Auszug - Neue Milieuschutzgebiete – Verdrängung kennt keine Sommerpause  

 
 
20. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVE-Stream)
TOP: Ö 9.3
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 20.09.2018 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 23:00 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
1370/V Neue Milieuschutzgebiete – Verdrängung kennt keine Sommerpause
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion DIE LINKEFraktion DIE LINKE
Verfasser:Urchs, Mayer und die anderen Mitglieder der Fraktion DIE LINKE 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Wortprotokoll

  1. Warum wurde die beschlossene Milieuschutzgebiete Reinickendorfer Straße und Kattegatstraße nicht umgehend festgesetzt und sind auch nach 3 Monaten nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden?

Herr BzStR Gothe antwortet: „Im Kern richten sich Ihre Fragen auf das neue Milieuschutzgebiet Reinickendorfer Straße und das Einzelgrundstück Koloniestraße 10. Zentrale Frage hierbei ist, hätten wir das Vorkaufsrecht dort ausüben können, wenn wir beim Festsetzungsprozess schneller gewesen wären.

Ich bin sehr dankbar über Ihre Frage, weil sie eines der wichtigsten politischen Handlungsfelder berührt, das wir zur Zeit in Berlin haben. Ich möchte Ihnen kurz sagen, wo wir stehen.

nf Gebiete haben wir schon, zwei in Moabit, drei in Wedding. Die Schutzgebiete sind festgesetzt. In diesen fünf Gebieten leben 100.000 Menschen von 380.000 insgesamt im Bezirk, also immerhin ein gutes Viertel unserer Bevölkerung lebt schon in Milieuschutzgebieten. In diesen fünf Gebieten konnten wir drei Häuser erwerben, wobei eins leider noch vor Gericht auszufechten ist. Bei acht Häusern konnten wir durch Androhung des Vorkaufsrechts Abwendungsvereinbarungen erreichen. Und für immerhin schon 2.600 Wohnungen konnten wir im Rahmen von Modernisierungsgenehmigungen die Modernisierung auf ein sozialverträgliches Maß begrenzen. Das ist der Kern dessen, was in Milieuschutzgebieten passiert. Das ist der Kern des amtlichen Handelns. Das bedeutet, dass rund 5.000 Menschen in diesen fünf Gebieten nicht gezwungen werden können, aufgrund der ansonsten zulässigen Folgen von Modernisierung auf die Suche nach einer leistbaren Wohnung gehen zu müssen. Also eigentlich eine schöne Bilanz für diese fünf schon vorhandenen Gebiete.

 

  1. In welcher zeitlichen Abfolge erfolgen Aufstellung, Festsetzung und Erlass von Milieuschutzgebieten in der Regel und ab welchem Zeitpunkt ist die Anwendung des Vorkaufsrechts möglich?
  2. Welche Teile und zu welchem Zeitpunkt wurde die Liegenschaft Koloniestraße 10 durch die ZBI Zentral Boden Immobilien AG veräert?
  3. Inwiefern ist die Teilung und der Weiterverkauf eines Grundstücks nach Aufstellung eines Milieuschutzgebietes möglich, wenn damit die Verdrängung der Bestandsmieter*innen einhergeht?
  4. Warum wurde der Aufstellungsbeschluss für die neuen übrigen Milieuschutzgebiete in Moabit / Tiergarten nicht wie von der BVV am 21.06.2018 beschlossen gefasst?
  5. Welche Zielstellungen einer sozialen Erhaltungssatzung sind nach dem Aufstellungsbeschluss und vor der Festsetzung umsetzbar und welche nicht?

