Drucksache - 0890/XX  

 
 
Betreff: Integration durch Selbstorganisation der Geflüchteten – Bewohner*innenräte in den Gemeinschaftsunterkünften einrichten!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Frakt. GRÜNE, SPDBezirksamt
  Schöttler, Angelika
Drucksache-Art:ErsatzantragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
17.10.2018 
24. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Soziales, Senioren und demografischer Wandel Mitberatung
17.01.2019 
17. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales, Senioren und demografischer Wandel ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Ausschuss für Integration Beratung
14.02.2019 
15. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Integration mit Änderungen im Ausschuss beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
20.03.2019 
29. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Kenntnisnahme
15.01.2020 
39. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Integration Kenntnisnahme
13.02.2020 
22. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Integration zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Beschlussempfehlung
Mitteilung zur Kenntnisnahme

Die Bezirksverordnetenversammlung hat am 20.03.2019 folgenden Beschluss gefasst:

 

Die BVV ersucht das Bezirksamt, sich bei der zuständigen Senatsverwaltung dafür einzusetzen, dass Ressourcen in den Unterkünften geschaffen werden, um Selbstorganisation und Teilhabe von Geflüchteten in den Geflüchteteneinrichtungen im Bezirk zu koordinieren/möglich zu machen.

 

Dieses Vorgehen entspricht dem „Gesamtkonzept für Integration und Partizipation“ Geflüchteter, wie es vom Senat im Dezember 2018 festgelegt wurde.

 

Des Weiteren soll das Bezirksamt prüfen, ob Mittel aus dem Haushalt oder anderweitigen Fördertöpfen, zu diesem Zweck, generiert werden können, so dass für die Dauer von mindestens 3 Monaten personelle Unterstützung zur Verfügung gestellt werden kann.

Das Bezirksamt wird aufgefordert, Träger_innen der Geflüchtetenunterkünfte dahingehend zu mobilisieren, dass diese pro-aktiv die Bildung von Bewohner_innenräten (o. ä.) forcieren. Das Bezirksamt soll bei der Konzeption solcher Bewohner_innenräte bei Bedarf Hilfestellung leisten.

 

Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt, folgende Kriterien für die Gründung und Organisation von Bewohner_innenräten in den Gemeinschaftsunterkünften bestmöglich durchzusetzen. Hierbei sollen die Betreiber_innen und die Bewohner_innen der Gemeinschaftsunterkünfte maßgeblich beteiligt werden und bei Bedarf weitere Kriterien definieren können.

 

Folgende Punkte sollen möglichst berücksichtigt werden:

– Einberufung einer Bewohner_innenversammlung zur Wahl eines Bewohner_innenrates für 2 Jahre.

– Der Rat soll einen Querschnitt der Bewohner_innen der Unterkunft abbilden, indem möglichst jeweils zwei Vertreter_innen je Sprachgruppe gewählt werden. Zudem soll er möglichst paritätisch, zur Hälfte mit Männern und Frauen, besetzt werden.

– Der Rat wählt aus seiner Mitte eine/n Vorsitzende/n.

– Die Mitgliedschaft im Rat ist unabhängig von einer Änderung der Wohnsituation.

 

 

– Der/die Vorsitzende soll regelmäßig in den Sozial- und Integrationsausschuss eingeladen werden.

Es finden regelmäßig Treffen zwischen dem Rat und dem/der Flüchtlingskoordinator/in bzw. Integrationsbeauftragen statt.

– Der Rat nimmt an Treffen/Runden Tisch der Träger_innen der Flüchtlingsarbeit und Ehrenamtlichen teil.

– Die Arbeit des Rates wird durch die Zur-Verfügung-Stellung der notwendigen Infrastruktur (z.B. geeignete Räume, Zugang zu Computern und Internet, Dolmetscher) sowie bei der Vernetzung mit den Bewohner_innen unterstützt.

 

Der Bezirksverordnetenversammlung ist bis zum September 2019 zu berichten.

