Ein stimmungsvoller Abend „…up Plattdütsch“

Die Landessiegerinnen des Plattdeutschwettbewerbs 2016 auf der Bühne: Julia Steinführer und Vanessa Möhring von der Reuterstädter Gesamtschule Stavenhagen

von Ursula A. Kolbe

„Wo die Ostseewellen trecken an den Strand…dor is mine Heimat, dor bin ick tu Hus…“ klangvoll schmettert der Rostocker Shantychor seine Lieder in den Saal der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin und schlägt damit gleich den Bogen zum „Abend … up Plattdütsch“.

Anlass war der alljährliche „Europäische Tag der Sprachen“, dessen Anliegen ist, die sprachliche und kulturelle Vielfalt Europas zu pflegen und zu unterstützen. Die Bevollmächtigte des Landes beim Bund, Dr. Pirko Kristin Zinnow, gestand einleitend ihre plattdeutschen Kenntnisse zwar als eher „nen beten lütten“ ein, sie konnte jedoch darauf verweisen, dass Niederdeutsch in Mecklenburg-Vorpommern eine anerkannte Regionalsprache sei.

Seit Jahrhunderten prägt diese die kulturelle Identität zwischen Meer und Seen des Landes. „Die große weite Welt, Weltoffenheit und Heimat, regionale Sprache und Kultur“, so Dr. Zinnow, „sind keine unvereinbaren Gegensätze, sondern gehören zusammen. Regionale Besonderheiten machen attraktiv und binden diejenigen, die schon da sind, ebenso wie diejenigen, die kommen und eine neue Heimat suchen.“

Und sie hat Recht, wenn sie aufgreift, dass Heimat das Beste ist, was ein Mensch mitnehmen kann von zu Hause. Sprache ist Heimat. In Mecklenburg-Vorpommern ist Heimat Plattdeutsch, wobei es im 19. Jahrhundert ernsthaft Bemühungen gab, dies abzuschaffen.

Aber dann kamen die großen deutschen Dichter – Fritz Reuter und John Brinkman. Weithin bekannt der Spruch von Fritz Reuter, der sagte, als der liebe Gott die Welt erschaffen habe, finge er bei Mecklenburg an.

Heute in der Gegenwart: Bernd Blumhagen von der Niederdeutschen Bühne Neubrandenburg, ein engagiertes Amateurtheater seit 75 Jahren und ganz dem Erbe der Werke des Dichters und Schriftstellers Fritz Reuters verpflichtet, las an diesem Abend als historischer Literat Fritz Reuter die „Urgeschicht von Meckelborg“.

Die Spannung hielt an, als die zierliche, ausdrucksstarke Schauspielerin Petra Schwaan-Nandke die Gäste aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft mit auf „Mudder Möllersch‘ Reis na Berlin“ nahm. Sie lebte das Plattdeutsche so intensiv, so lebendig, als wäre es ihr schon in die Wiege gelegt worden.

Und die Landessieger des Plattdeutschen Wettbewerbes, die „Plattsnackers“ Julia Steinführer und Vanessa Möhring, Schülerinnen der Reuterstädter Gesamtschule Stavenhagen, brachten das gekonnt in den Sketchen „De verflixte Schriewerie“, „Kläusings Sündagsvergnaügen“ und „Jeder brekt en’n“ auf die Bühne.

Sinnbildlich wird der Hinweis von Dr. Zinnow auf den ehemaligen Ministerpräsidenten Mecklenburg-Vorpommerns, Harald Ringstorff, ein echter Plattsnacker, der dem Plattdeutschen eine besondere Wärme attestierte. Es sei warmherzig, humorig und selbst in der Beschimpfung, befand er, hinterlässt es einen Schmerz, den man aushalten kann.

