Auszug - Wie sind die Vergütungen für die Mitarbeiter*innen in den Dienstleistungs-verträgen geregelt?  

 
 
27. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin
TOP: Ö 10.1
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 16.05.2019 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 23:00 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
1834/V Wie sind die Vergütungen für die Mitarbeiter*innen in den Dienstleistungs-verträgen geregelt?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der SPDFraktion der SPD
Verfasser:Matischok-Yesilcimen, Schug 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Wortprotokoll

  1. In wie weit wird in den Dienstleistungsverträgen mit freien Trägern die Vergütung der Mitarbeiter*innen geregelt?

BzStaRin Frau Reiser antwortet: Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Matischok, sehr geehrter Herr Schug. Bestandteil eines Dienstleistungsvertrages ist eine Kostenkalkulation. In dieser Kostenkalkulation werden bei den Personalkosten Angaben zum angewendeten Tarif der Entgeltgruppe, der Erfahrungsstufe und zur Arbeitszeit gemacht. Aufgrund der analogen Anwendung des Zuwendungsrechtes ist vertraglich geregelt, dass sich der Träger verpflichtet, Personal aus dem durch das Jugendamt gezahlten Betrag finanziell nicht besser zu stellen, als vergleichbare Dienstkräfte im unmittelbaren Landesdienst Berlin. Das heißt konkret, keine höheren Entgelte als nach den für das Land Berlin jeweils geltenden Tarifverträgen sowie keine sonstigen über- oder außertariflichen Leistungen. Wenn jetzt aber der Träger wegen einer tariflichen Bindung seine Beschäftigten aus Eigenmitteln besser stellt, dann ist dies schadlos. Tarifliche Bindung heißt, eine Bindung, die über einen Haustarifvertrag hinausgeht und zumindest von regionaler Bedeutung sein muss, zum Beispiel die Richtlinie für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes. Aus dem im Leistungsvertrag vereinbarten Fachkräfteangebot ergibt sich dann im Grundsatz eine Höhe der Bezahlung und mit dieser Höhe der Bezahlung wird die Leistungserbringung durch qualifizierte Fachkräfte finanziell ermöglicht und somit auch deren Gewinnung unterstützt.

  1. Werden die Auftragnehmer zur Einhaltung von Tarifverträgen verpflichtet? 

 

  1. Welche Gründe gab es eventuell bisher, dies nicht in den Verträgen zu regeln?

 

  1. Welche Schritte plant das Bezirksamt, dies zukünftig verbindlich zu regeln?

 

BzStaRin Frau Reiser antwortet: Leider nein, ich komme später auch zum aber, aber bevor ich dazu komme, möchte ich noch direkt anschließend Ihre Fragen drei und vier, zu den Gründen beantworten, denn, dass das nicht verpflichtend geregelt ist, dafür ist der Grundsatz der Tarifautonomie ausschlaggebend. Grundsätzlich sind die Leistungserbringer im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen frei, ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen zu regeln. Eine vertragliche Verpflichtung zu einem bestimmten Tarifvertrag ist daher also nicht möglich. Die Leistungserbringer haben eigene Bezahlungsregelungen, das können Tarifverträge, zum Beispiel kann das ein Kirchentarifvertrag, ein Haustarif oder eine Betriebsvereinbarung sein. Diese müssen aber grundsätzlich, so wie ich das bereits bei der Frage Nummer Eins beantwortet habe, bei der Kostenkalkulation offengelegt werden. Durch diese Offenlegung wird das Jugendamt in die Lage versetzt kritisch zu prüfen, ob eine Tarifbindung vorliegt und welche Eingruppierungen und Einstufungen des Personals bei der Berechnung zugrunde gelegt wurde. Trotz der gesetzlichen Regelungen wird auf die Einhaltung des Mindestlohnes explizit verwiesen. Aus den genannten rechtlichen Gründen kann das Jugendamt keine verbindliche Regelung vornehmen. Denkbar wäre, dass man beispielsweise durch einen Beschluss des Jugendhilfeausschusses und der BVV, diese Leistungsverträge sozusagen mit einer Selbstverpflichtungserklärung ergänzt, wodurch man eine Tarifbindung abfragen könnte. Ich habe auch schon den Änderungsantrag gesehen, also den Änderungsantrag zur Drucksache 1792/V Tarifabschluss vollständig an Beschäftigte bei freien Träger weitergeben, da weiß ich nicht, ob wir nicht vielleicht im letzten Absatz den gleichen Gedanken hatten. Der Vertragspartner, also ich zitiere jetzt aus dem Änderungsantrag, hat sich im Leistungsvertrag für die gesamte Dauer des Selben zu diesen arbeitsrechtlichen Standards zu verpflichten. Ich weiß nicht, ob wir da nicht sogar vom Selben reden.

 

  1. Bei der Auswahl von Vertragspartnern und der Gestaltung von Leistungsverträgen in Mitte:

a)      Inwieweit kommen die Regelungen des Berliner Vergaberechts gegenwärtig zur Anwendung?

