Mauer des Gedenkens

Gedenkmauer

Auf dem Schulhof der Löcknitz-Grundschule in der Münchener Straße steht eine von Schüler_innen errichtete Mauer aus gelben, beschrifteten Steinen. Sie erinnert an die Jüdinnen und Juden, die in die Konzentrationslager deportiert und dort grausam ermordet worden sind. Anfang der dreißiger Jahre lebten ca. 16.000 Jüdinnen und Juden im Bayerischen Viertel in Berlin Schöneberg, weshalb dieses auch jüdische Schweiz genannt wurde. Hier befand sich die Synagoge Münchener Straße, welche das Zentrum für die jüdisch-traditionelle Gemeinde im Kiez bildete. Auf der Fläche, auf der damals die Synagoge stand, befindet sich heute der Schulpavillon.

Synagoge

Der Bau der Synagoge in der Münchener Str. 37 war im Jahre 1909 vom Synagogenverein Schöneberg in Auftrag gegeben worden. Erworben war das Grundstück von der Berlinischen Bodengesellschaft. Die Synagoge wurde durch den Architekten Max Fraenkel entworfen und 1910 eingeweiht.

Aufnahme der Synagoge von 1953

Das zweigeschossige Gebäude, das gänzlich aus Eisenbeton errichtet wurde, bot für 836 Menschen Platz – 388 für Frauen und 448 für Männer. Die eigentliche Synagoge befand sich im Hinterhaus, im Vorderhaus waren Wohn- und Schulräume, das Rabbinerzimmer und ein Wochentagsbetsaal. Die jüdische Gemeinde übernahm im Jahre 1925 den gesamten Komplex.
Am 9. November 1938 in der Reichspogromnacht wurde die Synagoge wahrscheinlich wegen ihrer Lage in einem Wohnhaus kaum beschädigt. Während des II. Weltkrieges wurde die Synagoge bei Bombenangriffen beschädigt und 1956 abgerissen. Auf dem Grundstück, auf dem die Synagoge stand, befindet sich heute der Schulhof der Löcknitz-Grundschule. Zur Erinnerung wurde ihr ehemaliger Grundriss auf dem Schulhof durch Pfeiler und Zeichen sichtbar gemacht.

Das Denkmal in der Münchener Straße

Denkmal

Zum Gedenken an die ehemalige Synagoge steht das vom Bildhauer Gerson Fehrenbach geschaffene Denkmal in der Münchener Straße, direkt an der Grenze zum Schulgrundstück. Das Denkmal wurde am 8. November 1963 auf Initiative der Bezirksverordnetenversammlung von Schöneberg eingeweiht. Es ist eines der öffentlichen Denkmale in Berlin, das an die Verbrechen des Holocaust erinnert. Jedes Jahr am 9. November findet eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Reichspogromnacht am Denkmal statt.

Auf ihrer Steintafel steht:

„Hier stand die 1909 erbaute Synagoge der Jüdischen Gemeinde.”

Bronzetafel des Denkmals

Auf ihrem Sockel befindet sich eine Bronzetafel mit der folgenden Inschrift:

„Hier stand von 1909-1956 eine Synagoge.
Sie wurde während der Reichspogromnacht
am 9. Nov. 1938 wegen ihrer Lage in einem
Wohnhaus nicht zerstört.
Nach der Vertreibung und Vernichtung
der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger
durch die Nationalsozialisten verlor sie
ihre Funktion und wurde 1956 abgerissen.”

Die Gedenkmauer

Gedenkmauer

Das „Denk-mal“-Projekt wurde von der Rektorin der Löcknitz-Grundschule, Christa Niclasen, ins Leben gerufen. Aus dem Unterrichtsthema „Nationalsozialismus“ entwickelte sich der Gedanke, eine Denksteinmauer für die jüdischen Mitbürger_innen zu errichten. Inspiriert wurde das Mauer-Projekt vom Kasseler Künstler Horst Hoheisel. Seit 1994 werden hier zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger_innen Mauersteine mit Namen und Todesdatum eingefügt. Die Gedenkmauer befindet sich am Rand der Wiese unter Bäumen auf dem Schulhof und ist für die Schüler_innen jederzeit präsent. Auch Schulklassen aus anderen Bezirken und Schulen besuchen das „Denk-mal“, um sich über das Projekt zu informieren. Den Schüler_innen war es freigestellt, welchen Menschen sie aus den Listen, die vom Schöneberger Heimatmuseum zur Verfügung gestellt worden waren, aussuchten. In diesen Listen sind mehr als 6000 Namen jüdischer Bürger_innen des Bezirks Schönebergs aufgezeichnet, die in Konzentrationslagern ermordet worden sind.