 


Das Bezirksamt teilt hierzu mit der Bitte um Kenntnisnahme mit:

 

Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat sich bei der entsprechenden Senatsverwaltung eingesetzt und folgende Stellungnahme erhalten:

 

„In Abstimmung mit dem Büro der Beauftragten für Integration und Migration (IntMig) und dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) nehme ich zu dem o. g. Beschluss wie folgt Stellung:

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales unterstützt die Zielsetzung, die partizipativen Instrumente zur Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohnern von Aufnahmeeinrichtungen nach §§ 44 ff Asylgesetz (AsylG) und Gemeinschaftsunterkünften nach § 53 AsylG bei den ihre Unterbringung betreffenden Aspekten zu stärken und zu erweitern.

 

Im Arbeitsdokument zu dem vom Berliner Senat am 11.12.2019 beschlossenen Gesamtkonzept zur Integration und Partizipation Geflüchteter wird diese Zielsetzung im Abschnitt 2.4.2 mit folgenden Ausführungen konkretisiert:

 

„Bei der Belegungssteuerung, bei Umzugsplanungen und bei der Errichtung von Unterkünften sind stärker als bisher einerseits Sozialfaktoren wie z. B. Kita- und Schul-, Ausbildungs- und Arbeitsplatz und andererseits die Belange der Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkünfte des LAF einzubeziehen. Darüber hinaus sind Geflüchtete bei der Ausgestaltung des Zusammenlebens in den Unterkünften aktiv zu beteiligen. Hierzu sind – soweit möglich – geeignete partizipative Instrumente wie etwa Bewohnerräte zu nutzen, die einen konstruktiven Beitrag zur Lösung von Konflikten und zur Deeskalation bei sozialen Spannungen leisten werden. Die Wahl der diesbezüglichen Instrumente hängt allerdings maßgeblich von den Eigenschaften der jeweiligen Unterkunft ab, etwa von der Größe/Kapazität und ob es sich um eine Aufnahmeeinrichtung nach §§ 44 ff. AsylG oder eine Gemeinschaftsunterkunft nach § 53 AsylG handelt, denn diese Rahmenbedingungen beeinflussen die durchschnittliche Aufenthaltsdauer und somit auch die Fluktuation in der Belegung, was wiederum bei der Frage, welche partizipativen Instrumente geeignet sind, relevant ist.“

 

Gemäß dieser Zielsetzung sieht die Leistungs- und Qualitätsbeschreibung, die Bestandteil der Vergabeunterlagen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahrens für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und als Anlage zu Betreibervertrag rechtlich verbindlich ist, vor, dass der Betreiber/die Betreiberin Beschäftigungs- und Freizeitangebote für die untergebrachten Personen sowie die Empowerment-Förderung der untergebrachten Personen koordiniert. Das beinhaltet u. a. die Wahl von Bewohner-Vertretern, die Mitsprache hinsichtlich der Planung von Betreuungsangeboten und -zeiten zur spezifischen Bedarfsdeckung und die Gestaltung von gesellschaftlichen Anlässen.

 

Eine vom LAF aus Anlass des BVV-Beschlusses durchgeführte Umfrage bei den Unterkünften im Bezirk Tempelhof-Schöneberg von Berlin hat ergeben, dass mit wenigen Ausnahmen alle in diesem Bezirk gelegenen Einrichtungen derartige partizipative Formate eingeführt haben, wenngleich in verschiedener Form, Intensität und mit unterschiedlichen Erfahrungen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die beigefügte Auswertung LAF II A 31 vom 02.08.2019 verwiesen.“

 

Die Auswertung LAF II A 31 vom 02.08.2019 besagt folgendes:

 

„Thema: Ist im LAF bekannt, in wie vielen AE/GU bisher derartige Partizipationsformate („Bewohnerräte“ o. ä.) eingerichtet worden sind?

Zur DS-Nr. 0890/ XX, schriftliche Anfrage des Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg

Zuständigkeit im LAF: Lena Wentz, II A 31

Antwort des Fachbereichs:

Abt II Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat für die Anfrage eine Umfrage in allen Unterkünften des Bezirks gemacht. Die Antworten der Betreiber sind bis Freitag, 2.8., im LAF eingegangen und im Folgenden aufgelistet:

 

1. GU Kirchhainer Damm 74

 

Welcher Art (z. B. Bewohnerrat o. ä.)