BzStaRin Frau Reiser antwortet: Bei der Förderung der Leistung der freien Träger im Jugendbereich wird das Vergaberecht nicht angewendet.

b)      Inwieweit könnten die Regelungen des Berliner Vergaberechts grundsätzlich zur Anwendung kommen?

BzStaRin Frau Reiser antwortet: Die von freien Trägern erbrachten Leistungen fallen nicht unter die Definition des §103 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die Gründe sind, dass erstens, die Leistungen ihren Rechtsgrund im Gesetz haben und somit keinen öffentlichen Auftrag darstellen, zweitens, keine Marktleistung beschaffen wird, drittens, nach §74 der Jugendhilfeausschuss über die Förderung entscheidet und viertens, die freien Träger Eigenleistungen erbringen und es sich um Sozialsubventionen handelt. Wenn die erbrachten Leistungen also als öffentlicher Auftrag unter das Vergaberecht fallen sollten, dann greifen nach überwiegender Rechtsauffassung die Ausnahmetatbestände, wonach das Vergaberecht keine Anwendung findet. Das ist eine recht spannende Frage, die Sie hier gestellt haben. Das Problem ist die Darstellung der Rechtsprechung zu den Ausnahmetatbeständen. Das würde jetzt den Rahmen der Großen Anfrage etwas sprengen. Wenn sie aber Bedarf an noch mehr Details haben, dann stellen Sie bitte eine Schriftliche Anfrage, denn diese Ausnahmebestände sind äerst vielfältig und ich würde Ihnen gerne die Infos geben, aber in einem anderen Rahmen.

und sofern diese gegenwärtig nicht zur Anwendung kommen aber kommen könnten 

c) warum werden diese bislang nicht angewandt?

BzStaRin Frau Reiser antwortet: Entsprechend der Antwort zu 5b, vertritt das Jugendamt die Rechtsauffassung, dass eben die von freien Trägern erbrachten Leistungen keine Dienstleistungen im Sinne des gesetzesgebenden Wettbewerbes beschränkend darstellt. Dankeschön.

Herr Hauptenbucher (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen, wertes Bezirksamt, liebe Frau Reiser. Herzlichen Dank für die umfangreiche Beantwortung. Zu dem letzten Abschnitt habe ich eine Nachfrage. Die eine Frage ist, was durch das Gesetz vorgegeben ist, die andere Frage ist, wo man sich selbst gewisse Bedingungen definieren kann und Spielräume nutzen, weil man einen gewissen Spielraum hat. Das können Leistungskriterien oder Qualitätskriterien sein, das können aber auch arbeitsrechtliche Standrads sein. Das ist auch eine Diskussion im Vergaberecht, das ist jetzt hier nicht anzuwenden, aber generell gibt es sie auch, wie man mit unterschiedlichen Dimensionen umgeht, dass es nicht immer das Günstigste ist, was man auswählt, das kann man auch sehr wohl bei der Auswahl von Trägern. Das ist auch eine Thematik, die auch das Abgeordnetenhaus beschäftigt. Entsprechend gibt es da auch ein Projekt auf der Landesebene, wo sie sich genau ansehen, wie viel Tarifbindung es da eigentlich gibt. Es ist schon das Ziel, dass wir gute Tarifverträge in dem Bereich haben, das schulden wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort. Welche Möglichkeiten sehen Sie denn bisher, diesen Aspekt der Tarifbindung, künftig auch stärker bei der Auswahl von Leistungspartnern von sich aus quasi freiwillig mit zu berücksichtigen, auch kleinere Träger zu ermutigen entsprechend auch dort, wo das bis heute nicht der Fall ist, künftig die Tarifbindung einzugehen?

BzStaRin Frau Reiser antwortet: Das ist tatsächlich etwas kompliziert. Wir können den Trägern nicht die Bindung zu einem bestimmten Tarifvertrag vorschreiben. Gleichzeitig ist eine Tarifbindung natürlich äerst wünschenswert. Dadurch, dass sie natürlich auch in der Kostenaufstellung offen legen müssen, wie sie bezahlen, nach welchem Tarif und nach welcher Einstufung, haben wir wenigstens dort schon aktuell die Möglichkeit kritisch zu pfen und nachzuhaken, ob das plausibel ist, vernünftig ist und Sinn macht. Das ist auf jeden Fall gegeben. Zukünftigre natürlich sowas wie die Selbstverpflichtungserklärung sicherlich noch ergänzend und hilfreich. Wie sowas aussehen kann, kann durchaus im Jugendhilfeausschuss diskutiert werden.

