Auszug - Caritas Schuldnerberatung - Vorstellung der Schuldnerberatung in Mitte und Jahresbericht 2008 BE: Herr Carlo Wahrmann, Frau Monika Wächter (ca. 60 min.)  

 
 
28. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Bürgerdienste
TOP: Ö 2.1
Gremium: Soziales und Bürgerdienste Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 09.06.2009 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 20:26 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll

Die drei anwesenden Vertreter verteilen einleitend Unterlagen

Die drei anwesenden Vertreter verteilen einleitend Unterlagen und berichten über die drei anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Mitte (Beratungsstelle der Caritas Berlin in Alt-Mitte, Beratungsstelle des Deutschen Familienverbandes in Kooperation mit dem BA Mitte in Tiergarten und der AWO in Wedding). Nachzulesen siehe verteilte Unterlagen.

 

Herr BV Rauskolb (CDU) fragt, warum so unterschiedlich hoch die Prokopfverschuldung in den Altbezirken Wedding, Mitte und Tiergarten sei. Weiterhin möchte er wissen, warum die Verschuldung in Tiergarten so sehr viel höher sei, als in Wedding. Frau Wächter teilt mit, dass das eine Durchschnittverschuldung sei. Man kommt immer auf eine Zahl von 38 Tsd. Die Schuldenbeträge aller zu Beratenden wird durch die Summe der Beratungen geteilt. Frau Vollmer ergänzt, dass man den Bereich Schuldnerberatung und Insolvenzberatung differenzieren muss. In der Insolvenzberatung ist durchschnittlich eine höhere Überschuldungssumme vorhanden. Die Summe kann sich von Jahr zu Jahr ändern, je nach dem, wie viel Immobilienschuldner man hat. Die Immobilienschuldner haben eine ziemlich hohe Schuldensumme.

 

Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) fragt, ob Zahlen zur Verfügung stehen, wie viel und in welcher Höhe Menschen mit Spielsucht betroffen sind. Herr Wahrmann teilt mit, dass mit dem Café Beispiellos zusammen gearbeitet wird. Es gibt einige Menschen mit Spielsucht, die aber nicht extra gezählt wurden. Er kann nur darüber berichten, dass sie auftauchen. Je mehr man mit den Beratungsstellen zusammen arbeitet, des so eher tritt das Problem auf. Viele Spielsüchtige kommen nicht von selbst.

 

Frau BV Sander (FDP) fragt nach den Erfahrungswerten, wie lange ein Beratungszeitraum dauert. Weiterhin möchte sie über Missbrauch von Beratungen Auskunft erhalten. Welche Maßnahmen werden dagegen ergriffen. Herr Wahrmann teilt mit, dass ein Insolvenzverfahren ca. 6 bis 7 Jahre dauert. Frau Wächter beantwortet die zweite Frage wie folgt: Die Berliner Arbeitsgruppe, initiiert von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Staatsanwaltschaft, Verbraucherzentrale, Verbraucherschutzverein, Industrie und Handelskammer und die Landesarbeitsgemeinschaft der Schuldner- und Insolvenzberatung versucht, diese Leute ausfindig zu machen, um zu schauen wie man das unterbinden kann. Frau Wächter betont, dass das sehr schwierig sei. Es gibt inzwischen viele Geschädigte, die zwischen 500 und 1500 € geschädigt wurden. Für die Staatsanwaltschaft werden diese Summen nicht anerkannt. Gewerbeämter fühlen sich nicht zuständig, weil es ein Verstoß gegen die Rechtsberatung sei. Es wird versucht, überwiegend Einsicht durch Prävention und durch Warnung dagegen vor zu gehen.

 

Herr BzStR von Dassel bemerkt, dass er in der letzten Ausschusssitzung darüber berichtete, dass es gelungen sei, dieses Thema in 4 Zeitungen unter zu bringen. Er glaubt, dass man mit viel Öffentlichkeit etwas dazu beitragen kann.

