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Auszug - Beschulung von Kindern und Jugendlichen Flüchtlingen im Asylbewerberverfahren  

 
 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung und Kultur
TOP: Ö 7
Gremium: Bildung und Kultur Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 14.06.2016 Status: öffentlich
Zeit: 16:05 - 18:26 Anlass: ordentlichen
Raum: Sitzungszimmer 202
Ort: Rathaus Spandau, 2. Etage
 
Wortprotokoll

 

Frau Rosengard berichtet wie die Aufgabe "Willkommensklassen" an der Carl-Schurz-Grundschule umgesetzt wurde und wird.

Die Schule hat sich intensiv darauf vorbereitet, 45 Willkommensklassen-Kinder aufzunehmen. Dafür wurden ausführliche und transparente Informationsbriefe an alle Eltern der Regelklassen-Schülerinnen und -Schüler herausgegeben. Frau Rosengard hat jede Regelklasse (1. bis 6. Klasse) aufgesucht und sich ca. 15 Minuten mit diesem Thema befasst. Sie hat den Kindern erläutert, dass es sich bei den Kindern, die aufgenommen werden, teilweise um traumatisierte Kinder handelt, da sie Dinge erleben mussten, die niemand erleben möchte.

 

Die Lehrkräfte sind ebenfalls beteiligt worden. Ihnen wurden die Ängste genommen, eine Willkommensklasse zu übernehmen.

Für die Willkommensklassen wurden zusätzliche Lehrkräfte eingestellt.

Pro Klasse standen 500,- ? zur Verfügung. Davon wurden die Klassenräume mit Material ausgestattet, welches für die Arbeit mit den Willkommensklassen-Kindern erforderlich ist. Dies war notwendig, da man nicht davon ausgehen konnte, dass die Kinder über vollständiges Schulmaterial verfügen.

 

Es fand eine intensive Zusammenarbeit mit den Unterkünften statt. So wurden z. B. die Schularztbesuche gruppenweise organisiert und es stand eine Dolmetscherin/ein Dolmetscher zur Verfügung. Auch die Familien wurden in 10er Gruppen in die Schule eingeladen, um die Schulanmeldung vorzunehmen. Auch hier war jeweils eine Dolmetscherin/ein Dolmetscher vor Ort, sodass die Sprachbarriere überwunden werden konnte.

 

Die Schule begann an dem Tag, an dem die Kinder dort ankamen, die Willkommenskultur zu leben. Es sind Schülerpatenschaften gegründet worden. Das heißt, Schülerinnen und Schüler der Regelklassen haben sich freiwillig gemeldet, eine Patenschaft zu einer Willkommens-Schülerin/einem Willkommens-Schüler zu übernehmen.

Es ist zu keiner Zeit zu größeren Konflikten zwischen den Regelklassen-Kindern und den Willkommensklassen-Kindern gekommen.

Auch die Eltern der Regelklassen-Kinder bringen sich in die Willkommenskultur der Schule ein, beispielsweise durch Sachspenden.

 

Die Schule hat für ein Jahr eine Praktikantin bekommen, die eine Ausbildung zur Interkulturellen Beraterin macht. Sie hat Arabisch als Muttersprache und ist gebürtig aus Deutschland. Dadurch sind ihr die beiden Kulturen sehr gut bekannt. Sie ist immer donnerstags im Hause, betreut die drei Willkommensklassen und bietet eine interkulturelle Sprechstunde (nicht nur für schulische Belange) für die Eltern an. Dies wird sehr gut angenommen. Gleichzeitig unterstützt die Praktikantin die Schule durch Übersetzung der Elternbriefe sowie der Schulregeln in Wort und Schrift. Sie hilft auch bei der Überwindung anderer sprachlicher Barrieren.

 

Die Willkommensklassen-Lehrerinnen und -Lehrer sind eine große Bereicherung für die Schule. Da diese Lehrkräfte keine pädagogische Ausbildung haben, wurden ihnen Lehrerinnen-/Lehrer-Paten zur Seite gestellt (je Willkommens-Lehrkraft drei Paten).

