Drucksache - VIII-0201  

 
 
Betreff: Benennung der öffentlichen Straße 18 a im Ortsteil Französisch Buchholz in „Louise-Henry-Straße“
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Bezirksamt 
   
Drucksache-Art:Vorlage zur Kenntnisnahme § 15 BezVGVorlage zur Kenntnisnahme § 15 BezVG
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin Vorberatung
28.06.2017 
8. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlagen:
VzK § 15 Bezirksamt, 8 BVV am 28.06.2017

Siehe Anlage

 


Bezirksamt Pankow von Berlin

13.06.2017

An die
Bezirksverordnetenversammlung

Drucksache-Nr.:  VIII-0201

Vorlage zur Kenntnisnahme
für die Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 15 BezVG

Betr.: Benennung der öffentlichen Straße 18 a im Ortsteil Französisch Buchholz in „Louise-Henry-Straße“

 

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

Gemäß § 15 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) wird berichtet:

Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung am  13.06.2017 folgenden Beschluss gefasst:

 

Die bisher mit Nummer 18 a bezeichnete Straße im Ortsteil Französisch Buchholz wird in „Louise-Henry-Straße“ benannt. Die Lage der Straße ist auf dem beiliegendem Plan dargestellt.

Begründung

Die Benennungsabsicht wurde der Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 15 BezVG als Vorlage zur Kenntnisnahme übergeben. Die Vorlage wurde am 17. Mai 2017 in der 7. ordentlichen Tagung der Bezirksverordnetenversammlung zur Kenntnis genommen.

 

Die Benennung der öffentlich gewidmeten Straße wurde bereits im März 2013 von der Mehrheit der Anlieger beantragt, da es oft Schwierigkeiten mit der Zustellung von Post und Paketen gibt, die Eingabe des Straßennamens in Online-Formulare oft nicht möglich ist, die telefonische Weitergabe der Adresse häufig missverstanden wird und auch der Einsatz von Rettungsfahrzeugen und Polizei Schwierigkeiten bringen kann. In diesem Fall ist besonders problematisch, dass bereits der Straßenname einen Buchstabenzusatz aufweist und es zusätzlich Hausnummern mit Buchstabenzusatz gibt (Straße 18 a Nr. 1 A oder 1 B).
Alle angrenzenden ehemaligen Nummernstraßen dieses Gebietes wurden nach hugenottischen Familien benannt. Daher ist angedacht, diese Straße ebenfalls nach einer hugenottischen Familie zu benennen. Der Vorschlag nach Louise Henry bietet die Möglichkeit, sowohl auf die hugenottische Tradition zu verweisen und gleichzeitig eine eigenständige Biografie und deren Wirkung zu würdigen.
Die Benennung nach einer Frau entspricht damit auch dem Anliegen des Bezirksamtes Pankow, den Anteil an nach Frauen benannten Straßen, Plätzen und Orten zu erhöhen (Drs. VI-1032 vom 05.05.2010).

Die Anlage 1 enthält eine Biografie der Louise Henry.

Die Anwohner der Straße 18 a wurden bereits mit Schreiben vom 21.11.2016 über die Benennungsabsicht der Straße 18 a in „Louise-Henry-Straße“ informiert.

 

Die Benennung der Straße 18 a erfüllt sämtliche Voraussetzungen zur Umsetzung der Ausführungsvorschriften zu § 5 des Berliner Straßengesetzes (AV Benennung).

 

Die Abfrage bei den übrigen Straßen- und Grünflächenämtern Berlins und beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat ergeben, dass keine gleichen Benennungsabsichten bestehen sowie gleiche oder gleichlautende Straßenbezeichnungen in Berlin nicht vorhanden sind. Die statistische Schlüsselnummer lautet: 11085.

 

Das Benennungsverfahren soll entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 1 Berliner Straßengesetz durchgeführt werden.

Haushaltsmäßige Auswirkungen

Die Kosten für die Aufstellung von Straßennamenschildern betragen 201,02 € und werden aus dem Kapitel 3800, Titel 52101 – Unterhaltung des Straßenlandes – finanziert.