 

Herr BV Böttrich (Grüne) fragt, ob es außer den drei Schuldnerberatungsstellen im Bezirk noch andere Solvente nicht betrügerisch handelnde Beratungsmöglichkeiten gibt. Herr Wahrmann meint, dass jeder Rechtsanwalt und jeder Steuerberater offiziell beraten darf. Man muss aber unterscheiden, dass ein Anwalt keine Zeit hat, sich um die psychosozialen Probleme zu kümmern. Frau Wächter ergänzt, dass die Schuldner- und Insolvenzberatung kostenfrei sei. In Mitte sind die drei Beratungsstellen anerkannt. Problem bei den Rechtsanwälten ist, sie sind immer kostenpflichtig.

 

Herr Wahrmann berichtet anschließend über das JobCenter. Weil dort Miete zu bezahlen ist, wurde aus Kostengründen nur ein Büro belegt. Man musste mehrfach innerhalb des Gebäudes umziehen. Seit Februar 2009 ist die Zahl der Klienten/innen gestiegen. Weiterhin berichtet er darüber, wie man Schuldnerberatung präventiv betreiben könnte. Der Ausschuss unterstützte ihn in seinem Anliegen, mehr finanzielle Mittel für die Beratung zu erhalten. Auch hat sich die BVV eingesetzt, möglichst eine Stelle für die Jugendberatung einzurichten, aber das ist leider nicht gelungen. Das Abgeordnetenhaus bewilligte zusätzlich Mittel in Höhe von 500 Tsd. € für ganz Berlin. Ca. 60 Tsd. € sollten die Schuldner- und Insolvenzberatung Mitte erhalten. Letztendlich stehen den drei Beratungsstellen aber nur 5169,00 € für die präventive Beratung zur Verfügung. Die Beratungsstelle des Deutschen Familienverbandes und die AWO haben das so gelöst, dass sie ihre Stellen aufstocken können. Die Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas hat seit 1 ½ Jahren eine Kollegin eingestellt, die in einem kleinen Lehrauftrag das Thema Schuldnerberatung den Studenten/innen vermittelt und sie ausbildet. Über Honorarbasis wurde ein Projekt begonnen, präventive Schuldnerberatung im Bezirk speziell in den Schulen zu beginnen. Von den 5169,00 € wurden in diesem Jahr 4000,00 € verbraucht.

 

Abschließend wird den Ausschussmitgliedern ein Film über die präventive Schuldnerberatung gezeigt.

 