 

Jetzt wird mit der Integration der Willkommens-Kinder in die Regelklassen begonnen.

Alle Kinder sind einer Regelklasse fest zugeordnet und besuchen dort die Fächer Musik, Sport und Kunst. Drei Kinder können auch schon am Mathematikunterricht ihrer Regelklasse teilnehmen.

 

Insgesamt sind 3 Willkommensklassen mit jeweils 15 Schülerinnen und Schülern eingerichtet worden. Diese werden von vier Lehrerinnen/Lehrern betreut.

Auf Wunsch der Lehrkräfte sind die Willkommensklassen umstrukturiert worden. Deshalb gibt es jetzt zwei Klassen (eine mit 22 Kindern und eine mit 23 Kindern), die jeweils von zwei Lehrkräften betreut werden. Diese Umstrukturierung bildet eine gute Grundlage für die Arbeit in den Willkommensklassen, da durch die Integration der Kinder in die Regelklassen jedes Kind einen individuellen Stundenplan hat. Die Lehrkräfte müssen den Überblick bewahren, wann wer in welche Klasse zu welchem Unterricht gehen muss. Das bedeutet, es sind nie alle 22 oder 23 Kinder in der Klasse. Die dadurch entstandene kleinere Lerngruppe (ca. 17 Kinder) wirkt sich positiv auf die Förderung der Kinder aus.

 

Aus der Elternschaft konnten drei Lesepatinnen gewonnen werden, die jeweils eine Willkommensklasse betreuen und mindestens einen Tag in der Woche ganztägig die Klasse begleiten.

 

Da zwei Willkommensklassen-Lehrerinnen/-Lehrer in jeder neu strukturierten Klasse sind, ist es möglich, den Lehrkräften Fortbildungen zukommen zu lassen, die teilweise in den Vormittagsstunden stattfinden.

Die vier Lehrkräfte arbeiten im Team zusammen, wodurch sich die Unterrichtsvorbereitung für alle erleichtert.

 

Zurzeit steht die Schule vor der Aufgabe zu entscheiden, welche Zeugnisse die Kinder der Willkommensklasse erhalten sollen.

 

Die Sekretärin der Schule hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Willkommensklassen-Kindern dieselben Schülerakten und Schülerbögen auszustellen wie den Regelklassen-Kindern. Dies ist aufgrund der hohen Fluktuation nötig, um den neuen Schulen der Kinder deren Entwicklungs- und Wissensstand zu übermitteln.

 

Es wurden verschiedene Modelle entwickelt, wie Willkommensklassen unterrichtet werden können. Darunter war auch ein Schichtsystem. Dies wäre aber nur möglich gewesen, wenn möglichst viele Kinder für die ergänzende Förderung und Betreuung angemeldet worden wären. Man hätte dann für einen Strang (2 Klassen) eine Art Ganztagsbetreuung mit einer Rhythmisierung einrichten können.

Leider waren die Anmeldungen nicht entsprechend, obwohl es den Eltern zusteht. Grund dafür sind unter anderem die Sprachbarrieren sowie die Unkenntnis der Eltern über das Schulsystem. Die Schule ist aber nicht in der Lage, diese Informationsleistungen zu erbringen.

 

In Beantwortung der Nachfragen der Bezv. Samhat führt Frau Thiel-Blankenburg aus, dass sie als Leiterin des Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentrums (SIBUZ) spricht. Das SIBUZ ist eine Organisationsform, die zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 eingerichtet wurde. Die Aufgaben liegen in der Beratung und Unterstützung aller am Schulleben beteiligten Menschen. Dies betrifft sowohl die Lehrerinnen und Lehrer als auch Erzieherinnen und Erzieher, die Eltern sowie die Schülerinnen und Schüler direkt. Somit ist die psychologische Betreuung traumatisierter Schülerinnen/Schüler ein Teil der Aufgaben des SIBUZ.

