Ein Sommertag

Huhn und Hahn bei der Futtersuche

von Rudolf Winterfeldt

Meine Schwiegermutter lag im Krankenhaus und meine Frau und ich wurden gebeten, in dieser Zeit ihr Haus und Hof zu behüten und die Tiere zu versorgen, was wir gerne taten.
Heute war Sonntag und es wurde schon gegen 04.00 Uhr langsam hell. Der Himmel war erst hellgrau und ging dann langsam in ein helles Blau über. Ein heißer Sommertag kündigte sich an. Die Vogelwelt war schon mit dem ersten Grauschimmer aktiv geworden. Bevor die Futtersuche beginnt, wollen sie wohl alle ihre Sangeskunst unter Beweis stellen. So trällerte und zwitscherte es fröhlich durcheinander und man hatte große Mühe, die einzelnen Sänger auseinander zu halten.

Ich lag schon eine Weile wach in meinem Bett und lauschte dieser morgendlichen Klangfülle der Natur. Eine Nachtigall war besonders deutlich herauszuhören, oder der Kuckuck, nicht zu überhören. Die Spatzen tschilpten frech und kämpften wohl wieder um den besten Futterplatz. Meisen, Goldammer und auch die Bachstelze waren nicht so laut und man musste schon genau hinhören, um sie zu bemerken.

Die Sonne stieg hinterm Horizont auf und der Himmel färbte sich. Die Tautropfen im üppig gewachsenen Gras glitzerten wie Perlen und auch die Spinnweben waren durch den Tau ganz deutlich zu erkennen. Kleine Käfer und allerlei Insekten bewegten sich ganz langsam im Gras. Die nächtliche Kühle hatte sie steif und träge gemacht. Das war die Zeit der Stare und anderer Vögel. Sie hatten jetzt leichte Beute, denn die Insekten konnten ihnen nicht so schnell entkommen.

Wie emsig die Vogelschar auf Futtersuche war konnte einem nur Hochachtung abringen. Aber das ist der Lauf der Natur. Die meisten Tiere hatten jetzt Nachwuchs und deshalb besonders viel Futter zu sammeln, um ihre immer hungrigen Jungen ausreichend zu füttern.

Je höher die Sonne stieg, desto mehr nahm die Wärme zu. Der Wetterbericht hatte für heute wieder 30 Grad im Schatten angesagt. Sollte mir auch egal sein, ich hatte für heute nichts eingeplant und konnte meine Beine lang ausstrecken. Morgentoilette und Frühstück hatte ich hinter mich gebracht und wollte mich nun etwas mit Benny, dem Hofhund, beschäftigen. Jeden Morgen, wenn ich die Bodentreppe hinab kam, wurde ich von Benny freudig begrüßt.

Sein Schwanzwedeln nahm fast kein Ende und erst nach etlichen Streicheleinheiten konnte ich auf den Hof hinaus. Nun also war ich soweit und sagte in Richtung des Hundes: „Na, Benny, wollen wir spazieren gehen“? Das Wort „spazieren“ löste jedes Mal ein unbändiges, freudiges Gejaule in den verschiedensten Tonlagen aus und der Hund lief von mir zu seiner Leine, die an einem Haken hing, immer hin und her. Es war immer wieder ein besonderes Erlebnis, wie sich ein Tier so freuen kann.

Nun also die Leine anlegen und ab ging es hinunter zum Bach. Was es da nicht alles zu „erriechen“ gab. Jedes Grasbüschel roch wohl anders, so jedenfalls kam es mir vor. Am Bach angekommen, flog ein Entenpaar hoch. Wir hatten sie wohl in ihrem Revier gestört. Aber ich hatte den Hund ja an der Leine, so konnte nichts passieren. Die zunehmende Hitze machte auch unserem Benny zu schaffen. Er zog mich langsam aber sicher in Richtung Heimat. Dort war sein erster Gang zur Tränke. Nach diesen Spaziergängen hatte er immer Durst.

Nun waren auch die Hühner auf dem Hof und pickten eifrig in dem bereitgestellten Futter. Da waren sie aber nicht alleine, an diesem Futtertrog. Die ganze Vogelschar der näheren Umgebung schien sich hier zu treffen. Ich hatte mich in den Schatten eines großen Kastanienbaumes gesetzt und schaute dem Treiben zu. Was sich hier alles traf: Bachstelze, Goldammer, Fink, Schwalbe, Eichelhäher und sogar ein Buntspecht war zu sehen. Sie alle holten sich ein paar Körner und Essensreste.

