Drucksache - 2003/III
Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:
(Text siehe Rückseite)
Vorlage – zur Kenntnisnahme –
über „Der schwere Schritt für Frauen weg vom Leben auf der Straße“ (taz, 01.02.2011)
Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 17.02.2011 folgendes Ersuchen an das Bezirksamt beschlossen (Drucksache Nr. 2003/III):
„Das Bezirksamt wird ersucht zu prüfen, wie niederschwellige Angebote für wohnungslose, psychisch kranke Frauen in Tagesstätten und Notunterkünften (wie z. B. Evas Haltestelle) mit höherschwelligen Angeboten wie betreutes Wohnen (wie z. B. in der Bornemannstraße) und Suchttherapien (z. B. FrauSuchtZukunft) verknüpft und Kooperationen ermöglicht werden können.“
Das Bezirksamt hat am 14.06.2011 beschlossen, der Bezirksverordnetenversammlung dazu Nachfolgendes als Schlussbericht zur Kenntnis zu bringen:
Die Erfahrungen des Bezirksamtes bestätigen, dass es für den Personenkreis der wohnungslosen (meist psychisch kranken) Frauen zu wenige Einrichtungen gibt, die auf die Besonderheiten dieses Personenkreises gezielt eingehen können. Die Ursachen und Erscheinungsbilder der Wohnungslosigkeit bei Männern und Frauen sind vollkommen unterschiedlich. Das Versorgungssystem in Berlin ist zurzeit noch primär auf den männlichen Wohnungslosen zugeschnitten, der zahlenmäßig in der Überzahl ist und in erheblichem Umfange suchtkrank. Bei den wohnungslosen Frauen sind die psychischen Erkrankungen dominant. Den bezirklichen Mitarbeiter/innen der Wohnungslosenhilfe ist die Problematik bewusst, um mit der Klientel aber umgehen zu können, bedarf es in der Psychiatrie erfahrenes Personal.
Das Bezirksamt hat die Einrichtungen der Notübernachtungen in Mitte (Berliner Stadtmission, Eva’s Haltestelle, Notübernachtung für Frauen, Unter Druck e.V., Evangelische Kirchengemeinde Moabit West) sowie FrauSuchtZukunft e.V. angeschrieben und sie gebeten, über Erfahrungen und Überlegungen zur Problematik niederschwelliger Angebote für wohnungslose, psychisch kranke Frauen in Tagesstätten und Notunterkünften zu berichten sowie über bereits funktionierende Initiativen und Kooperationen zu informieren.
Die dem Bezirksamt zugegangenen Stellungnahmen von Evas Haltestelle und der Notübernachtung von Frauen betonen, dass die Schnittstellenproblematik bereits seit mehreren Jahren Schwerpunkt des Engagements der Akteure und Akteurinnen ist. Ein Mangel an Miteinander besteht nicht, es werden bereits sehr gute Kooperationen geführt.
Beispielhaft seien die Kooperationspartner von Eva’s Haltestelle aufgeführt: GEBEWO (Gesellschaft zur Betreuung und Beratung Wohnungslosen) Notübernachtung für Frauen in der Tieckstr. 17, 10115 GEBEWO FrauenbeDacht, Bornemannstr.12, 13357 Tamar (SkF) Straffälligenhilfe Nazarethkirchstr. 36, 13347 Zentrale Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot Berlin, Levetzowstr. 12a, 10555 Notübernachtung Franklinstr. 27, 10587 Frauentreff Sophie, Albrechtstr. 15, 10117
Haus St. Marien (SkF) Elberfelderstr. 24, BEW für Mädchen FrauenWohnen, Mariannenplatz 12, 10997 FrauenWohnen, Wiener Str. , 10999 Frauentreff Olga, Kurfürstenstr. 40, 10785 Frauenobdach Plus Czeminskistr. 8, 10820
Sowohl der Sozialdienst der katholischen Frauen e.V. Berlin (SkF) als auch die Notübernachtung für Frauen (GEBEWO – soziale Dienste) betonen, dass ein Berliner Hilfenetz, besonders für wohnungslose Frauen, existiert. Im Oktober 2010 fand eine von „FrauenbeDacht“ und der Drogenberatungsstelle organisierte Fachveranstaltung mit dem Titel „Notausgang Straße – die Wunden wohnungsloser Frauen in Berlin“ statt.
