Auszug - Häusliche Gewalt, Wegweisungen, Einsätze der Polizei in Steglitz-Zehlendorf Referentin: Frau Ina v. Knoblauch Opferschutzbeauftragte der Polizeidirektion 4  

 
 
4. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Integration
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Gleichstellung und Integration Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 27.03.2007 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:05 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Rathaus Zehlendorf
 
Wortprotokoll

Die vom Ausschuss eingeladene POK’in Ina von Knoblauch stellt sich vor als Opferschutzbeauftragte und Koordinatorin für häusli

Die vom Ausschuss eingeladene POK’in Ina von Knoblauch stellt sich vor als Opferschutzbeauftragte und Koordinatorin für häusliche Gewalt bei der für den Berliner Südwesten zuständigen Polizeidirektion 4. Sie erläutert in ihrem etwa einstündigen Vortrag die Definition von ’häuslicher Gewalt’, berichtet von ihrer Arbeit und beantwortet Fragen der Ausschussmitglieder. BzStR’in Otto und FrB  Frau Josten ergänzen diese Ausführungen aus der Sicht bzw. den Erfahrungen des Bezirksamtes.

Die Definition der Senatsverwaltungen für Inneres und für Justiz aus dem Jahre 2001 lautet wie folgt: „Häusliche Gewalt bezeichnet, unabhängig von Tatort und Wohnsitz der Beteiligten, Gewaltstraftaten zwischen Personen in einer partnerschaftlichen Beziehung, die
- derzeit besteht
- sich in Auflösung befindet
- bereits aufgelöst ist
oder Personen, die in einem Angehörigenverhältnis zueinander stehen, soweit es sich nicht um Straftaten zum Nachteil von Kindern handelt.“

Markante Punkte im Bereich Häusliche Gewalt:
- Die Täter sind überwiegend männlich.
- Sie findet in den eigenen vier Wänden statt.
- Sie ist unabhängig vom Bildungsstand und sozialer Schicht.
- Sie hängt stark mit der Ausübung von Macht und Kontrolle zusammen.

Opfer:
- überwiegend weiblich (90%)
- Etwa 30% aller Frauen waren schon einmal betroffen.
- Isolation und Ohnmacht
- Scham- und Schuldgefühle für das Erlebte
- Abhängigkeit vom Täter.

Der Polizeieinsatz besteht aus den folgenden drei Strängen:

1. Strafverfolgung:
Anzeigenaufnahme
è Strafantrag è Ermittlungen und Vernehmungen è Abgabe an die Staatsanwaltschaft è Anklage oder Einstellung è bei Anklage: Hauptverhandlung è Urteil oder Einstellung

2. Beratung:
Informationsmaterial, Hilfsangebote

3. Gefahrenabwehr:
- Für eine Gefahrenprognose werden folgende Punkte berücksichtigt:
- Sachverhalt
- Qualität und Quantität der Gewalt (Beleidigung, Sachbeschädigung oder Körperverletzung?)
- Gewaltgeschichte (Wie oft ist dies bei den Betroffenen schon vorgekommen?)
- Folgen der Gewalt
- Sind Kinder betroffen?
- Angaben der Geschädigten (z.B.: Möchte sie, dass der Partner der Wohnung verwiesen wird?)
- Wie hoch ist der Gefahrengrad, falls der Täter im Hause bleibt?

Falls das Prognoseergebnis lautet, dass für die betroffene Person keine Gefahr besteht, werden keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Falls eine weiter bestehende Gefahr erkannt wird, kann die Polizei gemäß § 29a des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) für eine Person eine Wegweisung und ein Betretungsverbot der Wohnung bzw. ein Kontaktverbot aussprechen oder sie bei einem Verstoß kurzzeitig in Gewahrsam nehmen. Als weiteres Instrument kann sich der/die Geschädigte von einem Richter eine Verfügung mit einer Wegweisung ausstellen lassen, die ein halbes Jahr gilt.

Zahlen für den Bezirk Steglitz-Zehlendorf für das Jahr 2006:

-          Polizeiabschnitt 43 (Westliches Zehlendorf, Dahlem, Nikolassee, Wannsee): 38 Fälle häuslicher Gewalt

-          Abschnitt 45 (Nördliches Lichterfelde, Steglitz, östliches Dahlem): 162 Fälle

-          Abschnitt 46 (Östliches Zehlendorf, südliches Lichterfelde, Lankwitz): 161 Fälle

Insgesamt 361 Fälle, d.h. ca. ein Fall pro Tag. Im Vergleich dazu wurden im Bezirk Tempelhof-Schöneberg im gleichen Jahr 687 Fälle gemeldet.

