Im Bayerischen Wald Natur entdecken und genießen

Blick auf den Bahnhof Bayerisch Eisenstein mit der Waldbahn

von Ursula A. Kolbe

Dieses Mal führte uns Fahrtziel Natur in den Bayerischen Wald. Hier, wo umweltschonender Tourismus im National- wie auch im Naturpark groß geschrieben werden. Und es ist das erste von heute 22 Schutzgebieten in der Kooperation der drei Umweltverbände BUND, NABU, VCD sowie der Deutschen Bahn. Deren gemeinsames Ziel ist, ökologisch verträgliches Verkehrsverhalten mit aktivem Naturerlebnis zu verbinden.

Eine Würdigung dafür ist die Auszeichnung mit dem Fahrtziel Natur-Award seit nunmehr 15 Jahren. Die 2016er Ehrung anlässlich dieses Jubiläums im letzten Sommer hat die Nationalpark- und Naturparkregion Bayerischer Wald mit dem „Gästeservice Umwelt-Ticket“ (GUTi) gewonnen.

Ein Guti, das weiß in Bayern jedes Kind, ist eine süße Belohnung. Im Bayerischen Wald gibt es das „GUTi“ („Gäste Service Umwelt-Ticket“) als Anreiz und zugleich Dankeschön für Urlaubsgäste. Dafür, erst gar nicht mit dem eigenen Auto zu kommen oder es einfach während des Aufenthalts stehen zu lassen. Ein sympathischer Gedanke.

GUTi ist eine Weiterentwicklung des bereits 2009 mit dem Fahrtziel Natur-Award prämierten Bayerwald-Tickets, das nach wie vor für Einheimische und Tagesgäste sehr attraktiv ist. Beide Angebote gelten auf einem Streckennetz von über 1.100 km. Mit attraktiven öffentlichen Angeboten wie Waldbahn und Igelbussen sind die wichtigsten Ausflugsziele und Sehenswürdigkeiten gut erreichbar.

Übernachtungsgäste von derzeit 23 Kommunen in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen sowie aus Lam können den ÖPNV kostenlos nutzen. Das System finanziert sich durch eine pauschale Umlage, die in den Kurtaxen inkludiert ist.

Das „Zuckerl“ GUTi für die kostenlose Nutzung von Bahnen und Bussen ab der ersten Übernachtung zeigt Wirkung: Geschätzt 7,7 Millionen Autokilometer oder etwa 200 Erdumrundungen pro Jahr fahren die Gäste von rund 1.700 Beherbergungsbetrieben weniger Auto. Sie ersparen der Naturregion damit jährlich rund 1.400 Tonnen Kohlendioxyd und jede Menge Blech im Wald.

Die Insider erinnern sich: 1970, als Deutschlands erster Nationalpark im Bayerischen Wald gegründet wurde, gehörten Lärm, Staus und wildes Parken zum „Waldbild“. Wanderer wollten Natur erleben, aber… Umweltschützer schlugen Alarm. Nationalpark und Naturpark, Tourismus, Politik und Verkehrsunternehmen suchten nach Lösungen für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel – im Sinne der Bevölkerung und denen des Freizeitverkehrs.

Ja, es war langwierig. Aber 1996 dann der Durchbruch: Zu attraktiven Zielen im Nationalpark fahren jetzt „Igelbusse“. In enger Taktfolge verbinden sie zu niedrigen Tarifen bzw. kostenlos beispielsweise Wandertreffpunkte an Rachel und Lusen, die Nationalpark-Orte und das Nationalparkzentrum Lusen in Neuschönau. In Spiegelau entsteht eine zentrale Haltestelle an einer neuen Park&Ride – Anlage. Wanderparkplätze und die Straßen dorthin wurden für den Individualverkehr geschlossen.

Der Nationalpark im Hinteren Bayerischen Wald, mittlerweile 24.250 Hektar groß, bildet mit dem unmittelbar angrenzenden tschechischen Nationalpark Šumava die größte zusammenhängende Waldfläche Mitteleuropas. Getreu dem Motto: Natur Natur sein lassen.

Seit über vier Jahrzehnten können sich hier Waldlandschaften entwickeln, die die natürlichen Prozesse des Werdens und Vergehens im Waldökosystem zulassen und daher auch tote oder durch Windwurf gestürzte Bäume in ihrem natürlichen Umfeld verbleiben. 22 Prozent aller in Deutschland bekannten Arten, das sind rund 14.000, sind im Nationalpark Bayerischer Wald heimisch.

