Veranstaltungsreihe "2x Deutschland"

Innerdeutsche Beziehungen 1972-1990

2012 jähren sich zentrale Wegmarken der innerdeutschen Beziehungen. Die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags vor 40 Jahren zählt ebenso dazu wie der Staatsbesuch Erich Honeckers in Bonn, die 750-Jahr-Feier in Berlin, die Rede Ronald Reagans an der Mauer oder die Verabschiedung des SED-SPD-Papiers vor 25 Jahren. Diese Jubiläen sind Anlass für eine achtteilige Veranstaltungsreihe, in der an wichtige Stationen der innerdeutschen Beziehungen in den 1970er- und 1980er-Jahren erinnert werden soll. Im Gespräch mit Wissenschaftlern, Politikern und Zeitzeugen wird danach gefragt, wie sich die Deutschen mit dem Status quo des geteilten Landes arrangierten, welche Ereignisse zur innerdeutschen Annäherung beitrugen, wie die internationale Politik das Geschehen in Deutschland beeinflusste und welche Folgen bis heute zu spüren sind.

Eine Veranstaltungsreihe des Berliner Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Deutschen Gesellschaft e. V.

13. März 2012

1972 – Ein Schlüsseljahr für die innerdeutschen Beziehungen

Die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags markierte 1972 eine neue Etappe im Verhältnis beider deutscher Staaten. Der westdeutsche Unterhändler Egon Bahr diagnostizierte prägnant: “Bisher hatten wir keine Beziehungen, jetzt werden wir schlechte haben – und das ist ein Fortschritt.” Mit den Verträgen von Moskau und Warschau und dem Viermächte-Abkommen über Berlin war der Grundlagenvertrag Teil der entspannungspolitischen Bemühungen, mit denen sich die Bundesregierung unter Willy Brandt die Normalisierung der Beziehungen zu den sozialistischen Staaten Osteuropas und zur DDR erhoffte. Angestrebt wurden menschliche Erleichterungen sowie eine Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls über die Mauer hinweg. Für die DDR bedeutete das Abkommen vor allem einen Erfolg bei ihren langjährigen Bemühungen um internationale Anerkennung.
Fast 40 Jahre nach seiner Unterzeichnung gingen wir der Frage nach, inwieweit der Grundlagenvertrag gemeinsam mit den anderen politischen Weichenstellungen dieser Zeit die Annäherung zwischen der Bundesrepublik und der DDR bis hin zur Wiedervereinigung vorangetrieben hat. Im Fokus der Auftaktveranstaltung zur Reihe “2x Deutschland” über die innerdeutschen Beziehungen von der Teilung bis zur Einheit standen aber auch die Vorgeschichte, der Verlauf und die Folgewirkungen dieses besonderen deutschen Jahres 1972.

Begrüßung:
Dr. Anna Kaminsky (Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)

Impulsvortrag:
Prof. Dr. Hermann Wentker (Institut für Zeitgeschichte)

Podiumsgespräch mit:
  • Rainer Eppelmann (Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)
  • Hans Modrow (DDR-Ministerpräsident a. D.)
  • Dr. Hans-Jochen Vogel (Bundesminister a. D.)
  • Prof. Dr. Hermann Wentker (Institut für Zeitgeschichte)

Moderation:
Sven Felix Kellerhoff (Die Welt / Berliner Morgenpost)

3. April 2012

Zwei Staaten, zwei Kirchen?
Kirche im geteilten Deutschland

Die Kirchen in Deutschland verstanden sich mit ihrem Bekenntnis zur “besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland” als einen wichtigen Faktor in den innerdeutschen Beziehungen. Wie kaum ein anderer Akteur trugen die evangelischen Kirchen – unter schwierigen äußeren Bedingungen und gleichzeitig durchaus kritischen innerkirchlichen Diskussionen – ganz wesentlich dazu bei, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen im geteilten Deutschland zu stärken.

