Uganda – eine Runde rum, Teil 1

Marktfrau bietet Bananen an

von Rays E. Tannthe

“Mein Gorillaaa hat ne Villa im Zooo…” Nein, die ganzen Affen im Berliner Zoo waren nicht ausreichend. Wir wollten die Berggorillas in ihrer natürlichen Umgebung in Uganda besuchen. Zuerst musste man geimpft werden, Visa besorgen, Malaria Tabletten schlucken, viel zu früh aufstehen und einige Meilen düsen.

Zehn Stunden später in Entebbe. Nun sind wir also in Uganda, der “Perle Afrikas” nach Aussage von Winston Churchill. Lassen wir uns überraschen. Der Reiseleiter Paul berichtete, dass er vor ein paar Jahren in Berlin war. Im März bei minus sechs Grad „wie hält man so was aus“, es war ihm eindeutig zu kalt!

Die Rundreise durch Uganda begann. Wir kamen durch die quirligen Städte Entebbe und Kampala. Die Leute gingen herausgeputzt in Sonntagskleidung zum Gottesdienst. Ganz schön bunt das Ganze. In Kampala, der Hauptstadt Ugandas, leben offiziell 1,7 Mio EW, inoffiziell sind es doppelt so viele.

An einer Eisenbahnlinie herrschte ein unfassbares Marktgewimmel. Eigentlich müssen die Händler zu den Gleisen 15 Meter Abstand halten. Doch wer sich daran hält, verkauft nicht viel. Auf den Straßen gibt es bei kleinen Unfallschäden ein unkompliziertes Tauschgeschäft.

Kaputte Lampe gegen intakte Lampe vom Unfallverursacher, es wird an Ort und Stelle ausgebaut. Unterwegs tauschten wir 250$ in 838.000 Ugandische Schilling um. So schnell erhält man ein richtig dickes Angeber-Portemonnaie.

Auf dem Weg zum Murchison Nationalpark fuhren wir an üppiger Vegetation vorbei. Daher leben die Leute zu 80 % von Landwirtschaft (Kaffee, Tabak, Kakao, Rosen usw.). Viele Kinder sind unterwegs. Die Grundschule dauert sieben Jahre und ist kostenfrei, Eltern müssen nur die Schuluniform kaufen. Später verlangen weiterführenden Schulen Schulgeld.

Sehr modern ist, dass die Leute ihre eigene Handynummer als Kontonummer registrieren lassen können. Sie erhalten eine PIN und können damit alles Nötige bezahlen. Paul überweist zum Beispiel seiner Oma regelmäßig Beträge. Früher fuhr er mit dem Bus umständlich zu ihrem Dorf, um ihr das Geld zu bringen.

Plötzlich erwischte uns in der Trockenzeit ein heftiger tropischer Regen, wir waren damit gleich geduscht. Unterwegs hielten wir an der Ziwa Rhino Ranch. Das Nashornaufzuchts-Programm „Rhino Fund Uganda“ hat zum Ziel, wieder Breitmaul Nashörner im Land anzusiedeln. Das Nashorn Männchen wurde aus Orlando (Amerika) und das Weibchen aus Kenia besorgt.

Sie haben sich im Laufe der Jahre gut vermehrt und es gibt 17 Nashörner im 70 qkm großen Gebiet. Wir standen Obama gegenüber, einem Sohn des Nashorn Pärchens. Dieser ist 2500 kg schwer und kann 45 km/h schnell flitzen, das sieht man ihm gar nicht an…

In einem schönen Camp direkt am weißen Nil im Murchison Nationalpark schmatzten nachts vor dem Zelt Nilpferde. Man könnte auch Monster-Rasenmäher dazu sagen. Sie rupfen ca. 50kg Gras, sie sind die ganze Nacht damit beschäftigt. So ein Männchen kann bis 3500kg wiegen, für einen Vegetarier ziemlich viel!

Ein „Hippopotamus amphibius“ bringt mehr als ein Nashorn auf die Waage. Sechs Uhr Frühstück und Stromausfall, eine etwas ungünstige Konstellation: viel zu früh zum Nachdenken und stockduster. Die Tasse Tee lässt sich gut mit dem neuen Wunder der Technik ausleuchten: dem Smartphone.