Gleichstellungs- und gleichbehandlungsrelevante Auswirkungen

keine

Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung

keine

Kinder- und Familienverträglichkeit

entfällt

Anlage 1 Biografie

Anlage 2 Lageplan

 

ren Benn
Bezirksbürgermeister

Vollrad Kuhn
Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Bürgerdienste


Anlage 1


Biografie der Louise Henry

Louise Henry, geb. Claude kam am 4. April 1798 als viertes Kind von Louis und Judith Claude in Berlin zur Welt. Louises Vorfahren wurden in Frankreich geboren. Ihre Übersiedelung nach Deutschland erfolgte im Zusammenhang mit dem Edikt von Potsdam, das am 29. Oktober 1685 durch den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm unterzeichnet wurde. Louises Urgroßeltern väterlicherseits kamen zwischen 1886 und 1889 aus Mannheim (Sedan). Die Urgroßeltern mütterlicherseits stammten aus der Umgebung Metz.
Ihren ersten Kunstunterricht erfuhr Louise zusammen mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Henriette in der Schulanstalt des Herrn Wohlers, eines Professors der Geographie. Ehe sie von ihrem Vater die Erlaubnis erhielt, die Malerei zu erlernen, musste Louise Claude ein Jahr lang beweisen, dass sie in der Lage war, mit Handarbeiten Geld zu verdienen. In der Zeit der französischen Besatzung (1806-1808) trug sie durch den Verkauf von Portraits zum Familieneinkommen bei.
Im Alter von 14 Jahren erhielt Louise Claude zunächst Zeichenunterricht nach Vorlageblättern und Gipsfiguren bei Félicité Henriette Robert und später bei Hofmaler Weitsch. Ab 1815 unterrichtete sie Prof. Kretschmar im Ölmalen bevor sie schließlich seit 1817 als Schülerin im Atelier bei Prof. Wilhelm Schadow (1788-1862; Sohn des Bildhauers Johann Gottlieb Schadow) Unterricht im Portraitmalen erhielt. Nach dem Tode der Lehrerin Madame Robert, bekam Louise Claude den Madame Robert zugesprochenen akademischen Etat in Form einer Pension weiter ausgezahlt.
Frauen wurde zu dieser Zeit noch die Ausbildung in der Kunst vielfach erschwert, u.a. dadurch, dass es ihnen an den öffentlichen Akademien verwehrt wurde, das anatomische Zeichnen und das Studium lebender Modelle durchzuführen. So blieb ihnen der Zutritt zum Aktsaal mit ausschließlich männlichen Modellen aus sittlichen Gründen versperrt.
In dem Jahr, als ihr Lehrer Wilhelm Schadow aus Berlin nach Düsseldorf  überwechselt, heiratete sie am 16. Oktober 1826 Paul Henry, Pfarrer an der französischen Kirche zu Berlin. Er entstammte einer französischen Familie, die vor 1893 nach Berlin eingewandert war. Mit dieser Verbindung heiratete sie zugleich in eine traditionsreiche Künstlerfamilie ein: Paul Henry war der Enkel des berühmten Kupferstechers Daniel Chodowiecki (1726-1801), der väterlicherseits polnischer Herkunft war, mütterlicherseits aber einer Familie französischer Refugies  entstammte. Nach der Eheschließung zog Louise Henry in das Haus Niederlag-straße Nr.1, (Garten des späteren Kronprinzenpalais), in welchem sich auch die Leitung der französisch-reformierten Gemeinde in Berlin befand. Paul Henry sorgte dafür, dass Louise nicht mehr für den Erwerb, sondern nur noch zu ihrem Vergnügen malen konnte. Damit war Louise Henry ebenfalls nicht mehr der Ungerechtigkeit ausgesetzt, dass sich Frauen, im Verhältnis zu ihren männlichen Konkurrenten, mit einer geringeren Entlohnung ihrer Arbeit begnügen mussten.
Seit 1812 war Louise Henry mit ihrer Kunst an den Berliner Akademie-Ausstellungen beteiligt und präsentierte dort in insgesamt 14 Ausstellungen rund 80 Werke in verschiedenen Techniken. Am 1. März 1833 verlieh ihr die Preußische Akademie der Künste die „außerordentliche Mitgliedschaft“. Deren Mitglieder beabsichtigten mit der Ehrung einer Frau, diese „zu fernen Fortschritten in der Kunst (zu) ermuntern“. Um jedoch ordentliches Mitglied werden zu können, mussten die Frauen von Zeit zu Zeit Proben ihrer Fortschritte an die Akademie einsenden. Louise Henry wurde als letzte Frau diese Ehre zuteil, bevor schließlich erst die Revolution von 1918 die Voraussetzung dafür schuf, dass mit Käthe Kollwitz im Jahre 1919 die nächste Künstlerin in die Akademie aufgenommen wurde.

