mittelalterlichen Fleischbänke noch in nahezu ursprünglicher Art zu besichtigen.

Dabei handelt es sich um eine in einer Gasse zwischen Markt und Kirche gelegene Ladenstraße der Neustädter Fleischer aus dem Jahre 1475. Von ehemals beidseitig angeordneten 17 Verkaufslauben sind noch 9 Lauben erhalten.

Die in den Lauben/Verkaufsständen tätigen Neustädter Fleischer standen unter strenger Aufsicht eines vom Rat der Stadt beauftragten Fleischaufsehers. Nur hier in an den Fleischständen durfte in Neustadt Fleisch verkauft werden, und zwar zu festgesetzten Preisen bei strenger Einhaltung der damaligen hygienischen Bestimmungen und der Qualitätsanforderungen der damaligen Zeit.

Bis 1948 wurden die Neustädter Fleischstände als Freibank genutzt. In mühevoller Kleinarbeit erfolgte 1984-1987 eine Instandsetzung und Restaurierung, 2002 wurden die Fleischbänke erneut saniert. Noch heute werden sie als Verkaufsstände genutzt, nämlich zum Stadtfest und zum Adventmarkt.

Aus Leipzig gibt es Bilder von ähnlichen Fleischbänken in der Reichsstraße aus dem Jahre 1895, aus Frankfurt am Main Bilder aus der dortigen Altstadt von 1911, und aus Gent (Belgien) Ansichten von den sogenannten Kuttelhäuschen an der Rückseite des dortigen Fleischhauses.

Auch Martin Luther nutzte bei einer Visitation des Neustädter Augustiner-Eremitenklosters die Fleischbänke-Gasse als Wegabkürzung, als er in der St. Johanniskirche predigte, dieser Luther-Weg ist durch Symbolsteine im Pflaster gut nachvollziehbar.

Nicht nur wegen der Fleischbänke und dem Cranach-Altar ist ein Besuch der im 13. Jh. gegründeten Stadt Neustadt/Orla mit mittelalterlichem Stadtkern und besonders auch dem vor 1450 errichteten bauhistorisch außerordentlich sehenswerten Luther-Haus am Markt (in dem aber Luther wohl nie übernachtet hat) sehr zu empfehlen.

Dieses am Markt gelegene, als Luther-Haus bezeichnete Bauwerk mit dem schönen Steildachgiebel und dem auffälligen Erker enthält 2 mittelalterliche Bohlenstuben mit verzierten Decken, viele mittelalterliche Wandmalereien und ermöglicht detaillierte Einblicke in die Bauart und Baugeschichte des Hauses und besonders der Bohlenstuben von der Gründung bis in die Zeit der letzten Nutzung um 1985.