Die Schwalben waren nur hin und wieder am Trog. Sie fingen ihre Beute im Flug. Die Sonne hatte den Tau längst getrocknet und die Käfer und anderes Getier flogen nun kreuz und quer umher. Da hatten sie reiche Ernte, wie man so sagt. Immer wieder faszinieren ihre Schnelligkeit und ihr zielsicherer Flug.

Nach dem Mittagessen setzte ich mich wieder unter die Kastanie. Die Hitze war nun fast unerträglich geworden. Es regte sich kein Lüftchen und nur die Insekten flogen eifrig im Blätterdach des Baumes umher. In einem Teil des Baumschattens waren, in dem sonst grün bewachsenen Boden, drei Vertiefungen, in denen sich trockener Sand befand. In zweien davon hatten sich die Hühner breit gemacht. Sie legten sich in den trockenen Sand, scharrten mit ihren Beinen den Sand in ihr Gefieder und rekelten sich richtig in den Sand hinein.

Es musste ihnen wohl gefallen, denn sie fingen bald an, ihre Augen zu schließen und vor sich hin zu dämmern. In der dritten Vertiefung hatte der Hund den trockenen, warmen Sand weggekratzt und sich dann auf den darunter befindlichen kühlen Boden gelegt. So konnte er die Hitze auch besser ertragen. Ich wurde bei all meinen Beobachtungen auch schläfrig und mir fielen kurzzeitig die Augen zu. Wenn in der Natur alles friedlich beieinander lebt, die Ruhe in der Mittagshitze schläfrig macht, dann kann man nur gemeinhin vom Weltfrieden träumen.

In die Stille des Nachmittags gackerte ein Huhn und verkündete die frohe Botschaft, dass es ein Ei gelegt habe und in der Küche hörte ich Geschirr klappern. Ehe ich mich versehen hatte, war die Kaffeezeit herangerückt. Im Schatten unter der Kastanie wurde der Kaffeetisch gedeckt und meine Frau und ich ließen uns den Kuchen munden. Natürlich bekamen die tierischen Mitbewohner des Grundstücks auch ihren Teil davon ab. So ist das nun einmal auf dem Lande. Tiere gehören hier zur Familie und werden mit in das Leben einbezogen.

Hin und wieder stellte ich fest, dass die Sonne wegblieb. Weiße Wolken zogen am Himmel auf und verdeckten sie zeitweise. Das war in der drückenden Schwüle schon ein wenig Erholung für Mensch und Tier. Es wurden aber immer mehr Wolken und sie wurden zunehmend dunkler. Es dauerte auch nicht mehr lange und ein leises Grollen war aus der Ferne zu vernehmen. Ein Gewitter zog auf uns zu. Mit zunehmender Lautstärke des Donners wurde der Hund unruhig.

Die Hühner schüttelten sich den trockenen Sand aus dem Gefieder und erzeugten dabei eine, für uns unangenehme, Staubwolke. Wir räumten Tisch und Stühle zusammen und erwarteten den abkühlenden Regenguss. Lange brauchten wir nicht mehr warten, dann brach es über uns herein. Begleitet von einem heftigen Wind, der jeden Augenblick die Richtung änderte, tobte das Gewitter über uns und leerte seine Regenwolken.

Die Abkühlung tat allen gut und war wie eine Erlösung aus der Gluthitze des Tages. Ich setzte mich auf die Eingangstreppe unter dem Vordach und schaute dem Spiel der Naturgewalten zu. Neben mir hatte sich der Hund hingelegt und ließ sich von mir das Fell kraulen. Die Hühner hatten sich im Stall verkrochen und von den Vögeln war nur hin und wieder ein Piepsen aus der großen Kastanie zu hören. Der Regen wurde etwas schwächer und ging in einen leichten Landregen über. Das war genau richtig für die Landwirtschaft und die Natur. So konnte die Nässe gut in den Boden eindringen und brachte damit Nutzen für die Pflanzenwelt.

So ging ein richtiger schöner Sommertag seinem Ende zu. In der Nacht konnten wir, nach der Abkühlung, wieder einmal richtig gut schlafen.