So viel Luther steckt im Weihnachtsfest -und warum der Tannenbaum nicht dazu gehört

Luther im Kreis seiner Familie Weihnachten 1536 von Carl August Schwerdgeburth, Stahlradierung 1843

von Kathrin Wöhler

Martin Luther (1483 – 1546) kann man vieles in die Schuhe schieben: Er hat alte Traditionen rings um das Weihnachtsfest in Frage gestellt, umgedeutet und neue etabliert. Zum Beispiel tauschte er Nikolaus gegen das Christkind aus. Aber mit Sicherheit geht der geschmückte Tannenbaum nicht auf seine Kappe.

Auch wenn sich weltweit Abbildungen verbreiteten, die ihn und seine Familie vor einem prächtigen Christbaum zeigen. Elke Strauchenbruch, die Autorin des Buches „Luthers Weihnachten“ stellt heraus, wie viel von Luther tatsächlich in unserem heutigen Weihnachtsfest steckt.

Das Fasten
Der wochenlange Verzicht auf Fleisch, Milch und Eier war dem Reformator ein Dorn im Auge. Seinerzeit fasteten die Menschen 40 Tage lang bis zum 6. Januar – natürlich mit Unterbrechung am 25. und 26. Dezember –, um Gottes Gnade zu erhalten. Luther aber lehnte den strafenden, richtenden Gott ab. „Er sah ihn als Erlösender und Heilbringer, der kein Fasten von den Menschen verlangte“, erklärt Elke Strauchenbruch.

Zwar hielt der Reformator am Fasten fest und erwartete es in gewissem Maß auch von seinen Kindern. „Aber dabei ging es ihm um die Gesundheit und darum, dass dieser Verzicht die Freude auf das Fest und eine reiche Tafel steigerte“, erzählt die Autorin.

Die Heiligen
Die Geburt Jesu – und damit die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember – schien Luther als einziger Grund zur Freude. Nicht der Nikolaus, nicht Maria und Josef, nicht die Heiligen Drei Könige sollten gefeiert und schon gar nicht die Kinder ständig beschenkt werden. „Luther war regelrecht gegen die Verehrung der Heiligen.

Nach seiner Meinung wurden sie geschaffen, um zwischen den Menschen und einem strafenden Gott zu vermitteln. Diese Vermittler sah Luther als überflüssig an.“ Dafür setzte sich der Reformator sein ganzes Leben lang ein.

Das Krippenspiel und der Erlöser
Das Weihnachtsfest wurde im 16. Jahrhundert im Wesentlichen in den Kirchen gefeiert. Die Menschen trafen sich dort und trugen stundenlang Gebetsverse vor: über den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies bis hin zur Geburt Christi. Dann tanzten alle um die Krippe. Gemütlich war das trotzdem nicht: Kerzen kosteten ein Vermögen, Heizungen fehlten.

Luther hingegen rückte die Geburt des Erlösers in den Mittelpunkt, auch in den seiner Predigten, erzählt Elke Strauchenbruch, die in Wittenberg als Stadtführerin arbeitet. „Seine Kinder mussten die Geschichte von Maria lernen, die hochschwanger mit Josef in Bethlehem umherirrte, ohne Hilfe, ohne Quartier.“

Sie spielten das Krippenspiel in der warmen Stube der Luthers in ihrem Wittenberger Wohnhaus nach. Das Fasten, das Lernen, die Vorbereitung des Essens und die Einkäufe auf dem Weihnachtsmarkt sollten in den Kindern die Vorfreude auf die Geburt Christi und die Geschenke wecken.

Die Nächstenliebe
Gottes Gebot der Nächstenliebe war den Luthers nahe. Er hatte wie seine Frau Katharina viele Jahre im Kloster verbracht. Sein Haus war voller Kinder, doch zusätzlich nahm das Paar Waisen auf, mittellose Familienangehörige und Studenten. Und auch den Mägden und Gesellen des Hauses sollte es gut gehen.

Diese Nächstenliebe predigte er flammend in den Kirchen und bescherte so nicht nur der Stadtkirche viele Spenden, die für die bitter Armen aufgewendet wurden.