Begrüßung:
Dr. Andreas H. Apelt (Bevollmächtigter des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft e. V.)

Impulsvortrag:
Prof. Dr. Peter Maser (Direktor a. D. des Ostkirchen-Instituts der Universität Münster)

Podiumsgespräch mit:
  • Stephan Bickhardt (Pfarrer, DDR-Bürgerrechtler)
  • Dr. Christoph Demke (Bischof i. R. der Kirchenprovinz Sachsen)
  • Dr. Martin Kruse (Bischof i. R. der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Ratsvorsitzender der EKD a. D.)
  • Prof. Dr. Peter Maser (Direktor a. D. des Ostkirchen-Instituts der Universität Münster)

Moderation:
Friederike Sittler (Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb))

In Kooperation mit Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)

15. Mai 2012

Entspannung und Abrüstung im Kalten Krieg
Der KSZE-Prozess und seine Auswirkungen auf die innenpolitischen Situationen in Ost und West

Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) war eine wichtige Station der Entspannungspolitik im Ost-West-Konflikt. Die DDR versprach sich von der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte im August 1975 stärkere internationale Anerkennung. Die offizielle, wenngleich zähneknirschende Akzeptanz der Menschenrechte und Grundfreiheiten brachte die SED-Führung – wie die Herrschenden anderer Ostblockstaaten – zugleich in Schwierigkeiten. Oppositionsgruppen und unzufriedene Bürger beriefen sich gegenüber der sozialistischen Obrigkeit fortan auf die humanitären und menschenrechtlichen Verpflichtungen. Dabei erfuhren sie auch Unterstützung aus dem Westen. Stärker als je zuvor stand die DDR zudem unter Beobachtung bundesdeutscher Journalisten. In den 1980er-Jahren wurden schließlich weitere innerdeutsche Begegnungen möglich, die zum Autoritätsverlust des SED-Staates maßgeblich beitrugen.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen sowohl das spannungsreiche Verhältnis von Außen- und Innenpolitik der DDR im KSZE-Prozess als auch der internationale Einfluss auf die Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Sie ging dabei insbesondere der Frage nach, wie sich die Festlegungen der KSZE auf die Gesellschaften in der DDR und Osteuropa sowie auf die innerdeutschen Beziehungen auswirkten.

Begrüßung:
Martin Gutzeit (Berliner Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen)

Impulsvortrag:
Prof. Dr. Rolf Steininger (Freie Universität Bozen)

Podiumsgespräch mit:
  • Gerhart R. Baum (Bundesminister des Innern a. D.)
  • Gerd Poppe (DDR-Bürgerrechtler)
  • Dr. Marek Prawda (Botschafter der Republik Polen)
  • Prof. Dr. Rolf Steininger (Freie Universität Bozen)

Moderation:
Peter Lange (Chefredakteur Deutschlandradio Kultur)

5. Juni 2012

Berlin 1987 – Zwischen doppeltem Stadtjubiläum und Reagan-Besuch

Die geteilte Stadt stand 1987 ganz besonders im Fokus: Aufwändig wurde in Ost und West das 750. Gründungsjubiläum Berlins begangen – häufig jenseits der gewohnten Normalität. US-Präsident Ronald Reagan nutzte seinen Berlin-Besuch, um öffentlich die Öffnung der Mauer zu fordern. Tausende ostdeutsche Jugendliche wollten Pfingsten 1987 einem großen Rockkonzert vor dem West-Berliner Reichstag lauschen und wurden von der Staatsmacht niedergeknüppelt. Mit der Besetzung der Umwelt-Bibliothek im November 1987 versuchte das SED-Regime einmal mehr, abweichende Meinungen zu kriminalisieren und der erstarkenden Opposition einen Schlag zu versetzen.

