Drucksache - 0959/XX  

 
 
Betreff: Bezirkliches Tourismuskonzept – Interessen der Anwohnenden ignoriert?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Einwohner/inEinwohner/in
Verfasser:Seebade, Marion 
Drucksache-Art:EinwohneranfrageEinwohneranfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Entscheidung
14.11.2018 
26. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln von Berlin beantwortet   

Beschlussvorschlag
Anlagen:
Einwohneranfrage
Einwohneranfrage beantwortet
Antwort 0959/XX

Frage 1:

Warum wird die Erarbeitung eines bezirklichen Tourismuskonzepts in Anbetracht der immensen Auswirkungen des Tourismus für die Anwohnenden und die Stadtentwicklung nicht unter einer institutionalisierten Beteiligung eines stimmberechtigten Anwohnenden-Beirates oder entsprechenden Gremiums und im Ressort Stadtentwicklung durchgeführt?

 

Frage 2:

Beabsichtigt der Bezirk, im Rahmen des Tourismuskonzeptes Maßnahmen zu planen und auch durchzuführen, um in den bereits durch übermäßigen Ballermanntourismus überbelasteten Kiezen eine Wiederherstellung einer gemischten Kiezstruktur zu sicherzustellen?

 

Begründung:

Zu 1) Die Tourismusentwicklung gehört auf Senats- ebenso wie Bezirksebene nicht allein in das Ressort Wirtschaft, sondern auch in das der Stadtentwicklung. Notwendig ist, dass die Anwohnenden bei der Gestaltung dieser Prozesse tatsächlich mitentscheiden! Gerade der Tourismus greift massiv in die Lebensqualität der Anwohnenden und die Strukturen der Kieze ein. Andere als Schankgewerbe können die steigenden Gewerbemieten nicht zahlen: Kitas, Physiotherapie, Handwerksbetriebe, Buchläden, … verschwinden, Wohnungsmieten steigen enorm.

Eine frühzeitige und ernstzunehmende Beteiligung der betroffenen Anwohnenden in Beiräten mit politischem Gewicht könnte den Belangen der vielen betroffenen Menschen eine Artikulationsmöglichkeit geben. Eine stark auf Tourismus setzende Wirtschaftslenkung und rderung geht zulasten der Anwohnenden, die einerseits nicht einmal eine institutionalisierte und gewichtige Stimme in diesen Prozessen haben und andererseits quasi die Kulisse für das Bild eines Kiezes bilden, der aus ökonomischen Interessen zerstört wird

Die durch den Tourismus verursachten Prozesse greifen derart in die Stadtentwicklung ein, dass sie auf bezirklicher Ebene (ebenso wie im Senat) nicht ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten geplant und gesteuert werden könne, sondern ressortübergreifend bearbeitet werden müssen.

 

Zu 2) Ein Tourismuskonzept als stadtpolitische Leitlinie kann nicht ausschließlich danach fragen, wie und wo noch weitere Touristenströme hingeleitet werden könnten. Die Anwohnenden in den bereits über touristifizierten Kiezen müssen einbezogen werden und für diese Kieze müssen Strategien für eine Wiederherstellung von Lebensqualität entwickelt werden.

Wenn in einer Straße eine Kneipe neben der anderen einen Schankvorgarten betreibt, wie beispielsweise in der Weserstraße Ecke Reuterplatz bis zur Pannierstraße, dann ist eine Situation geschaffen, in der die Störung der Nachtruhe strukturell bedingt ist und nicht mehr durch Anzeigen gegen einzelne Verursacher zu beheben ist.

Dies hat folgende Gründe: Die Lärmbelastungen addieren sich, so, dass jeder einzelne Betreiber auf eine jeweils geringe Besucherzahl verweist, die für sich allein genommen angeblich noch zu keiner Lärmbelästigung führe. Tatsächlich führt die Addition der Gästeanzahl auf einem kurzen Stück Gehweg zu einer Lärmballung, die nicht zwangsläufig von einem Gewerbe allein ausgeht.

Darüber hinaus bleiben in derartigen räumlichen Konstellationen Anzeigen der Anwohnenden wegen eines generellen Zuschreibbarkeitskonflikts erfolglos: Sämtliche Gewerbetreibende können darauf verweisen, dass bei dieser dichten Nachbarschaft ihr Schankvorgarten nicht eindeutig als Lärmquelle auszumachen sei. Dieser Zuschreibbarkeitskonflikt heißt aber nichts anderes, als dass das Recht der Anwohnenden auf eine geschützte und ungestörte Nachtruhe in diesen Schankkonstellationen ausgehebelt ist.

Das Recht der Anwohnenden auf Nachtruhe muss hier vom Bezirk und Senat geschützt werden, andernfalls werden hier die wirtschaftlichen Interessen bzw. das Recht auf Eigentum der ein oder zwei Gewerbe pro Haus generell höher bewertet als die Belange der ca. vielen Menschen, die seit Jahrzehnten in den Etagen darüber leben. Zählt das Recht auf Nachtruhe all der Anwohnenden tatsächlich weniger als eine Einschränkung des Eigentumsrechts, welches vorliegen würde, wenn entweder eine Schankgenehmigung untersagt würde oder die Außenbewirtung ab 22 Uhr geschlossen werden müsste?

Da in den genannten Konstellationen so in der Weserstraße zwischen Reuterplatz und Pannierstraße strukturell bedingt das Recht auf Nachtruhe für die Anwohnenden ausgehöhlt ist und nicht individuell hergestellt werden kann, ist eine erneute Annäherung an dieses nur möglich, wenn:

1)  generell in einer derartigen Konstellation eine Außenbewirtung ab 22 Uhr untersagt wird

2)  keine weiteren Öffnungszeiten für Spätis eingeführt werden,sondern auch hier über eine Einschränkung des Alkoholausschanks die Belagerung der Straße eingedämmt wird.(ein sogenanntes Spätisterben existiert in Neukölln nicht: Zwischen 2015 und 2017 haben mehr neu eröffnet als geschlossen wurden)

3) keine Werbung für „bunten Kiez, Straße mit Bars, viel Nachtleben“ uws in den Werbemedien der Stadt (auch nicht auf Berlin.de) gemacht wird.

 

 
 

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