Drucksache - 0320/XIX  

 
 
Betreff: Warensortiment der Spätverkaufsstellen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPDBA/FinWi
Verfasser:Morsbach, MichaelBuschkowsky, Heinz
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme - SB
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Entscheidung
22.08.2012 
10. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Entscheidung
23.01.2013 
14. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Beschlussvorschlag
Anlagen:
1. Version vom 14.08.2012
2. Version vom 16.01.2013
3. Version vom 16.01.2013
4. Version vom 04.02.2013

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt hat sich bei der Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen dafür eingesetzt, dass inhabergeführte Spätverkaufsstellen auch Sonntags ein breites Warensortiment anbieten können. Diese ist hierauf wie folgt eingegangen.

 

„Ihr Schreiben, in dem Sie sich für eine generelle Sonntagsöffnung von inhabergeführten Verkaufsstellen einsetzen, habe ich mit Interesse gelesen. In den letzten Wochen habe ich mich mit diesem Problem umfassend auseinandergesetzt. Meine Prüfung hat allerdings ergeben, dass es die vermeintlich einfache Lösung des Problems nicht gibt.

 

Sonn- und Feiertage werden vom Grundgesetz als Tage der Arbeitsruhe geschützt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil 2009 festgestellt, „dass die Ausnahme eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes bedarf. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen.“ Genau diese Erwerbs- und Shoppinginteressensind aber der Anlass für die Forderungen der Spätverkaufsstelleninhaberinnen und -inhaber und der BVV Neukölln.

 

Berlin hat bereits sehr großzügige Regelungen zur Sonntagsöffnung. So dürfen gegenwärtig nach dem Berliner Ladenöffnungsgesetz Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen öffnen, die für den Bedarf von Touristinnen und Touristen ausschließlich Andenken, Straßenkarten, Stadtpläne, Reiseführer, Tabakwaren, Verbrauchsmaterial für Film- und Fotozwecke, Bedarfsartikel für den alsbaldigen Verbrauch sowie Lebens- und Genussmittel zum sofortigen Verzehr anbieten. Außerdem dürfen Verkaufsstellen öffnen, deren Angebot ausschließlich aus einer oder mehreren der Warengruppen Blumen und Pflanzen, Zeitungen und Zeitschriften, Back- und Konditorwaren, Milch und Milcherzeugnisse besteht. Für eine weitere Ausdehnung des Sortimentes sind keine Sachgründe erkennbar.

 

Des Weiteren hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass das Regel-Ausnahme-Gebot berücksichtigt werdenmuss. Der Landesgesetzgeber hat durch gesetzliche Schutzkonzepte dafür zu sorgen, dass die Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe die Regel sind. Nur im Ausnahmefall darf aus besonderen Anlässen (bspw. große Veranstaltungen) oder Sachgründen (bspw. Versorgung von Reisenden oder Touristinnen und Touristen) von dieser Regel abgewichen werden.„Darüber hinaus müssen Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen.“

 

Der Vorschlag, inhabergeführten Verkaufsstellen die generelle Sonntagsöffnung zu erlauben, wurde bereits in den 90er Jahren diskutiert. Berlin hat 1993 eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel auf den Weg gebracht, kleine inhabergeführte Verkaufsstellen, die zu den besonderen Zeiten (abends nach 18.30 Uhr und am Sonntagvormittag) keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, aus dem Geltungsbereich des Ladenschlussgesetzes herauszunehmen. Der Vorstoß ist gescheitert, da er eine Verletzung des Grundgesetzes und des Wettbewerbsrechts darstellt. Es wurde auch festgestellt, dass die Spätverkaufsstellen nicht nur in Konkurrenz zu den anderen, nicht durch Ausnahmegenehmigung privilegierten,Lebensmittelgeschäften stehen, sondern auch den Gaststätten erhebliche Umsatzverluste bringen würden.

 

Im Übrigen gibt es auch Probleme bei der Definition der „inhabergeführten Verkaufsstellen“. Darf nur der im Wirtschaftsamt registrierte Inhaber am Sonntag verkaufen oder auch seine mithelfende Ehefrau? Dürfen seine erwachsenen Kinder (ggf. mit anderem Namen) helfen oder auch seine Cousins (ggf. mit dem gleichen Namen)? Bei einergesetzlichen Festlegung auf einen Familienbetrieb mit dem ausschließlichen Inhaberverkauf wird nach kurzer Zeit der Vorwurf kommen, Berlin würde familienfeindliche Regelungen treffen. Nunmehr müsse bspw. der Familienvater, weil nur er der Inhaber ist, jeden Sonntag in der Verkaufsstelle stehen und könne nie bei der Familie sein. Die Gewerkschaft wird feststellen, dass die Zahl der Scheinselbstständigen (oder Franchiseunternehmen) zunehmen wird.

Sowohl die Gewerkschaft als auch der Handelsverband Berlin- Brandenburg (HBB) haben sich gegen eine Privilegierung weiterer Einzelhandelsgeschäfte ausgesprochen. Der HBB hat angekündigt, dass es in diesem Fall Klagen gegen die Beschränkung auf Lebensmittelsortimente geben würde. Es gibt bspw. auch inhabergeführte Schuh-, Juwelier- und Bekleidungsgeschäfte.

 

Nach dem Urteil des BVerfG wurde das Berliner Ladenöffnungsgesetz 2010 entsprechend den Vorgaben des Gerichtes novelliert. Das Gesetzgebungsverfahren verlief sehr kontrovers. So wurde bspw. um jeden Artikel, der auf Bahnhöfen angeboten werden durfte, lange gerungen. Das Gesetz besteht aus zahlreichen Kompromissen, die nicht erneut zur Diskussion gestellt werden sollten. Die Kirchen haben bereits angedeutet, gegen eine weitere Einschränkung der Sonn- und Feiertagsruhe vorgehen zu wollen.“

 

Das Bezirksamt sieht hiermit den Beschluss der BVV als erledigt an.

 
 

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