Die Berliner Sternwarte

Eine Zeichnung des Gebäudes der Berliner Sternwarte

von Tristan Micke

Die erste Berliner Sternwarte befand sich in der jetzigen Dorotheenstraße im Stadtbezirk Mitte und entstand durch die Erweiterung des 1687/88 erbauten Marstalls. Von 1696 bis 1700 baute der Architekt Martin Grünberg den Gebäudekomplex für die im Jahre 1700 gegründete “Societät der Wissenschaften” aus. Zwischen 1700 und 1711 entstand im Nordflügel die Berliner Sternwarte mit ihrem fünfstöckigen, 27 Meter hohen Turm. Bereits 1706 war sie teilweise nutzbar.

Am 15. Januar 1711 hielt die “Königlich Preußische Societät der Wissenschaften” im Turm ihre erste Sitzung ab. Am 19. Januar 1711 erfolgte die feierliche Einweihung der Sternwarte. Später wurde hier auch ein Naturalienkabinett und eine Bibliothek eingerichtet. Der Turm wurde zu einem repräsentativen Mittelpunkt der Societät. 100 Jahre lang, bis 1811, besaß die Sternwarte das Monopol der Kalenderberechnung.

Von 1832 bis 1849 befand sich auf dem Turm die Station 1 von insgesamt 62 Stationen der optischen Telegraphenverbindung Berlin – Köln – Koblenz. Ähnlich wie bei den Flügelsignalen der Eisenbahn wurden mit den als Semaphoren (griechisch: “Fahnenträger”) bezeichneten, mit Flügel ausgestatteten Signalmasten, durch verschiedene Flügelstellungen Nachrichten von einer Station zur nächsten übermittelt.

Der Turm stand bis zu seinem Abriss am 3. Juli 1903 dort, wo sich heute der rückwärtige Eingang der Staatsbibliothek befindet, die von 1903 bis 1914 auf dem Areal des ehemaligen Marstalls gebaut wurde.

Positiven Einfluss übte Alexander von Humboldt auf die Entwicklung der Berliner Sternwarte aus. Seine Beziehungen zum Preußischen König ermöglichten die Anschaffung teurer Geräte. Ein neues Teleskop aus der Münchener Werkstatt von Joseph von Fraunhofer hatte ein Objektivdurchmesser von 9 Zoll (24,4 Zentimeter) und eine Brennweite von 4,33 Metern. Es traf am 3. März 1829 in Berlin ein und diente als Hauptinstrument der Sternwarte.

Bereits 1835 zog die Sternwarte an den damaligen Stadtrand, ins jetzige Kreuzberg. Für einen Preis von 15.000 Talern war ein etwa 1 Hektar großes Gebiet zwischen heutiger Besselstraße, Enckestraße und Markgrafenstraße (Nähe U-Bahnhof Kochstraße) gekauft worden, wo von Karl Friedrich Schinkel die Neue Berliner Sternwarte errichtet wurde.

Sie hatte eine Kuppel mit einem Durchmesser von 7,5 Metern und war die erste drehbare Sternwartenkuppel Preußens in Form einer Halbkugel mit Spaltverschluss. Um keine Schwingungen zu übertragen, war das Fundament vom übrigen Gebäude getrennt. In der Neuen Berliner Sternwarte arbeiteten Astronomen wie Johann Franz Encke, Friedrich Wilhelm Bessel und Johann Gottfried Galle.

Mit den damals modernsten Beobachtungsgeräten gelangen hier Entdeckungen, wie 1837 die, dass der Ring des Planeten Saturn sich in viele Einzelringe aufteilt. Es wurden drei neue Kometen und mehrere Asteroiden aufgefunden und deren Bahnen berechnet. Am 23. September 1846 entdeckten der Astronom Johann Gottfried Galle und der Astronomie-Student Heinrich Louis d´ Arrest den Planeten Neptun.

Durch diese Entdeckung wurde die Berliner Sternwarte weltbekannt und das Observatorium entwickelte sich schließlich zur bedeutendsten astronomischen Forschungs- und Lehranstalt Deutschlands. Am Nordflügel des Observatoriums war die Markierung der Normalnull für das Königreich Preußen festgelegt, die am 82. Geburtstag von Kaiser Friedrich Wilhelm I. am 22. März 1879 offiziell übergeben wurde.

Da die sich ausbreitende Stadt Berlin und ihre Industriealisierung die Voraussetzungen für astronomische Beobachtungen immer ungünstiger machten, zog die Sternwarte im Jahre 1913 in den Schlosspark von Babelsberg. Durch die königliche Einrichtung konnte das Grundstück dort kostenlos genutzt werden.

Heute gehört die Sternwarte zum Leibnitz-Institut für Astrophysik Potsdam. Das Gebäude in Kreuzberg ist nach dem Wegzug der Sternwarte abgerissen worden. Auf dem Gelände liegt heute ein Teil der Enckestraße, an deren südlichen Ende, am Standort des Normalhöhenpunktes von 1879, eine Gedenkstele steht.