Auszug - Diskussion mit Vertretern der Länder Bulgarien und Rumänien sowie der EU-Vertretung  

 
 
7. (außerordentlichen) öffentliche Sitzung des Ausschusses für Schule
TOP: Ö 3.1
Gremium: Schule Beschlussart: erledigt
Datum: Fr, 11.05.2012 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 20:00 Anlass: außerordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll

Fr

Die Vorsitzende, Frau Dr. Rückert, eröffnet die Sitzung wieder und erteilt Frau Dr. Troeva, Botschaftsrätin für Arbeit und Soziales bei der bulgarische Botschaft in Berlin, das Rederecht. Fr. Dr. Troeva erörtert die Bemühungen der bulgarischen Regierung und der Botschaft in Zusammenhang mit der Roma-Problematik. Sie befürworte einen engere Zusammenarbeit zwischen Kommunen, NGOs und den Botschaften. Bei einem Zensus im Jahr 2011 zeigte sich eine Roma-Bevölkerung von 4,9%, etwa 320.000 Menschen, wobei aber auch hier eine hohe Dunkelziffer vermutet wird. 51% der Roma-Bevölkerung seien Beschäftigung. Das Bildungsniveau steige sehr langsam, so dass 2011 etwa 9% der Roma Gymnasialschlüsse erwerben konnten, sekundäre Schulabschlüsse hätten etwa 27,9%. Die Analphabetenrate läge bei 21,8%. Die europäische Strategie werde auch in Bulgarien umgesetzt. Darin sei zum ersten Mal eine realistische Analyse verfasst worden. Für die Bildung würden in Bulgarien drei Hauptziele gelten: Das erste Ziel sei Vollintegration der Roma-Kinder in den Schulen durch Dissegragation mittels Integrationseinrichtungen. Bildung sei für alle bulgarischen Kinder bis zum 16. Lebensjahr verpflichtend. Ebenfalls sei eine einjährige Schulvorbereitung verpflichtend. Dabei werde schon seit ca. 15 Jahren mit einflussreichen weiblichen Roma-Mediatoren gearbeitet. Diese seien auch für das Gesundheitswesen unabkömmlich. Als zweites Ziel sei in Bulgarien die Integration von Roma in Betriebe und Ausbildung definiert worden. Drittes Ziel sei die Entwicklung eines interkulturellen Milieus in allen Schulen. Die bulgarische Botschaft sei offen für die Zusammenarbeit und die Weitergabe von Erfahrungen in Zusammenhang mit der Integration der Roma. Integration beginne mit Bildung und dann mit Arbeit. Man wünsche sich eine intensivere Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Institutionen und Organisationen mit der Botschaft und biete umfassende Unterstützung an.

 

Frau Kristewski, Sozialarbeiterin bei SüdOstEuropa e.V., lobt das hohe Einschulungsbedürfnis der zugezogenen Familien. Sie berichtet von den regelmäßigen Konsultationen zwischen Eltern, Schulen, Schulstationen und Hort. Die Kinder bräuchten dringend Unterstützung bei der Integration und seien nicht bildungsfern, sondern Bildung sei ein primäres Ziel des Zuzugs.

 

Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) erfragt, inwiefern die Elternakademie der Volkshochschule die Eltern auffangen und fördern könne. Weiterhin erfragt sie, wie mit den jungen Muttern ohne Schulabschluss umgegangen werde.

Frau Kolberg berichtet von erfolgreichen Alphabetisierungskursen und den Gesprächen mit der Volkshochschule zur Elternarbeit. Sie lobt die Mediatorenarbeit in Bulgarien. Weiterhin läge eine Ergänzungsbericht zur Nationalen Strategie zur Roma-Integration vor, welcher im Internet abgerufen werden könne (http://www.bag-raa.de/BAG-Doku.html).

 

Herr BV Schwanhäuser (CDU) erfragt das Wanderungsinteresse der Roma aus Bulgarien und die Gründe dafür.

Frau Troeva sieht die Probleme der jungen Mütter in der mangelnden Integration in Deutschland. In Bulgarien gibt es solche Probleme nicht. Verheiratete junge Mädchen bräuchten Aufklärung und Information über den Arbeitsmarkt und Integrationsmöglichkeiten. Die Botschaft arbeitet ebenfalls mit den jungen Mädchen zusammen, um sie in Bildung und Ausbildung zu bringen. Disintegration sei in Bulgarien nicht problematisch, wer möchte und den Wunsch danach hätte, habe die Möglichkeit sich zu integrieren. 11-15 Programme für die Integration junger Roma in den Arbeitsmarkt liefen Bulgarien erfolgreich. Durch Dissegragation seien ca. 17.000 junge Roma in den Arbeitsmarkt gekommen. Eine kleine Gruppe der Roma käme auf Grunde der allgemeinen Freizügigkeit in der EU nach Deutschland. Viele Vereinbarungen und Abkommen zur Beschäftigung hätten den Zuzug mit sich gebracht, da so die Familie besser versorgt werden könnte. Weiterhin seien die Systeme der sozialen Sicherung mit Sicherheit auch eine Begründung für den Zuzug der Roma Familien nach Deutschland. In Deutschland werde vermehrt die negative Seite und seltener die positiven Möglichkeiten der Roma in Bulgarien dargestellt. Die bulgarische Botschaft stehe für Austausch gerne zur Verfügung. Das Wanderungsinteresse sei momentan auf dem Höhepunkt. Die Arbeitsmigration sei aber bereits zu allermeist abgeschlossen. Zum 1. Januar 2014 sei keine weitere Auswanderungswelle in Aussicht.

 

Herr BV Zierold (Grüne) erfragt, wie die Sicht der Bulgaren auf Deutschland und die Einstellung gegenüber den Deutschen sein.

Frau Dr. Troeva regt an die restriktiven Arbeitsmarktzugänge zu überdenken und weiß aber auch die bereits erfolgten Liberalisierungen zu schätzen. Keine Bildung, keine Ausbildung, keine Arbeit und Armut seien eine natürliche Abfolge. Auch wenn der Arbeitsmarkt für höher Qualifizierte offen stehe, werde immer noch zu wenig aufgeklärt.

 

Frau Florres berichtet von ihrer Arbeit mit den engagierten Roma-Kindern, die innerhalb der letzte drei Monaten, die Alphabetisierung geschafft hätten. Aber auch Anti-Ziganismus sei ein Problem, wofür man Unterstützung und auch finanzielle Hilfe benötige. Der Lernwille sei da, man müsse es den Roma-Kindern nur ermöglichen.

Frau Rückert richtet Grüße an die Schüler von Frau Florres.

 

 
 

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