Drucksache - 0553/XVIII
Das Bezirksamt – hier der Fachbereich
Seniorenbetreuung in Abstimmung mit der bezirklichen Integrationsbeauftragten
– teilt zu der o.g. Drucksache folgendes mit: Das Leitziel der Seniorenarbeit für Migranten und
Migrantinnen sollte dem Leitbild der allgemeinen sozialen Altenhilfearbeit
entsprechen, die Sicherung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die
Erhaltung einer zufriedenstellenden Lebenssituation im Alter zu fördern.
Voraussetzung hierfür ist die Finanzierung einer selbständigen Lebensführung,
der ausreichende altersgerechte Wohnraum und die Absicherung der
Gesundheitsvorsorge / Pflege. Ein häufig geringes Rentenniveau, in vielen
Fällen Grundsicherungsbezug, und die Abhängigkeit von Zuschüssen durch
Familienangehörige kennzeichnen die Situation vieler Migranten. Zusätzlich
verfügen viele Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund nicht über
ausreichende Deutschkenntnisse, wodurch die Teilnahme an vorhandenen Angeboten
der Seniorenbetreuung bzw. der unterschiedlichsten Informationsdienste
erschwert wird. Darüber hinaus sollte auch die unterschiedliche Altersstruktur
der “jungen Alten” Migranten gegenüber der bestehenden
Seniorengeneration Berücksichtigung finden, da viele Migranten bereits mit ca.
50 – 55 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden und nach bisherigem
Verständnis nicht als Senioren gelten. (Das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz
– BerlSenG – vom 25. Mai 2006 bezieht sich auf den Personenkreis
der Senioren ab dem vollendeten 60. Lebensjahr.) Eine aktuelle Aufstellung zum Stichtag 1.1.2008 der
statistischen Daten des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsaufgaben zu den
Einwohnern des Bezirks ab 60 Jahre bzw. 50-59 Jahre der türkischen Senioren ist
im Anhang beigefügt. Besondere Berücksichtigung bei der geforderten Öffnung der bezirklichen
Seniorenarbeit sollte die seit Mai 2005 bestehende Kooperation zwischen dem
Träger Esperanto-Aufsuchende Hilfen e.V. und dem Bezirksamt –
Seniorenbetreuung – finden. Im Rahmen dieser Kooperation wird eine inzwischen über die
Bezirksgrenzen be- kannte und überaus erfolgreiche Seniorenfreizeitstätte für
türkische Frauen ab 50 Jahren betrieben. Im Laufe der 3-jährigen Kooperation
ist es gelungen, eine interkulturelle Begegnungsstätte im Bezirk zu
verfestigen, die einzigartig in der Stadt ist und regen Zuspruch aus der
Bevölkerung erfährt. Die Seniorinnen beleben mit ihrem Selbstverständnis und
ihrem gewonnenen Selbstvertrauen die kulturelle Vielfalt des Bezirks, die auch
in der türkischen Presse regelmäßig nachgelesen werden kann. Die türkische Presse
ist oft und gern im Huzur und berichtet mit Stolz über die verschiedenen
Aktionen der deutsch / türkischen Kooperation. Beispiele zum gemeinsamen Miteinander der Kulturen mit den
Frauen des Huzur gibt es viele, es wird sich deshalb auf einige wesentliche
Höhepunkte des Netzwerkarbeit beschränkt: ·
traditionelles
Frauenfrühstück am Dienstag mit teilweise mehr als 50 Frauen,
nachbarschaftlicher Austausch, interessante Fachvorträge, aber auch Lesen türkischer
Literatur und das Vortragen eigener Gedichte gehören zum Frauenfrühstücksforum ·
Förderung
des bürgerschaftlichen Engagements im Rahmen der Patenschaft für den Spielplatz
Katzlerstraße, der von den Frauen in Eigeninitiative in Verbindung mit der BSR-Aktion
regelmäßig gesäubert wird ·
politische
Bildungsarbeit zum Besuch des Jüdischen Museums und des ehemaligen
Konzentrationslagers Sachsenhausen sowie der Besuch zum Gedenken der