Herr Nowak berichtet über die Inhalte der Seminare, die unterschiedlich angeboten werden, das abhängig vom Bildungs- und Erfahrungsstand ist. Die angebotenen Seminare gehen über 90 Minuten. Es werden auch noch kürzere Workshops in den Schulen und in den Räumen der Caritas von 40 Minuten angeboten. Schwerpunkt der Seminare ist der Videofilm, Ursachen von Überschuldung, die erste eigene Wohnung (Schüler/innen können einen Haushaltsplan erstellen), Versicherungen (welche sind wichtig), Rechte und Pflichten eines Vertrages (speziell: Kreditvertrag, Dispositionsvertrag, Kredit, Mobilfonverträge, Jamba, Internetgeschäfte und AGB´s), gerichtliches Mahnverfahren bis zu den Vollstreckungsmethoden, Schufa (Beispiel: Schwarzfahren), was macht man, wenn Schulden aufgelaufen sind, wo kann man hingehen, wo bekommt man Hilfe. Die entwickelten Workshops wurden auf 45 Minuten begrenzt. Hier können Schüler/innen Schüler/innen etwas erklären. Die Schüler/innen und Lehrer/innen sollen aktiviert und sensibilisiert werden. Man hat festgestellt, dass die Lehrer/innen sehr wenig über Finanzkompetenz verfügen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass alle Schüler/innen aktiv sind und viel wissen, jedoch ist bei ihnen sehr viel ungeordnet und deshalb wird versucht, Struktur hinein zu bringen. Die Schüler/innen durchlaufen im Seminar einen Erkenntnisprozess, das sich so ausdrückt: Die aggressive Werbung zielt oftmals als Abzocke. Wenn man für einen anderen einen Handyvertrag unterschreibt, muss man selbst am Ende dafür bezahlen. Negativ wurde festgestellt, dass einige Schüler/innen sich nicht konzentrieren können, dadurch ist ihr Urteilsvermögen eingeschränkt. Herr Nowak denkt, dass das in Zukunft Probleme geben wird (bei Kaufverträgen muss man abwägen und urteilen können und hier könnten Schulden entstehen). Besonders in den Hauptschulklassen ist wenig fundiertes Wissen vorhanden. Das liegt daran, dass von den Eltern sehr wenig vermittelt wird. Bei einigen Lehrer/innen wurde festgestellt, dass sie den größten Teil der Schüler/innen abgeschrieben haben. Hier muss man alle menschlichen Gefühle ausschalten. Die Schüler/innen meinen, dass sie keine Perspektive haben und sowieso Hartz IV erhalten und sind der Meinung, man könne sich etwas nebenbei verdienen (eventuell „schwarz“ arbeiten). Ein hohes Maß an Naivität ist vorhanden. Hier kommen solche Zitate wie: Ich würde die Schulden meiner Eltern erben, das sei Ehrensache. Eine niedrige Hemmschwelle für kriminelles Handeln sei vorhanden bzw. ich bestelle bei einem Versandhaus auf einem anderen Namen. Das Präventionsprojekt meint, dass es nicht weniger Überschuldungen geben wird, denn die jungen Menschen wollen ihre Bedürfnisse befriedigen. Werbung versucht, dass man diese Bedürfnisse hat. Auch wird Werbung immer aggressiver, es werden psychologische Strategien mit eingeflochten, um Bedürfnisse zu wecken, die man eigentlich gar nicht hat oder braucht.
In den Hauptschulen ist aufgefallen, dass der Bildungsstand sehr gravierend sei. In einer 9. Klasse wurde Lehrstoff einer 7. Klasse unterrichtet.
Konzerne möchten versuchen, so früh wie möglich, die Jugend an sich zu binden. Die Jugendlichen übernehmen durch Produkte ein Image, identifizieren sich damit. Schlussfolgerung: Man benötigt mehr Prävention, die auch die Schüler/innen wirklich erreicht und dass auch diejenigen, die das machen sollen, am besten unter 25 Jahre sein sollten wegen der Autentisität und wegen der Glaubwürdigkeit. Die Lehrer/innen müssen mehr auf die Probleme aufmerksam gemacht werden und sensibler dafür werden.

 

Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) fragt, ob ausschließlich nur Schulen in Mitte aufgesucht wurden und wie viel. Herr Nowak teilt mit, dass 30 Schulen in Mitte aufgesucht wurden. Die Nachfrage sei sehr hoch.

 

Frau BD Westphal (CDU) fragt, ob der gezeigte Film in anderen Bezirken gezeigt wurde und ob man vorhabe, den Film in die Landeszentrale zu geben. Herr Wahrmann teilt mit, dass der Film dort angeboten wird. Auch wird man am Wettbewerb des Präventionsnetzwerks Finanzkompetenz an einer (alle zwei Jahre stattfindenden) Messe teilnehmen.

 

Herr BzStR von Dassel erinnert an die nächste Haushaltsberatung. Momentan werden 770 Tsd. € für die Schuldnerberatung ausgegeben. Der Senat sieht die Schuldnerberatung als eine soziale Leistung an und deshalb sollen die Bezirke einsparen. Er regt an, sich zu bemühen, das als Pflichtaufgabe zu sehen. Das JobCenter Mitte nimmt Miete für die Schuldnerberatung. Herr Rinner ist nicht gewillt, das sofort einzustellen, könnte sich aber vorstellen, wenn das akute Raumproblem nicht mehr besteht, die Miete einzustellen.

 

Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) regt an, dass die AG Förderformel ihre Arbeit wieder aufnehmen sollte. Herr Allendorf meint, dass die AG Förderformel erst einberufen wird, wenn bekannt ist, wie die Titel unterlegt sind. 

 
 

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