Die höchsten Gipfel und Anziehungspunkte der Region sind der große Falkenstein mit 1.315 Metern, der Lusen, 1.373 Meter hoch, und der Große Rachel mit 1.453 Metern. Neben den Hochwäldern erstrecken sich dort auch noch ökologisch wertvolle Hochmoore mit Moorseen wie dem Latschensee und ehemalige Hochweiden, die sogenannten Schachten, die sich auf der tschechischen Seite im Böhmerwald weiter ausbreiten. Beliebte Anziehungspunkte.

Frauenauer Glas, Wildniscamp, Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein…

Unsere Unternehmungslust ist groß und unser Übernachtungsziel heißt Frauenau, genauer gesagt die Pension Waldkristall. Hier umgibt uns eine heimelige Atmosphäre von Anbeginn, ausgezeichnetes Essen inclusive. Der Chef und Koch des Hauses, Michael Kapfhammer, steht mit seiner ganzen Familie dafür. Gleich bei der Ankunft erhalten wir das „GUTi“. Diesen Ferienpass hüten wir wie unseren Augapfel, öffnet er uns doch die regionalen Bus- und Zugtüren.

Bei einem kleinen Spaziergang mit Bürgermeister Herbert Schreiner im 2.800 Einwohner zählenden Urlaubsort macht er uns u. a. darauf aufmerksam, dass hier die „Glasstraße“ durch den Ort führt, eine der beliebtesten Ferienrouten des Landes zwischen Neustadt/Waldnaab und Passau. Durch seine jahrhundertlange Glasmacher-Tradition wird Frauenau das „Gläserne Herz des Bayerischen Waldes“ genannt.

Die Glaskunstszene mit ihren drei Glashütten sucht europaweit ihresgleichen, und internationalen Ruf genießt das 2005 neu erbaute Glasmuseum. Der Besucher wird hier auf eine faszinierende Reise mit dem Glas von den Anfängen im Zweistromland bis zur Gegenwart mitgenommen.

Neben den beeindruckenden Exponaten von internationalem Rang ist Herz des Museums ein künstlerisch und teils gläsern gearbeiteter Schmelzofen, der dem Besucher den Alltag der Glasmacher vor Augen führt. Um das Museum herum erblickt das Auge die „Gläsernen Gärten von Frauenau“, ein phantasievoller Skulpturen-Park, der uns beindruckte und viele Gäste auch aus dem Ausland anlockt.

Als einen Schwerpunkt in „seiner“ Ferienregion, in der 13 Gemeinden vertrauensvoll zusammenarbeiten, bezeichnet der Bürgermeister den weiteren Ausbau der Mobilität im Bayerischen Wald und sieht sich als Netzplayer für die Weiterentwicklung des „GUTi“.

Am nächsten Tag heißt es auf ins Wildniscamp am Falkenstein, die Bildungseinrichtung des Nationalparks. Mit der Waldbahn, ein Angebot der Länderbahn, die im Bayerischen Wald unterwegs ist und den Nationalpark und die Arberregion mit der Donaustadt Deggendorf und der Isarstadt Plattling verbindet, fahren wir nach Zwiesel.

Ein Kleinbus bringt uns an unser Ziel Zwieslerwaldhaus. Wir wollen das Wildniscamp am Falkenstein, umgeben von einzigartigen Urwäldern und Bergschluchten, die Urwälder Mittelsteighütte und den Urlaubserlebnisweg Hans-Watzlik-Hain erkunden. Ein einzigartiges Stück Natur.

Nationalparkleiter Dr. Franz Leibl und Camp-Leiter Achim Klein machen uns mit den Gegebenheiten vertraut. Viele Schülergruppen kommen hierher, Studenten, auch Kindergärten Vereine, Betriebe, Familiengruppen buchen Angebote. In die Natur rein schnuppern, Fertigkeiten vertiefen, Wildnis erleben – hier kann man eine gute Zeit in der Natur haben.

Unsere Gesprächspartner zeigen uns die sechs Themenhütten, in denen auch „in Augenhöhe mit der Natur“ übernachtet wird (jeweils sechs bis sieben Personen): Das Baumhaus zwischen den Baumwipfeln, das Wiesenbett im Gras, die Wasserhütte über einem plätschernden Bergbach sowie Erdhöhle, Waldzelt und Lichtstern.