Beide weisen jedoch deutlich darauf hin, dass vorhandene gute Kooperationen allein die Not wohnungsloser Frauen in Berlin nicht beenden werden. Eine weiterführende Handlungsstrategie wird in der Refinanzierung der vorhandenen sowie der Ausweitung der Angebote gesehen. Insbesondere werden Beratungsangebote benötigt. Bemängelt wird, dass es keine einzige öffentlich geförderte Tagesstätte für wohnungslose Frauen in Berlin gibt. Die vorhandene Tagesstätte Evas Haltestelle sollte dringend refinanziert werden, damit das hoch frequentierte Angebot um das einer Beratungsstelle erweitert werden kann, um so die Hilfe intensiver zu gestalten und die vorhandenen Angebote effektiv zu ergänzen.
Das zusätzliche Beratungsangebot soll u. a. zur Inanspruchnahme von speziellen Hilfsangeboten beitragen, die neben Wohnen auch Arbeit, Ausbildung und Gesundheit beinhalten.
Ein weiteres notwendiges Angebot zur Verbesserung der Lebenslage wohnungsloser Frauen sieht der SkF im Aufbau eine BEW für wohnungslose Frauen. Am Ende der zurückliegenden Winternotübernachtung sagten 12 Nutzerinnen in Auswertungsgesprächen, dass sie ein Anschlussangebot in Form eines betreuten Wohnens gern nutzen würden.
Die Notübernachtung für Frauen (GEBEWO) formuliert ihre Bewertung drastischer, indem sie einschätzt, „dass es spezifische niedrigschwellige Angebote für psychisch erkrankte wohnungslose Frauen überhaupt nicht gibt“. Psychisch erkrankte Frauen in Wohnungsnot benötigten eine so intensive professionelle Unterstützung und Begleitung sowie Betreuungskontinuität, wie sie mit der aktuellen personellen und sachlichen Ausstattung im niedrigschwelligen Wohnungslosenhilfebereich nicht zu leisten sei. (Eine Zusammenfassung der notwendigen Schritte zur Verbesserung der Situation von obdachlosen Frauen in Berlin – erarbeitet von Frauenladen La Vida gGmbH, Notübernachtung für Frauen, GEBEWO – Soziale Dienste und FrauenbeDacht, GEBEWO – Soziale Dienste wird als Anlage zur Kenntnis gegeben).
Ergänzend betont Unter Druck e.V. seinerseits die personelle Unterbesetzung mit sozialpädagogischem und psychologischem Fachpersonal. Dem psychologischen Fachpersonal wird eine wichtige Schnittstellenfunktion zugemessen.
Die Stellungnahme der Berliner Stadtmission bestätigt die bereits geschilderten Erfahrungen, dass die meisten Frauen, die die Mitarbeiter/innen des Kältebusses auf der Straße antreffen, psychische Auffälligkeiten zeigen. Der Bericht der Notübernachtung unterstreicht, dass bei einem Besuch von 6 bis 8 Frauen pro Nacht der Anteil der weiblichen Notübernachtenden anteilig sehr gering ist, von diesen aber wiederum 60 – 80 % psychisch auffällig sind. Die Berliner Stadtmission favorisiert einen durchgängigen ambulanten Besuchsdienst auf der Straße (nach Möglichkeit mit ärztlicher Unterstützung) und in den Einrichtungen der Notübernachtung.
Fazit:
Der Antrag der BVV und die Antworten auf das Anschreiben des Bezirksamtes an die Akteure vor Ort haben aufgezeigt, wie groß das Interesse und auch die Bereitschaft eines Engagements in dieser speziellen Fragestellung sind.
Deutlich wurde auch, dass in den Fragen der Vernetzung und Kooperation nicht die Defizite liegen. Das Bezirksamt wird die im Rahmen der Bearbeitung des BVV-Ersuchens gewonnenen Erkenntnisse an die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales weiterleiten und bitten, die Frage von adäquaten Angeboten für psychisch kranke obdachlose Frauen bei der Fortschreibung der Leitlinien für Wohnungslosenpolitik in Berlin und des Obdachlosenrahmenplanes zu berücksichtigen. Nachdem diese Leitlinien seit mehr als 10 Jahren nicht mehr fortgeschrieben worden sind, befindet sich jetzt endlich ein Entwurf zu ihrer Fortschreibung in Bearbeitung. Im Rahmen der Berichterstattung im zuständigen Fachausschuss zu kommunalen sozialpolitischen Fragen wird das Bezirksamt die BVV über die weitere Diskussion und Entwicklung informieren.
Rechtsgrundlage
§ 13 i.V. mit 36 BezVG
Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:
a) Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben: keine
b) Personalwirtschaftliche Auswirkungen: keine
Berlin, den 14.06.2011
Dr. Hanke von Dassel Bezirksbürgermeister Bezirksstadtrat
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