Drucksache - DS/1246/VIII  

 
 
Betreff: Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in den sozialen Erhaltungsgebieten im Bezirk Lichtenberg für die Grundstücke Einbecker Straße 19 und Leopoldstraße 36
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:BzStRin StadtSozWiArb 
Drucksache-Art:Vorlage zur KenntnisnahmeVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin Entscheidung
16.05.2019 
31. Sitzung in der VIII. Wahllperiode der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
VzK PDF-Dokument

Das Bezirksamt bittet die Bezirksverordnetenversammlung, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:

 

Das Bezirksamt hat beschlossen:

 

a)        in den beiden festgelegten sozialen Erhaltungsgebieten nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB „Kaskelstraße“ und „Weitlingstraße“ in Lichtenberg soll nach erfolgreicher Vorprüfung das Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB zugunsten Dritter gemäß § 27 a BauGB ausgeübt werden. Den Käufern muss vor Ausübung des Vorkaufsrechts Gelegenheit zur Anhörung angeboten werden. Die jeweiligen Käufer sind auf die Möglichkeit der Abwendung des Vorkaufsrechts nach § 27 BauGB hinzuweisen. In der Abwendungsvereinbarung hat sich der jeweilige Käufer zur Einhaltung der sozialen Ziele des Erhaltungsgebietes für sich und seine Rechtsnachfolger zu verpflichten.

 

b)        das Vorkaufrecht gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB soll zugunsten Dritter gemäß § 27 a BauGB für die folgenden Grundstücke ausgeübt werden:

  •         Einbecker Straße 19 (Erhaltungsgebiet Weitlingstraße) und
  •         Leopoldstraße 36 (Erhaltungsgebiet)

 

c)        mit dem Abschluss einer Vereinbarung über die Verpflichtung des vorkaufsbegünstigten Dritten gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 27 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB sowie mit der Herstellung und Übermittlung des Bescheids zur Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 24 fff BauGB wird die Leiterin der Abteilung Stadtentwicklung, Soziales, Wirtschaft und Arbeit beauftragt.

 

d) die Vorlage in der beiliegenden Fassung der BVV zur Kenntnis zu geben.

 

Anlage: Begründung für die Ausübung des Vorkaufsrechts in sozialen Erhaltungsbieten

 


Anlage

 

Begndung r die Ausübung des Vorkaufsrechts in
sozialen Erhaltungsbieten

 

Der Bezirk Lichtenberg übt in sozialen Erhaltungsgebieten gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB sein Ermessen in Bezug auf sein Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB aus, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dabei kommt ein Ankauf insbesondere dann in Betracht, wenn die im Folgenden genannten Kriterien für eine Ausübung sprechen:

 

  1. Das Objekt wird überwiegend zu Wohnzwecken genutzt.
  2. Das Objekt verfügt über mindestens acht Wohneinheiten.
  3. Das Objekt ist nicht in Wohnungseigentum aufgeteilt.
  4. Die überwiegende Anzahl der Wohnungen übersteigt nicht den durchschnittlich vorhandenen Ausstattungsstandard im betreffenden Erhaltungsgebiet.
  5. Die Wohnungsgrößenstruktur entspricht im Wesentlichen dem gebietstypischen Wohnraumbedarf.
  6. Die Nettokaltmiete der überwiegenden Anzahl der Wohnungen im Objekt übersteigt die durchschnittliche Gebietsmiete um nicht mehr als 10%.
  7. Es stehen Wohnungen leer bzw. sind unvermietet.

 

Es müssen im Einzelfall nicht alle Ermessenskriterien erfüllt sein.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB setzt gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB voraus, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung rechtfertigt. Diese Vor­aussetzung ist bereits dann erfüllt, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts den mit § 24 Abs. 1 BauGB vom Gesetzgeber gebilligten Zwecken dient.

Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts soll die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus städtebaulichen Gründen wirksamer geschützt werden. Unter den Bedingungen eines angespannten Wohnungsmarktes sind insbesondere einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen mit einem Haushaltseinkommen unterhalb des Berliner Durchschnittniveaus in den sozialen Erhaltungsgebieten in hohem Maße verdrängungsgefährdet. Dies belegen alle empirischen Untersuchungen zur Begründung von Erhaltungsverordnungen für die sozialen Erhaltungsgebiete.

Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts werden die Ziele der Erhaltungsverordnung gefördert, da mietwirksame Bau- und Modernisierungsmaßnahmen sowie die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen durch den Ankauf effektiver beschränkt werden können als dies ohne den Ankauf der Fall wäre.

