Weberwiese

Weberwiese

Weberwiese, 2011

Die Weberwiese stellt den Prototyp einer Freiraumgestaltung in der DDR der frühen 1950er Jahre dar und hat ihre hohe Aufenthalts- und Gestaltqualität bis heute weitgehend bewahren oder in Teilbereichen zurückgewinnen können. Die seit Beginn des 19. Jahrhunderts bestehende Anlage war schon in den frühen Aufbauplänen der heutigen Karl-Marx-Allee Ende der 1940er Jahre mit dem Laubenganghaus von Ludmilla Herzenstein und entsprechenden Zeilenbauten einbezogen. Nach der Umorientierung der Städtebauvorstellungen war 1952/53 vom Kollektiv Lingner ein nicht realisierter Vorschlag erarbeitet worden, der sich streng achsensymmetrisch auf das Hochhaus von Hermann Henselmann bezog, dem neuen Leitbau an der Weberwiese und Karl-Marx-Allee.

Gartenarchitekt Helmut Kruse vom Entwurfsbüro für Hochbau I realisierte 1953–54 einen völlig gegensätzlichen, landschaftlichen Entwurf. Er konzipierte einen großzügigen Wiesenraum mit lockeren Baumgruppen und eingebettetem zungenförmigen Wasserbecken, welcher von einem geschwungenen Rundweg mit Sitzplätzen sowie Blühgehölzen flankiert wurde. Schmuckpflanzungen an den Wegen und am Becken sorgten für jahreszeitliche Höhepunkte und boten eine hohe Aufenthaltsqualität. Das Hochhaus wurde hier ganz im Sinne des traditionellen Landschaftsgartens als in wechselnden Ansichten erlebbares Parkgebäude inszeniert. Auch der Park bezog sich also wie das Gebäude mit seinem klassizistischen Dekor auf die Traditionslinien des 19. Jahrhunderts von Karl Friedrich Schinkel und Peter Joseph Lenné. Kruse erläuterte 1953 seine Planung: „Während der Straßenzug eine repräsentative Aufgabe erfüllt, dienen die hinter den Baublocks liegenden Flächen den sozialen Bedürfnissen der Werktätigen als Nutzgrünflächen. (…) Als erster Bauabschnitt werden die Weberwiese und das unmittelbar anschließende Gelände aufgeschlossen. Bei der Gestaltung der Weberwiese ist das Hochhaus als Dominante zu unterstreichen, dessen Linienführung sich in einem vorgelagerten, landschaftlich geformten und in eine Wiesenfläche eingebetteten Teiche spiegeln wird. Ein mit Gehölzen abgedeckter Umgangsweg führt an Ruheplätzen und Blütenstaudenpflanzungen entlang. In dem anschließenden Gelände werden noch in diesem Jahr zwei größere Kinderspielplätze von insgesamt 200 qm Nutzfläche fertiggestellt.“ (Zitat: Kruse, Helmut: Die grüne Straße. In: Wochenzeitschrift „Sonntag“, 8.Jg., 12.04.1953, S. 2-3)

Auf Grundlage von gartendenkmalpflegerischen Untersuchungen gelang es ab 2008 sowohl die Wege, Treppen, Natursteinmauern, Terrassen und das Wasserbecken mit Fontäne einschließlich der Wassertechnik denkmalgerecht instand zu setzen, als auch beispielhafte Staudenpflanzungen wiederherzustellen. Ein asphaltierter Weg erhielt wieder eine wassergebundene Wegedecke und es wurden zahlreiche Bankplätze hergestellt. Auf dem geschützten, mit Natursteinmauern eingefassten Sitzplatz am Wasserbecken konnten die Restbestände der ehemals in der gesamten Karl-Marx-Allee vorhandenen lehnlosen Bänke mit steinernen neoklassizistischen Bankfüßen konzentriert werden. Durch die Restaurierungen der letzten zehn Jahre bildet die Weberwiese heute wieder eine wohltuende Oase der Ruhe und Kontemplation südlich der vom Verkehr stark beeinträchtigten zentralen Achse Karl-Marx-Allee.

Literatur:

Kruse, Helmut: Die grüne Straße. In: Wochenzeitschrift „Sonntag“, 8.Jg., 12.04.1953, S. 2-3.
Lingenauber, Klaus: Weberwiese. In: Landesdenkmalamt Berlin (Hg.): Gartendenkmale in Berlin. Parkanlagen und Stadtplätze. Petersberg 2013, S. 106-107.
Lingenauber, Klaus: Weberwiese. In: Landesdenkmalamt Berlin (Hg.): Gartendenkmale in Berlin. Nachkriegszeit bis Ende der Sechziger Jahre. Petersberg 2018, S. 109-113.