Auszug - Räumung der Kameruner Straße 5  

 
 
17. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM)
TOP: Ö 8.1
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 19.04.2018 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 22:40 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
1205/V Räumung der Kameruner Straße 5
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenFraktion Bündnis 90/Die Grünen
Verfasser:Kurt 
Drucksache-Art:DringlichkeitsanfrageDringlichkeitsanfrage
 
Wortprotokoll

Der Dringlichkeit wird bei Enthaltung der Fraktion der AfD einstimmig zugestimmt.

 

Bezugnehmend auf https://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/ratten-und-kot-berliner-polizei-raeumt-das-horror-haus frage ich das Bezirksamt:

 

  1. Welche konkreten Gründe waren maßgeblich dafür, das Haus Kameruner Straße 5 zu räumen?

 

Herr BzStR Gothe antwortet: „Wir hatten am Dienstag schon die Gelegenheit, uns ausführlich damit im Ausschuss für Soziales und Gesundheit zu befassen. Die Räumung des Gebäudes war als Maßnahme der Gefahrenabwehr und insbesondere aus Gründen des Gesundheitsschutzes zwingend erforderlich. Der Bezirk hat seit geraumer Zeit den Dialog zum Eigentümer des Grundstücks gesucht und hierbei versucht, auf die Abarbeitung dringend erforderlicher Instandsetzungsmaßnahmen am Gebäude hinzuwirken. Wir haben, wie Sie sicherlich mitbekommen haben, über die letzten Monate eine ganze Reihe von Zwangsmaßnahmen schon durchgeführt, dreimal zur Rattenbekämpfung und dreimal r die Müllabfuhr zur Beseitigung des Mülls im Innenhof. Die Zustände verschlechterten sich dann immer binnen von Wochen und insofern war es in Prinzip kein Ansatz für eine dauerhafte Lösung. Die Sache verschärfte sich nochmal vehement, als im Februar das Frischwasser durch die Berliner Wasserbetriebe abgedreht wurde, was damit zusammenhing, dass die Berliner Wasserbetriebe einen regelmäßig hohen Durchfluss feststellten, sodass anzunehmen war, dass es größere Leckagen gab, die größere Arbeiten an den Wasserleitungen erforderlich machten. Das war aber nicht möglich, da der Eigentümer nicht kooperativ war. Es war daher notwendig, die Unbewohnbarkeit dieses Gebäudes auszusprechen. Im Bezirksamt hatten wir uns Anfang März dazu verständigt und einen entsprechenden Bescheid gegenüber dem Eigentümer erlassen. Parallel wurden zu dem Zeitpunkt bereits alle dort nach unserer Kenntnis melderechtlich erfassten Personen ebenfalls benachrichtigt. Ihnen wurde mitgeteilt, dass die Nutzung des Gebäudes nicht weiter möglich ist.

Mit den am Montag angewandten Zwangsmaßnahmen wurden die auf dem Grundstück lebenden Bewohner*innen, auch zu deren Schutz, aus den Gebäuden geholt, unter Einbeziehung weiterer Dienststellen des Bezirks, die Hilfestellung zur Notlage leisteten.“

 

  1. Warum fand die polizeiliche Räumung erst jetzt statt?

 

Herr BzStR Gothe antwortet: „Wie gesagt, wir hatten schon Anfang März im Bezirksamt die Räumung beschlossen und dann die notwendigen verwaltungsjuristischen Schritte in Bewegung gesetzt. Da der Eigentümer auch hierbei nicht kooperierte, indem er zum Beispiel versuchte, die Annahme der Zustellung zu erschweren, indem er den Namen von Briefkasten nahm. Es war ein wirklich schwieriger Akt, zu dokumentieren, dass der Eigentümer den Bescheid erhalten hat. Im weiteren Verlauf hatten wir am 19.03.2018 die Möglichkeit, die Räumung als Zwangsmaßnahme durchzusetzen. Wir benötigten jedoch die Zeit bis zum 16.04.2018, um die Planung und Umsetzung des Einsatzes vorzubereiten.“

 

  1. Welche konkreten Maßnahmen ergreift das Bezirksamt bis wann, um das Haus wieder in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen, damit die BewohnerInnen in ihr Haus zurückkehren können?

 

