Drucksache - 0454/XIX  

 
 
Betreff: Soziale Erhaltungssatzungen für Tempelhof-Schöneberg prüfen!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Frakt. GRÜNE, SPD, LINKEBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtentwicklung Entscheidung
04.09.2013 
20. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
09.10.2013 
21. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
13.11.2013 
22. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
03.12.2013 
23. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
15.01.2014 
24. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
21.11.2012 
14. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
21.08.2013 
23. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Mitteilung zur Kenntnisnahme
Abschlussbericht_Tempelhof Schöneberg_Komplett
Verdachtsgebiete THSB

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung hat am 21.11.2012 folgenden Beschluss
gefasst:

 

Das Bezirksamt wird ersucht zu prüfen, für welche Gebiete in Tempelhof-Schöneberg der Erlass von (sozialen) Erhaltungssatzungen gem. §172 (1) Satz 1
Nr. 2 „Milieuschutz“ BauGB geboten sein könnte.

 

Bei der Prüfung sollen folgende Vorbedingungen beachtet werden:

 

a)      Es sind vor allem solche Gebiete zu untersuchen, die einen hohen Verdrängungs- und Aufwertungsdruck aufweisen. Die hierfür notwendigen Indikatoren, die das Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial abbilden und belegen sollen, sind u.a. aus den Datenquellen des bezirklichen Wohnungsmarktberichtes sowie der nach Planungsräumen aufgeschlüsselten Gesundheits- und Sozialberichterstattung zu ermitteln. Ein Aufwertungsindikator kann z. B. die Anzahl der umgebauten Wohnungen sein; ein wesentliches Verdrängungskriterium ist das Haushaltseinkommen.

 

b)      In den Erhaltungssatzungen soll später zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Genehmigungen erhalten nur bauliche Maßnahmen, die den allgemein üblichen Wohnungsstandard nicht überschreiten. Der allgemein übliche Standard ist meist dann gegeben, wenn das Ausstattungsmerkmal in den meisten Mietwohnungen zu finden ist. Unüblich sind in der Regel außergewöhnliche und hochwertige Ausstattungen (z. B. große Sanitärräume, große Balkone und Zusammenlegungen).

 

c)              Die Prognosen für die jeweiligen Gebiete laufen im Ergebnis auf nachteilige städtebauliche Entwicklungen hinaus, die u.a. dazu führen können, dass

?         stadtnaher preisgünstiger Wohnraum an anderer Stelle im Stadtgebiet geschafft werden muss,

?         vorhandene Infrastruktureinrichtungen nicht mehr voll ausgelastet werden,

?         an anderer Stelle neue Infrastruktureinrichtungen mit erheblichem Aufwand neu geschaffen werden müssen oder

?         bestehende Infrastruktureinrichtungen angepasst oder erweitert werden müssen.

 

d)      Die Erhaltungssatzungen sollen für einen Zeitraum von 3 - 5 Jahren erlassen werden. Neuerlasse sind möglich. Besteht kein Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial mehr, muss die jeweilige Satzung aufgehoben werden, um eine Datenaktualität und die damit verbundene Rechtssicherheit zu gewährleisten.

 

e)      Das Bezirksamt wird ersucht, den hierfür notwendigen Personalbedarf und die entsprechenden organisatorische Zuständigkeiten für die Beratung, Genehmigungspraxis und Kontrollen zu ermitteln und die Kosten notwendiger Rechtsgutachten
darzustellen.

 

Soweit die Prüfung ergibt, dass im Bezirk in Frage kommende Gebiete vorliegen, soll sich das Bezirksamt bei den zuständigen Stellen für den Erlass einer Umwandlungsverordnung nach § 172 Abs.1 Satz 4 BauGB einzusetzen, die in Gebieten einer
Milieuschutzsatzung die Umwandlung in Wohneigentum antragspflichtig macht.

 

Hierzu wird berichtet:

 

Das Bezirksamt hat an das Büro asum GmbH die „Untersuchung des Bezirks
Tempelhof - Schöneberg im Hinblick auf Gebiete, die aufgrund der Veränderungen am Wohnungsmarkt ein hinreichendes Potenzial für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung bieten“ vergeben. Die Vergabe der Untersuchung erfolgte aus Mitteln der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt des Haushaltsjahres 2012.

 

Ziel dieser Untersuchung war es, aufgrund der aktuellen Veränderungen am Berliner Wohnungsmarkt – die auch in Tempelhof-Schöneberg zu einem Aufwertungs- und Veränderungsdruck führen – Gebiete im Bezirk abzugrenzen, in denen die
Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durch Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs.1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 4 BauGB stabilisiert werden sollte.

 

Neben dieser Einschätzung, Gebiete im Bezirk mit Verdrängungstendenzen am Wohnungsmarkt zu identifizieren, war es ebenfalls Aufgabe der Untersuchung, das im Bezirk vorhandene Datenmaterial dahingehend zu bewerten, ob dieses ein
hinreichendes Kriterium für den geplanten Erlass von sozialen Erhaltungsverordnungen darstellt und weiterführend, welche Defizite im Arbeitsmaterial vorhanden sind und welcher erforderliche Nachuntersuchungsbedarf für den rechtssicheren Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnungen besteht.