Wir arbeiten sei Eröffnung der Einrichtung (Sept. 2014) mit regelmäßigen Bewohner*innenversammlungen; im Rahmen dieser werden aktuelle Themen vorgestellt, Problemlagen besprochen und gemeinsam diskutiert; in spezifischen Konfliktsituationen finden zusätzlich Etagenversammlungen statt.

Weiterhin finden regelmäßig themenspezifische Fokusgruppen – auch in Kooperation mit externen Anbietern - statt, z.B. ein Männergesprächskreis sowie regelmäßige Gruppenangebote für Frauen, im Rahmen derer die Bedarfe und Wünsche der Bewohner/-innen eruiert und umgesetzt werden.

Seit Eröffnung der Einrichtung wurden zeitweilig Bewohner*innenräte installiert, die bisher aufgrund von Fluktuation sowie geringer Eigenbeteiligung der Bewohner*innen leider nicht langfristig etabliert werden konnten. Alternativ hat sich die Initiierung von Fokusgruppen sowie themen- und zielgruppenspezifischen Angeboten bewährt, im Rahmen derer die Bedarfe, Themenwünsche etc. der Bewohner*innen erfragt und umgesetzt werden. So finden aktuell z.B. auf Wunsch von Bewohnerinnen, regelmäßig Fahrradworkshops in Kooperation mit der Initiative „Bikeygees e.V.“ sowie eine Müttergruppe in Kooperation mit dem bezirklichen Familienzentrum, im Rahmen der verschiedenen Veranstaltungen und Workshops durchgeführt werden (Themenbereiche: Frauengesundheit, Selbstverteidigung, u.v.m.) statt.

Für eigene Projekte und Initiativen der Bewohner*innen werden Räume und Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Außerdem werden im Kinderbereich insbesondere bei der Planung der Ferienangebote die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder/Jugendlichen berücksichtigt; in die Gestaltung der täglichen Angebote werden sie ebenfalls miteinbezogen. Und Workshops durchgeführt werden (Themenbereiche: Frauengesundheit, Selbstverteidigung, u.v.m.) statt.

Für eigene Projekte und Initiativen der Bewohner*innen werden Räume und Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Außerdem werden im Kinderbereich insbesondere bei der Planung der Ferienangebote die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder/Jugendlichen berücksichtigt; in die Gestaltung der täglichen Angebote werden sie ebenfalls miteinbezogen.

Wie sind die bisherigen Erfahrungen (pos./neg.)?

Insgesamt betrachtet würde ich die Erfahrungen sowohl pos. als auch neg. beschreiben; Grundlage für die partizipative Zusammenarbeit mit Bewohner*innen ist zunächst die Entwicklung von Vertrauen als Basis der Zusammenarbeit. Außerdem ist die Zusammensetzung der Bewohner*innen sehr heterogen, es gilt hierbei die Interessen von Menschen aus 18-20 verschiedenen Herkunftsländern – mit unterschiedlichen Bildungshintergründen sowie sehr unterschiedlichen Ressourcen – zusammenzubringen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Dies ist vor dem Hintergrund der täglichen Bedarfe (Heimbetrieb, inkl. Funktion aller techn. Geräte und Anlagen, vielfältige Aufgaben des Sozialdienstes sowie Kinderbereiches; Begleitung von Traumata, Erkrankungen, kurzfristigen Kriseninterventionen, kurzfristige Ein- und Auszüge, „überraschende“ polizeiliche Einsätze,…. u.v.m.) nicht immer reibungslos möglich. Ebenso beeinträchtigen Faktoren wie Finanzierung und vertragliche Situation der Einrichtung, personelle Wechsel sowie Personalressourcen insges. mangelnde Kita- und Frauenhausplätze eine konzentrierte Weiterentwicklung der gemeinsamen, partizipativen Arbeit mit Bewohner/-innen in der Einrichtung; hierzu sind werden auch ausreichende personelle Ressourcen benötigt.

Als pos. ist aus unserer Sicht zu bewerten, dass wir mit einer großen Mehrheit der Bewohner/-innen vertrauensvoll zusammenarbeiten, das tägliche Miteinander ist aus unserer Sicht von gegenseitigem Respekt und einem wohlwollenden Miteinander geprägt.