Herr BzStR Gothe antwortet: „Als erstes haben wir dafür gesorgt, dass der Zugang zum Gebäude nicht mehr möglich ist. Die Fenster wurden verschalt, eine neue Tür wurde eingebaut, zu der nur das Bezirksamt den Schlüssel besitzt. Als nächstes werden wir gehalten sein, mit dem Eigentümer in Kontakt zu treten und mit ihm zu diskutieren, ob er sich in der Lage sieht, das Haus in diesen Zustand zu bringen. Ich vermute, dass das nicht möglich sein wird. Wir werden auch erneut und mit Nachdruck ihm den Vorschlag machen, dass wir das Haus durch eine Wohnungsbaugesellschaft erwerben. Auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat bekräftigt, dass dieser Weg wünschenswert ist und die Bereitschaft dazu besteht. Wir sind uns im Bezirksamt einig, dass wir einen Weg finden wollen, der es ermöglicht, das Haus möglichst schnell wieder Wohnzwecken zuzuführen und nicht zuzuschauen, dass das Haus leer steht und weiter verfällt. Dazu werden wir die neuen Instrumente des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes prüfen. Meine Kollegin, Frau Dr. Obermeyer, und ich versprechen heute aber keinesfalls, dass es diesen Weg geben wird. Es ist einfach noch zu unsicher, ob das neue Gesetz diesen Weg wirklich eröffnet. Es gibt dazu bisher noch keine Praxis. Deshalb möchte ich hier keine Versprechungen machen. Aber wir werden zügig mit der Senatsverwaltung direkt in Kontakt treten, um zu schauen, wie es gelingen kann. Frau Dr. Obermeyer hat den Kontakt zur Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereits gesucht, die wiederum auch schon bei mir angerufen haben, um ihr Interesse mitzuteilen, die Bewährung dieses Instruments in Augenschein nehmen zu wollen. Wir wären dann sozusagen ein Pilotbezirk mit einem Pilotprojekt. Unsere Hoffnung ist natürlich, dass wir darüber einen Weg bekommen.

Abschließend möchte ich betonen, dass verschiedenen Ämter bei der Vorbereitung dieser Aktion hervorragend zusammengearbeitet haben, namentlich die Bauaufsicht, das Amt für Soziales, das Jugendamt und der Integrationsbeauftragte, mit der Berliner Polizei zusammen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Mitarbeiter*innen hierfür nochmal herzlich zu bedanken.“

 

 

Herr BV Kurt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen konkretisiert, dass der Bezirk in der Presse den Fokus der Kritik tte auf den Vermieter legen sollen, nicht auf das Haus. Auch die Perspektive der Bewohner sei nicht gewürdigt worden. Er hinterfragt, ob das Bezirksamt das weitere Schicksal der Bewohner verfolge, auch derjenigen, die nicht in die Zuständigkeit des Bezirksamts Mitte fallen.

Herr BzStR Gothe berichtet, dass die Presse nach den konkreten Gründen der Räumung fragte, sodass über den Zustand des Hauses berichtet worden sei. Die Menschen, die im Haus wohnten, lägen dem Bezirksamt selbstverständlich am Herzen, was auch zu der Entscheidung führte, zum Wohl dieser und mit Blick auf deren Gesundheit das Haus zu räumen.

 

Herr BV Roet von der Fraktion der FDP erfragt, ob der bei Inaugenscheinnahme des Hauses Anzeichen erkennbar waren, dass der desolate Zustand ggf. auch durch die Bewohner selbst verstärkt worden war. Herr BzStR Gothe schildert, dass das Wasser im Haus abgestellt werden musste. Die Inaugenscheinnahme des Hauses bei der Räumung zeigte, dass der Zustand des Hauses sich verschlechtert hatte, voraussichtlich weil es trotz abgestellten Wasser weiter bewohnt wurde. Auf keinen Fall möchte er sich dazu kritisch oder wertend äern, dass Menschen offenbar in der Notlage waren, auch ein solches Haus zu bewohnen, um ein Dach über dem Kopf zu haben.

Herr BzBm von Dassel ergänzt, dass trotz der Zwangs- und Notlage der Bewohnenden, die mehrfachchtlichen Einsätze der Polizei dokumentieren, dass zudem massive Sicherheitsprobleme seitens der sich dort aufhaltenden Menschen ausgegangen seien. Es habe 16 Haftbefehle gegeben.

Herr BzStR Gothe berichtet ergänzend, dass für 82 Personen, die bis zum letzten Herbst in dem Haus wohnten, Unterbringungsmöglichkeit gesucht und gefunden worden seien, es betraf vor allem auch mindestens 7 Kinder, deren leibliches Wohl gefährdet war. Innerhalb weniger Tage wurden diese leer gezogenen Räume von anderen Menschen genutzt. Es sei nicht durchschaubar gewesen, wer diese Räume vermittelt habe und auf welche Art und Weise und in welcher Höhe Mieten eingetrieben worden seien. Es sei klar, dass es sich nicht um eine Hausgemeinschaft handelte, es sei eine sehr stressbehaftete Situation für alle, die dort lebten, gewesen.

 

Herr BV Bertermann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erkundigt sich, ob es zu dem betreffenden Eigentümer einen bezirksübergreifenden Austausch zwischen den Bezirksstadträten gebe. Herr BzStR Gothe informiert, dass es einen entsprechenden Austausch mit dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf gegeben habe. Dieser schaue sehr gespannt auf den aktuellen Prozess in Mitte. Der letzte reguläre Bewohner des Hauses könne berichten, dass der Zerfall ein schleichender Prozess gewesen sei und durch die letzte Hausverwaltung, die kriminell zu sein schien und inzwischen abtauchte, verstärkt worden sei.

 

 
 

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