Wir überquerten den weißen Nil mit einer übervollen Fähre. “War da nich mal was…”, man sollte besser nicht so viele Nachrichten lesen. Dann verdrängten wir in die letzte Ecke unseres Hinterkopfes Berichte über diverse Fährunglücke. Am anderen Ufer gab es dreiste Diebe. Anubis Paviane klauten Lunchpakete aus dem Jeep unvorsichtiger Touris. Lässig ließen sie sich ihre Beute schmecken.

Die Infotafeln zu Handgranaten und Tretminen waren nicht ganz so Vertrauen einflößend. Auf der Pirsch im Murchison Nationalpark begegneten uns haufenweise Hornträger, selbst ein Einhorn war dabei: Ein niedliches Oribi, das einst im Kampf ein Horn verlor. In der schönen üppigen Vegetation standen Leberwurstbäume (sausage tree), riesige Fächerpalmen und Schirmakazien herum. Zwischendrin begegneten uns regelmäßig die üblich Verdächtigen (Elefanten, Büffel- und Antilopenherden, putzige Warzenschweine).

Paul kannte sich bestens aus und erzählte passende Geschichten. Woher er so gut deutsch kann: er wählte in der weiterführenden Schule zuerst Französisch, stellte erschreckt fest, dass alles anders ausgesprochen als geschrieben wird. Das gefiel ihm gar nicht und er wechselte zu Deutsch. Das ist bis heute die beste Entscheidung seines Lebens.

Später als Reiseleiter erfuhr er erfreut, dass weitere Länder potentieller Touristen deutsch sprechen: Österreicher, Schweizer und Luxemburger. Damit hat er genug zu tun und ist sehr gut gebucht. Der tägliche Umgang mit der Sprache trainiert.
Abends zum „Sundowner“ schipperten wir mit einem Miniboot auf dem weißen Nil.

Romantisch. Und zu viele kitschige Sonnenuntergangsfotos. Aber dafür ganz südeuropäisch mit Käsehäppchen, Oliven und Wein. Abends konnte man auf der Pinnwand des Camps eintragen, welche Tiere wo gesichtet wurden:

  • Kuhantilope (Hartebeest), sie gilt als ziemlich dumm, vergisst nach 50m warum sie überhaupt losrannte
  • Rothschild Giraffe, sehr schöne Tiere mit weißen Strümpfen
  • Kaffernbüffel, Oribi Gazelle (Bleichböckchen)
  • Uganda Kobs (Moorantilope) ist das Wappentier, sowie auf dem Geldschein, im Präsidentenpalast und im Parlament abgebildet
  • Savannen Elefanten, Schwarzflügeltrappe, Kronenkranich (Tier auf der Fahne)
  • Kaffern Hornrabe, sehr interessante Tiere im Sozialverhalten
  • Ornithologen Herzen würden höher schlagen: wir sahen den sehr seltenen Schuhschnabel
  • Bienenfresser, schön bunt und knuffig
  • African Jacana, Webervögel, die mit den vielen Nestern an einem Baum
  • Sporngänse, Nilgänse, Weiße Kuhreiher saßen dekorativ auf den Nilpferden
  • Sporn Kiebitze, Schlangenhalsvogel, Klaffschnabel
  • Weißrückengeier, Sperbergeier
  • Defossa Wasserböcke, Husarenaffen, Pillendreher (Dung beetle), Weißkopf Seeadler, Schreiseeadler
  • Nilkrokodil, Goliath Reiher, Siedler Agame
  • Lustig tippelnde Warzenschweine, Tüpfelhyäne, Riedscharbe, Pied Kingfisher (Eisvogel) und viele weitere

Der CampChef verarztete erst mal meine geschwollene Hand. Ein garstiges Insekt hatte zugestochen. Und von den Biestern gibt es hier eine ganze Menge. Wahrscheinlich war es eine Tsetsefliege (so fies wie eine Bremse), jedenfalls hat es ordentlich gezwickt. Die hier lebenden Tsetsefliegen sollen NICHT die Schlafkrankheit übertragen, wir hoffen es.

Mit Eddie rauschten wir zwei Stunden in seinem Alu-Bötchen über den weißen Nil. Statt eines einfachen Transports wurde es zu einer umfangreichen Bootssafari. Eddie war eifrig und hielt an jedem Krokodil, Hippo, Wasserbüffel, Eisvogel und Co. In der Nähe des Murchison Wasserfalls holte uns ein Ranger ab. Allein darf man und wollen wir auch nicht durch den dichten Wald spazieren. Es war definitiv kein ausgetretener Touristenpfad, denn es kam uns gar niemand entgegen.