Ja, eine Sprache – jung und lebendig.
Ebenfalls aus der Reuterstädter Gesamtschule Stavenhagen war Schulleiter Lutz Trautmann in die Landesvertretung gekommen. Moderator Leif Tennemann von NDR1 Radio MV, geborener Rüganer, wohnhaft in Schwerin und mit Augenzwinkern bekundend, nach dem dritten Bier auch ein „Plattsnacker zu sein“, kurzweilig durch den Abend führte, sprach mit ihm über den Beitrag der Schulen zur Sicherung des Plattdeutschen im Allgemeinen und das plattdeutsche Abitur in Stavenhagen im Besonderen.

Das sogenannte „Platinum“, das nur an sechs Standorten im Land angeboten werden soll, gehört ab diesem Jahr zu den großen Herausforderungen am Gymnasium Stavenhagen. Grundlage für die Entscheidung des Bildungsministeriums dafür war die dazu an der Schule erarbeitete Konzeption. Eine zusätzliche Lehrerstelle wurde bewilligt; jährlich stehen Mittel für verschiedene niederdeutsche Projekte zur Verfügung.

Auch aus dem Gespräch mit der Vorsitzenden des Heimatverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Claudia Nenz, die mehr als zwei Jahrzehnte engagiert das Fritz-Reuter-Literaturmuseum in Stavenhagen leitete und von ihr u. a. das Buch „Theater um Fritz Reuter / Die Werke Reuters in der deutschsprachigen Theater- und Filmrezeption“ schrieb, wurde das große Engagement für Pflege und Erhalt des Plattdeutschen als untrennbarer Teil des Wirkens des Heimatvereins deutlich.

Eine weitere Facette im vielgestaltigen Mosaik der europäischen Staaten als Zeichen unserer reichen kulturellen und sprachlichen Diversität. Auch ein Ausdruck dafür, dass Mecklenburg-Vorpommern schon früh die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert und sich verpflichtet hat, das Niederdeutsche als Regionalsprache zu bewahren und zu fördern.

Geschätzt 2,6 Millionen Menschen sprechen im Alltag plattdeutsch. Laut des Bremer Instituts für Niederdeutsche Sprache (INS) Bremen verstehen in Mecklenburg-Vorpommern mehr als zwei Drittel der Bevölkerung plattdeutsch. Auch mit 21 Prozent aktiven Plattsprechern steht das Land gut da. Und 85 Prozent der Befragten in Mecklenburg-Vorpommern sind dafür, dass mehr für das Plattdeutsch getan werden sollte.

So hat die Landesregierung deshalb mit einem neuen Landesprogramm ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Förderung des niederdeutschen Spracherwerbs und der Sprachverwendung geschnürt. Zu dessen Umsetzung stehen bis 2020 Mittel von insgesamt 7,5 Millionen Euro bereit.

Künftig wird es Niederdeutsch als reguläres Unterrichtsfach – wenn gewünscht bis zum Abitur – geben. Erzieher und Lehrer können sich in Niederdeutsch fortbilden lassen. Und Kitas und Schulen, die sich besonders für die niederdeutsche Sprachförderung engagieren, werden dabei mit Material unterstützt und mit einem qualifizierten Siegel ausgezeichnet.

So stimmungsvoll der Abend durch den Rostocker Shantychor „Luv und Lee“ eingeläutet wurde, so mitreißend gab der Warnemünder Frauenchor „Sing man tau“ den Auftakt zum ungezwungenen Ausklang bei Snack und Plausch. Wozu „Luv und Lee“ dann auch noch einmal ihre Stimmen erklingen ließen.

Lassen Sie mich zum Schluss auf eine CD verweisen, auf der es u. a. heißt: „Mehr un mehr Minschen, de in’n Noorden tuhuus sünd, wüllt de Regionalspraak Platt lehren. ‚Platt – dat Lehrbook‘ is en spraakkurs, de sik jüst an junge Minschen richt, de geern nee’e Spraken lehrt, un de mehr weten wüllt vun de twete spraak in Norddüütschland.“ – Eine ganze Menge verstehe ich ja, aber dann….