Deportationen Bahnhof Grunewald “Zug der Erinnerung” im April 2008 ·
Mitgestaltung
der Eröffnungsfeier Frauenmärz 2008 mit der Walzergruppe und türkischer
Folklore sowie die Abschlussveranstaltung Interkulturelles Frühstück zum
Frauenmärz ·
Auszeichnung
von Frau Cemile Ünsal und Frau Neriman Özdincer der Seniorenfreizeitstätte
Huzur durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Beauftragten der
Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Frau
Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer mit der Verleihung der Würdigung der
Aufbau- und Lebensleistung der Gastarbeiter der 1. Generation am 1.10.2008 ·
Mitorganisation
des Interkulturellen Festes zum Ende des Ramadan in der Seniorenfreizeitstätte
Stierstraße mit 180 Seniorinnen und Senioren verschiedener Nationalitäten mit
interkulturellem Programm Besondere Würdigung erfuhr das Kooperationsprojekt Huzur
durch die Aufnahme in das Förderprogramm der Europäischen Union. Im Rahmen der
anteiligen Finanzierung des Europäischen Integrationsfonds erhält
Esperanto-Aufsuchende Hilfen e.V. für das Huzur eine Zuwendung bis zum
30.06.2009. Hier werden Mittel in Höhe von 40.000 € überwiegend für
Personalkosten zur Verfügung gestellt. Aufgrund der ausgesprochen guten Auslastung der
Seniorenfreizeitstätte Huzur und den dort stattfindenden Angeboten besteht eine
erhebliche räumliche Enge, die eine dringende räumliche Veränderung notwendig
macht. Das Huzur wurde im Jahr 2007 von monatlich durchschnittlich 786 Frauen
besucht, im Jahr 2008 konnte die Zahl trotz reduziertem Programm und Einsparung
im personalbereich im Sommer auf durchschnittlich 816 Besucherinnen gesteigert
werden. Seit September 2008 sind 10 Frauen des Huzur dort ehrenamtlich tätig
und bilden die Grundlage einer künftigen interkulturellen Sonder-Sozialkommission. Über die gelungene Kooperation mit dem Huzur hinaus plant
die Seniorenbetreuung mit verschiedenen freien Trägern unterschiedliche
Angebote im Rahmen der interkulturellen Seniorenarbeit des Bezirks. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass diese Angebote
sich auf eine Vielzahl von Kulturen beziehen und auch Begegnungsmöglichkeiten
zwischen den Kulturen schaffen sollen. Damit soll eine Erweiterung von Wissen
und Erfahrungen ermöglicht und die Neugierde auf andere Kulturen geweckt
werden, verbunden mit der Möglichkeit zu persönlichen Begegnungen. Folgende Veranstaltungen – zusätzlich zu dem
bisherigen Angebot –, die unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse von
Seniorinnen und Senioren verschiedener kultureller Hintergründe berücksichtigen
sollen, sind für 2009 und ersatzweise 2010 geplant. Die Veranstaltungsreihe soll unter dem Motto stehen: “Gemeinsam
in die Zukunft” ·
Theater-Nachmittag
im Nachbarschaftstreff Bülowstr. 94 mit den Bunten Zellen des
Nachbarschaftsheims Schöneberg mit einem deutsch-türkischen Programm ·
Folklore-Tanz-Fest
(verschiedene Tanzgruppen, auch Kindertanzgruppen aus unterschiedlichen
Ländern) im Gemeinschaftshaus Lichtenrade ·
Folklore-Musik-Fest
(mit verschiedenen Laiengruppen, die Heimatklänge in die Veranstaltung bringen,
eventuell in Kooperation mit der Musikschule) im Rathaus Schöneberg ·
Musiknachmittag
mit Chören unterschiedlicher kultureller Hintergründe im Gemeinschaftshaus
Lichtenrade am 28.8.2009 (Internationales Chortreffen) ·
“Märchen
aus aller Welt” generationsübergreifend mit Großeltern und Enkelkindern
verschiedener Nationalitäten mit einem Angebot an traditionellen Gebäck und Tee
im Nachbarschaftstreff Bülowstr. 94 in Kooperation mit der Kiezoase ·