 

Frau Rosengard ergänzt, der wichtigste Faktor für die Eingliederung eines Kindes in eine Regelklasse ist der, dass der Wunsch von dem Kind selbst geäußert wird.

 

Zu der Frage des Bezv. Paolini teilt Herr Obst mit, es gibt keine generellen Vorgaben, wie die Aufgabe "Willkommensklassen" umzusetzen ist. Jede Schule muss ihren individuellen Weg finden. Dies führt erfahrungsgemäß zu Qualitätsunterschieden, die es jedoch schon immer in den Schulen gegeben hat. Durch die Zusammenarbeit der Schulen mit dem SIBUZ können Unterschiede vermieden bzw. verringert werden.

Auf der Schulleitertagung soll ein gewisser Handlungsrahmen entwickelt werden, da es immer wiederkehrende Herausforderungen an die Schulen, unabhängig von der Schulform, gibt.

 

Frau Rosengard führt aus, sie sieht es als positiv, dass es keine engen Vorgaben gibt. So kann jede Schule auf die eigenen Ressourcen zurückgreifen und sich pädagogisch kreativ entwickeln.

 

 

Herr Rußbült erläutert wie am Hans-Carossa-Gymnasium die Aufgabe "Willkommensklassen" umgesetzt wird. Dabei betont er, dass jede Schule das für sie beste Konzept entwickelt.

An der Oberschule/dem Gymnasium wird bei allen neu an die Schule kommenden Schülerinnen und Schülern donnerstags um 11:30 Uhr ein Eingangssprachtest durchgeführt. Damit soll der sprachliche Wissensstand ermittelt werden, der oft von "keine Kenntnisse" bis zu "fließendem Englisch" reicht.

 

Es bestehen drei Sprachlernklassen, die nach Sprachniveau eingeteilt sind. In diesem System wird ein hoher motivationaler Ansatz gesehen, da die Schülerinnen/Schüler bei guten Fortschritten die Chance haben, relativ zeitnah in eine nächsthöhere Klassenstufe aufzurücken. Die Klassen wurden mit echten Fachlehrkräften, keine reinen DaZ-Lehrerinnen/Lehrer (DaZ = Deutsch als Zweitsprache), ausgestattet. Es wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Akzeptanz bei den Lehrkräften hoch bleibt. Um dies zu erreichen, wird versucht, maximal 15 Stunden eine Lehrkraft in einer Sprachlernklasse zu haben, die verantwortlich ist, und auch andere Lehrerinnen und Lehrer dort Unterricht durchführen zu lassen.

 

Drei Referendarinnen/Referendare wurden eingestellt. Einer von ihnen hat selbst eine Fluchtbiographie. Er unterrichtet in der Anfängerklasse und arbeitet sehr empathisch mit den Schülerinnen und Schülern.

 

Die Lehrkräfte der Sprachlernklassen übernehmen auch die Beratung der Familien, z. B. in Bezug auf das Bildungs- und Teilhabepaket. Dazu suchen sie auch die Unterkünfte auf.

 

Sowohl die Schülerinnen und Schüler der Regelklassen als auch deren Eltern zeigen ein hohes empathisches Verhalten und engagieren sind sehr stark bei der Umsetzung der Integration.

 

Hauptziel der Schule ist es, dass die Schülerinnen und Schüler mit einer gezielten Förderung den Mittleren Schulabschluss (MSA) erreichen.

 

Mithilfe des Berufs- und Studienorientierungskonzeptes wird speziell für die Willkommensschülerinnen/-schüler eine Perspektive konstruiert. Sie bekommen auch eine Einzelfallberatung der Sozialpädagogin, um zu zeigen, welche Möglichkeiten sie haben.

 

 

Im Namen des Ausschusses dankt Bezv. Heck Frau Rosengard und Herrn Rußbült für die umfangreichen und sehr interessanten Darstellungen der Arbeit der Schulen mit den Willkommensklassen.


 
 

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