Nicht nach Norwegen

Skulptur Fisch

von Christa Barthel

Wie in jedem Jahr hatte der Frühling Einzug gehalten. Und wie in jedem Jahr stand darum ein kleiner Umzug, der Aufbruch in den Garten, bevor. Die Winterruhe war vorbei und wir waren voller Tatendrang. Bepackt mit Taschen und Körben und in Eile trafen wir vor dem Haus die Nachbarin aus der 3. Etage, ebenfalls eine Gartenbesitzerin.

Dass sie nicht sehr glücklich scheint, können wir ihren Worten entnehmen:“ Eigentlich müssten wir auch dringend in den Garten, es gibt so viel Arbeit. Aber was macht mein Mann? Fährt mit seinem Freund zum Angeln nach Norwegen.“ Sie tut uns leid und wir denken Beide, dass er sich einen anderen Zeitpunkt hätte aussuchen können.

Aber wir starten jetzt in den Frühling, haben einen sonnigen Tag erwischt und sehen im Garten die ersten Frühlingsblüher. Staunen, was wir da so alles im Herbst in die Erde gesteckt haben.

Die Luft ist so seidig warm, dass ich wenig Lust zum Frühjahrsputz habe. Aber der Staubsauger steht schon einige Zeit mahnend am Eingang des Gartenhauses. Irgendwann sage ich mir: Los geht`s!

Meinem Mann fällt plötzlich ein, dass er noch Batterien für das Thermometer braucht, „sonst wissen wir morgen früh nicht, wie kalt es ist“, meint er noch während des Abgangs und ist auch schon weg. Ich ahne Schlimmes, denn Männer im Baumarkt sind eine Spezies für sich. So fange ich allein an, den Staub des Winters zu bekämpfen. Spinnen und ihre Netze gibt es in jeder Ecke, und diese sind nicht immer leicht zu erreichen. Denn nicht nur die unhandlichen Klappbetten stehen überall im Wege.

Plötzlich sehe ich große Tropfen Blut auf dem Fußboden. Nasenbluten kann ich jetzt bei der Arbeit schon gar nicht gebrauchen. Was tun? Ein Wattebausch landet in jedem Nasenloch. Beide nehmen langsam aber sicher eine rote Farbe an. Sieht sehr sexy aus. Ein Glück, dass mein Mann nicht da ist.

Neben den Spinnen haben den Winter über auch Mäuse im Gartenhaus gelebt. Ihr Nest finde ich unter dem Schrank und auch die Reste meiner Samenvorräte, die bunt vermischt darin lagern. Der Staubsauger freut sich über so viel Futter. „Mist“, denke ich, „hätte ich eher finden sollen, dann könnte mein Mann gleich neue Samenvorräte mitbringen.“ Wozu hat er ein Handy? Aber der Klingelton kommt ganz aus meiner Nähe. Na klar! Wie immer ! Husch, husch und weg!

Langsam werden die Räumlichkeiten wohnlicher. Die Betten sind bezogen und es wird gemütlich warm. Zwei Stunden sind bereits vorüber, im Baumarkt scheint es interessante Angebote zu geben. Ich warte gespannt auf meinen Mann und auf seine Reaktion bei meinem Anblick. Erschrocken schaut er mir ins Gesicht, allerdings versucht er auch krampfhaft, einen Lachanfall zu unterdrücken.

Als er sich wieder im Griff hat, meint er mit einem breiten Grinsen: „Ich hatte ja unterwegs ein schlechtes Gewissen, dass ich mich verzogen habe. Aber Du musst mir schon zugute halten, dass ich hier geblieben bin. Und da darfst Du mir nicht böse sein. Ich bin wenigstens nicht nach Norwegen zum Angeln gefahren.“
Was soll man da sagen? Ich kann doch wirklich glücklich sein, einen so besorgten Mann zu haben.