Organstreitverfahren der AfD gegen Justizsenator erfolglos - Äußerungen gegenüber dem RBB und im Abgeordnetenhaus verstoßen nicht gegen das Recht der AfD auf Chancengleichheit

Pressemitteilung vom 04.07.2018

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat heute sein Urteil in einem vom Berliner Landesverband der AfD angestrengten Organstreitverfahren verkündet. Der Antrag der AfD richtete sich gegen Äußerungen des Senators für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung in einem Interview mit dem RBB und in einer parlamentarischen Fragestunde. Der Verfassungsgerichtshof hat den Antrag zurückgewiesen.

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein im Dienstbereich des Antragsgegners tätiger Leitender Oberstaatsanwalt hatte auf dem Nominierungsparteitag der Brandenburger AfD zur Bundestagswahl gesagt: „Wenn die Blockparteien so weitermachen können wie bisher, dann hat unser Land in 20 Jahren fertig, wir wären wirtschaftlich ruiniert, von einer nicht-deutschen Mehrheit besiedelt und auf dem besten Weg in die islamische Republik. Um das zu verhindern, sind wir alle in die AfD gegangen, und das will ich auch mithelfen zu verhindern.“

Mit dieser Äußerung wurde der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung in einem Interview des RBB konfrontiert. Daraufhin sagte er u.a., danach sei für den Wahlkampf Einiges zu befürchten, die Medien würden zu tun bekommen und die Dienstbehörde werde dies dann auszuwerten haben. In einer anschließenden Fragestunde im Abgeordnetenhaus äußerte er auf Fragen von Abgeordneten u.a., dass hinsichtlich der Bundes-tagskandidaten der AfD aufgrund von Äußerungen aus der AfD in anderen Bundesländern Anlass bestehe, genauer hinzusehen, ob sie sich an das dienstrechtliche Gebot zur Mäßigung und Zurückhaltung sowie zum jederzeitigen Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung hielten.

Die Antragstellerin machte vor dem Verfassungsgerichtshof geltend, dass der Antragsgegner mit seinen Äußerungen gegen die Neutralitätspflicht eines Regierungsmitglieds verstoßen und ihr Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb der politischen Parteien aus Art. 21 GG verletzt habe.

Der Verfassungsgerichtshof ist der Argumentation der Antragstellerin nicht gefolgt. Hinsicht-lich der Äußerungen des Antragsgegners im Interview mit dem RBB war der Antrag erfolglos, weil diese Äußerungen selbst keinen ausreichenden Bezug zur AfD als Partei hatten. Einen entsprechenden Bezug hatten die Äußerungen erst durch Formulierungen erhalten, die der RBB in seiner anschließenden Berichterstattung verwendet hat. Die Berichterstattung des RBB kann dem Antragsgegner jedoch nicht entgegengehalten werden. Ebenso erfolglos war der gegen die Äußerungen in der Fragestunde gerichtete Antrag. Diese bezogen sich zwar auf die AfD und hatten einen parteiergreifenden Inhalt. Sie waren jedoch nicht zu beanstanden, weil der Antragsgegner im Rahmen der parlamentarischen Fragestunde zu Rede und Antwort verpflichtet war und in dieser Situation nicht dem für Regierungsmitglieder unter anderen Voraussetzungen geltenden Gebot strikter Neutralität unterlag. Dabei berücksichtigte der Verfassungsgerichtshof auch, dass der Antragsgegner in der Fragestunde vor allem von einem Mitglied der Antragstellerin befragt worden war und eine Verletzung der Grundsatzes der Waffengleichheit in dieser Situation nicht drohte.

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 4. Juli 2018 – VerfGH 79/17 -

Hinweis:

Art. 21 GG lautet:

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.
(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

Urteil in dem Verfahren hier laden