Russischer
Nachmittag mit kulturellem Programm in der Seniorenfreizeitstätte
Eduard-Bernoth-Haus in Marienfelde evtl. in Kooperation mit Harmonie e.V. ·
Spanischer
Nachmittag mit der spanischen Seniorengruppe aus dem Nachbarschaftstreff
Bülowstr. mit Folklore und Flamenco ·
Türkischer
Nachmittag mit Baglama-Musik und Tee in Kooperation mit der
Seniorenfreizeitstätte Huzur zum Frauenmärz 2009 ·
Schattentheater
interkulturell in der Seniorenfreizeitstätte Stierstr. ·
Afrikanischer
Nachmittag mit Trommelworkshop (aktives Miteinander der Kulturen unter
Anleitung einer professionellen Trommellehrerin) im Nachbarschaftstreff
Bülowstr. in Kooperation mit der Kiezoase und Bühnenprogramm einer
afrikanischen Gruppe ·
Arabischer
Nachmittag in Kooperation mit Al-Nadi und/oder dem Syrischen Verein
(Interkulturelles Haus Geßlerstr.) in der Seniorenfreizeitstätte Stierstr. mit
Musik und Tanz für Frauen ·
Polnischer
Nachmittag in der Seniorenfreizeitstätte Eduard-Bernoth-Haus in Marienfelde
unter Einbindung der Teilnehmer des Senioren-Sprachkurses Polnisch mit Programm
und traditionellem Essen ·
Juxirkus
/ Kinderzirkus Kiezoase Schöneberg mit einem Programm Großeltern/Enkelkinder
für alle Nationalitäten in Kooperation mit der Kiezoase Neben den genannten Kulturveranstaltungen sind folgende
speziellen Angebote bzw. Aktivitäten für interkulturelle Seniorengruppen
denkbar: ·
Museumsbesuche
(wie bisher Jüdisches Museum, evtl. Musikinstrumentenmuseum, Deutsches
Technikmuseum, Museum für Völkerkunde, Pergamon-Museum usw.) mit anschließendem
Treffen in einer Seniorenfreizeitstätte, um sich über die gewonnenen Eindrücke
auszutauschen ·
Besuch
von Kunstausstellungen des Bezirks (in Kooperation mit dem Kunstamt) und
anschließendem Austausch dazu in einer Seniorenfreizeitstätte oder auch
außerhalb des Bezirks mit Führungen (mehrsprachig) ·
Führungen
(wie im bisherigen Programm, aber mit interkulturellem Aspekt dazu z.B. Besuch
des Buddhistischen Tempels in Frohnau, Besuch einer Jüdischen Synagoge, Besuch
der Moschee am Columbiadamm, Islamischer Friedhof usw.) ·
Halbtages-Seminare
zum besseren Verständnis der Kulturen über unterschiedliche Feiertage,
Trauerrituale usw.; verbunden mit evtl. einem anschließenden gemeinsamen
Nachmittag zum Osterfest oder zum russisch-orthodoxen Neujahrsfest, um das
neugewonnene Wissen praktisch zu erleben mit Unterstützung verschiedener
Kooperationspartner ·
Kochkurse
interkulturell, z.B. gemeinsam abwechselnd türkisch in der
Seniorenfreizeitstätte Huzur und deutsch in der Seniorenfreizeitstätte Mireille
Mathieu kochen ·
Interkulturelle
Lesungen in Kooperation mit der VHS oder den Bibliotheken des Bezirks in den
verschiedenen Seniorenfreizeitstätten, z.B.: türkische Literatur im Huzur,
spanische Literatur im Nachbarschaftstreff Bülowstr.. Für die Teilnehmer der
Senioren-Sprachkurse bzw. Konversationskurse können Lesungen englischer,
amerikanischer oder französischer Literatur angeboten werden. ·
Bibliotheksführungen
in arabisch (oder in Kooperation türkisch oder russisch) in der
Gertrud-Kolmar-Bibliothek, perspektivisch könnten gemeinsame Lese-Nachmittage
von Großeltern und Kind mit dem Huzur oder anderen interessierten Trägern
durchgeführt werden oder ein Interkulturelles-Generationen-Lesefest. Die
Gertrud-Kolmar-Bibliothek ist die interkulturelle Jugend- und Kinderbibliothek
in Schöneberg-Nord und bietet ein breitgefächertes mehrsprachiges Programm an. ·
Allgemeine
Informationsveranstaltungen mit Kooperationspartnern, z.B. zur Pflege in
