Auszug - Jugendberufsagentur  

 
 
Öffentliche gemeinsame Sitzung des Jugendhilfeausschusses und des Ausschusses für Bildung und Kultur
TOP: Ö 2
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 25.03.2014 Status: öffentlich
Zeit: 16:04 - 19:27 Anlass: ordentlichen
Raum: BVV-Saal
Ort: Rathaus Spandau, 2. Etage
 
Wortprotokoll
Abstimmungsergebnis

Herr Ogrzall vom Jugendhilfeausschuss Berlin stellt sich den Mitgliedern des Ausschusses vor

 

Herr Ogrzall vom Jugendhilfeausschuss Berlin stellt sich den Mitgliedern des Ausschusses vor. Er war einer von zwei Mitgliedern aus dem Landesjugendhilfeausschuss, der in dieser Strukturierungsgruppe ist, die den Auftrag hatte zu prüfen, ob in Berlin eine Jugendberufsagentur benötigt wird, beteiligt. Da der Ergebnisbericht allen Mitgliedern vorliegt, gibt er den Ausschüssen eine kurze Zusammenfassung der Inhalte. Der Hintergrund ist, dass in Berlin über 22.000 arbeitslose Jugendliche gesprochen wird (etwa 15 %) und über 15.000 Jugendliche, die sich in sogenannten Maßnahmen befinden. Von etwa 10.000 Jugendlichen ist überhaupt nicht bekannt, was sie nach der Schule machen.

 

Es gibt 10 % Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Ein Drittel aller Auszubildenden in Berlin bricht die Ausbildung ab - das ist wesentlich mehr als im Bundesdurchschnitt. 70 % aller arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahre haben keinen Schulabschluss. Bei diesen Zahlen wird klar, dass es einen massiven Druck sowohl auf die Arbeitsagenturen, auf Bundesebene, auf Nürnberg als auch konkret auf die politisch Verantwortlichen in dieser Stadt gibt. Dieser Druck führt dazu, dass das System in Berlin noch einmal genau unter die Lupe genommen werden und über die Kosten und Effektivität nachgedacht werden muss.

 

Daher gibt es einen hohen Druck der Bundesarbeitsagentur aus Nürnberg, hier etwas unternehmen zu müssen. In Berlin wurde in den Koalitionsvereinbarungen bis zum Ende der Legislaturperiode eine Senkung der Jugendarbeitslosigkeit auf 10 % festgelegt.

 

Ziel aller Maßnahmen ist die Verzahnung von Angeboten und effektiver Mitteleinsatz, weil es in diesem Bereich bisher häufig doppelt und dreifache Zuständigkeiten gibt. Viele Angebote überschneiden sich und die Übersichtlichkeit des gesamten Bereiches ist bei sehr wenigen vorhanden. Es geht um eine aktive Teilnahme von Jugendlichen am Arbeitsprozess. Beim Thema Fachkräftemangel geht es natürlich darum, so viele Menschen wie möglich mit einer qualifizierten Ausbildung zu versehen.

 

In der entwickelten Idee soll es bis zum Sommer ein Landeskonzept Berufs- und Studienorientierung geben, in dem alle Angebote, die sich in diesem Bereich ansiedeln lassen, unter einem großen Dach, also einer gemeinsamen Konzeption, versammelt sind. Alles was sich von Studienberatung, vom Übergang Schule/Ausbildung/Beruf tun soll, soll in diesem Landeskonzept abgebildet werden mit einem konkreten Maßnahmenkatalog. Ein Teil dieses Landeskonzeptes ist die sog. Jugendberufsagentur mit der Idee, die Angebote der unterschiedlichen Rechtskreise SGB II, III und VIII unter einem Dach zu versammeln. Damit sollen Mehrfachberatungen in verschiedenen Instituten und Mehrfachangebote vermieden werden. Es ist in der Konzeption nicht beabsichtigt, eine neue Institution zu schaffen, sondern alle Mitarbeitenden in der Zuständigkeit ihrer Entsendebehörde zu belassen. Die gesamte Steuerung des Einsatzes von Personal, Sachmitteln, Finanzmitteln in dieser Jugendberufsagentur wird weiterhin von den Entsendeeinrichtungen übernommen. Auch für die erzielten Ergebnisse sind die einzelnen Entsendeorganisationen verantwortlich.

