Berlins Gesundheitsämter bluten aus

Pressemitteilung vom 08.08.2018

Personalrat lehnt außertarifliche Bezahlung ab

In Berliner Gesundheitsämter fehlen immer mehr Fachärzte. Die Nachbesetzung von frei werdenden Stellen gelingt aufgrund der schlechten Bezahlung nicht. Ein Vorschlag des Senats wurde nun durch den Hauptpersonalrat als unzureichend abgelehnt. Zuletzt hatte in Neukölln ein interessierter Bewerber aufgrund einer Gehaltseinbuße von knapp 25% abgesagt.

Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke: „Unter diesen Bedingungen können wir uns weitere Ausschreibungen sparen. Der aktuelle Bewerber hätte trotz einer Beförderung zum Amtsarzt in Neukölln deutlich weniger verdient, als er derzeit als Facharzt in einer westdeutschen Kommune bekommt. Der Skandal: der Finanzsenator sieht ‚keinen Handlungsbedarf‘.“

Selbst die am Dienstag am Widerstand des Hauptpersonalrates gescheiterte Neuregelung der Vergütung wäre offenkundig unzureichend gewesen. Amtsärzte hätten dann nach sechs Jahren hauptberuflicher Tätigkeit maximal 7.100 Euro brutto verdienen können. Bei einer Arbeitszeit von 42 Wochenstunden inklusive der Jahressonderzahlung. Allein im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TVöD) werden 400 Euro brutto im Monat mehr gezahlt. Hinzu kommen Zuschläge, die bis zu 30% ausmachen und das monatliche Gehalt auf 8.650 Euro brutto anwachsen lassen können.

Tarifvertraglich mögliche Zulagen werden in Berlin jedoch nicht ausgeschöpft. Die Senatsverwaltung für Finanzen sieht bisher keinen Handlungsbedarf. Falko Liecke: „Nur Fachärzte für den öffentlichen Gesundheitsdienst können Amtsarzt werden. Diese Fachärzte sind absoluter Goldstaub und wir können über jeden einzelnen Bewerber und jede Bewerberin froh sein. Obwohl alles andere gepasst hat, hat unser Bewerber aber letztlich abgesagt. Und ganz ehrlich: ich kann ihm das nicht einmal übel nehmen. Neukölln ist toll, aber deswegen verzichtet niemand auf ein Viertel seines Gehaltes.“

Besonders kritisch ist diese Situation bei den Amtsärzten und ihren Stellvertretern. Die Nachbesetzung frei werdender Stellen gelingt in vielen Bezirken nicht. Wie dramatisch diese Situation ist, wird mit einem Blick auf die hoheitlichen Aufgaben der Amtsärzte in Berlin deutlich:

· Medizinischer Katastrophenschutz
· Hygieneaufsicht in Krankenhäusern
· Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (Infektionsschutzgesetz)

· Überwachung der Reinheit von Trinkwasser (Trinkwasserverordnung)
· Aufsicht über psychiatrische Kliniken (Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten)

· Aufsicht über Schuleingangsuntersuchungen
· Einhaltung internationaler Gesundheitsvorschriften wie die Meldung von Infektionskrankheiten mit internationaler Bedeutung

· Überwachung der Einhaltung des Heilpraktikergesetzes mit Blick auf nicht zugelassene Heilversprechen und –methoden

· Koordination des Kinderschutzes und enge Zusammenarbeit mit dem bezirklichen Jugendamt

· Gesundheitsförderung, Prävention und Vorsorge
· Risikoanalysen und Gesundheitsplanung
· Qualitätsmanagement
· Personalverantwortung für das gesamte bezirkliche Gesundheitsamt

Jugend- und Gesundheitsstadtrat Falko Liecke: „All diese Aufgaben können nicht dauerhaft vertreten werden. Wenn wir nicht endlich zu einer wettbewerbsfähigen Bezahlung der 12 Amtsarztstellen in Berlin kommen, fährt der öffentliche Gesundheitsdienst mit Ansage an die Wand. Wer wird dann die Verantwortung übernehmen?“