Herr Siewer (Grüne): Sehr geehrter Herr Vorsteher, meine Damen und Herren. Ich möchte nochmal auf eine Tatsache aufmerksam machen, die sich aus der Politik, die wir in den letzten zwölf Jahren in der BVV betrieben haben, ergibt. Wir haben bei den Trägern in den letzten zwölf Jahren sehr starke Kürzungen vorgenommen. Die Verhandlungen, die wir auch in der BVV hatten und die von Demonstrationen begleitet waren, gingen auch immer um die Frage, wie wir stille Jugendeinrichtungen so gerade mit einem wackligen Modell erhalten, damit wir es nicht schließen müssen. Das hat vor allem dazu geführt, dass viele kleine Träger, die oft auch Vereine aus drei oder vier Leuten sind, selbst auf Gehalt verzichtet haben, um weiter arbeiten zu können. Wir hatten den Gehaltsverzicht von zehn Prozent nämlich nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch im noch stärkeren Ausmaß bei den freien Trägern. Bloß, dass die sozusagen nicht mit der Tarifbindung der letzten Jahre wieder hochgehen konnten. Dieses Problem betrifft vor allen Dingen kleine Träger. Größere Träger haben in aller Regel mehr Luft, um auch mal eine Durststrecke aus Eigenmitteln durchstehen zu können und bessere Tarifverträge zu geben. Das Ziel, was wir haben, alle nach Tarif zu bezahlen, finde ich absolut richtig. Es ist auch absolut notwendig, denn der Marktdruck auf dem Fachkräftemarkt, im Bereich der Sozialarbeit und der Erzieher ist enorm stark. Die Systematik, die Frau Reiser aufgezeigt hat, zeigt schon, dass wir damals gar nicht so ein großes Interesse daran hatten, das sie so viel Geld bekommen, denn wir haben es bei dem TV-L gedeckelt. So ist es in der Vergangenheit gewesen und wir waren sehr dankbar, dass so viele Sozialarbeiter und so viele Erzieher für weniger Geld gearbeitet haben, damit wir die Jugendeinrichtungen nicht schließen mussten. Das dürfen wir an dieser Stelle nicht vergessen. Es gibt ganz verschiedene Träger, manche sind wie gesagt Vereine aus drei oder vier Personen, die dann oft selber dort mitarbeiten und dann auch ihr Gehalt dort beziehen und dann gibt es größere Träger, mit mehreren hundert Angestellten, bei denen die Jugendarbeit nur ein Bereich ist, in dem sie tätig sind und die auch die Möglichkeit haben, über andere Leistungen, die sie erbringen, für eine bestimmte Zeit, Leistungen aus eigenen Mitteln quer zu finanzieren. Deshalb möchte ich mich nochmal bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch gerade die, die untertariflich gearbeitet haben in den letzten zehn Jahren, herzlich bedanken, dass sie uns ermöglicht haben diese Jugendeinrichtungen fortzuführen. Vielen Dank.

Frau Schrader (Linke): Meine sehr geehrte Damen und Herren. Wir haben das völlig richtig dargestellt, ich erinnere an die letzten Jahre, an die Debatten, auch im Hinblick darauf, dass wir an freie Träger übertragen. Das haben wir gemacht. Wir haben dabei auch natürlich mehr Leistung für weniger Geld bekommen haben. Das muss man so sagen. Deshalb müssen wir uns auch immer bewusst sein, dass solche Forderungen nach tarifgerechter Bezahlung richtig sind, aber sie bindet in erster Linie uns selber. Das muss uns klar sein. Denn wenn wir das zu Recht einfordern, weil wir auf die Leistungen angewiesen sind, dann bedeutet das auch, dass wir mehr dafür aufwenden. Diese Überlegung muss man dann folgerichtig anstrengen und das auch haushaltsrechtlich absichern. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, Frau Reiser hat das schon dargelegt, dass das Vergaberecht in diesem Fall, bei den Leistungen, nicht gilt. Nichtsdestotrotz führen wir, wie auch in der Vergangenheit, Interessensverfahren durch. Da legt der Jugendhilfeausschuss bestimmte Kriterien fest, an denen er dann seine Entscheidungen ausrichtet, für welchen Träger er sich entscheiden wird. Da ist natürlich die tarifgerechte oder die angemessene Bezahlung auch ein Punkt unter vielen, aber im Gegensatz zum Vergaberecht nicht der letztendlich entscheidende Punkt, was die Leistung insgesamt kostet, sondern wir haben viel mehr die Möglichkeit qualitative Kriterien anzusetzen und nicht zuletzt gilt das Vergaberecht auch nicht, weil wir dieses klassische Dreiecksverhältnis haben.  Zum Beispiel wird im Bereich der Hilfe zu Erziehung die Hilfe vom Amt bewilligt, dann haben wir aber nach Wunsch- und Wahlrecht nach SGB VIII dort zu wählen und damit ist das Vergaberecht im eigentlichen Sinne schon obsolet. Es gibt da viele rechtliche Konstruktionen und trotzdem machen wir es. Die Frage ist letztendlich, was es uns als Land uns als Bezirk wert ist und die Frage müssen wir uns immer stellen. Wenn wir dahin kommen wollen, dass unsere soziale Infrastruktur, das ist  nicht nur der Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, nicht mehr, das war Jahre der Fall, vom Jobcenter oder von der Arbeitsagentur bezahlt wird, wenn wir das wirklich wollen, dann müssen wir uns zu allererst selbst in die Pflicht nehmen.

 

 

 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
BVV Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Sitzungsteilnehmer Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen