Zur Geschichte der Feuerbestattung

Urnenbestattung in Würfeln auf dem Friedhof in Ebingen

von Tristan Micke

Die Einäscherung von Leichen wird Feuerbestattung oder Kremation genannt. In unserem Kulturkreis erfolgt die Leichenverbrennung in Krematorien und die Beisetzung der Asche in Urnen. Die Feuerbestattung war und ist in vielen Kulturen üblich. Es wird angenommen, dass die ersten Feuerbestattungen bereits vor 3.000 Jahren vor allem auch in Europa stattgefunden haben. Die Asche der Toten wurde an Land oder in Gewässern verstreut oder in Gefäßen aufbewahrt.

Das Christentum lehnte aber die Feuerbestattung wegen der wörtlich ausgelegten “Auferstehung der Toten” Jahrhunderte lang ab. Karl der Große sah darin einen heidnischen Brauch und untersagte mit dem Edikt von Paderborn im Jahre 785 bei Todesstrafe die Leichenverbrennung.

Ende des 18. Jahrhunderts, mit der Erkennung von hygienischen Problemen, die mit der Erdbestattung verbunden sind und der Platznot auf den innerstädtischen Friedhöfen, wurden wieder Forderungen nach der Feuerbestattung laut. Unterstützt von Ärzten, forderten Arbeiterverbände und die aufstrebende Sozialdemokratie diese kostengünstigere und hygienischere Bestattungsart.

Am 10. Dezember 1878 ging in Gotha das erste deutsche Krematorium in Betrieb. Ein zweites wurde 1891 in Heidelberg eröffnet. 1905 erfolgte die Gründung des Verbands “Freidenker für Feuerbestattung” und weiterer Vereine, die eine andere Bestattungskultur als die christliche wollten. Privatfriedhöfe ermöglichten die Beisetzung der Urnen.

Angehörigen der römisch-katholischen Kirche wurde die Mitgliedschaft in solchen Verbänden und Vereinen jedoch durch Papst Leo XIII. verboten, der die Feuerbestattung als “barbarische Sitte” bezeichnete. Verstorbene dieses Glaubens, die dennoch eingeäschert wurden, durften nicht kirchlich bestattet werden. Dieses Verbot im katholischen Kirchenrecht wurde erst 1964 aufgehoben.

Auch die evangelische Kirche war zunächst gegen die Feuerbestattung, toleriert diese jedoch seit Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts. Die orthodoxe Kirche lehnt sie bis heute ab. Im Judentum und im Islam ist die Einäscherung von Leichen grundsätzlich verboten.

In Preußen wurde 1911 die Feuerbestattung eingeführt. Deshalb begannen auf dem Gelände des im gleichen Jahr entstandenen Friedhofs in Baumschulenweg die Bauarbeiten für ein Krematorium. Das Krematorium Baumschulenweg wurde am 20. Juni 1913 in Betrieb genommen und war nach dem 1912 eröffneten Krematorium Wedding das zweite im Berliner Raum. Das Feuerbestattungsgesetz vom 15. Mai 1934 stellte Erd- und Feuerbestattungen in Deutschland gleich.

Um eventuelle Tötungsverbrechen noch vor der Einäscherung der Leichen aufzudecken, erfolgt in deutschen Krematorien eine zweite Leichenschau durch einen Amtsarzt oder Rechtsmediziner. Ein dem Verbrennungsvorgang beigegebener feuerfester Schamottestein mit Nummer ermöglicht die eindeutige Zuordnung der Asche.

Heute nimmt die Zahl der kostengünstigeren Feuerbestattungen in Deutschland und in ganz Europa zu. Auch bei Urnengräbern gibt es eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten. In Deutschland besteht aber weitgehend die Pflicht zur Beisetzung der Asche auf einem Friedhof, wo die Urnen in der Erde beigesetzt werden oder in Nischen einer Urnenwand in einem Kolumbarium (Urnenhalle) stehen.

In einigen Bundesländern (u. a. Berlin) können die Urnen auf dafür vorgesehenen Flächen auf den Friedhöfen anonym beigesetzt werden. Bei der Seebestattung wird die wasserlösliche Urne von Bord eines Schiffes im Meer versenkt. Relativ neu ist die Urnenbestattung im Wurzelbereich von Bäumen, in sogenannten Friedwäldern.

Die moderne Technik bietet noch weitere Möglichkeiten für den Verbleib der Asche eines lieben Menschen: Aus dem Kohlenstoff der Asche kann ein Diamant gezüchtet werden, den man an einer Kette oder an einem Ring ständig bei sich tragen kann. Ausnahmen, und von Normalsterblichen nicht zu bezahlen, sind symbolische Bestattungen im Weltall, wie die des Astronomen und Impaktforschers Eugene Shomaker, von dessen Asche wenige Gramm mit der Sonde “Lunar Prospector” auf den Mond verbracht worden sind.

Ebenso die Bestattung des 1997 verstorbenen amerikanische Astronomen Clyde Tombaugh, der am 18. Februar 1930 den Zwergplaneten Pluto entdeckt hatte. Seine Asche befindet sich an Bord der Weltraumsonde “News Horizons”, die im Juli 2015 den von ihm entdeckten Himmelskörper passiert hatte und nun auf dem Weg in die Unendlichkeit ist.