türkisch oder russisch, aber auch spezielle Veranstaltungen zum Aktiven
Vorruhestand in Kooperation mit der Integrationsbeauftragten des Bezirks für
türkische und arabische Senioren in dem Nachbarschaftstreff Bülowstr. und für
russische Senioren in der Seniorenfreizeitstätte Eduard-Bernoth-Haus in
Marienfelde unter Einbindung der Migrantenverbände mit Fachvorträgen in der
jeweiligen Heimatsprache analog den bisherigen Veranstaltungen zum
“Aktiven Ruhestand”. ·
Verstärkte
Gewinnung Ehrenamtlicher mit Migrationshintergrund für besondere Dienste in den
Sonder-Sozialkommissionen, z.B. für Geburtstagsehrungen oder für den
Besuchsdienst in Pflegeheimen ·
Teilnahme
von Migrantenverbänden am traditionellen Familienfest am 12.09.2009 am Rathaus
Tempelhof ·
Interkulturelles
Fest mit Musik und Tanz am 05.06.2009, offen für alle Nationalitäten mit buntem
Programm in der Seniorenfreizeitstätte Stierstr. ·
Seniorenratgeber
mehrsprachig herausgeben bzw. die Veröffentlichung eines gesonderten
Programmheftes mit Angeboten für Senioren in russischer und türkischer Sprache
ähnlich dem Programm der bezirklichen Seniorenfreizeitstätten ·
Interkulturelle
Angebote z.B. im gestalterischen Bereich als Wochenend-Workshop, z.B. zur
Erstellung eines Interkulturellen Kalenders mit dem Aspekt des gegenseitigen
Kennenlernens, dies könnte mit Senioren der Freizeitstätte Huzur und der
Freizeitstätte Stierstr. in Friedenau durchgeführt werden ·
Reichtagsführungen
usw. parteineutral mit Sprachmittler ·
Schwimmkurse
für Seniorinnen unterschiedlicher Herkunft ·
Bildungsreise
von Senioren unterschiedlicher Herkunft in die Türkei und Besuch verschiedener
Einrichtungen dort, z.B. das Parlamentsgebäude in Ankara und spezifischer
Einrichtungen in Istanbul / Ankara zu speziellen Themenstellungen. Die
Finanzierung einer solchen Reise könnte möglicherweise durch Bezuschussung von
einer Stiftung unterstützt werden. ·
Qualifizierung
der Mitarbeiter durch Fortbildungen / Trainings “Interkulturelle
Kompetenz” in Zusammenarbeit mit dem KomZen ( Kompetenz Zentrum
Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe) Generell ist festzuhalten, dass die Öffnung der
Seniorenbetreuung unter Berücksichtigung interkultureller Anforderungen und
Einbeziehung der Interessen von Migranten in die Grundsätze der Regelversorgung
aufgenommen wird. Damit werden interkulturelle Strukturen in der Gesellschaft
anerkannt und gleichzeitig migrationsspezifische Angebote als Regelangebote
in das Handlungsfeld der Seniorenbetreuung einfließen. Gleichzeitig ist auf Bezirksebene angestrebt, Koordination
und Vernetzung von interkulturellen Angeboten zwischen der Seniorenbetreuung
und freien Trägern, die über interkulturelle Kompetenz verfügen, weiter
auszubauen sowie unterstützend in der Selbsthilfeaktivierung der Migranten
tätig zu werden. Ältere Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte bleiben
heute dort, wo ihre Familien leben und kehren nicht zurück in ihre
Herkunftsländer. Vielfalt des Lebens auch im Alter zu ermöglichen, ist ein Teil
der Anerkennung der Lebensleistung der sogenannten Gastarbeiter der ersten
Generation. Sie sollten aktiv in die Gestaltung der Altenhilfe miteinbezogen
werden und stellen durch das vorhandene Potential eine Bereicherung der
Mehrheitsgesellschaft dar. Die Gestaltung der kommunalen Lebensbedingungen für
und mit älteren Bürgern ist eine zentrale Herausforderung des demographischen
Wandels unabhängig von der kulturellen Identität oder Herkunft der Einzelnen. |
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