Ebenso hat sich aus unserer Sicht die Etablierung von Fokusgruppen sowie anschließenden Gruppenangeboten und/oder Workshops bewährt, da mit Hilfe dieses Formats kurzfristiger und flexibler auf volatile Situationen im Heimbetrieb reagiert werden kann.

Sind zukünftig Veränderungen geplant?

Die Angebote und Umsetzung der partizipativen Konzepte mit Bewohnern/Bewohnerinnen sowie Kindern/ Jugendlichen werden stetig weiterentwickelt und an veränderte Bedarfslagen angepasst.

Im Bereich „Peer-Mediation“ (anliegender Flyer) ist die Entwicklung neuer Angebote geplant, hierzu müssen vorab zusätzliche finanzielle Mittel akquiriert werden.

 

2. GU Marienfelder Allee 66-80

 

Welcher Art (z. B. Bewohnerrat o. ä.)

 Interkulturelles Café

 Bewohner*innenrat

 zahlreiche selbstorganisierte Gruppen zu einzelnen Themen: Fitnessraum, Waschmaschinenraumaufsicht, Nähatelier, Friseur

 Pinnwand "Biete/ Suche" im Eingangsbereich der Unterkunft

 Kinderclub mit Kinderparlament

 Jugendclub

 Mädchentreff

 Gartenprojekt (ein Bewohner pflegt täglich die Hochbeete und anderen Beete, Kinder machen dabei mit mindestens 1x wöchentlich)

 Kinder-Ferienjobs: In den Schulferien (Osterferien, Sommerferien, Herbstferien) helfen ständig mehrere Kinder mit, das Gelände sauber zu machen. Dafür erhalten sie eine kleine Aufwandsentschädigung

 Teilnahme von Wohnheim-Mädchen- und Jungenmannschaften an Fußballspielen/-turnieren

 Kleiderkammer: Mehrere Bewohnerinnen organisieren die Kleiderkammer, d.h. ordnen der Kleiderspenden und Ausgabe der Kleidung an die Bewohnenden.

 Handwerkliches Engagement: Mehrere Bewohner betätigen sich beim Streichen von Gemeinschaftsräumen, beim Zusammenbau von Möbeln und anderen handwerklichen Tätigkeiten

 Sprungbrettangebot (hierbei haben wir eine Förderung der Senatsverwaltung erhalten): Mütter der Einrichtung treffen sich montags bis freitags gemeinsam mit einer unserer Mitarbeiterinnen (Erzieherin) und ihren 2-6-jährigen Kindern ohne Kitaplatz. Sie lernen Deutsch, tauschen sich aus über Themen wie Gesundheit, Kita, Erziehung, Schule, Ernährung und machen Ausflüge.

 Aktive Teilnahme der Bewohnenden an zahlreichen Öffentlichkeitsaktionen wie Wohnheim-Sommerfest, Domagkstraßenfest, Führungen im Wohnheim, Ausstellungsprojekte bei denen die Bewohnenden sich aktiv beteiligen, einbringen und darstellen (Essen zubereiten, Kunst ausstellen, vor Besuchergruppen von ihren Flucht-Erfahrungen berichten)

 Streit- bzw. Konfliktschlichter*innen (14 Bewohnende haben einen mehrteiligen Workshop absolviert, den wir bei uns mit dem Projekt Resolute durchgeführt haben, und haben sich qualifiziert, Konflikte, Streit, Probleme z.B. im Wohnheim, konstruktiv lösen zu können)

 Männer-Fußballmannschaft Ü 40

 Männer-Tischtennisgruppe

 

Wir sind die bisherigen Erfahrungen (pos./neg.)?

Nur sehr positiv!

Sind zukünftig Veränderungen geplant?

Die Bewohner*innen haben sich ein Sprachcafé und einen Männer-Raum gewünscht, die in den nächsten Wochen eingerichtet werden.

 

3. GU Niedstraße 1-2

 

Welcher Art (z. B. Bewohnerrat o. ä.)