Mit kurzen Reiseunterbrechungen lebte Louise Henry bis zu ihrem Tode in Berlin. Sie starb am 15. Juli 1839 im Alter von 41 Jahren infolge einer Kehlkopf-Schwindsucht und wurde auf dem Friedhof der französischen-reformierten Gemeinde in der Chausseestraße am Oranienburger Tor beigesetzt. Ihre Grabstätte wurde Anfang der 1940er Jahren „mangels öffentlichen Interesses“ eingeebnet.

Louise Henrys Werkumfang umfasst 40 Portraits, 26 Kopien von Vorlagen, 8 Gruppen- und Familienbilder, 3 Genreszenen und 4 Kompositionen nach historischen Vorlagen. Außerdem hinterließ sie Skizzenbücher mit ca. 340 Zeichenblätter und 300 darin portraitierten Personen. Die meisten Portraitzeichnungen stellen namentlich bekannte Personen, zumeist aus dem Freundes- und Bekanntenkreis dar, darunter Wilhelm von Humboldt, Friedrich Carl von Savigny und Wilhelm Schadow, aber auch einfache Menschen aus dem Volke, z.B. Obstfrauen aus Werder, Köchinnen und Arbeiter bei der Arbeit. Darüber hinaus behandelte sie in ihrer Kunst auch religiöse und literarische Themen, z. B. Szenen aus dem Alten Testament.

Das künstlerische Schaffen von Louise Henry ist eng mit der Kunst des Berliner Biedermeier verbunden. Beispiele dafür sind die entstandenen Familienbilder.
Attribute der Biedermeierzeit, darunter Kleider, Kopfbedeckungen werden darin detailgetreu wiedergegeben und auch leblose Dinge portraithaft dargestellt. In ihre Portraits komponierte sie weitere zeitgenössische Details hinein, darunter verbreitete Literatur, beispielsweise Schriften des Historikers Charles Ancillon, der ein Werk über die Historie der französischen Refugies in Brandenburg-Preußen verfasst hatte.

Ihre Werke waren in der „Ausstellung deutscher Kunst 1775-1875“, der sogenannten „Jahrhundert-Ausstellung“ vertreten, die in erster Linie die „vergessenen oder übersehenen Begabungen“ präsentieren wollte.

Louise Henry gehört zu den in Vergessenheit geratenen Berliner Künstlern und Künstlerinnen. Der überwiegende Teil ihrer Kunst befindet sich bis heute in Privatbesitz.

Louise Henry zählt zu einer wichtigen Vertreterin der Kunst des Berliner Biedermeiers. Die Darstellungen in ihrer Kunst sind wichtige zeithistorische Zeugnisse. Zugleich gehört sie zu den in Vergessenheit geratenen Berliner Künstlern und Künstlerinnen. Ihre Biografie ist eng mit der Geschichte und dem Leben der französischen Glaubensflüchtlingen und der nachfolgenden Generationen verbunden. Ihr familiäres Umfeld hat wiederum die Motive ihrer Kunst beeinflusst.

 

 
 

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