Bleib cool am Pool

Schwimmbecken mit Leiter

Ausgangslage

Am 10. Juli 2010 kam es im Sommerbad Neukölln zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen zwischen zwei Gruppen von Jugendlichen, in deren Verlauf zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes bei einem Schlichtungsversuch durch Schläge und Tritte verletzt wurden. Auf Grund dieser Situation sah sich die Badleitung gezwungen, den Badebetrieb an diesem Tag vorzeitig zu beenden.

Am 16. Juli 2010 kam es im Sommerbad Kreuzberg zu körperlichen Auseinandersetzungen mehrerer Jugendlicher. Innerhalb kürzester Zeit bildete sich eine große Menschenmenge, die sich überwiegend aus Sympathisanten der streitenden Parteien zusammensetzte. Der eingesetzte Sicherheitsdienst konnte den Konflikt zunächst beenden. Die Kontrahenten riefen jedoch dazu auf, die Tat zu rächen und mobilisierten hierzu mittels Mobiltelefonen. Die Stimmung unter den Badegästen war emotional stark aufgeheizt. Auch in diesem Fall konnte die Situation, nach Einschätzung der Badleitung, nur durch das Beenden des Badebetriebs geklärt werden.

Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2011 im Stab 42 (u.a. zuständig für die Koordinierung der Präventionsarbeit) der Direktion 5 die Idee entwickelt, ein Präventionsprojekt zu initiieren, in dem ortsansässige Menschen zu Konfliktlots*innen ausgebildet werden, um bei entstehenden Konflikten niedrigschwellig, sozialkompetent und kulturadäquat eingreifen zu können.

Projektbeginn

Im Jahr 2011 startete das Projekt in den Sommerbädern

  • Prinzenstraße 11, 10969 Berlin- Friedrichshain-Kreuzberg
  • Columbiadamm 160, 12055 Berlin-Neukölln.

Diese sind regelmäßig von Anfang Mai bis Ende September geöffnet und werden bei gutem Wetter täglich von bis zu 22.000 Badegästen besucht.

Innerhalb der saisonalen Öffnungszeiten der Freibäder, vorwiegend bei sonnigem oder warmem Wetter und während der Schulferien, wurden die, durch Mitarbeiter_innen des Stabes 4 und der GSJ geschulten, ehrenamtlich tätigen jungen Menschen aus Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg in Teams eingesetzt. Sie waren klar durch entsprechende T-Shirts erkennbar und bewegten sich als Zweierteams in den Bädern.

Sie begleiteten die Besucher_innen, standen als Helfer_innen oder für Auskunftssuchende bereit, erkannten und deeskalierten sich anbahnende Konflikte. Dazu bauten sie in vielen Gesprächen Beziehungen zu den Badegästen auf. Wichtig dabei war die interkulturelle Kompetenz der Konfliktlots_innen, da sich Auseinandersetzungen auch aus der Unterschiedlichkeit der Herkunftsethnie ergaben.

Hilfreich dürfte hier gewesen sein, dass die Konfliktlots_innen die „gleiche“ Sprache wie die Badegäste nutzten. Damit ist sowohl die Kiezsprache gemeint als auch eine echte Fremdsprache. Nicht zu unterschätzen war der Fakt, dass sie aus derselben „community“ wie die Streitenden stammten und ihnen durch ihre Rolle innerhalb der „community“ entsprechendes Vertrauen und Respekt entgegen gebracht wurde. Oftmals kannten sich die Streitbeteiligten und Konfliktlots*innen über familiäre Verbindungen oder aus dem Wohnumfeld, sodass hier eine erhöhte Sozialkontrolle wirksam wurde.

Nach einer erfolgreichen Saison, in welcher es zu keiner Schließung eines Bades kam, wurde die Fortsetzung des Projektes beschlossen.

Projektleitung und Partner

  • GSJ- Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit gGmbH
  • Kick Projekt
  • Berliner Bäder-Betriebe
  • NaunynRitze
  • BEIspielhaft
  • Neukölln-Aktiv
  • Wild-Aktiv
  • Polizei Berlin

Zielgruppe und Akquise

Die in der Direktion 5 als Konfliktlots_innen tätigen Menschen sind Jugendliche ab 16 Jahren und Erwachsene bis zu einem Alter von circa 50 Lebensjahren. Sie sind männlichen und weiblichen Geschlechtes, leben sowohl in Neukölln als auch in Friedrichshain-Kreuzberg und damit in Stadtteilen mit hohem Migrantenanteil.