In der Unterkunft Niedstr. 1-2 ist der Bewohnerinnenrat seit über 2 Jahren ein festes Instrument der Partizipation und Kommunikation mit der Bewohnerschaft. Der Rat trifft sich im monatlichen Rhythmus und dient dazu, die Ideen, Wünsche, Beschwerden und Anliegen der Bewohnerschaft aufzugreifen und mit ihnen gemeinsam Lösungswege zu erarbeiten. Je nach Themen und Anliegen werden Gäste hinzugezogen (z.B. Reinigungsdienst, Sicherheitsdienst). Dieses Konzept hat sich in der Vergangenheit bewährt. Aus diesem Grund sind derzeit keine Veränderungen geplant.

 

4. Tempohome Columbiadamm 84

 

Wurden in ihrer Unterkunft bereits Formate der Bewohnerpartizipation eingerichtet?

Ja, es wurden mehrere, komplementäre Formate in den Unterkünften eingerichtet. Schwerpunkt hierbei war stets die direkte Ansprache der diversen Zielgruppen (Frauen, Kinder, Familien, alleinstehende Männer und Frauen) sowohl in deren Wohnbereichen als auch im Rahmen von regelmäßigen Veranstaltungen in den Gemeinschaftsräumen. Flankiert wurden die Formate durch die kontinuierliche Präsenz des Beschwerdemanagements, das durch aufsuchende Tätigkeit die Bewohner*innen aktiv ermunterte, sich einzubringen und Probleme und Beschwerden vorzutragen.

TAMAJA hat bewusst auf die Einrichtung eines Bewohnerrates verzichtet, weil der dafür demokratisch zu legitimierende Prozess nicht umsetzbar war. Vielmehr wurde großer Aufwand in der Ansprache und Betreuung einzelner und einzelner Gruppe investiert, was sich auch ausgezahlt hat.

Wenn ja: Welcher Art (z. B. Bewohnerrat o. ä.)?

Bewohner*innenversammlungen, mal alle, mal nach spezifischen Zielgruppen, um z.B. Frauen auch mehr Gehör in einer Gruppe zu verschaffen

 Eigenständige Betreuung von Gemeinschaftsbereichen wie z.B. den Waschmaschinenraum oder das Frauencafé

 Diverse „Versammlungsaktivitäten“, um Gemeinschaft und Zugang zu Zielgruppen und deren spezifischen Belangen zu erhalten

 Einbindung in GZA und FIM Aktivitäten

 u.v.m.

 

 

Wie sind die bisherigen Erfahrungen (pos./neg.)?

Die Erfahrungen waren durchweg positiv, wenn man sich die Mühe gemacht hat, auf die verschiedenen Zielgruppen spezifisch einzugehen. Dadurch wurde etwaige Dominanten einzelner (z.B. Ehefrauen, die sich zum Teil traditionell nicht äußern, wenn ihr Ehemann zugegen ist) oder einzelner Gruppe vermieden. Die aktive Einbindung in Arbeiten, die der Ordnung und Sauberkeit dienen sowie der Organisation von Veranstaltungen am Standort führte zu einer höheren Identifikation und damit auch allgemeinen Rücksichtnahme.

 

5. GU Colditzstraße 32

 

Welcher Art (z. B. Bewohnerrat o. ä.)?

Bewohnerbeirat

Wie sind die bisherigen Erfahrungen (pos./neg.)?

Als wir den Bewohnerbeirat eingeführt hatten, haben wir nur positive Erfahrungen gesammelt. Mit der Zeit haben die Bewohner dies nicht mehr ernst genommen und auch an den Bewohnerversammlungen nicht mehr teilgenommen.

Sind zukünftig Veränderungen geplant?

Da wir nun fast voll belegt sind, möchten wir wieder versuchen den Bewohnerbeirat einzuführen.

 

6. GU Handjerystraße 44-45

 

Aufgrund der Größe und der besonderen Art der Unterkunft wurde die Form der Bewohnerversammlung (monatlich) als eine Form Partizipation gewählt. Die Bewohnerversammlung ist eine Plattform, um in den Austausch mit den Bewohnerinnen zu kommen, ihre Wünsche, Anregungen und Erwartungen zu erfahren, in den Dialog mit ihnen zu treten und vor allem ihnen die Möglichkeit zu geben, Unterreiner in den Austausch zu kommen.

