Geschichte des Ortsteils Oberschöneweide

Luftaufnahme Oberschöneweide

Zur Entstehung

Oberschöneweide erhielt seinen Namen wegen “der schönen Weiden an der Spree”, die über viele Jahrzehnte das Gebiet prägten und zugleich wichtigste Einnahmequelle ihrer Besitzer waren. Ältestes nachgewiesenes Anwesen ist die schon zu Zeiten des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm erwähnte Gastwirtschaft Quappenkrug (1674), benannt nach dem Namen des Wirtes Quappe. Schiffer und Reisende dürften auf dem Wege zwischen Köpenick und Berlin in diesem Gasthaus am Ufer der Spree Rast gemacht haben. Nach häufigen Besitzerwechseln erwarb im Jahre 1814 Oberfinanzrat Reinbeck das inzwischen Forst- und Landgut gewordene Areal und ließ das Gebäude schlossähnlich ausbauen. Mit königlichem Einverständnis nannte er es nach dem Vornamen seiner Frau “Wilhelminenhof”, aus dem im Jahre 1894 ein beliebtes Ausflugslokal hervorging.

Um 1850 lebten im Gutsbezirk Oberschöneweide etwa 100 Einwohner. Letzter Verwalter des Gutes war bis zur eigentlichen Ortsgründung 1898 Wilhelm Weiskopff, an den noch heute eine Straße in Oberschöneweide erinnert. Im Jahre 1897 wurde die 626 Einwohner zählende Gemeinde Oberschöneweide zum Hauptstadtort der von Emil Rathenau gegründeten “Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft” (AEG). In der Folgezeit zogen zahlreiche Unternehmen der Elektro-Großindustrie, darunter das “Kabelwerk Oberspree”, die “Akkumulatorenwerke Oberschöneweide”, die “Deutschen Nileswerke” und die “Nationale Automobilgesellschaft” Tausende von Arbeitern an, so dass sich die Bevölkerungszahl in wenigen Jahren verzehnfachte.

In den Jahren 1914 – 1917 baute AEG nach dem Entwurf von Peter Behrens für die Nationale Automobilgesellschaft (NAG) einen weiteren Großbetrieb. Der unter Denkmalschutz stehende Peter-Behrens-Bau, mit 70m hohem Turm in der Ostendstraße 1, ist ein markantes Beispiel der Industriearchitektur. Bereits im Jahre 1902 ließ der AEG-Begründer Emil Rathenau einen Waldfriedhof in der Wuhlheide anlegen. In dem Familiengrab wurde 1922 sein ermordeter Sohn, der deutsche Außenminister Walter Rathenau, beigesetzt. Oberschöneweide entwickelte sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem wichtigen Zentrum der Elektroindustrie Berlins.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges konzentrierten sich die führenden Betriebe der elektrotechnischen und elektronischen Industrie, wie das Kabelwerk Oberspree (KWO), das Transformatorenwerk Oberspree (TRO) und das Werk für Fernsehelektronik (WF) im Raum Oberschöneweide und knüpften damit an die frühere AEG-Tradition an. Rückläufige Investitionen in vielen produzierenden Bereichen, die jahrelange Vernachlässigung der Industriebauten und damit die immer geringer werdende Anpassung der DDR-Industrie an moderne Produktionserfordernisse, führten bereits gegen Ende der siebziger Jahre zu einer folgenschweren Überalterung der industriellen Anlagen und schließlich zu nicht mehr konkurrenzfähigen Großbetrieben, zu denen nach 1990 auch die Industrieregion Oberschöneweide gehörte.

Wilhelminenhofstraße Werkseite

Oberschöneweide orientiert sich neu

Die Wiederbelebung und der Ausbau Oberschöneweides zu einer modernen Industrie- und Wohnstadt war und bleibt erklärtes Ziel aller. Erfolge sind sichtbar.

Auf dem ehemaligen AEG-Gelände an der Wilhelminenhofstraße haben rund 6.000 Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) ihren Lernort gefunden. Sie umfasst die Studiengänge Gestaltung, Ingenieurwissenschaften, Angewandte Informatik, Internationale Medieninformatik, Wirtschaftskommunikation und Wirtschaftsingenieurwesen. Auch der Kulturstandort wird dort aufgewertet. Bereits jetzt haben sich viele Künstler und Initiativen angesiedelt. Neu entstehen werden die “Schauhallen Berlin”. Neben 16 Galerien errichten zwei renommierte Museen in den bestehenden Industriehallen ihre Berlin-Dependancen. Am Ufer der Spree sind ein Skulpturengarten und gastronomische Einrichtungen vorgesehen.

Eine vordringliche Aufgabe bleibt die Verkehrsplanung. Die Wilhelminenhofstraße ist durch ihren Umbau mit separatem Radweg verkehrstüchtiger und sicherer geworden. Ein Brückenneubau für Fußgänger und Radfahrer über die Spree (“Kaisersteg”) bindet den Wissenschafts- und Kulturstandort an den Ortsteil Niederschöneweide, das dortige Zentrum und den S-Bahnhof an. Für den überörtlichen Verkehr soll die geplante Süd-Ost-Verbindung zwischen der Rummelsburger Landstraße und der Köpenicker Landstraße die Spree-, Edison- und Siemensstraße entlasten, die dann den Verkehrsströmen entsprechend neu gestaltet werden können. In der weiteren Planung ist als östliche Verlängerung der Wilhelminenhofstraße die “Wilhelminenhofbrücke” zum S-Bahnhof Oberspree.

Lange war der Spree-Zugang durch die Industrienutzung verwehrt. Am “Kranbahnpark” ist ein Stadtplatz mit öffentlicher Grünfläche und einem Anlegesteg für Schiffe entstanden. Ein Uferweg wird bis zum “Kaisersteg” geführt und soll der Öffentlichkeit zwischen Treskowbrücke und dem östlichen Ende der Wilhelminenhofstraße zur Verfügung stehen. In Teilbereichen ist der Ortsteil bereits im Ergebnis der Sanierung zu einem attraktiven Wohnstandort geworden. Dazu gehört auch ein Netz sozialer Einrichtungen. Kultur- und Bildungskurse bieten die Filiale der Volkshochschule in der Plönzeile, sowie die Landesmusikakademie in der Wuhlheide an. Zahlreiche Jugend-, Familien- und Seniorenprojekte runden das Angebot ab, zum Beispiel der Kiezklub KES (“Kinder – Erwachsene – Senioren”). Überregionale Angebote bietet das FEZ (Freizeit- und Erholungszentrum) in der Wuhlheide.

Die Wuhlheide gewinnt durch die schrittweise Wiederherstellung des denkmalgeschützten „Volkspark Wuhlheide“ im Rahmen von Förderprojekten neue Attraktivität für die Naherholung.