 

Für die Installation einer solchen Einrichtung in Berlin benötigt man eine Rechtsgrundlage und diese heißt Kooperationsvereinbarung auf Landesebene. Das bedeutet, die beschriebenen Institutionen wie Agenturen für Arbeit, Jobcenter, Jugendämter/Sozialämter und Schulen erarbeiten eine Konzeption und in dieser Konzeption werden für Berlin allgemein gültige Qualitätsstandards festgelegt. Es wird festgelegt, welche Angebote von der Struktur her Mindestangebote sind, damit man innerhalb Berlins eine einheitliche Position hat. Bei diesen Kooperationsvereinbarungen geht es darum, dass die Wirtschafts- und Sozialpartner und andere Kommissionen mit einbezogen werden, immer mit dem Ziel, für ganz Berlin gleiche Qualität und Mindeststandards zu erreichen.

 

Die Besonderheiten der Bezirke, die sehr unterschiedlich in Berlin sind, sollen abgebildet werden. Auf bezirklicher Ebene gibt es Kooperationsvereinbarungen der bezirklichen Bündnispartner, immer auf der Grundlage der landesweit geltenden Qualitäts- und Mindeststandards. Wesentlicher Bestandteil dabei sollen die Schulen sein. Für jeden Schüler soll sozusagen eine Datei existieren, in der sämtliche Noten, Berufswunsch, sämtliche Praktika, positive Leistungen und auch nicht so positive Leistungen aufgeführt sind. Aus dieser Datei soll man sofort erkennen, welche Potentiale schon vorhanden sind bzw. welche Bedarfe nachgearbeitet werden müssen. Es soll eine Beratung für die Jugendlichen und der Eltern stattfinden. In den Fällen, in denen die Eltern die freiwilligen Gesprächsangebote nicht annehmen, gibt es eine sog. aufsuchende Arbeit.

 

Das vorliegende Ergebnispapier wurde innerhalb von 2 Monaten fertig gestellt. Das Projekt unter Federführung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft hat eine Laufzeit von 6 Jahren. Innerhalb dieser 6 Jahre gibt es Evaluationen, inwieweit man damit weiter machen will.

 

Der Zeitplan im vorliegenden Papier ist inzwischen überholt und es wird sich etwas nach hinten verschieben. Derzeit will die Sonderkommission Ausbildungsplatzsituation und Fachkräftebedarf, angesiedelt beim Reg. Bürgermeister, zu dem Ergebnispapier Stellung nehmen. Danach wird es eine Senatsvorlage geben, die ins das Abgeordnetenhaus zur Verabschiedung geht.

 

Herr Ogrzall interpretiert seine subjektive Einschätzung und denkt, dass diese Idee für die Einführung eines solchen Systems, in dem die konkreten Bedarfe jedes einzelnen Jugendlichen dargestellt werden und die Möglichkeit daraus, bestimmte Angebote zu begründen, richtig ist. Danach dürfte es künftig in der Theorie vom Ansatz her nicht mehr passieren, dass hunderte und tausende von Jugendlichen einfach verloren gehen. Das Problem sieht er im Datenschutz und hier muss man noch konkreter darüber nachdenken. Er findet das Modell richtig, weil man der unsäglichen Diskussion entkommen würde, wo es nicht mehr um die konkreten Bedarfe der Jugendlichen geht, sondern immer nur darum, welchem konkreten Rechtskreis sie zuzuordnen sind.