Die Bewohnerinnenversammlung wird durch die Mitarbeiterinnen der Unterkunft begleitet und moderiert.

Eine andere Form wie z.B. ein Bewohnerrat funktioniert aufgrund der Bewohnerzahl (50 Plätze) und aufgrund der vielen gesundheitlichen Probleme der Bewohnerinnen nicht. Diese Form der Partizipation war nicht erfolgsversprechend.

Eine weitere Form der Partizipation, die in der Unterkunft aufgebaut wurde, ist das wöchentlich stattfindende Mitmachcafé. Hier können die Bewohnerinnen die Rolle der Besucherin/Nutzerin einnehmen, oder eine Verantwortung übernehmen. Diese Art von niedrigschwelligen Formen der Partizipation und Mitgestaltung sind für die oft alleinerziehenden Bewohnerinnen mit gesundheitlichen Problemen möglich und bringen keine weitere Form von Überlastung und Überforderung.

 

7. GU Trachtenbering 71-83

 

Auf Grund der hohen Fluktuation und mangelnden Interesse der Bewohner (Spätaussiedler) ist leider nicht möglich in dieser Unterkunft einer Bewohner*innenversammlung durchzuführen.

 

8. An der Urania 16-18 –die Anfrage der Abt II wurde von der Einrichtungsleitung nicht beantwortet.“

 

Demnach finden Selbstorganisation und Teilhabe in nahezu allen Unterkünften des Bezirks Tempelhof-Schöneberg in verschiedenen Formen statt.

 

Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und die bezirklichen Betreiber der Unterkünfte unterstützen und fördern die Partizipation der Bewohner_innen bis hin zur Bildung von Bewohner_innenräten fortwährend. Die bislang gesammelten Erfahrungen zeigen jedoch, dass dies ein Prozess ist, der sich in jeder Unterkunft individuell gestaltet und auf Wunsch der Geflüchteten entstehen sollte und nicht durch ein feststehendes Konzept von außen vorgegeben werden kann. Ein Konzept sollte unter Beteiligung der Geflüchteten und des Betreibers prozesshaft entstehen. Eine große Herausforderung ist hierbei, dass die Zuteilung der Bewohnenden in die Unterkünfte durch Dritte erfolgt und sie in der Regel keine Mitsprache in dem Prozess haben. 

 

Die Betreiber leiten die Unterkünfte mit individuellen Konzepten, welche feste Bestandteile der Vertragsgestaltung mit dem LAF sind und in die von außen nicht eingegriffen werden kann.  Die Förderung von Partizipation ist als Empfehlung in der Hausordnung enthalten, welche Vertragsbestandteil ist.

 

Die Stabsstelle Integration Geflüchtete wirkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Einbeziehung von Bewohner_innen der Unterkünfte hin. Es gibt immer wieder einzelne Geflüchtete, die bereit sind, sich auch außerhalb ihrer Unterkunft zu engagieren und hierfür Interesse zeigen. Dieses Engagement gilt es zu fördern und zu unterstützen. So nahmen regelmäßig Geflüchtete aus Tempelhof-Schöneberg an dem von der Senatsverwaltung für Integration durchgeführten Expert_innentalk teil. Bei der Erarbeitung des Gesamtkonzeptes waren ehemalige Bewohnerinnen aus der GU Niedstraße beteiligt.

 

Das Mobile Team für Demokratieförderung der Stiftung SPI unterstützt dabei, Partizipationsprozesse auch in Unterkünften zu begleiten. In einem Gespräch mit der Stabsstelle Integration Geflüchtete wurde von den Schwierigkeiten der Bildung von Bewohner_innenräten in den Unterkünften berichtet und von einer zu hohen Erwartungshaltung dahingehend abgeraten.

