Frühlingswanderung im Selketal – Bericht und Empfehlung

Ansicht der Burg Falkenstein

von Wolfgang Prietsch

Wenn man von der Urlaubslandschaft HARZ spricht, denkt jeder sofort erst mal an die höchste Erhebung dieses mitteldeutschen Gebietes, den Brocken (1142 m).
Sehr bekannt, besonders bei Wanderern, ist auch das wild zerklüftete und romantische Bodetal mit den Glanzpunkten Rosstrappe und Hexentanzplatz bei Thale.

Wer aber kennt das im Unterharz/Südharz gelegene liebliche Selketal zwischen Stiege im Westen und Meisdorf im Osten? Die Selke fließt von der Quelle bis zur Einmündung in die Bode bei Rodersdorf über 69 Km, davon 34 km im bewaldeten Harz.

Für uns war die Frühjahrsreise ins Selketal ein herausragendes Erlebnis im vergangenen Jahr! Während das wirklich sehenswerte Bodetal, vom Rappbodestausee beginnend bis Thale, von vielen durchwandert wird, trifft man im Selketal nur wenige Wanderer an, hier ist alles ganz anders.

Wir waren eine Woche lang in Friedrichsbrunn stationiert und sind von dort täglich nach Anfahrt mit dem öffentlichen Bus zu jeweils anderen Startpunkten losgefahren (die Fahrt mit den öffentlichen regionalen Bussen war übrigens kostenfrei im bei der Unterkunftsbuchung erworbenen Urlauberpass enthalten. Nach durchwandern einer Teilstrecke von jeweils etwa 15 bis 25 km sind wir dann vom Wanderendpunkt der Tagestour wieder mit einem Bus(teilweise umsteigen) nach Friedrichsbrunn ins Ferienhotel zurück gefahren.

Auf diese Weise haben wir in 4 Tagestouren vom Quellgebiet bei Stiege bis hinter Falkenstein (natürlich incl. Burg) das wunderbare Tal durchlaufen. Der Weg führte über Güntersberge, Silberhütte, Alexisbad , Mägdesprung, Selkemühle bis Burg Falkenstein.

Der wohl schönste Teil beginnt ab Selkemühle, einer ehem. Talgaststätte (jetzt „Gott sei Dank“ geschlossen!). Ab Selkemühle öffnet sich ein breites Wiesental mit der darin mäandrierenden Selke, ganz ohne jegliche Ansiedlung und OHNE GASTSTÄTTE! Also Ruhe. Auf 10..15 km trafen wir nur zwei (natürlich ältere!) Ehepaare. Eine Offenbarung der Stille.

Schließlich sind wir vor Ende der Wanderung noch auf die in der Höhe von 134 m liegende Burg Falkenstein gestiegen: Im Kunstreiseführer „Auf der Straße der Romanik“ (Schmidt-Buch-Verlag Wernigerode) steht über den Aufstieg aus dem Selketal auf den Burgberg geschrieben: „Letztes Stück sehr steiler Aufstieg“ – das war auch so!

Dafür entschädigte uns aber ein höchst sehenswertes Burgensemble. Und – wir hatten wieder ungeplant Glück – : Es war ein Montag, die Burg eigentlich da noch zu, aber dieser Tag war der erste im Frühjahr, wo auch Montag geöffnet war. Ergebnis: Burg war leer, alles wie ein Privatissimum für uns!

Eine Besichtigung der bis auf 1120 zurückreichenden Höhenburg lohnt in jedem Falle: Sehr eindrucksvoll die funktionstüchtig restaurierte Burgküche (1491), der Rittersaal mit Stuckaturen, die zu den frühesten und besten ihrer Art in Mitteldeutschland zählen, der Bergfried mit Burgverlies, die 20m tiefe Zisterne.

Läuft man nach einem letzten faszinierenden Blick von der Aussichtsplattform im Burghof auf das darunter liegende Selketal wieder runter ins Tal und dann zurück Richtung Selkemühle, so ergibt sich ein ganz anderes Panorama des zwischen den begrenzenden Höhenzügen liegenden Selketales.

Eine zweite Tagestour kann man von Güntersberge immer der Selke abwärts folgend Richtung Silberhütte unternehmen. Hier sind am Wegrand immer wieder Erläuterungen über den vergangenen Bergbau lesbar. Auch dieser liebliche Talteil hat hohen Reiz, besonders wenn die Frühjahressonne freundlich scheint und das junge Grün noch durchscheinend ist. Man folgt immer der im Tal verkehrenden Selketal-Bahn, die etwa alle zwei Stunden in einigem Abstand am Wanderer vorbei schnauft.

In Silberhütte kann man wieder viel über die vergangene Bergbau-Tradition erfahren.
Und Silberhütte bietet sich auch als Busstation für die Rückfahrt nach Güntersberge an. Von Güntersberge erreicht man mit dem Bus bequem andere Südharz-Orte z. B. Friedrichsbrunn oder – ganz im Süden – die malerische Harzstadt Stolberg (unbedingt ansehen!).

