Die Geschichte der Brille

Eine Brille auf einem Schreibblock mit Kugelschreiber

von Edelgard Richter

Es gibt viele Menschen, die eine Brille tragen. In Deutschland gibt es
64 Millionen Brillenträger, davon sind 67 Prozent Frauen und 59 Prozent Männer.

Schon im Altertum konnten die Menschen schlecht sehen, weshalb sich viele berühmte Forscher mit einer Sehhilfe beschäftigten. Archimedes (287-212
v. Chr.) erfand den Brennspiegel, mit dem er angeblich römische Schiffe in Brand gesetzt haben soll.

Der römische Schriftsteller Gajus Plinius (23-79 v. Chr.) schrieb, dass eine wassergefüllte Glaskugel vergrößernd wirkt. Schon der arabische Mathematiker und Optiker Ibn al-Haitam (965-1039 n. Chr.) schrieb in dem Buch „Schatz der Optik“, dass eine geschliffene optische Linse zu besserem Sehen verhelfen könnte. Dieses Buch wurde um 1240 ins Lateinische übersetzt und europäische Mönche, die damals eine der wenigen waren, die Lesen und Schreiben konnten, befassten sich mit der Idee.

Eine Sehhilfe für beide Augen wurde Ende des 13. Jahrhundert in der Toskana erfunden; vorher behalf man sich mit Lesesteinen, die aus Bergkristall oder Beryllen gefertigt waren, wobei die berühmten Glasbläsereien von Murano in der Nähe von Venedig führend waren. Einige Zeit später wurde die Nietbrille erfunden, indem man die beiden Gläser mittels Metall, Holz, Leder oder Horn miteinander verband und sie sich vor die Augen hielt. Im abergläubischen Mittelalter wurden die Männer oft als dämonische „Männer mit den vier Augen“ betrachtet. Frauen konnten eine Sehhilfe gar nicht benutzen; sie wurden dann als Hexen angesehen.

Als 1445 Johann Gutenberg den Buchdruck erfand, stieg die Nachfrage nach Brillen ständig an. Anfang des 16. Jahrhundert bildeten sich in den Städten Nürnberg, Regensburg, Fürth und Augsburg die Zünfte der „Parillenmacher“, die Brillen aus Glas fertigten. Es entstanden Stirnreif- und Gelenkbrillen, auch Brillen, die mit einem Faden hinter dem Ohr befestigt wurden. Die Mützenbrille wurde überwiegend von Frauen und Personen höheren Standes getragen, die beim Grüßen die Kopfbedeckung nicht abnehmen mussten.

Die Weiterentwicklung des Lesesteins war das Monokel, das bereits im
14. Jahrhundert erfunden, aber erst im 16. Jahrhundert genutzt wurde. Zu einer Modeerscheinung wurde es im 18. Jahrhundert beim wohlhabenden Bürgertum. In dieser Zeit wurde auch der Zwicker erfunden. Der französische Staatsmann Kardinal Richelieu (1585-1642) benutzte ein Binokel und Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) ein Lorgnon, auch als Scherenbrille bezeichnet. 1727 erfand der englische Optiker Edward Scarlett die erste Brille, die Ohrenbügel hatte. Sie setzte sich aber erst einmal nicht durch, weshalb Lorgnon, Monokel und Zwicker bis ins 20. Jahrhundert benutzt wurden.

Schwierigkeiten bekamen kleine Beamte in ihren Behörden, wenn sie ihren Vorgesetzten mit einer Brille entgegen traten. Noch im 19. Jahrhundert konnten Diplomaten in Ungnade fallen, wenn sie mit Augengläsern zu ihrem Monarchen kamen. Über dieses Vorurteil setzte sich als erster Herzog Guillaume IV. von Luxemburg (1852-1912)hinweg: Er ließ sich auf einer Briefmarke mit einem Kneifer abbilden.

Neue Werkstoffe im 20. Jahrhundert, insbesondere Kunststoffe, ließen die Brillen immer leichter werden. Inzwischen sind sie vielfach ein modisches Accessoire geworden, mit dem sich auch berühmte Modemacher, unter anderem auch Dior, beschäftigten.

Lange Jahre durften Schlagersänger nicht mit Brille auftreten, auch wenn sie halbblind auf die Bühne stolperten. Das änderte sich mit einem Auftritt der griechischen Sängerin Nana Mouskouri 1961 in Deutschland, als sie „Weiße Rosen aus Athen“ sang und mit einer dicken schwarzen Brille auftrat, die inzwischen zu ihrem Markenzeichen wurde. Prominente Brillenträger sind Ray Charles, Elton John, Heino, Karl Lagerfeld, Woody Allen oder Gandhi.