Auszug - Haus der Gesundheit – verkauft und verraten?  

 
 
29. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM)
TOP: Ö 9.1
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 05.09.2019 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 23:00 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
2016/V Haus der Gesundheit – verkauft und verraten?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion DIE LINKEFraktion DIE LINKE
Verfasser:Lötzer und die anderen Mitglieder der Fraktion DIE LINKE 
Drucksache-Art:DringlichkeitsanfrageDringlichkeitsanfrage
 
Wortprotokoll

  1. Stimmt nach den Informationen des Bezirksamtes der Bericht der „Berliner Zeitung“ vom 2.9.2019, dass die Eigentümer des 2016 von der AOK verkauften „Haus der Gesundheit“ in der Karl-Marx-Allee eine niedergelassene Ärztin in dem Haus ohne Begründung zum 1. Juni 2020 gekündigt haben und der Apotheke im Erdgeschoss ebenfalls eine Kündigung zugegangen ist?

 

  1. Kennt das Bezirksamt den Verkaufsvertrag der AOK aus dem Jahr 2016 und die darin enthaltene 5-Jahres-Klausel zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung für die Bewohner im Nahbereich der Immobilie?

 

  1. Welche Rechtsmittel hat das Bezirksamt, zur Sicherstellung einer ausreichenden ärztlichen Versorgung für die etwa 100.000 Menschen im Nahbereich des „Haus der Gesundheit“ gegen die Kündigung der niedergelassenen Ärztin und der Apotheke vorzugehen?

 

  1. Welche Rechtsmittel hat das Bezirksamt, um auch gegen eventuelle weitere Kündigungen von Einrichtungen der ärztlichen bzw. gesundheitlichen Versorgung durch die neuen Eigentümer vorzugehen?

 

  1. Welche Schritte will das Bezirksamt ergreifen, um für die etwa 100.000 Menschen im Nahbereich des Hauses in Zukunft eine angemessene, ausreichende ärztliche Versorgung sicher zu stellen?

 

  1. Verfügt das Bezirksamt über Mittel und Möglichkeiten, die Bauanträge des Eigentümers abzulehnen, wenn ja welche?


    Herr BzStR Gothe antwortet: Sehr  geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrter Herr Lötzer, ich fange mal mit einer Information an, die mich dazu führt, dass ich mich selber erst mal ein bisschen kritisiere für die Wortwahl, die ich selber vorgestern gefunden hatte und die in der Berliner Woche abgedruckt ist. Das muss ich ein Stück weit zurücknehmen. Ich hatte Gelegenheit heute mit dem Eigentümervertreter zu telefonieren und der hat mir die Dinge schon ein wenig erklärt. Zum ersten muss man sagen, tatsächlich es gibt zu den laufenden Kündigungsthemen einen Zusammenhang zu dem Bauantrag, den wir genehmigt haben. Denn es ist so, dass mit dem Dachgeschossausbau, den wir nach langen Abstimmungen mit dem Denkmalschutz genehmigt haben, für diesen Dachgeschossausbau auch ein Aufzug notwendig ist. Und in dem Zuge gibt es Bereiche des Hauses, die eben Baufreiheit brauchen, damit man das machen kann. Es ist aber mir von dem Eigentümervertreter versichert worden, dass es mit diesen Mietern, die gekündigt werden mussten, um die Baufreiheit herzustellen, zurzeit gemeinsame Alternativstandorte gibt. Er hat mir außerdem versichert, dass es für den Großteil der aktuellen Mieter im Haus Vertragsverhältnisse gibt, die über die festgeschriebene Bindung, die in dem Vertrag mit der AOK festgelegt ist bis 2021 hinaus Mietverträge bereits gibt. Es ist also keineswegs so, dass man irgendwie beabsichtigt, bis zu diesem in dem AOK-Vertrag festgelegten Datum, das Haus dann auch frei zu ziehen und irgendwas ganz anderes zu machen, sondern die Idee, dass das ein Gesundheitshaus bleibt, ist immer nennt. Er hat mir außerdem noch mal erläutert, dass seit dem Erwerb 3 Neuansiedlungen von Ärzten in diesem Haus stattgefunden haben. Insofern wird quasi der Charakter des Hauses mit Arztpraxen eben gestärkt. Das gleiche gilt auch für die Apotheke im Erdgeschoss. Auch da ist es so, dass im gegenseitigen Einvernehmen, der bestehende Vertrag gekündigt ist, aber dann im Zusammenhang mit einer zweiten Einrichtung, die etwas mit Apotheke zu tun hat, dort ein neuer Vertrag verhandelt wird. Wenn das alles so ist, wie der Eigentümervertreter es sagt, dann relativiert sich das schon ein wenig, was in der Zeitung steht. Ehrlich gesagt finde ich den Gedanken, der ein Stück weit in dem Dringlichkeitsantrag der CDU enthalten ist, dass man durch ein sachliches Gespräch mit dem Eigentümervertreter aus meiner Sicht auch gerne mit Vertretern interessierter Fraktionen, dass man da einfach zu einer Aufklärung kommt, was da jetzt vorgesehen ist und dass man das dann tatsächlich noch mal belastbar in einem Protokoll einer solchen Sitzung dann festlegt und dann eben der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

