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Überblicksplan Olympiagelände

Überblicksplan Olympiagelände

Fast zehn Jahre, von 1991 bis 1998, dauerte das Tauziehen um alternative Konzepte für das Berliner Olympiastadion und das umgebende, immerhin 131 ha umfassende Areal des ehemaligen Reichssportfelds, die von einer Minimalsanierung (“Colosseums-Lösung”) ohne erkennbare Nachhaltigkeit bis zum maßstabsprengenden Neubau eines reinen Fußballstadions auf dem Schenckendorffplatz bei Zerstörung des gesamten historischen Freiraum- und Erschließungssystems reichten.

Auch der Konflikt Multifunktionalität versus Monofunktionalität, wie er in vielen Diskussionen um europäische Sportanlagen zur Zeit geführt wird, spielte in diesem Zusammenhang eine große Rolle.

Mit einem Senatsbeschluss vom 26.05.1998 bekannte sich das Land Berlin zu seiner Verantwortung für die Erhaltung des Bau- und Gartendenkmals und beschloss die Sanierung und Modernisierung des vorhandenen multifunktionalen Olympiastadions “bei möglichst weitgehender Bewahrung des historischen Erscheinungsbildes”. (Senatsbeschluss Nr. 1467/98 vom 26.05.1998).

Die Ausgangsposition für die Entscheidungsfindung der Denkmalpflege im Diskussionsprozess um einzelne Baumaßnahmen bei der Entwicklung der Sanierungskonzeption für das Berliner Olympiastadion soll durch einige Bemerkungen über das Schadensbild verdeutlicht werden. Im Laufe der Jahrzehnte zeichnete sich vor allem am Olympiastadion selbst – in ähnlicher Weise und aus ähnlichen Ursachen aber auch am Schwimmstadion und an den Maifeldtribünen – eine besorgniserregende Entwicklung ab. Dabei muss zum Verständnis der denkmalpflegerischen Strategie betont werden, dass eine Behebung der Bauschäden auch bei Verzicht auf eine sport- oder freizeitbezogene Nutzung in jedem Fall hätte erfolgen müssen, allein um die Sicherung der Bausubstanz und die Betriebssicherheit wenigstens für Besuchergruppen zu gewährleisten.

Zu den hauptsächlichen Bauschäden: Altersbedingt wies die tragende Konstruktion insbesondere im Bereich von unbeschichteten und ungeschützten Betonoberflächen starke Schädigungen auf Grund der Karbonatisierung des Betons auf. Hier spielte zusätzlich die unterschiedliche Qualität der beim Bau des Olympiastadions in den dreißiger Jahren verwendeten Betone bzw. die unzureichende Überdeckung der Armierungen eine große Rolle. Weitere gravierende Bauschäden hatten sich infolge der Undichtigkeit der Tribünenanlage durch das ständige Eindringen von Wasser entwickelt.

Eine gefährliche Schadensentwicklung ergab sich des weiteren durch die zunehmende Chloridkontamination aufgrund der Verwendung von Streusalzen auf der Tribünenanlage bis in die 1970er Jahre. Durch die unzureichende Mörtelhinterfüllung zwischen der Natursteinverkleidung und der Tragkonstruktion konnte Feuchtigkeit nahezu ungehemmt eindringen, so dass sich auch in diesem Bereich massive Schäden entwickeln konnten, die zu einer insgesamt permanenten Verschlechterung des baulichen Zustands des Olympiastadions führten und über kurz oder lang die Stand- und Betriebssicherheit der Anlage gefährdet hätten.

Eine kostenintensive Betonsanierung des Olympiastadions wäre ebenso unumgänglich gewesen wie die Nachrüstung der sportfunktionalen und technischen Einrichtungen. (Die geschätzten Kosten lagen seinerzeit bei DM 200 Mio.) Der Bau eines neuen Fußballstadions, wie es sich Ende der 90er Jahre viele einflussreiche Stimmen aus Politik und Sport in Berlin gewünscht hätten und für das auch geeignete Standorte außerhalb des Olympiageländes im Gespräch waren, hätte der Denkmalpflege gleichgültig sein können, wenn nicht hätte befürchtet werden müssen, dass jede öffentliche oder private Mark, die in einen Neubau investiert worden wäre, für die Sanierung des vorhandenen Stadions gefehlt hätte und auch einen weiteren Niedergang der umgebenden Anlagen im Denkmalensemble nach sich gezogen hätte.

Innenraum nach der Sanierung

Es galt daher die Auffassung, dass alle Entwicklungsperspektiven für das Gesamtareal des ehemaligen Reichssportfelds von der Entscheidung über das Schicksal des Stadions als Herzstück, als zentralem Kern der Anlage, abhängig waren. Eine zukunftsfähige Revitalisierung und Entwicklung des umfangreichen Gebäudebestands mitsamt den großzügigen Freiflächen, für die denkmalverträglich nur eine ganzheitlich konzipierte sportbezogene Nutzung in Frage kommen konnte und für die nach Aussage seriöser Untersuchungen eine wirklich lukrative Vermarktung z. B. über eine großvolumige Zusatzbebauung nicht zu realisieren war, hing maßgeblich von der Funktionstüchtigkeit und Akzeptanz des Stadions selbst ab.

Die Denkmalbehörden und ebenso der Landesdenkmalrat haben sich bei ihrer Zustimmung zur Umrüstung des bestehenden Stadions vor allem von der Überzeugung leiten lassen, dass eine Erhaltungsperspektive für das Gesamtareal nur über eine attraktive Nutzungsperspektive für das Stadion gewonnen werden konnte, die den funktionalen Anforderungen an einen zeitgemäßen Spiel- bzw. Veranstaltungsbetrieb gerecht wurde.

Die öffentliche Diskussion vom Beginn bis zum Abschluss der Sanierungsmaßnahmen hat nicht nur lebhaftes Interesse geweckt, sondern auch gezeigt, dass eine solche Lösung auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung stieß, da sich das Olympiastadion zu einem wichtigen Identifikationsfaktor entwickelt hat. Bleibt zu hoffen, dass die abgeschlossene Sanierung des Olympiastadions zu einer schrittweisen Instandsetzung und Nutzbarmachung der Bestandsgebäude und -flächen des Gesamtkomplexes führen wird.

Die Gutachten aus den 90er Jahren stimmten in der generellen Aussage überein, dass das Berliner Olympiastadion sanierungsfähig und eine Modernisierung im Sinne einer Anpassung an zeitgemäße sportfunktionale Standards gemäß den Pflichtenheften der Sportverbände in denkmalverträglicher Form möglich sei. Einer Überdachung der Zuschauerränge hatte der für Denkmalschutz zuständige Senator bereits im Zuge der gescheiterten Olympia-Bewerbung Berlins für die Spiele 2000 zugestimmt. Es war nunmehr eine Nachrüstung des Olympiastadions auf einen Standard zu erreichen, der die Bewerbung um die Austragung einer Fußballweltmeisterschaft gemäß den FIFA Reglements ermöglichte.