Auszug - Milieuschutz auch in Neukölln? - Expertenanhörung  

 
 
20. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung
TOP: Ö 2
Gremium: Ausschuss für Stadtentwicklung Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 11.06.2013 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:30 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Çigli-Zimmer, 1. Etage, Raum A104
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss

Es erfolgen zunächst einige einleitende Worte durch den Ausschussvorsitzenden

Es erfolgen zunächst einige einleitende Worte  durch den Ausschussvorsitzenden. Herr Biedermann erklärt, dass es bereits Anträge gab, die jedoch negativ beschieden wurden. Dann stellt Herr Biedermann Herrn Oehlert, Herrn Gude und Herrn Nelken vor.

Herr Oehlert erklärt, welche Gebiete in Friedrichshain-Kreuzberg er derzeit untersucht. Herr Oehlert möchte am Bsp. des Boxhagener Platzes die Vorteile der Erhaltungssatzung aufzeigen. Er erläutert kurz die Wirkung der Erhaltungssatzung anhand zweier Folien und beschreibt den Gesetzestext des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Er zeigt auf, was er für beeinflussbar (Rückbau, Nutzungsänderung, Änderung) und nicht beeinflussbar (Errichtung baulicher Anlagen, Modernisierungsmaßnahmen im Rahmen eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards und bei rechtlichen Vorgaben, allgemeine Mieterhöhungen, Mieten bei Neuvermietungen etc.) mit der sozialen Erhaltungssatzung hält. Er expliziert die einzelnen Begriffe und nennt einige Beispiele. Der Boxhagener Platz ist seit 1999 als Erhaltungsgebiet ausgewiesen. Er erläutert die dortige soziale Zusammensetzung des Gebietes (Arbeitslosenquote, Einwohnerzahl, etc.) und verdeutlicht die dort von ihm festgestellte Wirkungen der Erhaltungssatzung anhand einiger Zahlen und Auswertungen. Er stellt im Ergebnis fest, dass es dort eine niedrigere Miete sowie eine längere Wohndauer gibt. Im Ergebnis hat man seiner Ansicht nach die soziale Zusammensetzung besser im Griff als in Gebieten ohne Milieuschutz. Herr Nelken ergänzt. Er hält die Ausweisung eines Erhaltungsgebietes für ein städtebauliches Steuerungs- und kein Mieterschutzinstrument. Er trägt vor, dass die Merkmale gutachterlich nachzuweisen sind und zudem periodisch erstellt werden müssen. Für städtebauliche Missstände ist dieses Instrument jedoch ungeeignet und es kann auch keine Mieterhöhungen verhindern, sondern hat nur eine dämpfende Wirkung auf sie. Er hält die Anwendung des Milieuschutzes auch für sinnvoll, räumt jedoch ein, dass es sich um ein aufwendiges Verfahren handelt, bei dem die personellen Ressourcen vorhanden sein müssen. Die Wirksamkeit hängt seiner Meinung nach von der Konsequenz des Verwaltungshandelns ab. Er erläutert, wie dies im BA Pankow umgesetzt wird. Abschließend führt er an, dass der Milieuschutz kein Allheilmittel darstellt, jedoch dämpfend wirken kann, unter der Voraussetzung, dass ein Verdrängungsprozess auch nachweisbar ist.

 

Herr Biedermann übergibt nun Herrn Gude das Wort. Herr Gude vergleicht die Situation in Nord-Neukölln mit denen in Pankow und am Boxhagener Platz. Topos hat verschiedenste Gebiete wie Tiergarten, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und NordNeukölln untersucht. Er weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass mithilfe des Milieuschutzes lediglich bestimmte bauliche Maßnahmen verhindert werden können.

Er erklärt, dass sich bei der Analyse der Milieuschutzwirkung auf die Altmieter bezogen werden müsse. Die Struktur der Altmieter ist abhängig vom Ausstattungsdruck. Bei Neuvermietung sind keine Prüfungen von Auswirkungen durch den Schutz möglich. Er erklärt darüber hinaus drei Formen intensiver Mietentwicklung sowie die sozialen und räumlichen Auswirkungen. In Gebieten mit Mietendruck im unteren Preissegment ist das Instrument nach Meinung von Herrn Gude eher ungeeignet und praktisch wirkungslos. Nur in Aufwertungsgebieten und in Gebieten mit Austausch der Sozialstruktur ist das Instrument relativ gut geeignet. Der Einsatz kann in Gebieten mit Mietdruck sogar kontraproduktiv sein. In Nord-Neukölln sieht er kein Gentrifizierungsgebiet. Der Reuterplatz und kleinteilig einige Flächen direkt um den Richardplatz sind als ein Aufwertungsgebiet gekennzeichnet. Alle andere Kieze sind Gebiete mit Mietendruck im unteren Preissegment.  Die ärmeren Haushalte nehmen dann deutliche Überbelegung in Kauf (z.B. zwei Zimmer weniger als die Anzahl der Haushaltsmitglieder). Herr Gude nennt die Alternativen für den Bezirk wie die offene Mieterberatung, die Nutzung des Zweckentfremdungsverbotes und die intensive Beobachtung der Entwicklung insbesondere der Modernisierungsaktivitäten der Eigentümer.