 

Das Erhaltungsrecht gemäß § 172 (1) BauGB ist Bestandteil des zweiten Kapitels „Besonderes Städtebaurecht“ im Baugesetzbuch. Als Bundesland erlässt Berlin
gemäß § 30 AGBauGB die im Gesetz genannten Satzungen als Rechts-verordnungen.

 

Die Soziale Erhaltungsverordnung (vormals bekannt als ‚Milieuschutz‘) soll aus
besonderen städtebaulichen Gründen die Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur in einem bestimmten Gebiet schützen. Sie steht im Zusammenhang mit dem Grundsatz des § 1 (5) BauGB, nachdem es Aufgabe der Bauleitplanung ist, eine nachhaltige, städtebauliche Entwicklung und dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung zu gewährleisten. Die soziale Erhaltungsverordnung ist kein Instrument des Mieterschutzes, mit ihr kann kein ‚neues Mietrecht‘ im Sinne des Städtebaus geschaffen werden. Ziel der Verordnung ist es, einen städte-baulichen Konflikt zu vermeiden, der durch den Bruch der Wechselbeziehung
zwischen der Bevölkerungsstruktur / dem Wohnraumangebot / der bereitgestellten Infrastruktur entstehen kann. Ein besonderer städtebaulicher Grund liegt zum
Beispiel vor – und damit ein Versagungsgrund für eine Baumaßnahme –  wenn die Verdrängung von Teilen der Wohnbevölkerung zu dem Umstand führt, dass die auf die ansässige Bevölkerung abgestimmte Infrastruktur nicht mehr benötigt wird. Mit dem Erlass einer Erhaltungsverordnung werden der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung einer baulichen Anlage unter die Genehmigungspflicht gestellt. Die Möglichkeit der Zurückstellung von Baugesuchen gemäß § 15 (1) BauGB ist
bereits nach dem gefassten Aufstellungsbeschluss möglich, ebenso die vorläufige Untersagung bei genehmigungsfreien Vorhaben.

 

Das Büro asum GmbH hat in seiner Untersuchung drei Gebiete im Ortsteil
Schöneberg identifiziert, die alle aufgrund ihrer baulich / städtebaulichen Struktur sowie der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung die Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung bieten. Im Verdachtsgebiet „Bayrischer Platz / Barbarossaplatz“ ist der bauliche Aufwertungsdruck am höchsten, im
Verdachtsgebiet „Dennewitzplatz / Kaiser-Wilhelm-Platz“ ist der Anteil
verdrängungsgefährdeter Bewohnergruppen am höchsten. Das dritte Verdachts-gebiet „Schöneberger Insel“ ist derzeit ein relativ stabiles Quartier, es zeigt sich
jedoch, dass dieses Gebiet zunehmend in den Focus renditeorientierter Investoren kommt. Das Büro asum GmbH hat  deshalb das Verdachtsgebiet „Schöneberger Insel“ vor allem unter präventiven Aspekten ausgewählt.

 

Mit der Untersuchung wird aufgezeigt, dass es städtebaulich sinnvoll ist, das
Instrument der sozialen Erhaltungsverordnung einzusetzen. Es werden ausreichende Gründe für den Erlass einer (oder mehrerer) sozialen Erhaltungsverordnungen
genannt. Bis zur Festsetzung ergibt sich weiterer Untersuchungsbedarf im Hinblick auf die Beurteilung des Verdrängungspotentials der in Betracht kommenden
einzelnen baulichen Aufwertungsmaßnahmen. Jede Baumaßnahme in einem Erhaltungsgebiet ist dahingehend zu überprüfen, ob sie negative Auswirkungen auf das Erhaltungsziel in dem gesamten Gebiet hat (Vorbildwirkung) und eine Zunahme entsprechender Baumaßnahmen zu einem Anstieg des Mietpreis-niveaus und damit zur Verdrängung der bestehenden Bewohnerstruktur führen
rde. Die Erfahrungen aus anderen Bezirken haben gezeigt, dass unter anderem Veränderungen im Wohnungsgrundriss, die Zusammenlegung von Wohnraum und eine über dem ortsüblichen Standard liegende Wohnungsmodernisierung zu den entsprechenden Verdrängungseffekten führt.

 

Das Untersuchungsergebnis (Abschlussbericht / Karte Verdachtsgebiete) des Büros asum GmbH ist im Anhang beigefügt.

 

Die Aufstellung sozialer Erhaltungsverordnungen ist für die zwei erstgenannten
Gebiete in Vorbereitung zur Beschlussfassung durch das Bezirksamt. Das dritte
Gebiet wird vorerst zurückgestellt. Die weiteren vertiefenden Untersuchungen werden in Auftrag gegeben.

 

Für die Umsetzung der Ziele der sozialen Erhaltungsverordnungen wurden
Personalmittelanforderungen in die laufenden Haushaltsberatungen für die Jahre 2014 / 15 aufgenommen. Über das Ergebnis liegen noch keine Erkenntnisse vor. Der Erlass einer Umwandlungsverbotsverordnung ist nach Verlautbarungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt nicht mehr vorgesehen.

 

 

 

 
 

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