Ich will noch ein gehen auf die Frage, ob wir den Vertrag kennen? Also, da gab es eine gewisse Unsicherheit in meinen Ämtern, ob sie den Vertrag kennen dürfen? Ich kann allerdings sagen, ich kenne eine Vertragsfassung, in der man auch die Dinge nachlesen kann, um die es hier geht,

 

Zu 5.: Herr BzStR Gothe antwortet: Dazu hatte ich bereits einmal im Ausschuss für Soziales und Gesundheit berichtet, dass wir ein Gespräch hatten mit der Kassenärztlichen Vereinigung, wo wir das Thema der Versorgung gerade in diesem Gebiet angesprochen haben. Die Kassenärztliche Vereinigung hat uns ja dann eben aufgeklärt, nach welchen Prämissen und nach welchen Kategorien sie die Unterversorgung oder die Überversorgung oder die kritische Versorgung in einem bestimmten Bereich festlegen und dass sie quasi an diese Regularien auch weitgehend gebunden sind, die sie sich selber gegeben haben. Es ist auch klar, dass wir keinen Einfluss darauf haben, der Kassenärztlichen Vereinigung irgendetwas vorzuschreiben. Trotzdem, ja, aber erst mal ist es so. Trotzdem haben wir ja eine kleine räumliche Analyse der ambulanten ärztlichen Versorgung im Bezirk Mitte mit beauftragt. Die wird erarbeitet. Und wir erwarten, dass wir dadurch eben tatsächlich eine ganz gute Information darüber bekommen, welche Bereiche in unserem Bezirk durch welche Art von Praxen gut oder weniger gut versorgt sind. Das erwarte ich mit Neugierde, denn möglicherweise kann man da noch mal bestätigen, dass das da dann zunimmt. Das könnte man dann tatsächlich nachweisen und das wäre dann vielleicht auch ein Hebel, um Überzeugungsarbeit in Richtung der Kassenärztlichen Vereinigung zu leisten und eben auch kleinräumiger zu beurteilen, wo eine neue Praxis sin voller Weise angesiedelt werden muss und wo nicht.
 

Zu 6.: Herr BzStR Gothe antwortet: Natürlich gibt es für einen Eigentümer immer das Recht, einen Bauantrag zu stellen. Und der wird dann eben nach Bauordnungsrecht, nach Planungsrecht und Denkmalschutzrecht beurteil und dann eben auch entschieden. Das ist so. Wir können das nicht mit irgendwelchen anderen Dingen verbinden. Das nennt man dann ein unerlaubtes Kopplungsgeschäft, wenn man sagt, du kriegst deine Baugenehmigung nur dann, wenn du folgendes beherzigst. Das funktioniert eben nicht, das darf man nicht. Das muss man sehr sauber trennen. Vielen Dank.