Das Weihnachtslied
Seinem Kind Margarete, die mitten im Advent 1534 geboren wurde und die neben ihm schlief, während er arbeitete, schrieb er das Lied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Es erzählt die Weihnachtsgeschichte und wurde im Hause Luther oft gesungen. Luther verband damit die Hoffnung, das Lied möge die Vorstellung vom erlösenden, guten Gott zu allen tragen, die es singen.

Hochzeiten im Dezember
Während der langen Nächte im Dezember wurden allerhand Geistergeschichten erzählt. Da kam das wilde Heer durch die Dunkelheit geritten oder Knecht Ruprecht, der Bischof Nikolaus half, böse Kinder in den Sack zu stecken. Die Menschen verbarrikadierten sich, räucherten die Ställe aus – und desinfizierten sie ganz nebenbei – und scheuten, sich trauen zu lassen.

„Eine Hochzeit während dieser Nächte konnte nicht glücklich enden“, erzählt Elke Strauchenbruch. Luther hielt das für Aberglauben, verbot den Mägden derartiges Getuschel und reiste unbeirrt zu Hochzeiten, um mit den Paaren zu feiern.

Der Weihnachtsmann
Einen Weihnachtsmann gab es nicht. Die Geschenke brachte der Heilige Andreas oder der Heilige Nikolaus nachts in die Häuser oder warf sie durch den Kamin. Luther gefiel dieser Gedanke, aber er lehnte es ab, dass ein böse dreinblickender Mann der Gabenbringer sein soll, vor dem die Kinder sich fürchten. Bei Luthers brachte fortan das Christkind die Gaben, ging von Dach zu Dach und warf sie in die Schornsteine. „Deshalb haben die Kinder ihre Mäntel vor dem Kamin ausgebreitet.“

Der Weihnachtsbaum
Tatsächlich findet sich keine Schrift, die davon erzählt, dass die Luthers einen Weihnachtsbaum aufgestellt hätten. Obwohl Freunde und Befürworter vieles von dem, was der Reformator predigte oder bei Tisch berichtete, aufschrieben. „Es könnte höchstens sein“, lenkt Elke Strauchenbruch ein, „dass der Raum mit Barbarazweigen geschmückt war.“ Jenem Brauch, bei dem am 4. Dezember (Barbaratag) Kirschzweige geschnitten und zum Blühen gebracht werden.

Erst im 19. Jahrhundert dichteten die Menschen Luther einen Tannenbaum an. Er passte einfach gut in dessen reformatorische Gedanken, schreibt die Autorin in ihrem Buch: „Im Weihnachtsbaum verbinden sich alte Sitten und Bräuche mit Luthers Vorstellung, das Christkind möge im Mittelpunkt der weihnachtlichen Gottesdienste und privaten Feiern stehen. Der grüne Baum ist ein Symbol ewigen Lebens, wie es der Heiland schenkt.“

  • .. und wie er in Luthers Stube kam*
    Der Baum etablierte sich in Mitteldeutschland. So auch in Thüringen, wo Lutheraner eine Erziehungsanstalt für Waisenknaben errichtet hatten. Sie wollten den Kindern im Geiste des Reformators ein unbeschwertes Fest bereiten: mit dem Christkind als Geschenk Gottes und der Erinnerung an Luther, der mit seiner Feier in der Familie die Grundlagen dieses Festes gelegt hatte.

Um Geld für den Stift zu sammeln, brachte einer der Lehrer ein Büchlein heraus, erzählt Elke Strauchenbruch. Es hieß „Adam und Christus oder der Christbaum in M. Luthers Kinderstube“ und erschien 1843. Es wurde durch einen Stich des Kupferstechers Carl August Schwerdgeburth berühmt: Er zeigt Luther und seine Familie in ihrer Wohnstube unter dem Christbaum. Immer wieder neu aufgelegt, trug das Buch diese Geschichte in die Welt, denn Lutheraner gab es inzwischen auf vielen Kontinenten.