Bernauer Straße

Dokumentationszentrum Berliner Mauer

Dokumentationszentrum Berliner Mauer

Ein Ort, der in ganz besonderer Weise zum Sinnbild für die Unmenschlichkeit der Berliner Mauer wurde, ist die Bernauer Straße. Aufgrund der besonderen Grenzlage – die Häuser an der Südseite der Straße lagen im sowjetischen Sektor, ihre Gehwege aber bereits im französischen – vollzog sich der Bau der Mauer hier besonders dramatisch: Als im August 1961 die Grenztruppen in den Erdgeschossen der Häuser die Fenster zumauerten, versuchten Flüchtende über die Fenster der Obergeschosse in den Westteil zu entkommen. Die Bilder dieser Ereignisse gingen damals um die ganze Welt. In der Folge wurden die Häuser dieser Straßenseite zwangsgeräumt und 1965 abgerissen, nur die Straßenfassaden der Erdgeschosse blieben stehen und wurden bis 1979 als Grenzmauer genutzt.

Mauerverlauf an der Bernauer-Straße

Die Bernauer Straße ist der einzige Ort in Berlin, an dem ein 64 Meter langer Abschnitt der Grenzanlagen mit all seinen Einrichtungen und Sperrelementen – mit Grenzmauer, Todesstreifen, Postenweg, Peitschenlampen, Elektrokästen und Hinterlandsicherungsmauer – erhalten wurde. Dieses Gelände gehörte vormals zum Friedhof der Sophienkirchengemeinde. Mit der Errichtung der Mauer 1961 wurden die Grabstätten im Bereich der Grenze aufgelöst und die Toten umgebettet. Als besonderes Geschichtszeugnis wurde der Grenzstreifen zwischen Ackerstraße und Bergstraße mit einer Gesamtlänge von 212 Metern am 2. Oktober 1990 unter Denkmalschutz gestellt. Gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Dokumentationszentrum, der benachbarten Kapelle der Versöhnung und der künstlerisch gestalteten Gedenkstätte bildet der denkmalgeschützte Mauerabschnitt an der Bernauer Straße das Gedenkensemble Berliner Mauer.

Um die an dieser Stelle besonders heftige Proteste gegen den Erhalt des Mauerstreifens aufzufangen und weil das Deutsche Historische Museum hier eine geschichtsdidaktische Einrichtung anlegen wollte, fand 1994 ein künstlerischer und landschaftsplanerischer Wettbewerb zur Errichtung einer Mauergedenkstätte statt, die am 09. November 1999 eröffnet wurde. Der realisierte Entwurf der Stuttgarter Architektenpaares Claudia und Sven Kohlhoff (Kohlhoff und Kohlhoff) durchschneidet die denkmalgeschützte Grenzanlage mit zwei je sechs Meter hohen Stahlwänden und grenzt so einen 64 Meter langen Mauerabschnitt als Gedenkstätte ab. Die Außenseiten der Stahlwände sind korrodiert und lassen Assoziationen an die Metapher des “Eisernen Vorhangs” zu. Die Innenseiten bestehen aus poliertem Edelstahl und sollen den kurzen Grenzabschnitt ins Unendliche spiegeln, um so die ehemalige Ausdehnung der Grenzanlage zu versinnbildlichen. Der Beton der “Grenzmauer 75” an der Bernauer Straße war durch Souvenirjägerinnen und -jäger bis auf die stählernen Armierungen abgetragen. Im Gegensatz zu der Grenzmauer an der Niederkirchnerstraße, wo bewusst die Mauer mit den Zerstörungen der “Mauerspechte” als jüngste Schicht des Bauwerks erhalten wurde, ist die Mauer im Bereich der Gedenkstätte an der Bernauer Straße durch eine Betonsanierung in ihren ursprünglichen Zustand zurück versetzt worden.