Im engen Kontakt mit Partnergruppen aus aller Welt sind traditionelle Hütten erbaut und landestypisch eingerichtet worden. Hier erfahren die Teilnehmer, wie die Menschen in Afrika, der Mongolei, Vietnam, Südamerika oder Sibirien leben und welches Verhältnis sie zur Natur haben.

Das Hauptgebäude schließlich hat einen Seminar- und Speiseraum, moderne Küche, Unterkünfte für Gruppenleiter, Duschen und Toiletten. Strom und Warmwasser kommen von der Sonne. Eine eigene Quellfassung und Schilfkläranlage dienen der ökologischen Versorgung.

Bei allen Aktivitäten in Sachen Umweltbildung und globales Lernen stehen Pädagogen und Waldführer zur Seite, die ermuntern, nachzuspüren und die Natur mal mit anderen Augen zu sehen.
Treffend machte Jutta Aspodien, die Vertreterin der NABU und Mitglied der Steuerungsgruppe Fahrtziel Natur, deutlich, dass die Angebote im Bereich der Umweltbildung durch das Wildniscamp, das Waldgeschichtliche Museum und vielen gut gepflegten Informationszentren der Schutzgebiete wünschen lassen, noch mal Kind zu sein, mit Eltern, Großeltern oder Lehrern dort Urlaub zu machen.

Besonders das Urwaldgebiet Mittelsteighütte dei als einer der wenigen noch erhaltenen Primärwälder Deutschlands sehr beeindruckend. In den vormals forstwirtschaftlich genutzten Flächen scheint die Strategie „Natur Natur sein lassen“ des ersten Naturparks hierzulande aufzugehen. Die in den 90er Jahren stark durch Borkenkäfer befallenen reinen Fichtenwälder haben sich inzwischen zu einem natürlich verjüngten Fichtenwald entwickelt.

Dann auf zum Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein und seine NaturparkWelten. Die Waldbahn beförderte uns dorthin. Dieses Bahnhofs-Areal an der deutsch-tschechischen Grenze hat seit jeher Geschichte geschrieben, vermittelt zweisprachig Informationen rund um die Welt der grenzüberschreitenden Natur- und Nationalparks „hüben und drüben“.

Wir lernen die NaturparkWelten auf fünf Etagen als ein breit gespanntes museales Erlebnis kennen. So beherbergt das Dachgeschoss eine 100 Quadratmeter große Modelleisenbahn im Maßstab 1:87. Im 2. OG erlebten wir die Geschichte des Eisenbahnbaus der Jahre 1872 bis 1877. Damals entstand die kürzeste Bahnverbindung von München nach Prag. Eine Umwälzung für das Bahnzeitalter.

Skigeschichte wird im 1. OG geschrieben, auch der Skisimulator wurde getestet. Im Erdgeschoss zeigt eine interaktive Ausstellung zum Arber, dem „König des Bayerwaldes“ all seine Facetten. Und äußerst interessant ist in den Gewölben im Untergeschoss die geheimnisvolle Welt der Fledermäuse.

Nach all dem Gesehenen ließen wir uns im historischen Wartesaal 1. Klasse aus dem Jahre 1877, dem heutigen Museumscafè & Restaurant, den selbstgemachten Kuchen und Torten schmecken. Auch Bayernschmankerln machen Appetit.
Übrigens trifft die Waldbahn WBA 1 stündlich aus Richtung Regen-Zwiesel am Grenzbahnhof ein. Gäste aus Lam/Furth im Wald und aus Zelezna Ruda kommen mit dem Bus Linie 6080 bzw. 6081 hierher. Mehrmals täglich treffen die Züge der tschechischen Staatsbahn aus Richtung Prag/Pilsen/Klattau ein.

Das alles kann nur in Streifzügen vermittelt werden. Aber erleben sie es selbst.
In einem weiteren Beitrag ließen wir uns u. a. die Spezialität der Dampfbierbrauerei Zwiesel schmecken, fuhren zum Nationalparkzentrum Lusen ins Hans-Eisenmann-Haus, erlebten die Natur aus der Baumwipfelpfad – Perspektive, tauchten in die Sphäre des Waldgeschichtlichen Museums in St. Oswald ein und besichtigten die Hotel-Adventure-Anlage in Schnitzmühle bei Viechtach.