Buchrezension: Einführung in die Linguistik für DaF/DaZ

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Cover Horstmann et al.

von Horstmann, Susanne, Julia Settinieri und Dagmar Freitag,
erschienen bei Ferdinand Schöningh, Paderborn 2020.

ISBN 978-3-8385-4750-3
351 Seiten
Das Buch steht in der SFZ-Bibliothek Einsichtnahme bereit.

Dr. Felicitas Tesch hat es für Sie gelesen:

Obwohl dieses Buch hauptsächlich für Studierende geschrieben wurde, kann es auch den sich bereits im Beruf befindenden DaF/DaZ-Lehrer*innen neue Erkenntnisse bieten. In elf verständlich verfassten Kapiteln gehen die Verfasserinnen auf die Ebenen der Linguistik ein, die für die Praxis relevant sind. Sogenannte „Denkpausen“, viele Übungsaufgaben und etliche praktische Beispiele lockern den theoretischen Inhalt auf und machen das Buch zu einem Lesevergnügen.

Im ersten Kapitel gehen die Verfasserinnen auf die Ebenen der Linguistik ein. Hier findet sich ein schönes Beispiel für Textkohärenz (S. 12); der linguistische Fachbegriff wird an dieser Stelle leider nicht erwähnt. Auch ist Erwähnung des umgangssprachlichen Begriffs „Wort“ hier entbehrlich, zumal die Verfasserinnen den wissenschaftlichen Begriff des „Morphems“ sehr gut erklären. Mutig ist es auch, den Begriff der „Minimalpaarbildung“ auf die Ebene der Syntax auszudehnen, zumal das Phänomen mit dem Begriff der „paradigmatischen Ersetzung“ ausreichend beschrieben ist. Dasselbe trifft auf den Begriff der syntagmatischen Beziehungen zu, der hier auch auf die Phonologie angewandt wird, obwohl der hier zutreffende Begriff der „Phonotaktik“ später im Buch hervorragend erläutert wird. Am Ende des ersten Kapitels befinden sich vier verschiedene Lerner*innen-Äußerungen, die im Laufe des Buches immer wieder erwähnt werden und die zunehmende Kompetenz der Lesenden spiegeln sollen. Zum Abschluss wird der Aufbau des Buches erläutert.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Pragmatik, der Kommunikation und der Semiotik. Dies ist ein sehr guter Aufbau; denn zunächst ist es wichtig zu analysieren, was menschliche Sprache eigentlich ausmacht und wie sie funktioniert, bevor in die Detailanalyse einzelner Sprachebenen eingegangen wird. Auch auf die nonverbale Kommunikation wird hier anschaulich mithilfe von Fotos eingegangen. Die paraverbalen, verbalen und interkulturellen Kommunikationswege werden anhand von guten Beispielen erläutert. Nachdem in einem sog. „Exkurs“ die Zeichenmodelle von de Saussure und Bühler dargestellt und Missverständnisse in der Kommunikation erklärt werden, gehen die Verfasserinnen auf „sprachliche Handlungen“ ein, die sie anhand der Sprechakttheorie analysieren. Am Ende des Kapitels kommt auch Grice mit seinen „Konversationsmaximen“ zu Wort und die Bedeutung der “kommunikativen Kompetenz“ im Fremdsprachenunterricht wird herausgestellt.

Die folgenden Kapitel orientieren sich an den Sprachebenen, beginnend mit der Phonetik bis zur Textlinguistik. Hervorzuheben ist hierbei die Darstellung der Orthographie, der ein eigenes Kapitel (4) gewidmet ist. Zunächst werden die unterschiedlichen Schriftsysteme beschrieben. Schon daraus wird deutlich, welche Probleme beim Schriftsprachenerwerb zwischen den unterschiedlichen Herkunftssprachen auftreten können. Auch die Exkurse „Sprachvergleich“ und „Kommaregeln“ sind lesenswert. Sehr hilfreich für zukünftige DaF/DaZ-Lehrende ist das letzte Teilkapitel (4.5), das sich mit dem Schriftspracherwerb beschäftigt und zwischen primären, sekundären und funktionalen Analphabeten einerseits sowie Zweitschriftserwerber*innen andererseits unterscheidet. Eine Marginalität: die letzte Rechtschreibreform fand 1996 statt (wie richtig auf S. 94 konstatiert), und nicht 1998 (wie auf S.102).

Didaktisch diskussionswürdig ist der Vorschlag, induktive Grammatikvermittlung sprachvergleichend zu gestalten (S. 134), da dies dem Prinzip der Einsprachigkeit widerspricht. Kritisch ist auch eine zu positive Bewertung der deduktiven Grammatikarbeit zu sehen (S. 135).

Positiv ist bei der Darstellung der deutschen Syntax (Kap. 8) anzumerken, dass sowohl auf die traditionelle Satzglied-Grammatik („Duden“-Grammatik) als auch auf die Dependenz-Valenz-Grammatik eingegangen wird, die sich für die Beschreibung der deutschen Sprache sehr gut eignet. Am Ende dieses Kapitels wird außerdem sehr anschaulich das topologische Satzmodell dargestellt.

Im Kapitel über Textlinguistik (9) werden Kohärenz (s.o.) und Kohäsion anhand vieler Beispiele erläutert, sowie auf die Thema-Rhema-Thematik eingegangen.

Von besonderer Wichtigkeit für DaF/DaZ-Lehrende sind die letzten beiden Kapitel des Buches. Kapitel 10 beschäftigt sich mit den sprachlichen Variationen und stellt neben der Darstellung der verschiedenen sprachlichen Varietäten (diatopische, diaphasische und diastratische Register) die Begriffe der konzeptionellen Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie deren Förderung in den Fokus.

Bevor man aber mit dem DaF/DaZ-Unterricht beginnt, sollte man sich vergegenwärtigen, an welcher Stelle die Lernenden stehen und sie dort abholen. Deshalb beschäftigt sich das letzte Kapitel mit der Lernersprachenanalyse und der Sprachdiagnostik. Es schließt mit didaktischen Schlussfolgerungen für den Unterricht und Hinweisen zur Unterrichtsplanung, die auch Konzepte wie das der Mehrsprachigkeit und der Language Awareness berücksichtigen sollte.

Am Ende jedes Kapitels stehen nützliche Literaturtipps zur weiteren Vertiefung sowie Übungsaufgaben, deren Lösungsvorschläge sich im online-Anhang befinden.

Das Buch schließt mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis, das zwischen Print- und Onlinequellen differenziert. Leider wird die Quelle Reiners (1944, erwähnt auf Seite 113) nicht angegeben.

Im Anhang finden sich die Map-Task, ein Diagnose-Bogen zur Aussprache, die GAT2-Transkriptionskonventionen, ein Verzeichnis der sog. „Exkurse“, ein Kürzelverzeichnis und ein sehr hilfreiches Register.

Studierenden, die ihr Grundstudium Linguistik abgeschlossen haben, mag vieles in dieser Einführung bekannt vorkommen, aber auch sie können von den praktischen Beispielen profitieren. Für bereits unterrichtende DaF und DaZ-Lehrende, die vielleicht zum ersten Mal mit Linguistik in Berührung kommen, ist das Buch eine Fundgrube an anschaulichen Erklärungen.

© Felicitas Tesch
SprachFörderZentrum Berlin Mitte