 

Beeindruckend war für ihn das Arbeitspensum bei der Erarbeitung des vorliegenden Papiers. Der politische Druck hat sich in einem intensiven Arbeitsprozess umgesetzt. Die Frage, ob Jugendberufsagentur oder nicht, ist beantwortet, es geht lediglich darum, wie, wann und wo, was sehr viel mit den Finanzen zusammenhängt. Man geht davon aus, dass die Umsetzung immer auf der bezirklichen Ebene erfolgt, dass die Bezirke sich wirklich an dieser Sache beteiligen sollten, und zwar frühzeitig, da es ansonsten Regelungen geben wird, die nicht schön sind.

 

In dem Papier und in den Diskussionen wird immer wieder das Modell Hamburg Jugendberufsagentur angeführt, aber Herr Ogrzall findet den Vergleich mit Hamburg irreführend, u. a. allein wegen der Größenordnung. In Hamburg gibt es eine Agentur für Arbeit, ein Jobcenter, eine zentrale Steuerung der Jugendberufshilfe und eine Berufsschulpflicht. In Berlin redet man von einer Regionaldirektion, 3 Agenturen für Arbeit, 12 Jobcenter und 12 Bezirke, die für die Jugendberufshilfe zuständig sind. Damit schränkt sich die Übertragbarkeit des Hamburger Modells in weiten Teilen ein. Das bedeutet die Notwendigkeit einer Berliner Lösung, was bei der Organisation des Landes Berlin bedeutet, dass sich die Umsetzung dieser Dinge auf bezirklicher Ebene abspielen wird.

 

Zu bemängeln ist, dass auf der Abschlussveranstaltung zu dem vorliegenden Papier parteiübergreifend geäußert wurde, dass die Jugendberufsagenturen eine gute Idee sind, dies niemand blockieren möchte, jedoch auch über die Finanzierbarkeit und das Personal gesprochen werden müsste. Lediglich die in der Arbeitsgruppe Beteiligten haben bisher darüber diskutiert und von der Senatsebene kam hierzu der Hinweis, dies würde im Laufe des Projektverlaufs geklärt werden. Zu diesem Thema wird es seines Erachtens eine Reihe von Problemen an unterschiedlichster Stelle geben und er macht einige Erläuterungen hierzu.

 

Ein weiteres Problem ist die Sache mit den Erfolgskriterien. Die Frage nach den Erfolgskriterien war in den Sitzungen von der Arbeitsagentur relativ einfach damit zu beantworten, dass der Indikator die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ist. Unabhängig davon, ob man der Auffassung ist, dass für all die Jugendlichen, über die im Rahmen von Jugendberufshilfe gesprochen wird, der erste Arbeitsmarkt die Perspektive ist, ist innerhalb der Jugendberufshilfe klar, dass über die Schaffung von Motivation gesprochen werden muss. Die Jugendlichen müssen dahin gebracht werden zu verstehen und zu wollen, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen.

 

Die Schaffung der Jugendberufsagenturen kann keinesfalls die Abschaffung der bestehenden Strukturen in den Bezirken bedeuten. Es muss also bei der Umsetzung in den Bezirken sehr darauf geachtet werden, dass die bestehenden Ansätze weiter entwickelt werden, jedoch in das neue System einfließen, da dort Kolleginnen und Kollegen mit außerordentlichen Kompetenzen sitzen.

 

Herr Gröschke von der Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Wissenschaft, beschäftigt in der Arbeitsgruppe, die mit der Jugendberufshilfe zu tun hat sowie auch mit den Fragestellungen, die die Jugendberufsagentur tangieren, ergänzt die Ausführungen von Herrn Ogrzall. Die Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Wissenschaft ist als Jugendbereich nicht hauptverantwortlich für die Jugendberufsagenturen, sondern deckt nur den Bereich ab, der mit Fragen der Jugendhilfe bzw. der Jugendberufshilfe und den damit zusammenhängenden Beratungsleistungen und sonstigen Angeboten, die zukünftig unter einem Dach angeboten werden, zu tun hat. Herr Gröschke  erklärt, dass er sich den Ausführungen von Herrn Ogrzall anschließen kann, da es in fast vollständiger Weise das trifft, was auch er erläutert hätte.