FrB  FrauJosten merkt hierzu an, dass die Frauen im wohlhabenderen Westen Berlins mehr Möglichkeiten haben, sich häuslicher Gewalt zu entziehen, etwa indem sie zu Freunden oder Verwandten ziehen. Im übrigen könne man davon ausgehen, dass die Dunkelziffer viel höher ist als die Zahl der der Polizei gemeldeten Fälle häuslicher Gewalt.

BStR’in Otto erläutert auf Nachfrage der FDP-Fraktion, dass in Fällen, in denen Kinder betroffen sind, das Jugendamt Montags bis Freitags von 9 bis 18 Uhr von der Polizei automatisch benachrichtigt wird. Während der übrigen Zeiten ist der Kindernotdienst zuständig.

Häusliche Gewalt im Bezirk Steglitz-Zehlendorf im Jahresvergleich:

Jahr

Anzahl

davon Wegweisungen

In Prozent

2001

202

(gab es noch nicht)

 

2002

385

15

3,9

2003

419

31

7,4

2004

324

60

18,5

2005

343

71

20,7

2006

361

84

23,3

POK’in von Knoblauch stellt anhand weiterer Zahlen dar, dass das Instrument der Wegweisung recht gut wirkt, um weitere Gewalttaten zu verhindern.

Auf die Frage der SPD- und der CDU-Fraktion, was das Bezirksamt über entsprechende Initiativen dieses Ausschusses tun könnte, erklärt POK’in von Knoblauch, als Präventionsmaßnahme notwendig sei eine verstärkte Aufklärung betroffener Familien bzw. möglicher Täter, was alles auf sie zu kommt, wenn in Fällen häuslicher Gewalt die Polizei gerufen wird. FrB  Fr. Josten berichtet in diesem Zusammenhang, dass es im Bezirk bereits einen Runden Tisch der Arbeitsgruppe zur Häuslichen Prävention gibt, an dem die Beteiligten (u.a. die Evangelische Kirche, für die Polizei POK’in von Knoblauch, das Jugendamt, das Sozialamt sowie die Frauenbeauftragte als Koordinatorin) gemeinsam überlegen, wie die Präventionsarbeit verbessert werden kann. Als gute Maßnahme habe sich das Auslegen von Informationsmaterial in Apotheken und Arztpraxen erwiesen, zumal Frauen gerade bei ihren Ärzten am ehesten bereit sind, sich über ihre häuslichen Probleme auszusprechen.

BzStR’in Otto berichtet, im Gesundheitsamt sei eine Fortbildung durch die Big Hotline für alle Mitarbeiter/innen initiiert worden, die mit Frauen zu tun haben. Hier werden z.B. Fragen behandelt, wie man Verletzungen erkennt, die aus häuslicher Gewalt stammen, oder wie man eine Sensibilität dafür entwickelt, in einer angemessenen Weise nachzufragen. Zu den Präventionsaufgaben gehöre auch die Stärkung der Erziehungsfähigkeit von Eltern. Allerdings bräuchte das Amt hierfür mehr Geld. Stattdessen würde gerade in diesen Bereichen, die keine Pflichtaufgaben des Amtes darstellen, während der Haushaltsberatungen oft gekürzt und gestrichen.

Die SPD-Fraktion regt an, die von POK’in von Knoblauch vorgetragenen Daten in anderer Aufbereitung in den Sozialstrukturatlas einzubeziehen. BzStR’in Otto erklärt, sie werde sich beim Amt für Statik Berlin-Brandenburg erkundigen, ob dies möglich ist.

Die SPD-Fraktion erkundigt sich, was in solchen Fällen geschieht, in denen auch Kinder als Opfer oder Zeugen häuslicher Gewalt betroffen sind. BzStR’in Otto erklärt, das Wichtigste sei, an die Eltern heranzukommen, die meist in vielerlei Hinsicht vollkommen überfordert sind. Darüber hinaus gebe es eine Vielzahl von Betreuungsangeboten für Kinder, die Gewalt erlebt haben.

Fr B  Frau Josten nennt vor allem zwei Dinge wünschenswert. So müssten Frauen, die in einem Frauenhaus in einem anderen Bezirk untergebracht sind, dennoch zum Jugendamt in ihrem Herkunftsbezirk. Diese sehr zeitaufwendige Regelung fehle den Frauen insbesondere am Anfang ihrer Unterbringung in einem Frauenhaus, um sich z.B. um ihre traumatisierten Kinder zu kümmern. Dies sei jedoch nur auf Landesebene zu ändern. Zum anderen müsste es mehr Unterstützungsangebote für die Täter geben.

 
 

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