Parochialkirche mit Kirchhof

Parochialkirche mit Kirchhof

Parochialkirche mit Kirchhof

  • Grabzeichen, 2014

    Grabzeichen, 2014

  • Innenraum mit Kreuz von Fritz Kühn, 2014

    Innenraum mit Kreuz von Fritz Kühn, 2014

  • Blick in die Klosterstraße mit Parochialkirchturm, 1785

    Blick in die Klosterstraße mit Parochialkirchturm, 1785

  • Grundriss Gruft, o.J.

    Grundriss Gruft, o.J.

  • Zerstörter Innenraum, o.J.

    Zerstörter Innenraum, o.J.

  • ursprünglicher Aufriss mit Glockenturm nach Jean de Bodt, o.J.

    ursprünglicher Aufriss mit Glockenturm nach Jean de Bodt, o.J.

  • Flammenvasen, 2014

    Flammenvasen, 2014

  • Gruftkammer mit Kindersärgen, 1999

    Gruftkammer mit Kindersärgen, 1999

  • Grabmal für Henriette Auguste Bock, 2014

    Grabmal für Henriette Auguste Bock, 2014

Direkt hinter den Resten der alten Berliner Stadtmauer, zwischen Kloster-, Parochial- und Waisenstraße gelegen, befindet sich die älteste Kirche der Reformierten Gemeinde Berlins, die barocke Parochialkirche – Parochial bedeutet Gemeinde.

Zum Ensemble von Parochial gehören das vollständig erhaltene Gruftgewölbe, spätere Gemeindebauten sowie der Parochialkirchhof, der heute neben dem Sophienkirchhof der einzige noch erhaltende, barocke Innenstadtfriedhof im Zentrum ist.

1695 wurde mit dem Bau der Parochialkirche nach Plänen des Architekten Johann Arnold Nering begonnen. Der Zentralbau auf vierpassförmigem Grundriss mit Vierungsturm, vorgeblendeter Vorhalle und einem von Säulen getragenen Portalrisalit mit Dreiecksgiebel wurde nach Nerings Tod 1695 von Martin Grünberg verändert weitergeführt. 1713-15 erfolgte die Fertigstellung durch Philipp Gerlach mit der Vollendung des Glockenturmes nach Plänen von Jean de Bodt.

Im Südosten wird das Gelände durch das neobarocke Gemeindehaus (Gustav Knoblauch, 1888/89) begrenzt. Die eigenständige Parochialgemeinde schloss sich 1968 mit der Georgengemeinde zusammen, 2003 und 2006 erfolgten weitere Fusionen zur heutigen Evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien.

Seit 1884 beschäftigt sich die Denkmalpflege mit der Restaurierung der Parochialkirche und dem Ausbau des schmucklosen Innenraumes, der die Besucher mit original barockem Mauerwerk empfängt. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges brannte die Parochialkirche bis auf die Umfassungsmauern vollständig aus. Die oberen Turmteile und das Dach stürzten ein. Erst 1951/52 konnte letzteres wiederhergestellt werden. Die Rekonstruktion des Turmobergeschosses ist ab 2014 geplant. Nach der Fertigstellung der Kirchturmspitze soll der Turm wieder eine Höhe von 66 Metern haben.

Ab 1946 nutzt die Gemeinde einen Raum über dem Eingangsportal der Kirche für ihre Gottesdienste. Der Innenraum als “überdachte Ruine” wurde ab 1970 zur Möbellagerung genutzt. Das im Altarraum gehängte große Eisenkreuz wurde 1961 von Fritz Kühn aus in Ruinen gefundenen Rohren gefertigt.

Die ersten Beisetzungen auf dem Kirchhof fanden ab 1706 statt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Seitenstreifen zur Verbreiterung der Parochialstraße abgetrennt, 27 Grabstellen waren umzubetten. Zu größeren Umgestaltungen kam es um 1936 vor allem im direkten Bereich um die Kirche und das Gemeindehaus. Bis 2005 erfolgte die vollständige Restaurierung der Epitaphien, der gusseisernen Grabkreuze und -tafeln, der steinernen Grabmale aus dem 17. bis 19. Jahrhundert sowie der beiden erhaltenen Mausoleen einschließlich der Wiederherstellung der historischen Wege- und Vegetationsstrukturen.

Ab 1700 fanden Beisetzungen in der ausgedehnten Gruft unter der Kirche statt. Vornehmlich hohe Staatsbeamte und Angehörige der reformierten Berliner Oberschicht wurden hier beigesetzt. Vermögende Familien und Einzelpersonen, teils adlig, teils bürgerlich, teilten sich die Grüfte. Die Tradition der Beisetzung in Grüften verschwand im Laufe des 19. Jahrhunderts. Nach dem Verbot von 1854 kamen noch wenige Särge mit Sondergenehmigungen bis 1878 dazu. Die Gruftanlage besitzt ein wohldurchdachtes Belüftungssystem, das alle Kammern durch kleine Schächte miteinander verband und die Mumifizierung der 560 hier beigesetzten Leichname begünstigte. Das besondere Klima in der Gruft führte zum Erhalt organischer Substanzen, von Kleidungsresten sowie Innendekorationen. Anhand der Funde konnten neue, wichtige Erkenntnisse zur Bestattungskultur im 18. Jahrhundert gewonnen werden.

Stand: 6/2014

Zeittafel

  • 1695-1705

    Ausführung der Parochialkirche durch Martin Grünberg nach Plänen von Johann Arnold Nering

  • ab 1700

    erste Beisetzungen in den 30 Gruftkammern

  • ab 1701

    Anlage des Parochialkirchhofes mit Einfriedung, Einzelgräbern, Grabanlagen, unterirdischen Grabgewölben und Mausoleen

  • 08.07.1703

    Einweihung der Kirche

  • 1713-15

    Vollendung des Turmes nach Plänen von Jean de Bodt durch Philipp Gerlach

  • 1885

    Flächenreduzierung des Kirchhofs durch Anbauten an die Kirche, Konfirmanden-Zimmer und Sakristei (nach 1945 beseitigt)

  • 1888-89

    Errichtung des Gemeindehauses in mehreren Abschnitten

  • 1889

    Abtrennung von Kirchhofsflächen zur Verbreiterung der Parochialstraße mit Umbettung von Gräbern

  • 24.05.1944

    Zerstörung des Kircheninnenraumes und des Turmoberteiles durch Brandbomben

  • 1946

    Ausbau des Vorhallenobergeschosses zu einem Gottesdienstraum

  • 1951/52-61

    Wiederherstellung des Kirchendaches und bauliche Sicherung

  • seit 1991

    Beginn der Rekonstruktion und schrittweise Wiederherstellung aller Ensembleelemente

Faltblatt-Impressum

  • Herausgeber: Landesdenkmalamt Berlin
  • Abbildungen:
    Farbaufnahmen – Wolfgang Bittner, Landesdenkmalamt Berlin
    sw Aufnahmen – Ruine, Archiv Landesdenkmalamt Berlin
    Gruftkammer, D. Franz, Landesdenkmalamt Berlin
    Grundriss – Archiv Landesdenkmalamt Berlin
    Aufriss – Archiv Landesdenkmalamt Berlin
    Radierung – Johann G. Rosenberg
  • Text: quadrinom text und projekt
  • Redaktion: Gesine Sturm, Landesdenkmalamt Berlin
  • Herstellung / Gestaltung: pro.fund gmbh / © Jo Hartmann
  • Aus der Reihe: Erkennen und Erhalten in Berlin 2014, Nr. 42