 

Herr Ogrzall und Herr Gröschke beantworten die Fragen der Bezv. Schneider, Höhne, Müller und Bgd. Kroggel nach Einzelheiten. Folgende Punkte werden u. a. angesprochen:

 

- Für eine Beteiligung der Bezirke, wenn wesentliche Teilfragen für die Bezirke nicht geklärt sind, ist der verbleibende Spielraum in der Zeit sehr eng.

 

- Die Arbeit in den Bezirken hat sich verdichtet, die Aufgaben sind gewachsen, aber Bereiche wie Jugendberufshilfe sind vernachlässigt worden, obwohl es eine gesetzliche Aufgabe ist, weil notwendige Finanzen und Personal fehlen. Es muss endlich auch eine realistische Ausstattung für die Bezirke vorgesehen werden, die man am Anfang einfach braucht, um später Ressourcen dann wieder abbauen zu können.

 

- Es ist schwer vorzustellen, wie fünf Behörden nebeneinander in einer Koordinierungsstruktur zusammen arbeiten sollen, ohne dass jemand leidet.

 

- Es ist neben dem unterstützenswerten Papier zu beachten, dass der Focus der Lebenswelten der Jugendlichen nicht aus dem Blick verloren geht. Es ist klar, dass jeder in die berufliche Schiene und in die Verselbständigung kommen muss, aber Jugendliche sind oft anders "gestrickt" und es ist wichtig, die Breite zu sehen, wie man Jugendliche erreicht. Viele Jugendliche, die das Jugendberatungshaus aufsuchen, kommen aus der Krise.

 

- Die Umsetzung wird von Herrn Gröschke genauso zurückhaltend und kritisch gesehen wie die bisherigen Ausführungen der Ausschussmitglieder es zeigen.

 

- Eine Veranstaltung im Februar d. J. war von dem Spagat geprägt, dass auf der einen Seite niemand ernsthaft etwas gegen eine flächendeckende vereinheitlichte Beratung haben konnte, andererseits jedoch mit Blick auf die Jugendverwaltungen und die unterschiedlichen Bezirke und ihre Darstellungen bei dem Thema eine große Skepsis für die Umsetzung herrschte. Es fehlt derzeit noch die Idee, wie man diesen Spagat zwischen Anspruch und Ressourcenwirklichkeit verlässlich beheben kann.

 

- Auf die gewachsenen Strukturen in einigen Bezirken, bei denen schon gute Kooperationen zwischen Jugendamt und Jobcentern bestehen, muss Rücksicht genommen werden, worüber man sich auch immer im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen perspektivisch unterhalten wird. Darauf kann allerdings die Senatsverwaltung als Hauptverwaltung auch nur begrenzt Einfluss nehmen.

 

- Es wäre fatal, wenn die guten Voraussetzungen von Kooperationen für eine Jugendberufsagentur an der Frage des Datenschutzes scheitern.

 

- Der Bezirk kann eine Jugendberufsagentur nur so leisten, wenn das Modell auch personell und finanziell ausreichend ausgestattet wird.

 

- Es ist wichtig, landesweite Qualitäts- und Angebotsstandards zu haben, damit es nicht daran liegt, in welchem Bezirk ein Jugendlicher gerade wohnt und wie er da beraten wird im Hinblick auf seine berufliche Zukunft.

 

- Bei vielen Themen wie beispielsweise die Berücksichtigung von jungen Frauen mit Migrationshintergund gibt es eine Fachlichkeit, die einfließt und sich  in dem Jugendhilfeteil der Beratungsleistung unter einem Dach wiederfinden wird. Über diese Themen konnte man sich bisher keine Gedanken machen, da es derzeit andere "Baustellen" gibt. Selbstverständlich muss man sich um diese Fragen und um die Möglichkeiten von Partizipation kümmern.

 

Die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses dankt für die Ausführungen, den Gedankenaustausch und die rege Diskussion. Sie stellt fest, dass dieses Thema den Bezirk in der nächsten Zeit intensiv beschäftigen wird.


Abstimmungsergebnis:

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Bericht Jugendberufsagentur (4332 KB)    

 
 

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