70 Jahre Köpenicker Musikschule – Ein schwieriges Jahr für einen runden Geburtstag

*70 Jahre Köpenicker Musikschule –
Ein schwieriges Jahr für einen runden Geburtstag*

Ich erinnere mich gut an den 70. Geburtstag meines Vaters vor ein paar Jahren. Es war Anfang September, spätsommerlich warm, die ganze Verwandtschaft, alt und jung, war zu einem fröhlichen Familienfest zusammengekommen. Es wurde gegessen und getrunken, gesungen und vorgespielt, Texte gelesen und Fotos gezeigt. Es war ein herrlicher Tag im fröhlichen Miteinander, so wie man sich einen runden Geburtstag vorstellt.
Wahrscheinlich haben Sie alle auch schon ähnliches erlebt.

Unsere Musikschule wird in diesem Jahr 70.
Wie begeht als Musikschule normalerweise so ein Jubiläum?

Konzerte mit vielen Gästen!
Hm.
Workshops mit vielen interessierten Kindern!
Nun ja.
Projekte, die Menschen zusammenbringen und kreative Impulse freisetzen.
Aber die Inzidenzzahlen…

Schwierig!

Es sieht so aus, als müssten wir uns etwas einfallen lassen, um die Menschen unseres Stadtbezirks teilhaben zu lassen an unserem Geburtstag und an unserer Geschichte.

Vor siebzig Jahren, gerade sechs Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs, wurde am 19. Februar 1951 im Rahmen eines „Ausspracheabends“ an der Köpenicker Hegelschule die Gründung einer Musikschule für den Bezirk Köpenick beschlossen. Die musikalischen Angebote der Volkshochschule sollten aus dieser herausgelöst und eine neue Institution gegründet werden, in der alles unterrichtet wird, was mit Musik zu tun hat: Instrumental- und Gesangsunterricht, Tanz, Ensemble, Chor, Musiktheorie. Das war der Startschuss.
Die Musik nahm eine Sonderstellung ein. Die Menschen hungerten danach wie nach einem Stück frischem Brot. Dass selbst in einer Situation wie der damaligen – schließlich lag das ganze Land in Trümmern – Musikschulen gegründet wurden, ist ein deutlicher Beweis dafür, dass Musizieren ein elementares Grundbedürfnis der Menschen ist. Gerade in schwierigen Zeiten stärkt Musik die Seele, befreit die Gedanken und gibt Kraft, um den alltäglichen Herausforderungen zu begegnen.

Heute, siebzig Jahre später, musizieren 19% der deutschen Bevölkerung ab sechs Jahren in ihrer Freizeit. Das sind 14 Millionen Menschen! Aber wir stecken in einer ganz anderen Krise: die Corona-Pandemie bringt für alle Menschen massive Herausforderungen und unerwartete Einschränkungen mit sich. Was einst selbstverständlich war, ist nun ein Regelverstoß. Das Feiern wird uns in diesem Jahr nicht leichtgemacht, geht es doch bei der Musik neben dem Ausdruck der eigenen Gefühle immer darum, Menschen zusammenzubringen: im Unterricht, während der Proben und Konzerte, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, das Publikum. Wie also feiern in Zeiten, in denen Menschen nicht zusammenkommen dürfen?

Die Lehrkräfte unserer Musikschule, die 2001 im Rahmen der Berliner Gebietsreform aus der Fusion der Treptower und der Köpenicker Musikschule gebildet wurde und 2004 den Namen des jüdischen Sängers und Kantors Joseph Schmidt erhielt, unterrichten ihre Schüler ohnehin seit Monaten online. Die Schnelligkeit und Flexibilität, mit der sich alle Beteiligten auf diese neuen Erfordernisse einstellten, um den Unterrichtsprozess am Laufen zu halten und weiterhin Musik machen zu können, erntete bundesweit begeisterte Reaktionen. Ein großer Teil des Unterrichtsangebotes findet seit Dezember 2020 über das Internet statt. Die Musikschule arbeitet also, wenn auch weitgehend unbemerkt für alle nicht unmittelbar am Unterrichtsgeschehen Beteiligten, denn auch Veranstaltungen dürfen seit Monaten auch nur noch in digitaler Form stattfinden. Dass dies alles kein vollwertiger Ersatz für pulsierendes Musikschulleben ist, versteht sich wahrscheinlich von selbst. Wir alle vermissen einander und sehnen uns nach realer Begegnung, Musik und Gespräch. Zwar werden wir im Laufe des Monats Mai unseren Präsenzbetrieb wieder aufnehmen; Veranstaltungen mit Publikum bleiben aber weiterhin verboten. Damit die Menschen von Treptow-Köpenick das Jubiläumsjahr miterleben können, haben wir uns einige Aktionen überlegt – nicht zuletzt auch, damit wir das Gefühl kriegen, trotz aller Einschränkungen ein besonderes Jahr zu begehen.

Im Rahmen des digitalen Festivals „Klangwelten kunterbunt“ des FEZ (https://musikfestival-klangwelten.de/) präsentiert sich die Musikschule von März bis Juni mit repräsentativen Beiträgen im digitalen Reisekoffer. Hier sind unter anderem Beiträge zu sehen, die unsere Schülerinnen und Schüler beim (dieses Jahr digitalen) Wettbewerb „Jugend Musiziert“ eingereicht haben, außerdem Videos aus dem heimischen Wohnzimmer, Eindrücke aus der Musikalischen Früherziehung und ab Ende Mai ein eigens produzierter Film mit Interviewsequenzen einiger unserer Schülerinnen und Schüler.

Wenn die Pandemielage es zulässt, wollen wir am 20. Juni 2021 unser Musikschulfest mit Festakt, Schnupperunterricht, Minikonzerten und Gartenprogramm feiern.
Nach der Sommerpause sind in der Musikschule, hoffentlich vor körperlich anwesendem Publikum, monatliche Jubiläumskonzerte geplant, darunter das vierte Manfred-Schmitz-Gedenkkonzert. Informieren Sie sich immer aktuell über die Rubrik „Veranstaltungen“ auf dieser Internetseite.

Die Geburtstagsfeier meines Vaters hat damals einen ganzen langen Tag und die halbe Nacht gedauert und hielt einige Überraschungen bereit. Je länger wir beisammen waren, desto schöner wurde es. Ich wünsche mir, dass wir so etwas – verteilt über das Jahr 2021 – auch für unsere Musikschule erleben und Sie daran teilhaben lassen können. Wir freuen uns auf eine unbeschwerte Zeit voller Musik und Begegnung, in der unmittelbares menschliches Miteinander ohne Sorgen, Abstandsregeln, Masken und Hygienekonzepte wieder zur Normalität wird.

Sie sind herzlich eingeladen!

Mark Anders, stellvertretender Musikschulleiter