Negative städtebauliche Folgen von Verdrängungsprozessen

Die Verdrängung von relevanten Teilen der Wohnbevölkerung hat deutliche negative städtebauliche Folgen, weil in anderen Teilen des Bezirks Lichtenberg bzw. des Landes Berlin für den verdrängten Bevölkerungsteil geeigneter Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt werden müsste. Dies ist einerseits mit der Entstehung einseitiger und damit nicht stabiler Bewohnerstrukturen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) in den entsprechenden Gebieten verbunden. Andererseits steht aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes bezahlbarer Wohnraum für diese Bevölkerungsgruppen auch nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Gerade diese Bevölkerungsgruppen können sich in Konkurrenz mit einkommensstärkeren Bewohnergruppen nicht oder nur schwer auf dem Wohnungsmarkt mit adäquatem Wohnraum versorgen. Die überwiegende Anzahl der Wohnungen übersteigt nicht den durchschnittlich vorhandenen Ausstattungsstandard im betreffenden Erhaltungsgebiet.

Der gebietstypische Ausstattungsstandard beinhaltet i.d.R. einen größeren Spielraum für mietwirksame bauliche Aufwertungsmaßnahmen.

Ein überdurchschnittlich hoher Ausstattungsstandard kann dagegen als Indikator für bereits erfolgte Aufwertungsmaßnahmen mit in der Regel überdurchschnittlich hohen Mieten betrachtet werden. Mit der erheblichen Abweichung des Ausstattungsstandards ist das Gebäude daher nicht mehr geeignet, die Bevölkerungsstruktur zu erhalten.

Eine mietwirksame Aufwertung ist allein durch Anwendung des Genehmigungsvorbehalts aus § 172 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 BauGB nicht zu verhindern. Denn § 172 Abs. 4 S. 2 und 3 BauGB enthält mehrere Ausnahmen, in denen die erhaltungsrechtliche Genehmigung ungeachtet des Umstandes, dass die jeweilige Maßnahme das Erhaltungsziel gefährdet, zu erteilen ist. So erweisen sich erfahrungsgemäß bereits die zwingend zu genehmigenden Maßnahmen zur Schaffung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung (vgl. § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB) für die betroffenen Mieter mit geringem Einkommen als problematisch. Auch die energetische Sanierung im Sinne der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung kann erhaltungsrechtlich nicht verhindert werden (vgl. § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1a BauGB). Die Umlage der Herstellungskosten bzw. die Möglichkeit der Geltendmachung eines Zuschlages für Sondermerkmale nach dem Berliner Mietspiegel können in der Summe jedoch zu Kostensteigerungen führen, welche für  Teile der Mieterschaft - im Erhaltungsgebiet nicht mehr tragbar wären.

Das Objekt kann durch einen Dritten übernommen werden.

Die Ausübung erfolgt im Regelfall gemäß § 27a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB zugunsten eines Dritten. Ein Ankauf kommt nur in Betracht, sofern ein ankaufswilliger und geeigneter Dritter zur Verfügung steht. Der Dritte hat sich vertraglich gegenüber dem Bezirk zu verpflichten, das Vorkaufsobjekt entsprechend dem Ziel der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu verwalten und im Bestand zu halten, solange die Erhaltungsverordnung in Kraft ist (§ 27a Abs. 1 S. 2 BauGB). Als Dritter kommen in erster Linie städtische Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungsbaugenossenschaften oder gemeinnützige Stiftungen in Betracht.

Aufgrund ihrer Aufgabenstellung und ihrer personellen Ausstattung sind sie besser in der Lage, die Immobilie dauerhaft entsprechend dem Erhaltungsziel zu bewirtschaften und zu verwalten als der Bezirk bzw. die Gemeinde.

Das zwischen Senat und den städtischen Wohnungsbaugesellschaften geschlossene „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ verpflichtet die städtischen Wohnungsgesellschaften in besonderer Weise zu einer sozialen Wohnraumversorgung aktiv beizutragen.

Der Ankauf durch einen Dritten erfordert dessen Bereitschaft und dessen Fähigkeit, das Erhaltungsziel dauerhaft zu beachten. Der Erwerb kann einem Dritten aber nicht aufgedrängt werden, zumal er sich gegenüber dem Bezirk zu verpflichten hat, das Objekt entsprechend den Erhaltungszielen zu bewirtschaften.

Dem Käufer wird eine Abwendungsvereinbarung angeboten.

Nach § 27 Abs. 1 S. 1 BauGB kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Bezirk abwenden, wenn er in der Lage ist, das Grundstück entsprechend dem Erhaltungsziel zu nutzen und sich vor Ablauf der zweimonatigen Ausübungsfrist nach § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB hierzu schriftlich gegenüber dem Bezirk verpflichtet. Der Bezirk bietet dem Käufer rechtzeitig den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung an.

Will der Käufer die Ausübung des Vorkaufrechts abwenden, hat er sich darin zu verpflichten, auf die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum sowie auf die Durchführung von baulichen Maßnahmen zu verzichten, die das Ziel der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gefährden können. Diese Verpflichtungen gelten grundsätzlich für die Dauer von 20 Jahren bzw. die Geltungsdauer der Erhaltungsverordnung.

 

 

 
 

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