Begrüßung:
Dr. Andreas H. Apelt

Impulsvortrag:
Dr. Jens Schöne (Historiker, Stellv. Berliner Landesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR)

Podiumsgespräch mit:
  • Prof. Dr. Laurenz Demps (em. Prof. Humboldt-Universität Berlin)
  • Eberhard Diepgen (Regierender Bürgermeister Berlin a. D.)
  • John Christian Kornblum (US-Botschafter a. D.)
  • Dr. Jens Schöne (Historiker, LStU Berlin)

Moderation:
Harald Asel (rbb-Inforadio)

7. August 2012

Politik des Dialogs
Das SED-SPD-Papier von 1987

Ab 1984 trafen sich Vertreter aus SPD und SED in Gesprächskreisen. Ihr Gedankenaustausch mündete im August 1987 in einem Dialogpapier mit dem Titel “Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit”, das im “Neuen Deutschland” und im “Vorwärts” publiziert wurde.
In beiden Teilen Deutschlands sorgte der Text für großes Aufsehen, auch innerhalb der SPD war das Papier umstritten. In der Bundesrepublik warfen Kritiker der Partei die Aufwertung der SED sowie eine historisch-moralische Gleichstellung beider Systeme vor. Das Papier sei eine Garantieerklärung für Ideologie und Machtanspruch des SED-Staates gewesen. Befürworter hielten dagegen, dass die Destabilisierung der DDR durch das Papier zusätzlichen Nachdruck erhielt. Eine der entscheidenden Passagen lautete: “Die offene Diskussion über den Wettbewerb der Systeme, ihre Erfolge und Misserfolge, Vorzüge und Nachteile, muss innerhalb jedes Systems möglich sein.” Sehr schnell sollte sich jedoch zeigen, dass die Bereitschaft der SED zum offenen Dialog mit der Bevölkerung schlicht nicht vorhanden war.

Begrüßung:
Dr. Anna Kaminsky (Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)

Vortrag:
Prof. Dr. Günther Heydemann (Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung e.V.)

Podiumsgespräch mit:
  • Dr. Erhard Eppler (Bundesminister a. D.)
  • Stephan Hilsberg (Staatssekretär a. D., Bürgerrechtler)
  • Dr. Dietmar Keller (Minister a. D.)
  • Prof. Dr. Gesine Schwan (Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance, Berlin)

4. September 2012

“Als Deutscher unter Deutschen”
Der Staatsbesuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik 1987

Auf Einladung von Bundeskanzler Helmut Kohl reiste der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker im September 1987 in die Bundesrepublik. Mit dem Besuch verbanden beide Seiten sehr unterschiedliche Erwartungen. Während die DDR-Führung den Empfang als Bestätigung für zwei unabhängige, souveräne deutsche Staaten ansah, war Kohl vor allem daran gelegen, die deutsche Frage offen zu halten.
Im Mittelpunkt der bilateralen Gespräche standen verbesserte Bedingungen beim Reise- und Besuchsverkehr, bei der Familienzusammenführung sowie beim Umweltschutz. In der Tat stimmte die DDR nach Honeckers Besuch begrenzten Erleichterungen im innerdeutschen Reise- und Postverkehr zu. Kohl hingegen verwies darauf, dass ein dauerhafter Frieden in Europa nur durch die deutsche Einheit zu erreichen sei. Sowohl Honecker als auch Kohl gingen jedoch auf lange Sicht von der Existenz zweier selbstständiger deutscher Staaten aus: eine Fehleinschätzung, wie sich schon bald herausstellen sollte.

Begrüßung:
Martin Gutzeit (Berliner Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen)

Vortrag:
Prof. Dr. Martin Sabrow (Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam e. V.)

Podiumsgespräch mit:
  • Dr. Claus-Jürgen Duisberg (Botschafter a. D.)
  • Prof. Dr. Igor Maximytschew (Gesandter a. D., Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften)
  • Ulrike Poppe (LAkD Brandenburg, Bürgerrechtlerin)
  • Prof. Dr. Martin Sabrow
  • Dr. Hans Voß (Botschafter a. D.)