Herr BzStR Gothe antwortet: „Zwei neue Gebiete in Wedding, Kattegatstraße und Reinickendorfer Straße , mit zusammen 17.000 Bewohnern, sind am Dienstag im Gesetz- und Verordnungsblatt die entsprechenden Mitteilungen erschienen, und haben damit seit gestern den Status Milieuschutzgebiet erhalten. Das ist eine sehr gute Sache. Es folgen im Oktober und November weitere Gebiete, nämlich der Soldiner Kiez/die Soldiner Straße, das Gebiet am Humboldthain Nord-West, die Thomasiusstraße in Moabit, sowie der ganze Bereich Tiergarten-Süd, mit insgesamt weiteren 35.000 Bewohner*innen. Somit haben wir insgesamt 150.000 Menschen im Bezirk Mitte, und damit 40% der Gesamtbevölkerung, die damit unter Milieuschutz stehen. Das ist, finde ich, eine sehr sehr gute Entwicklung, und das sollte man durchaus gutheißen und auch betonen, dass wir hier auf einer guten Entwicklungsschiene insgesamt sind.

Daran schließt sich, die Frage an, wie es weiter geht. Die Debatte darum, ob man ganz Berlin zu einem Milieuschutzgebiet erklären könnte oder evtl. die gesamte Innenstadt, finde ich, ist eine gute Fragestellung. Wir können anhand von Fallzahlen nachverfolgen, dass das Kaufinteresse zielgerichtet an die Ränder der Milieuschutzgebiete geht in den Zwischenräumen, die nicht unter Schutz stehen, die Verkäufe zunehmen. Daher ist das eine ganz wichtige Frage.

 

Bezüglich der Reinickendorfer Straße: Der BVV-Beschluss dazu erging am 21.06.2018. Am 29.06.2018 ist im Amtsblatt bekanntgegeben worden, dass es einen Aufstellungsbeschluss gibt. Die Anfrage bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erfolgte am 11.07.2018. Die Antwort dazu erfolgte bereits am 17.07.2018. Die Prüfung der Rechtsverordnung war am 16.08.2018 abgeschlossen. Der BA-Beschluss erfolgte am 04.09.2018. Die Festsetzung erfolgte vorgestern, am 18.09.2018, im Gesetz- und Verordnungsblatt.

Ihre Kritik lautet vermutlich, warum haben wir dafür 12 und nicht z.B. 7 Wochen gebraucht. Das verstehe ich und hätte es mir auch gewünscht. Ihre Überschrift, „Verdrängung kennt keine Sommerpause“, ist absolut richtig, und natürlich wäre es schöner gewesen, wenn es schneller gegangen wäre.

Im Fall der Koloniestraße 10 hätte es uns aber nicht geholfen, denn -wie wir dann erfahren haben - ist der Verkaufsvorgang dort schon am 08.03.2018, also lange vor dieser Schiene, notariell über die Bühne gegangen. Das ist der entscheidende Stichtag für die Frage, ob das Vorkaufsrecht angewendet werden kann. Nicht erst der Antrag auf ein Negativ-Zeugnis, der Anfang August bei uns eigegangen ist. Deshalb wussten wir es vorher auch noch nicht. Somit gab es am 27.08.2018 auch eine Bestätigung, dass das erfolgen kann. Weiterhin kommt bei diesem Fall erschwerend hinzu, dass nur der hintere Teil dieses langgezogenen Grundstücks verkauft worden ist. Das Vorderhaus mit den 10 Wohnungen ist beim alten Eigentümer geblieben. Das heißt, nur der hintere Teil mit den Remisen und insgesamt vier Wohnungen wurde verkauft. Das heißt, der Verkaufsvorgang hätte sich dann auf ein Objekt mit vier Wohnungen bezogen, was nach unseren Kategorien unter der Schwelle ist, bei der wir einschreiten. Wir hätten dort auch nur ein gefangenes Grundstück erwerben können, weil es kein erschlossenes Grundstück ist. Man muss durch das Vorderhaus durch, damit es erschlossen ist. Nur der Nachbar hat natürlich den Vorteil, dass er über sein Nachbargrundstück die Erschließung dieses hinteren Teiles bewerkstelligen kann. Insofern wäre es, selbst wenn wir alles rechtzeitig gemacht hätten und noch viel früher gewesen wären, bzw. wenn der Verkaufsvorgang erst jetzt erfolgt wäre, ausgesprochen schwierig gewesen, hier das Vorkaufsrecht anzuwenden.“

 

 

 

Aufgrund des Zeitablaufs waren Nachfragen der Bezirksverordneten nicht mehr möglich.

 
 

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