2013: Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler mit der Zeitzeugin Lolita Goldstein.

Jedem Kind aus der 6b, wurde es selbst überlassen, an wen es erinnern möchte. Die Kinder wählten die Menschen aus, weil sie zum Beispiel über den gleichen Namen, dem gleichen Geburtstag oder der gleichen Wohnanschrift eine Verbindung zu ihnen haben. Anschließend wurde der Name und das Todesdatum auf einen Stein geschrieben und in der Gedenkfeier am 17. Juni 1995 niedergelegt. Heute umfasst die Gedenkmauer 1097 Steine.

Seitdem wird das „Denk-mal“-Projekt jedes Jahr freiwillig mit den jeweiligen sechsten Klassen durchgeführt. Das Interesse der Schüler_innen an diesem Projekt ist jedes Mal groß. Ihr persönliches Engagement für dieses Projekt wird bei den Gedenkveranstaltungen gewürdigt. Im November 1996 nahm beispielsweise der ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, auf Einladung der Löcknitz-Grundschule an der Gedenkveranstaltung teil. Da das „Denk-mal“- Projekt den Schüler_innen von großer Bedeutung war, bereiteten sie sich intensiv auf den Besuch von Herrn Bubis vor. Passend zum Leitmotiv des „Denk-mal“-Projekts wies er die Schüler_innen auf ein altes jüdisches Sprichwort hin: „Menschen, die man vergisst, sterben ein zweites Mal.“ Das Projekt hilft gegen das Vergessen.

Rabbiner Walter Rotschild spricht das Kaddisch.

An der jährlichen Gedenksteinverlegung nehmen auch viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen teil, zu denen die Schule Kontakte pflegt. 2013 nahm beispielsweise die damals 98-jährige Lolita Goldstein an der Gedenkveranstaltung teil. Hierfür war sie extra aus den USA angereist. Die Zeitzeugen erzählen über die damaligen Geschehnisse und beantworten die Fragen der Schüler_innen ausführlich.

Außerdem lädt die Löcknitz-Grundschule jedes Jahr den in Großbritannien geborenen Autor und Rabbiner Walter Rotschild ein. Er besucht die Gedenkveranstaltungen regelmäßig und spricht das jüdische Totengebet, das Kaddisch.

Zitate aus den Gedenksteinen

Während der Gedenkveranstaltung fügen die Schüler_innen die Steine, die mit dem Namen und dem Todesdatum der jüdischen Mitbürger_innen beschriftet sind, der Mauer hinzu. Dabei begründen sie ihre Entscheidung und sprechen folgende Sätze:

„Ich denke an……“
  • , weil wir den gleichen Namen haben.
  • , weil sie im selben Haus gewohnt hat, wie ich.
  • , weil wir am gleichen Tag Geburtstag haben.
  • , weil sie so heißt wie meine Schwester.
  • , weil er nur 1 Jahre alt geworden ist.

Die Gedenkveranstaltung ist bewegend und bildet den Abschluss des pädagogischen Projekts. Durch dieses Projekt entwickeln die Schüler_innen eine emotionale Bindung zu der Problematik im Rahmen der Unterrichtseinheit „Nationalsozialismus“. Aufgrund der intensiven Beschäftigung mit den Verbrechen, bildet sich eine Art Solidaritätsgefühl bei den Schüler_innen mit den Opfern heraus.

Mauerstein

Das „Denk-mal“ –Projekt erhielt viele Anerkennungspreise:
1998 den Edith-Wolf-Preis des Anne-Frank-Hauses Berlin, 2002 den Anerkennungspreis der Ausländerbeauftragten des Berliner Senats, sowie den
bundesweiten Anerkennungspreis von »Demokratisch Handeln«. Außerdem wurde ihr der Obermayer German Jewish History Award im Januar 2012 verliehen.

Das pädagogische „Denk-mal“-Projekt wird an der Löcknitz-Grundschule weiterhin fortgesetzt.