Moderation:
Jürgen Engert (Gründungsdirektor des ARD-Hauptstadtstudios)

9. Oktober 2012

Gekaufte Freiheit
Häftlingshandel zwischen DDR und Bundesrepublik Deutschland

Zwischen 1963 und 1989 kaufte die Bundesregierung über 33.000 politische Häftlinge aus den Gefängnissen der DDR frei. Rund 3,5 Milliarden D-Mark flossen so in die klamme Devisenkasse des SED-Staates. Das ist die Bilanz von 26 Jahren Häftlingsfreikauf zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Für das Minsiterium für Staatssicherheit handelte es sich um eine “politisch-operative Sondermaßnahme”, für den Westen waren es “besondere Bemühungen im humanitären Bereich”.
Die Veranstaltung geht diesem besonders geheimnisumwitterten Kapitel deutsch-deutscher Geschichte nach. Wie kam der Häftlingshandel zustande, wie lief er ab und wer waren die Akteure in Ost und West? Welche Interessen hatten die beiden deutschen Regierungen, dieses brisante Geschäft über Jahrzehnte zu verfolgen? Wer waren die Freigekauften, was bedeuteten für sie Haft und Ausreise in den Westen? Welche politische Tragweite hatten die lange geheim gehaltenen Verhandlungen für die offiziellen innerdeutschen Beziehungen und für die Stabilität der SED-Diktatur?

Begrüßung:
Dr. Andreas H. Apelt (Bevollmächtigter des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft e. V.)

Vortrag:
Prof. Dr. Helmut Altrichter (Universität Erlangen-Nürnberg)

Podiumsgespräch mit:
  • Prof. Dr. Helmut Altrichter
  • Jan Hoesch (Ministerialrat a. D.)
  • Dr. Christian Richter (freigekaufter DDR-Häftling)
  • Dr. Jürgen Schmude (Bundesminister a. D., ehem. Präses der Synode der EKD)

Moderation:
Angela Elis (Journalistin und Autorin)

6. November 2012

Eine deutsche Nation?
Deutsch-deutsche Antworten

Im Brennpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte steht angesichts der Verbrechen des Nationalsozialismus und der jahrzehntelangen Zweistaatlichkeit kontinuierlich die Frage nach der deutschen Identität. Während der Zeit der Teilung hatten in der Bundesrepublik alle Regierungen an der Einheit der Nation festgehalten, während die DDR ab den 1970er Jahren von der Existenz zweier deutscher Nationen ausging. Über die Mauer hinweg waren die Menschen durch gemeinsame historische und kulturelle Wurzeln sowie familiäre und freundschaftliche Beziehungen verbunden. Gleichzeitig aber bildeten sich alltagskulturelle Differenzen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erfahrungen, die nach 1990 spürbar werden sollten.
Mit der Wiedervereinigung stellte sich die Identitätsfrage für die Bundesrepublik ganz neu. Befürchteten die einen die Wiederbelebung eines übersteigerten Nationalbewusstseins, forderten andere eine neue Gewichtung des nationalen Selbstwertgefühls. Mehr als 20 Jahre nach der deutschen Einheit hat das Nachdenken über die nationale Identität nicht an Aktualität eingebüßt. Dabei gilt es, den gemeinsamen und doch zugleich unterschiedlich entwickelten Erfahrungsraum sowie den damit verbundenen Erwartungshorizont der Deutschen neu zu vermessen und für die Gestaltung der gesamtdeutschen Nation fruchtbar werden zu lassen.

Begrüßung:
Dr. Anna Kaminsky (Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)

Vortrag:
Prof. Dr. Ulrich Herbert (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)

Podiumsgespräch mit:
  • Prof. Dr. Ulrich Herbert
  • Prof. Dr. Eckhard Jesse (Technische Universität Chemnitz)
  • Markus Meckel (Minister a. D., Bürgerrechtler)
  • Helga Schubert (Doctor of Humane Letters / USA, Schriftstellerin)

Moderation:
Dr. Hermann Rudolph (DER TAGESSPIEGEL)