 

Herr Biedermann bedankt sich für die Vorträge. Herr Morsbach fragt, ob die Satzung so lange nutzlos auf dem Gebiet liegt, bis eine Baumaßnahme angestrengt wird. Herr Oehlert erklärt den Zusammenhang erneut. Herr Gude ergänzt. Herr Scharmberg fragt, inwieweit ein Eigentümer die Miete erhöhen kann, wenn ein Sanierungswillen des Eigentümers besteht, jedoch eine Erhaltungssatzung in dem Gebiet ausgewiesen ist. Herr Jendralski fragt, wie es sich bei einer Erhaltungssatzung mit energetischer Sanierung verhält. 

 

Bezüglich Herrn Scharmbergs angeführtem Beispiel erklärt Herr Nelken, dass die Genehmigungsansprüche bestehen, wenn zeitgemäße Standards im Rahmen der Sanierung beantragt werden. Dies gelte auch für die energetische Sanierung, wobei hier ein Gutachten beigebracht werden müsse. Die Kriterien, welche Maßnahmen der Bauherr umsetzen kann, werden in der Satzung festgelegt, die sind auch veränderbar, müssen jedoch rechtssicher sein.

 

Herr Gude erläutert, dass alle baulichen Änderungen beantragt werden müssen. Er legt zudem dar, dass in Gebieten, die merklich wenig von Sanierung betroffen sind, eine Anwendung der Erhaltungssatzung schlichtweg ins Leere läuft. Herr BzStR Blesing merkt zum Thema Badsanierung an, dass auch dort die Ausstattung der Modernisierung hinterherhinkt. Der Standard ändert sich auch permanent. Insofern wird beim Mieterwechsel immer das Problem der sich erhöhenden Miete bestehen.  Herr Hikel empfindet die Satzung als passiv. Er fragt, wo es Erfahrungswerte gäbe, dass Modernisierungen nicht angezeigt sind. Wie kontrolliert die Verwaltung die Umsetzung? Frau Fuhrmann empfindet die Milieuschutzsatzung als Gleichgewicht zwischen dem Standard und dem, was man sich leisten kann. Herr Gude erklärt anhand eines Studienergebnisses, dass in Neukölln eine Luxusmodernisierung nicht funktioniert. Er führt an, dass die Gruppe derer, die ein hohes Einkommen haben, im Mietsektor relativ wenig zu finden sind, sondern diese eher investieren. Zudem steht im Vordergrund aller Überlegungen die Nachfrage. Daher wurde in den letzten Jahren auch kein Wohnungsbau veranlasst. Für Neukölln stellt sich die Frage, ob die Nachfrage an luxusmodernisierten Wohnungen überhaupt da ist. Herr Gude führt als Beispiel eine Vermietung in der Weisestr. an:  es gestaltet sich für den Eigentümer schwierig, den Quadratmeter für 10 Euro zu vermarkten. Daher besteht auch kein Modernisierungswillen. Herr Nelken erklärt, ernne die getätigte Aussage für Nord-Neukölln nicht einschätzen, zweifelt aber daran, dass es keinerlei Nachfrage gäbe, da er der Auffassung ist, dass es immer Mieter geben wird, die die hohe Miete in Kauf nehmen und bezahlen. Er weist darauf hin, dass der Milieuschutz auch für leerstehende Wohnungen gilt, da dieser die Wohnstruktur schützt. Herr Oehlert ergänzt, räumt ebenfalls jedoch ein, dass er die Situation für Neukölln nicht einschätzen könne.  

 

Herr Blesing erinnert abschließend daran, dass die BVV Mitglieder bei den Haushaltsberatungen bedenken müssen, dass man bei Forderung des Einsatzes des Instruments dann das Stadtentwicklungsamt entsprechend mit Personal ausstatten muss. Die BVV müsse dann sehen, wie sie dieses zur Verfügung stellt. Nach weiteren kurzen Wortbeiträgen von Herrn Förster, Herrn Morsbach, Herrn Biedermann, Frau Helm, Frau, Herrn Öhlert und Herrn Gude und wird der TOP geschlossen.

 

 


 
 

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