Der Wissensstand über die Strategie und Durchführung des in diesem Bereich vierphasigen (1961; 1961-1967; 1964-1980; 1975-1980) Mauerausbaues wurde im September 2007 durch eine archäologische Ausgrabung erweitert. In einem 50m langen Streifen von 5 m Breite erschließen sich im Boden die Zeugen der durch den Grenzausbau überlagerten Straßenbauelemente wie Bürgersteige und Straßenelemente. Es spiegelt sich auch das grobe Eingreifen in religiöse und kulturhistorisch relevante Bereiche in Form der Einsturzreste der Friedhofsmauer des Sophienfriedhofes wider. In dem Bereich des 1967 entweihten Friedhofs wurden Rudimente des Friedhofes entdeckt: Grabsteine, Grabsteinsockel, Grabstellenmarken und vereinzelt Sargnägel sowie einige menschliche Knochen. Als typische Hinterlassenschaften der DDR-Grenzanlagen zählen ferner noch die Reste von Leuchtspurmunition in Form von verbrauchten und datierten Leuchtpatronenhülsen. Im Zusammenhang mit den noch sichtbaren, oberirdisch aufgehenden Elementen sind diese Spuren im Boden wichtige Zeugnisse für das Verständnis der Geschichte dieser Grenzsicherungsanlage.

Südlich der Gedenkstätte, noch auf dem Gelände des Sophienfriedhofs, ist ein längerer Plattenwandabschnitt der so genannten Vorfeldsicherung erhalten und seit 2001 denkmalgeschützt. Unübersichtliche Areale im Vorfeld des eigentlichen Grenzstreifens wurden durch Sperrelemente unterschiedlichster Art gesichert, um so die Annäherung zu erschweren. Dazu zählten neben Plattenwänden auch Zäune, Beleuchtungsanlagen, vergitterte Fenster und Durchfahrtssperren in Form von Blumenkästen.

Etwas weiter westlich, zwischen dem Friedhof der Sophiengemeinde und der Gartenstraße, ist eine weitere Plattenwand der Vorfeldsicherung erhalten. Die mehrfach geknickte Plattenwand besteht aus Betonplatten, von denen je drei übereinander zwischen Doppel-T-Träger eingespannt sind. An einigen Stellen liegt die Bewehrung frei, an manchen fehlen ganze Elemente.

Die am 9. November 1999 eröffnete Gedenkstätte ist Teil eines mehrteiligen Gedenkensembles, zu dem auch das gegenüberliegende Dokumentationszentrum Berliner Mauer sowie die benachbarte Kapelle der Versöhnung zählen. Die 2000 eingeweihte Kapelle der Versöhnung ist Ersatzbau und Mahnmal für die gesprengte Versöhnungskirche. Diese Kirche von 1894 lag nach dem Bau der Mauer unerreichbar für die Gemeindemitglieder im Todesstreifen und wurde 1985 gesprengt. Nach dem Fall der Mauer erhielt die evangelische Versöhnungsgemeinde 1995 ihr Mauergrundstück mit der Auflage der sakralen Nutzung zurück. Nach Plänen der Berliner Architekten Peter Sassenroth und Rudolf Reitermann entstand über den Fundamenten des Chorraumes der zerstörten Kirche eine neue Kapelle. In dieser neuen Kapelle der Versöhnung lebt die alte Versöhnungskirche nicht nur namentlich, sondern auch materiell weiter: In der Kapelleninnenwand aus massivem Stampflehm befinden sich zerkleinerte Steine der gesprengten Kirche. Der ovale Kapellenkern wird von einer transluzenten Fassade aus Holzlamellen umschlossen.

Im Rücken der Kapelle liegt der Friedhof der Elisabeth-Himmelfahrtsgemeinde. Aufgrund der grenznahen Lage erhielten ab 1961 nur Angehörige mit speziellen “Grabkarten” Zugang zu den Gräbern der Verstorbenen. An der Friedhofsseite zur Bernauer Straße sind zwei Abschnitte einer Plattenwand erhalten, die der Vorfeldsicherung diente. Die Wand ist mit Graffiti besprüht. Dort wo der Hauptweg des Friedhofs auf die Mauer zuläuft, wurden einige Segmente entfernt, im südlichen Bereich wurden das Grabmal der Familie Carl Schmidt und die historische Friedhofsmauer in den Verlauf der “Sicherungsmauer” integriert. Hierdurch legt das Denkmal Zeugnis vom rigorosen und rücksichtslosen Vorgehen bei der Errichtung der innerstädtischen Grenzanlage ab. Der seit 2001 denkmalgeschützte Plattenwandabschnitt ist zugleich Teil des Gartendenkmals Friedhof St. Elisabeth-Kirchengemeinde.