Herr BV Urchs (DIE LINKE), Herr Vorsteher, sehr verehrte Damen und Herren, wir haben ja jetzt die Großen Anfragen, deshalb brauche ich mich jetzt nicht auf eine Frage zu beziehen. Aber ich will was zum Thema sagen, wohlwissend, dass es ziemlich spät ist und bei den meisten, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Konzentration ein bisschen weg ist. Ich habe mich schon etwas gewundert über die plötzliche Sympathie der CDU für das Haus der Gesundheit. Das bezieht sich auch auf Ihren Antrag. Alle, die schon länger dabei sind wissen, wie das damals lief. Es hat uns in der vergangenen Legislatur sehr lange bescftigt. Auch die Anwohnerschaft hatte das sehr lange beschäftigt. Wir haben da drüben im Babylon eine riesen Veranstaltung mit 500 Teilnehmern hier aus dem Wohngebiet durchgeführt usw. Das ging alles los, als das Ding geschlossen werden sollte, mit der Behauptung, diese Gegend hat eine gravierende Überausstattung von Ärzten. Jeder, der sich hier ein bisschen auskannte, wusste, das kann gar nicht sein. Schillingstraße ist zugemacht worden. Auf der anderen Seite vom Strausberger Platz ist da ein größeres Ärztehaus zugemacht worden usw. Es stellte sich dann auch heraus, die Beuth-Hochschule hat eine entsprechende Untersuchung durchgeführt und es kam raus, dass der Zuschnitt natürlich völlig falsch war, von dem man damals ausging, Und der behauptete, dass es eine Überausstattung gehabt, weil da die Ärzte, die bloß Privatpatienten in der Friedrichstraße usw. behandeln, die waren da alle mit reingerechnet. Und nach dem man das etwas kleinteiliger untersucht hatte, hatte man festgestellt, schon vor der Verlagerung und vor der teilweisen Schließung des Hauses der Gesundheit gab es dann in weiten Bereichen eine gravierende Unterausstattung. Noch dazu eben, wenn man den demografischen Faktor der hiesigen Bevölkerung berücksichtigt, der doch einen sehr hohen Altersdurchschnitt hat und demzufolge klar war, dass die Leute jetzt natürlich auch nicht völlig frei in der Wahl ihres Arztes sind. Es gab ernsthafte Bemühungen, dieses Haus zu kaufen. Die AOK wollte, dass das meistbietend verkauft wurde. Jetzt mache ich Parteipolitik, genau. Carola Bluhm, die hier gewählte Direktkandidatin im Abgeordnetenhaus hat sich dort ganz engagiert verhalten und hat versucht, über die BWM dieses Haus zu kaufen und als Gesundheitsstandort zu erhalten. Das ist nicht gelungen. Die Kenntnis, die ich habe ist, dass letztendlich mit der Differenz von 1 Mio. € an die entsprechenden jetzigen Eigentümer weggegangen. Dazu muss man auch sagen, dass war die älteste Poliklinik Deutschlands. Also hat auch noch mal einen gewissen symbolischen Wert von 1923, die überhaupt errichtet wurde. Punkt 1. Die Kassenärztliche Vereinigung hat der Verlagerung von 24 Arztplätzen an diesem Standort zugestimmt und die sind verlagert worden nach Marzahn. Das wir völlig klar, das habe ich schon gesagt, die Patienten mit einem hohen Durchschnittsalter hatten keine Chance, jetzt 3 Mal umzusteigen und zu ihren Ärzten hinterher zu ziehen. Die ganze Übernutzung oder Übergangsnutzung von 50 % war kompliziert, weil es relativ kompliziert war, Ärzte zu finden usw. und das alles voraussehbar war, dass hier dieser Standort sehr fragil ist und schwer zu überleben hat. Ich befürchte, jetzt passiert das, was in dieser Stadt, in diesem Land überall passiert, wenn man kommunales Eigentum meistbietend privatisiert, dann schlagen Spekulanten zu und dann passiert das, was überall machen, sie wollen Geld machen und alles andere fällt hinten runter. Jetzt verletzen sie offensichtlich, aus meiner Sicht, sogar noch die Verträge. Das kann man mit entsprechenden Gesprächen herstellen. Aber ich vermute mal, letztendlich werden doch die Dollar zählen. Warum ich das alles sage und die CDU so anschaue und auch Ihr Engagement, mich vorsichtig auszudrücken, erheitert, sowohl den Kauf an den Meistbietenden, als auch die Verlagerung der Arbeitsplätze wurden damals ganz ganz wesentlich vom damaligen Gesundheitsminister Czaja von der CDU vorangetrieben. Und diese Arztplätze, die umgezogen sind nach Marzahn, die landeten in seinem Wahlkreis. Und das hat er 2016 zur Wahl auch als großen Wahlerfolg ausgegeben und hat sich dafür feiern und wählen lassen. Demzufolge sind Ihre Positionen heute sehr schön, aber aus meiner Sicht nicht richtig glaubwürdig.

 

Herr BV Lötzer (DIE LINKE), Herr Gothe, schönen Dank erst mal für die Antworten. Wir werden das ja im Ausschuss Soziales und Gesundheit bestimmt noch weiter diskutieren. Ich möchte deswegen hier nur auf zwei Dinge hinweisen. Das eine ist, ich habe mir erlaubt, heute auch noch mal zusätzlich zu den Fragen einfach mal die Pressemappe durchzugucken. Die Berliner Woche zitiert die Frau Dr. Sabine Müller, Frauenarztpraxis im Haus der Gesundheit. Das ist die letzte Gynäkologin am Alex. Sie sagt, dass sie 16.000 Patienten in der Kartei. Viele davon mit Krebsleiden und dann wörtliches Zitat:

Es wird mit Sicherheit viele Tote geben, wenn die letzte hier onkologisch tätige Gynäkologin dicht macht“. So Müller, als Originalzitat in der Presse bereits veröffentlicht. Da muss ich gestehen, ich bin immer für sachliche Gespräche. Meinetwegen auch mit solchen Leuten, wie den Sambabrüdern, aber viel verspreche ich mir davon nicht. Ich will auf einen Punkt noch hinweisen, auch zur Vorbereitung der weiteren Diskussion. Das macht einen gewaltigen Unterschied, ob im ehemaligen Haus der Gesundheit am Ende irgendeine Wellnessoase für Privatpatienten entsteht, oder ob die gesundheitliche Versorgung von Kassenversicherten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung sind und hochbetagt sind, weiterhin überhaupt in dieser Region möglich ist. Und das ist das Thema, über das wir auch schon im Gesundheitsausschuss gesprochen haben. Ich habe überhaupt nichts davon, wenn irgendwelche Leute mit 6- bis 7stelligen Gehältern da ihre Privatärzte haben in ihrem Haus der Gesundheit. Denn das ist nicht der öffentliche Auftrag, um den wir uns zu kümmern haben. Das ist mir völlig Wurst. Meinetwegen sollen sie das. Wir sind verpflichtet, die öffentliche Gesundheitsversorgung für Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin zu gewährleisten. Darüber sind wir uns, glaube ich, einig. Und dieses Thema ist jetzt ganz akut aufgeworfen durch diese Angelegenheit. Und ich denke, in dieser Richtung müssen wir auch im Ausschuss weiter drüber nachdenken. Dankeschön.
 

 

 
 

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