Drucksache - 0366/XIX  

 
 
Betreff: Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter/-innen bei Angriffen Dritter
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:GALBzBm Kleebank
Verfasser:BzBm Kleebank 
Drucksache-Art:DringlichkeitsvorlageVorlage - zur Kenntnisnahme -
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Entscheidung
29.08.2012 
Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Spandau von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Kenntnisnahme
31.10.2012 
Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Spandau von Berlin überwiesen   
Zentrale Aufgaben, Sozialraumorientierung und Wohnen Kenntnisnahme
03.12.2012 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Zentrale Aufgaben, Sozialraumorientierung und Wohnen mit Zwischenbericht zur Kenntnis genommen   
Bezirksverordnetenversammlung Kenntnisnahme
23.01.2013 
Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Spandau von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
D-Antrag GAL v. 29.08.2012
D-Vorlage z.K. v. 24.10.2012
Vorl. z. K. v. 10.01.2013

Das Bezirksamt wird beauftragt, in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht als Arbeitgeber grundsätzlich zügig

2

 

Ich verweise auf meine Ausführungen im Zwischenbericht und ergänze diesen zu Ziff. 1. und 2 wie folgt:

 

1.      Der Dienstherr/Arbeitgeber ist bereits qua Gesetz gehalten, seine Beschäftigten vor ungerechtfertigten Angriffen und Beleidigungen, die diese in ihrer Stellung als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes betreffen, zu schützen. Die Schutzpflicht ist ein Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn/Arbeitgebers. Sie vermittelt aber keinen allgemeinen Anspruch auf bestimmte Maßnahmen. Vielmehr hat der Dienstherr/Arbeitgeber jeweils im Einzelfall nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu befinden, wie er der Schutzpflicht genügen will (VGH Baden Württemberg, Urteil vom 30.03.1982 – Juris ).
Das Bezirksamt hat im Jahre 2012, in dem insbesondere die Mitarbeiter/innen eines Fachamtes zahlreichen verbalen Übergriffen ausgesetzt waren, in allen Fällen Strafanzeige erstattet und Strafanträge wegen Beleidigung, Verleumdung etc. bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Insgesamt handelte es sich um sechs Strafanträge.
 

2.      Bezogen auf die Geltendmachung von Löschungsansprüchen bezüglich ehrverletzender Äußerungen im Internet gegen den/die Verfasser/in selbst oder gegenüber Facebook bzw. anderer öffentlicher Plattformen muss das Bezirksamt eine besonders sorgfältige Einzelfallabwägung vornehmen.
Zum einen ziehen sich solche Verfahren gegen den/die Verfasser/in, die in letzter Konsequenz gerichtlich geltend gemacht werden müssen, aufgrund langer Terminstände der Gerichte erfahrungsgemäß sehr lange hin.

Zum anderen müsste der Hostprovider zunächst auf einen Rechtsverstoß aufmerksam gemacht werden. Dieser ist verpflichtet, die Beschwerde dem/der für die Äußerung Verantwortlichen weiter zu leiten und um Stellungnahme zu bitten.
Erfolgt keine Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist, so gilt die Beschwerde als berechtigt und die fragliche Äußerung muss gelöscht werden. Erfolgt hingegen ein substantiierter Widerspruch gegen die Beschwerde, ist der Provider verpflichtet, diesen an das Bezirksamt als Beschwerdeführer zurückzuleiten. Dieser muss dann den Nachweis für die Berechtigung seiner Beschwerde führen, woraufhin der Provider erneut zu prüfen hat. Hält er die Beschwerde für begründet, wird die beanstandete Äußerung auch gegen den Widerspruch des/der Äußernden gelöscht.

In den konkreten – das ordnungsbehördliche Fachamt betreffenden Fällen – hat das Bezirksamt nach Abwägung aller Umstände die Geltendmachung eines Löschungsanspruchs sowohl gegenüber den Verfassern/Verfasserinnen als auch gegenüber Facebook für nicht zielführend erachtet. Zum einen wird in der Rechtsprechung die Grenze zwischen dem Recht zur freien Meinungsäußerung nach Art. 5 GG und strafwürdigen Schmähkritik sehr weit gefasst. So hat das Bundesverfassungsgericht 2009 entschieden, dass die Äußerung „Duchgeknallter Staatsanwalt“ nicht zwingend eine Beleidigung darstelle /BVerfG, NJW 2009, 3016). Dies deckt sich mit einem Urteil des OLG Koblenz (2 U 862/06 juris). Handelt es sich danach bei der fraglichen Äußerung um ein sog. Werturteil wird im Urteil ausgeführt, dass „in der öffentlichen Auseinandersetzung auch Kritik hingenommen werden muss, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses droht.“

Zum anderen würde den Äußernden im Rahmen des oben geschilderten langen Verfahrens wiederholt ein Podium gewährt werden, was sowohl die fachliche Arbeit der betroffenen Beschäftigten beeinträchtigt als auch das eigentliche Anliegen in den Hintergrund treten ließe.

 

Ich bitte, den Beschluss als erledigt anzuerkennen, da das Bezirksamt dem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Spandau nachgekommen ist.

 

 

Berlin - Spandau, den 10.Januar 2013

 

 

Helmut Kleebank

Bezirksbürgermeister

 

Begründung:

Begründung:

 

In zunehmendem Maß sehen sich Mitarbeiter/innen als Reaktion auf die dienstliche Aufgabenerfüllung verbalen, aber auch tätlichen aggressiven Reaktion sowie der öffentlichen Verbreitung von Verleumdungen ausgesetzt, die das Maß einer unsachgemäßen aber verständlichen Erregung überschreiten.

Die aktuelle Diskussion über vermeintliche Amtswillkür begünstigt dabei eine Grundhaltung, die von einigen Menschen zur Rechtfertigung strafbewehrter Handlungen genutzt wird.

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, auch unsachliche Vorwürfe unterliegen diesem Recht. Doch der lockere Umgangston in den „neuen Medien“ führte zu weltweit verbreiteten „Meinungen“, die in die Persönlichkeitsrechte anderer eingreifen. Auch das Internet ist kein rechtsfreier Raum.

Jedes Mobbing- oder Stalking-Opfer weiß, dass die Hürden rechtsstaatlicher Verfolgung sehr hoch sind. Die vorhandenen rechtsstaatlichen Mittel müssen jedoch genutzt werden. Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz jeder/s einzelnen Bürger/in bilden den Kern unserer gesellschaftlichen Ordnung.

Als Arbeitgeber ist hier das Bezirksamt in der Pflicht. Ein diesbezügliches Tätigwerden bedeutet keineswegs den Rückfall in obrigkeitsstaatliche oder feudale Gesellschaftsnormen.

Mit diesem Beschluss bekräftigt und bestärkt die Bezirksverordnetenversammlung Spandau ausdrücklich das Bezirksamt, Rechtsverstöße konsequent zu ahnden.

 
 

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