Natürlich will der Selketal-Wanderer auch die Quelle dieses Harz- Flüsschens sehen.
Am 3. Wandertag sind wir nach Bus-Anreise von Friedrichsbrunn bis Güntersberge flussaufwärts Richtung Quellgebiet bei Stiege/ Wüstung Selkenfelde gewandert. Hier geht der Wanderweg zunächst sehr schön am Güntersbergener Bergsee entlang, um einen kleinen Bergweiher am Katzsolbach herum und dann leider nahe der Strasse (B 242) entlang (Fahrzeuglärm, schlechter Weg), bis man durch ein Talrand-Wäldchen über Bahnhof Friedrichshöhe schließlich aufsteigend in das Quellgebiet der Selke auf der Stiegener Höhe kommt.

Hier empfängt den Wanderer ein wunderschönes weites feuchtes Wiesengebiet mit seltenen Pflanzen und sehr schönen Feuchte liebenden Blumen. Es gibt mehrere Einzelquellen für die Selke in etwa 510 m ü NN.. Mitten in dieser ganz stillen Wiesenlandschaft haben wir ein Picknick gemacht, Tisch und Bänke sind einladend vorhanden.

Früher befand sich hier in einer Höhe von 495 m ü NN die heute (seit etwa 1500) wüste Siedlung Selkefelde. Sie ist bis auf das Jahr 961 rückverfolgbar: Erste Nennung in einer Urkunde Otto I. Von einer alten Kirchenruine dieser Siedlung (Selkirche) sind auf einer dazumal aufgeschütteten Erhöhung nur noch die Grundmauern sichtbar.

Abwechslungsreich ist zweifellos auch eine 4. Tageswanderung von Silberhütte beginnend über Alexisbad und Mägdesprung bis Selkemühle. Hier kommt man an 4 ehemaligen, von Fürst Friedrich von Anhalt-Harzgerode um 1646 gegründeten Eisenhüttenwerken, den Friedrichshämmern, vorbei. Ebenso liegt am Weg der Herzog-Alexis-Erbstollen und , bei Mägdesprung , das Eisenhüttenwerk Carlswerk, ein Zeugnis technischer Industriekultur noch heute.

Nach vier Wandertagen kann man, wenn Interesse vorhanden ist, noch besondere Kulturschätze erleben, liegt doch das Urlaubsgebiet nahe der „Straße der Romanik“.
Wir haben uns diesen besonderen Wunsch jedenfalls an drei von sieben Urlaubstagen erfüllt: Erleben von romanischen Bauwerken zwischen Quedlinburg und Aschersleben.

In einem seitlich abgelegenen Teil Quedlinburgs hat man z.B. einen nicht leicht zu findenden Ort für einen wunderbaren Fern-Blick auf die Stiftskirche, nämlich von der Höhe eines Beerdigungshügels hinter der nicht so bekannten Wiperti-Klosterkirche.

Überhaupt, diese Wipertikirche ist ein Kleinod! Hier waren wir in einer der kleinsten Krypten (aus der Zeit um 1020).
Nach ausführlichem Aufenthalt in Quedlinburg ging es weiter auf der Straße der Romanik (jetzt mit unserem Auto) über Gernrode(Stiftskirche), Ballenstedt(Klosterkirche und Grab Albrecht des Bären), Ermsleben (Konradsburg), Frose (Stiftskirche St.Cyriakus): All das, uns erst teilweise vorher bekannt, war ein gewaltiger Eindruck!

Die St.Cyriakus-Stiftskirche in Frose liegt z.B.in absoluter dörflicher Stille abseits der Fernverkehrsstraße: Man kann Umfeld und Kirchenbau (innen und außen) einwirken lassen.
Oder in der Krypta unter der Konradsburg-Kirche (abseits von Ermsleben): Da kann man einige erstaunlich gut erhaltene bzw. restaurierte Säulen-Kapitelle mit außerordentlichem Formenreichtum (bedeutendes Denkmal spätromanischer Architektur im Harzgebiet) in Ruhe betrachten.

Wir habe diesen Frühlingsurlaub in der ersten Mai-Woche durchgeführt, diese Reisezeit können wir sehr empfehlen: Es ist noch nicht sehr überlaufen, das Frühjahr ist eine sehr geeignete Wanderzeit.
Man sollte, wenn man diese Selketalwanderung angeht, über ein tägliches Wandervermögen um 15..20 km verfügen, Bergsteigen ist hier nur ganz selten erforderlich.

Als Urlaubsadresse kommen für eine Selketal-Wanderung Orte wie z. B. Friedrichsbrunn oder Allrode in Frage (mit Bus von dort alles erreichbar): Wer wandern will, ist hier richtig, wer einen Urlaub in einen Kurort mit Flair, Gaststätten, Cafe´s und Bummelmeile erleben will, eher hier nicht, besser z. B. in Thale, Quedlinburg, Wernigerode.

Neben anderen verfügbaren Wanderkarten empfehlen wir die Rad-und Wanderkarte Selketal-Bodetal, M 1:25000,
ISBN 978-3-86973-034-9 (Kartographische Kommunale Verlagsgesellschaft Nordhausen.

Vielleicht sind Ihnen, liebe Leser, diese Informationen für einen Selketal-Urlaub dienlich.