 

Bereits vor Inbetriebnahme der GU Großbeerenstraße konnte eine Kooperationsvereinbarung zu einem Pilotprojekt zwischen dem Betreiber LfG – B, dem Mobilen Beratungsteam der Stiftung SPI und der Stabsstelle Integration Geflüchtete geschlossen werden, welche sich auf die Umsetzung von Partizipationsprozessen in der Unterkunft bezieht. Eine positive Voraussetzung für dieses Projekt bietet die Ausgangslage, dass die Unterkunft neu bezogen wird und dies die Möglichkeit bietet, die Geflüchteten von Beginn an partizipativ an dem Geschehen in der Unterkunft zu beteiligen und Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Diese Grundhaltung und Atmosphäre lässt Raum zu für die Entstehung eines Bewohnendenrates, da sich die Bewohnenden von Beginn an beteiligt fühlen. Die Kooperationsvereinbarung bezieht sich vorerst auf die Förderung und Forderung von Teilhabe und kann unter Umständen in einer späteren Phase in der Entstehung eines Bewohner_innenrates münden. 

 

Folgende Punkte des Beschlusses sind aus Sicht des Bezirksamtes kaum umsetzbar:

 

-          Die Wahl eines Bewohner_innenrates für zwei Jahre widerspricht den praktischen Erfahrungen des Bezirksamtes, da es primäres Ziel ist, die Bewohner_innen in eigenen Wohnraum zu vermitteln. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser dann in der Nähe zur bisherigen Unterkunft befindet, ist äußerst gering und damit auch eine weitere Beteiligung am Bewohner_innenrat. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Bereitschaft zur Teilnahme mit der Unverbindlichkeit steigt. 

 

-          Eine paritätische Besetzung eines Bewohner_innenrates ist wünschens- und erstrebenswert, bedeutet jedoch eine zusätzliche Hürde. Im Bezirk gibt es darüber hinaus zwei Frauenunterkünfte, die daher nicht paritätisch besetzt werden können.

 

-          In den meisten Unterkünften des Bezirks sind die räumlichen Kapazitäten ausgeschöpft.  Die zur Verfügung stehenden Gemeinschaftsräume werden für Angebote der Träger des Jugend- oder Gesundheitsamtes genutzt sowie für Sprachförderung und Kinder- und Freizeitangebote.

 

Das Bezirksamt unterstützt auch weiterhin die Unterkunftsleitungen bei der Errichtung von Beteiligungsformaten im Rahmen seiner zeitlichen Kapazitäten. Der Austausch mit den Unterkünften ist dabei sehr gut. Die Partizipation der Geflüchteten in den Unterkünften läuft in der Regel in allen Unterkünften über Bewohnendenversammlungen ab, zu denen alle Geflüchteten eingeladen werden und bei denen sie die Möglichkeit haben, sich selbst aktiv in das Geschehen und Zusammenleben in der Unterkunft einzubringen und mitzugestalten.

 

Unabhängig von Bewohner_innenräten werden die Bewohner_innen der Unterkünfte nach Wissen des Bezirksamtes bereits über die Leitungen der Unterkünfte zum öffentlich tagenden Integrationsausschuss eingeladen. Das Bezirksamt begrüßt dies und sieht eine Beschränkung der Einladung auf einen bestimmten Kreis (Bewohnerrat) als nicht notwendig an, da bislang die Teilnahme der gesamten Zielgruppe am Ausschuss gering ist.

 

Insbesondere die Flüchtlingskoordinatorin des Bezirksamtes als auch die Koordinatorin für das BENN-Verfahren und Integrationslotsenprogramm nehmen an Veranstaltungen der Unterkünfte teil und sind den Bewohner_innen bekannt. Auch durch das Landesrahmenprogramm Integrationslotsen bestehen enge Kontakte zu den Bewohner_innen und Kenntnisse der Bedarfe einer Unterkunft.

 

Die Stabsstelle Integration Geflüchtete wird sich weiterhin um Partizipationsformate für die Bewohner_innen bemühen, fördern und bei Bedarf unterstützen. Zurzeit prüft das Bezirksamt die Förderung eines Pilotprojektes zur Partizipation der Bewohner_innen in Unterkünften und Unterstützung bei der Bildung von Bewohner_innenräten. Das Bezirksamt wird dem Integrationsausschuss über den aktuellen Stand berichten.

 

 
 

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