Zukünftige Konfliktlots_innen bewerben sich eigeninitiativ oder werden von Mitarbeiter*innen des Trägers, von beteiligten Polizeibeamt_innen, über Netzwerkpartner_innen und von aktiven Konfliktlots_innen gezielt angesprochen.

Sie sollten über eine gewisse „gefestigte“ Persönlichkeit und Zuverlässigkeit, die sich zum Beispiel im Einhalten von Verabredungen zeigt, über gute und bestenfalls zahlreiche Kontakte zu Angehörigen der eigenen Ethnie oder Peergruppe verfügen, der Interkulturalität gegenüber aufgeschlossen sein und diese zu übernehmende Aufgabe als gesellschaftlich relevant erachten.

Ausbildung der Konfliktlotsen_innen

Die Ausbildung erfolgt sowohl in theoretischer als auch praktischer Hinsicht. Diese findet in den Nachmittagsstunden statt, da die Konfliktlots_innen meist Schüler*innen oder Arbeitende sind.

Folgende Unterrichtsinhalte werden vermittelt:

  • Rechtliche Grundlagen
  • Messer machen Mörder
  • Bade- und Schwimmregeln
  • Erste Hilfe
  • Anti-Gewalt- / -Aggressions-Training
  • Situationstraining und Rollenspiele
  • Selbstbehauptung / Selbstverteidigung
  • Transfer interkultureller Kompetenzen
  • Schwimm- und Rettungstraining
  • Ergänzendes Sportangebot
  • Kommunikationstraining
  • Teambuilding

Die Trainer*innen werden überwiegend durch die Projektpartner gestellt, jedoch beteiligt sich die Direktion 5 mit einer starken personellen Komponente

Ziele des Projektes

Die Teilnehmer_innen sollen lernen, Konflikte zu erkennen und zu schlichten.
Durch den Erwerb von Kenntnissen über Ursachen und Entstehung von Gewalt, mit Empathie und durch das Einsetzen von Deeskalationsstrategien können sie das friedliche Miteinander im Schwimmbad ermöglichen.
Sie sind in der Lage, Konfliktsituationen ohne körperliche Gewalt und mit den Kenntnissen des Anti-Gewalt-Trainings, ergänzt durch erlebte Interkulturalität, zu bewältigen.

Sie übernehmen Verantwortung, stärken ihr Selbstwertgefühl und nehmen eine Vorbildfunktion innerhalb ihrer „community“ ein.

Sie haben eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und können Freizeitaktivitäten (Aufenthalt im Schwimmbad) mit gesellschaftlichem Engagement verbinden.

Außerdem sollen die jungen Menschen in ihrer persönlichen Lebensperspektive gestärkt werden. Durch den Erwerb sozialer Kompetenzen verbessern sie wesentlich ihre Chancen auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.

Stationen

  • 2011

    Beginn des Projektes in den Bädern Sommerbad Kreuzberg und Sommerbad Neukölln

  • 2012

    Finanzielle Unterstützung durch die Volker-Reitz-Stiftung zu Berlin

  • 2013

    • Besuch des Innensenators Hr. Henkel im Sommerbad Columbiadamm
    • Präventionspreis der Volker-Reitz-Stiftung zu Berlin
    • Beginn der Einsätze in der Wintersaison im Bad am Spreewaldplatz, Wiener Str. 59 H, 10999 Berlin Friedrichshain-Kreuzberg
  • 2014

    • Beginn der Einsätze im Kombibad Gropiusstadt, Lipschitzallee 27-33, 12351 Berlin Neukölln
    • Start des Projektes in der Direktion 1 im Sommerbad Pankow, Wolfshagener Str. 91-93, 13187 Berlin Reinickendorf
    • Beteiligung und Projektpräsentation auf dem 19. Deutschen Präventionstag in Karlsruhe
    • Sonderpreis der Securitas GmbH
    • Evaluation des Projektes durch Camino
      Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschung im sozialen Bereich gGmbH Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention
  • 2015

    Veröffentlichung der Evaluation durch die Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention im Auftrag der Landeskommission Berlin gegen Gewalt

  • 2016

    Beteiligung und Projektpräsentation auf dem 21. Deutschen Präventionstag in Magdeburg.

  • Aussicht 2017

    • Ausweitung und Einführung des Projektes in der Direktion 2
    • Beteiligung und Projektpräsentation auf dem 22. Deutschen Präventionstag in Hannover
  • Flyer "Bleib Cool am Pool"

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