Im Boot hatten wir unsere Wasserflaschen vergessen. Und natürlich war heute der heißeste Tag. Während der Wanderung bekamen wir so viel Durst wie eine ganze Herde Bergziegen. Mit Durchhalteparolen stapften wir den Glitzerweg (mineralische Gesteine) mehr als eine Stunde auf und ab. Es gab tolle Aussichtspunkte und es beruhigte sehr, dass der tosende Wasserfall immer näher kam.

Der weiße Nil verengt sich an dieser Stelle auf sieben Meter und stürzt in einer Höhe von 43m herunter. Noch nie haben wir den erfrischenden Wassernebel eines Wasserfalls so gut genießen können. (Alter Trick: „nüscht zu trinken mitnehmen“)
Der zweite Wasserfall namens Freiheit, entstand bei einem Hochwasser 1962.

Das war zugleich das Jahr der Unabhängigkeit Ugandas vom British Empire. Winston Churchill ließ hier einst die preiswerteste Brücke der Welt für 10 Pfund bauen. Lange hielt sie nicht, es sind nur Brückenreste zu sehen. Am Wasserfall mit eingebautem Regenbogen, begegnete uns eine Mädchenschulklasse mit flotter Schuluniform.

Der Lehrer bat mich um ein Klassenfoto. Nachdem sie sich zu langweilig aufstellten, forderte ich sie auf, für das zweite und dritte Foto auf Kommando die Arme hoch zu strecken und in die die Luft zu springen. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Ein Gejubel brach aus und es wurden sehr dynamische Aufnahmen. Die Mädels waren hoch motiviert, sie wären vermutlich in den Wasserfall gesprungen, wenn ich es gesagt hätte…

Paul holte uns mit Wasserflaschen ab! Er weiß eben, was doofe Touris wie wir dringend benötigten. Mit Wasserfallhintergrund wurde hier 1951 eine Szene des US-Klassikers “Afrika Queen” mit Humphrey Bogart (er bekam dafür den Oscar) und Katharine Hepburn (sie bekam keinen Oscar) gedreht.

Der ganze Film entstand in Uganda, darauf sind sie immer noch stolz. Der Film erhielt etliche Auszeichnungen, ggf. ein Grund, die alte Kamelle vielleicht doch mal auf Netflix zu sehen:
- Platz 17 der 100 besten Filme aller Zeiten
- Platz 14 der 100 besten Liebesfilme aller Zeiten
- Rang 48 der 100 am meisten inspirierenden Filme aller Zeiten

Paul war im Filmrausch und erzählte, dass man in DVD Shops alle beliebigen Filme für kleines Geld kaufen kann, ausschließlich Raubkopien. Das interessiert hier niemanden. Für die Shopbetreiber ist es ein sehr einträgliches Geschäft.

Paul berichtete, dass im Botanischen Garten in Entebbe Tarzan mit Johnny Weißmüller gedreht wurde. Wir lasen bei Wiki-Offline nach: Er war der bekannteste Tarzan aller Zeiten. Johann Peter Weißmüller stammt ursprünglich aus Österreich, er war auch Schwimmer, Olympiasieger und nahm an diversen Jodelwettbewerben teil. Diese dienten als Grundlage für den von ihm kreierten Tarzanschrei.

Hätte ich das mal lieber nicht vorgelesen. Mist, wie erklärt man einem Uganda Einwohner “Jodeln” und das, ohne sich zu blamieren.
Ich gab laut und deutlich eine Hörprobe zum Besten und es klang schrecklich. Zumindest war es eine mutige Feldstudie. Paul will nun niemals zur Alm. Dort wohnen vermeintlich Irre. Falls es heute Abend WLAN gibt, google ich ihm eine Profi-Jodel-Audiodatei zur Rehabilitation.

Ich denke über einen Jodelkurs nach, falls man wieder in solch eine Situation gerät.
Wir hatten wieder eine umfangreiche Tierliste geschützter und glücklicher Nationalparkbewohner.

Teil 2 – folgt in der nächsten Ausgabe